Samstag, 3. September 2022

Die blonde Haarfarbe - Erst seit dem Spätneolithikum wurde sie häufiger

Ebenso die helle Hautfarbe - Erst seit der Bronzezeit wurde sie häufiger

Im Supplement der neuen Studie vom 25. August 2022 (siehe letzter Beitrag) gibt es den Abschnitt S3 "Pigmentation variation of the Southern Arc in relation to West Eurasians", sprich "Pigmentierungs-Vielfalt im 'Südlichen Bogen' im Vergleich zu den übrigen West-Eurasiern" (1, Suppl., S. 18 bis 24).

Abb. 1: Diadumenos - Eine Skulptur des griechischen Bildhauers Polyklet, um 440 v. Ztr. (Wiki) (Römische Marmorkopie des 1. Jh. n. Ztr. nach dem Bronzeoriginal)

Hier scheint sich als neue Erkenntnis heraus zu schälen, daß die blonde Haarfarbe zwar schon am Jennissei in Sibirien vor 15.000 Jahren aufgetreten ist, ebenso bei den osteuropäischen Jägern und Sammlern und beim Urvolk der Indogermanen, daß sie aber in der Zeit um 3.500 v. Ztr. bei den Völkern indogermanischer Sprache (Afanasiewo, Jamnaja und Schnurkeramik), mit denen sich die indogermanische Genetik und Sprache auch bis nach Griechenland und Armenien ausgebreitet hat, so gut wie gar nicht vorhanden war, und daß sie erst ab der Sintashta-Kultur, mit der sich die indogermanische Genetik und Kultur bis Nordindien ausbreitete, größere Häufigkeit aufgewiesen hat.

Dieser Umstand steht in einem gewissen Gegensatz dazu, daß in der Dichtung des Homer viele handelnde Götter und Menschen als "blond" dargestellt werden. Die Haarfarbe blond scheint also in der antik-griechischen Kultur eher ein kulturelles Ideal dargestellt zu haben, denn tatsächlich unter den Menschen verbreitet gewesen zu sein.

Bisheriger Kenntnisstand

2017 hatten wir zum damaligen Forschungsstand des frühesten Auftretens der blonden Haarfarbe in Menschenvölkern ausgeführt (Stgen2017):

Die blonde Haarfarbe findet sich schon 15.000 v. Ztr. bei Mammutjägern in Sibirien im Genom. Ähnlich alt ist auch die blaue Augenfarbe, die aber zuerst bei den westeuropäischen Jägern und Sammlern der Villabruna-Kultur auftritt. Blonde Haare gab es bei den osteuropäischen Jägern und Sammlern, nicht aber bei den mittel- und westeuropäischen Jägern und Sammlern. Die vorneolithischen Bevölkerungen in Ostmitteleuropa (vom Donauraum bis Lettland) und Skandinavien waren Mischbevölkerungen zwischen west- und osteuropäischen Jägern und Sammlern. Die blonde Haarfarbe gab es auch schon bei dem ausgestorbenen Ertebolle-Volk rund um den Ostseeraum. Ebenfalls findet man bei ihnen helle Haut und blaue Augen. Die blonde Haarfarbe gab es dann auch schon - zumindest in Anteilen - bei den Urindogermanen (Yamnaya-Kultur).

Wir hatten weiterhin ausgeführt (Stgen2017):

Es wird deutlich, daß die Erforschung der Gen-Variante "rs12821256", die mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit einher geht, blonde Haarfarbe zu haben, viel beitragen wird zur Erhellung des Einflusses der Indogermanen und Germanen auf die Weltgeschichte überhaupt. 

Letztes Jahr hatten wir außerdem auf blonde Menschen in Pommern um 3.000 v. Ztr. hingewiesen (Stgen2021) (wobei es sich - vermutlich - um Angehörige der Kugelamphoren-Kultur gehandelt hat).

Wir hatten uns vor drei Jahren auch mit der Tatsache auseinander gesetzt, daß die heutigen Skandinavier noch einmal häufiger blonde Haarfarbe aufweisen als das ihre Vorfahren, die Wikinger im Frühmittelalter getan haben (Stgen2019). Dadurch war schon deutlich geworden, daß es über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg in verschiedenen Erdregionen zu Häufigkeitsverschiebungen in bestimmten menschlichen Eigenschaften kommen kann, und daß es leicht zu Fehlschlüssen führen könnte, wenn man von der heutigen Verbreitung der Häufigkeit einer bestimmten angeborenen Eigenschaft gar zu simpel auf eine solche in vorgeschichtlichen Bevölkerungen zurück schließen möchte (was bekanntlich von den "Rassetheoretikern" der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr umfangreich getan worden ist).

Blonde Haarfarbe um 6.000 v. Ztr. am Marmara-Meer

In der neuen Studie von Lazaridis und Mitarbeitern vom 25. August 2022 werden die Zusammenhänge rund um die Weltgeschichte der Eigenschaften blonde Haarfarbe und helle Hautfarbe noch einmal etwas detaillierter dargestellt (1, Suppl.). Allerdings wird dabei auf die von uns soeben referierten Daten nicht Bezug genommen. Die Forscher schreiben auch selbst, daß sie in diesem Supplement die Thematik der Evolution der Körperpigmente nicht erschöpfend und umfassend behandeln wollen. Hier wird man noch auf weitere Studien warten müssen.

Zu den uns bislang nicht bekannten Daten gehören die Angaben (1, Suppl., S. 23):

Blondes Haar gab es im Neolithikum in Anatolien am Fundort Barcın (Türkei), sowie im kupferzeitlichen südöstlichen Europa (Rumänien bei Bodrogkeresztur), in der Kupferzeit der Levante (Israel) und bei einem Angehörigen der Kultur der Minoer aus Lasithi.
Blond hair was present in the Neolithic of Anatolia (Turkey) at Barcın, Chalcolithic Southeastern Europe (Romania at Bodrogkeresztur), Chalcolithic of the Levant (Israel), and a Minoan from Lasithi.

Die neolithische Siedlung bei Barcın (Wiki) wurde um etwa 6.500 v. Ztr. begründet. Sie liegt etwa 50 km östlich des Südufers des Marmara-Meeres, grob 100 km südlich von Istanbul/Konstantinopel/Byzanz. Von unserem bisherigen Kenntnisstand her gesehen, ist es ziemlich unerwartet, daß dort die Haarfarbe blond aufgetreten ist. Hat sie sich dorthin mit kleinen Anteilen osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik ausgebreitet? Ist sie dort durch Zufalls-Mutationen neu und für sich entstanden? In der Studie von 2015, auf die hier Bezug genommen wird, finden wir darauf - jedenfalls mit einem kurzen Blick hinein - keine Antwort. (Irgendwo in den Tabellen wird sich die Angabe dazu wohl finden. Man wird aber trotzdem noch einmal umfassendere Fachartikel zu diesem speziellen Thema abwarten müssen, um hier Einordnungen zu bekommen.)

Zu der hier genannte Bodrogkeresztúr-Kultur (4000-3600/3500 v. Ztr.) (Don-Arch) (Wiki) hatten wir schon ausgeführt, daß es sich bei ihr um eine Nachfolge-Kultur der vorhergehenden Tiszapolgár-Kultur (4.500/4400-4.000 v. Ztr.) (Wiki) im selben Raum handelte, allerdings mit neuerlicher Einmischung einheimischer Balkan-Jäger-Sammler-Genetik - die, so möchten wir hier ergänzen, durchaus angestoßen worden sein könnte durch die erste Welle der "sporadischen" Ausbreitung von Urindogermanen bis in die ungarische Tiefebene während des 5. Jahrtausends v. Ztr.. Nicht ganz so unwahrscheinlich erscheint es uns da auch, daß es Einmischungen osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik in die Balkan-Jäger-Sammler-Genetik gegeben hat, die diese Eigenschaft mit sich gebracht haben könnte. Aber zu all diesen Fragen müssen wir wohl noch künftige Forschungen abwarten.

Ähnliches gilt für die genannte, sporadisch auftretende Blondheit im kupferzeitlichen Levanteraum wie auf Kreta.

Blonde fehlen in den Afanasjewo-, Jamnaja- und Schnurkeramik-Kulturen

Sodann wird zu 19 untersuchten Angehörigen der Jamnaja-Kultur (3.500-2.500 v. Ztr.) und zu 15 untersuchten Angehörigen der Afanasjewo-Kultur (3.500-2.500 v. Ztr.) das folgende ausgeführt (1, Suppl., S. 23):

Blaue Augen fanden sich in keinem der 19 untersuchten Individuen der Jamnaja-Kultur und für 1/15 Individuen der Afanasjewo-Kultur. Sie sind in höherer Häufigkeit (29 bis 55 %) bei den mittel- bis spätbronzezeitlichen Menschenfunden der Srubnaja- und Sintashta-Kulturen bei Krasnojarsk in Rußland und in Kasachstan (Aktogai and Maitan Alakul) gefunden worden, Bevölkerungen, die einen kleineren Anteil Herkunft anatolisch-europäischer Bauern aufwiesen. Ebenso gab es sie bei den früh- und mittelneolithischen Bauern in Mitteleuropa einschließlich der Bandkeramik (den ersten Bauern Mitteleuropas) und bei der Kugelamphoren-Kultur und mit der größten beobachteten Häufigkeit bei Bauern in Skandinavien und den baltischen Ländern ((EBN Narva in Litauen und Motala in Schweden). Blondes Haar ist für 1/34 Individuen des kombinierten Jamnaja- und Afanasiewo-Clusters gefunden worden, erreichte aber eine Häufigkeit von 14 bis 60 % bei den zuvor erwähnten späteren Steppen-Gruppen.
Blue eyes were not inferred for all 19 individuals of the Yamnaya cluster examined (Table S 4) and for 1/15 individuals of the Afanasievo culture. They were found at a higher frequency (~29-55%) at the later Middle-to-Late Bronze Age samples of the Srubnaya, Sintashta cultures and at Krasnoyarsk in Russia (5, 33, 23, 71, 72) and Kazakhstan (Aktogai and Maitan Alakul),(52) i.e., populations with elevated Anatolian/European farmer ancestry. (5) They were also present in Early/Middle Neolithic farmers from Central Europe including the LBK (first farmers of central Europe) and Globular Amphora culture,(73) and at the highest observed frequencies in farmers from Scandinavia and the Baltics (EBN Narva in Lithuania(74) and Motala in Sweden(5, 10, 34)). Blond hair was inferred for 1/34 individuals of the combined Yamnaya and Afanasievo cluster, but reached ~14-60% in the aforementioned later steppe groups.

Dann aber wiesen unter 96 untersuchten Angehörigen der Glockenbecher-Kultur 12,5 % blonde Haare und 22 % blaue Augenfarbe auf. Unter 15 untersuchten Schnurkeramikern wies wiederum niemand blonde Haare auf und 13 % blaue Augenfarbe. Dazu ergänzen wir, was wir schon in einem anderen Blogartikel (Stdgen2020) zitiert hatten (Wiki):

Saag et al. (2021) (Science) untersuchten 24 Angehörige der Fatyanowo-Kultur. Sie wiesen größtenteils Steppenherkunft auf mit nur einer geringen Einmischung früher europäischer Bauern. (...) 80 % hatten dunkle Haare und braune Augen, nur 4 % hatten blondes Haar und 21 % hatten blaue Augen. (...) Mit der vorhergehenden Volosovo-Kultur scheinen sie sich nicht vermischt zu haben. Die frühe europäische Bauern-Einmischung fand sich nicht in der früheren Jamnaja-Kultur, was nahelegt, daß die Fatyanowo-Kultur keine direkten Nachkommen der Jamnaja waren.
Saag et al. (2021) examined 24 individuals of the Fatyanovo culture. They were mostly of steppe ancestry with moderate Early European Farmer (EEF) admixture.[21] They were most closely related to Late Neolithic and Bronze Age populations of Central Europe, Scandinavia and the eastern Baltic, and also grouped together with modern Northern and Eastern Europeans.[22] All 14 male samples belonged to subclades of Y-haplogroup R1a-M417. Six of these could be further specified to haplogroup R1a2-Z93.[22][23][24] Haplogroup R1a2-Z93 is today prevalent in Central Asia and South Asia rather than in Europe.[22] The 24 samples of mtDNA extracted belonged to various subclades of maternal haplogroups U5, U4, U2e, H, T, W, J, K, I and N1a.[22][23][24] Both the paternal and maternal lineages of the examined Fatyanovo individuals were characteristic of the Corded Ware culture.[22] 58% of the samples had an intermediate skintone and 80% of the samples had dark hair and brown eyes, with only 4% having blonde hair and 21% having blue eyes. Lactase persistance was only 17% in the Fatyanovo samples. [25][26] The genetics of the people of the Fatyanovo culture was found to be substantially different from preceding Volosovo culture, with whom they do not appear to have mixed. Their EEF admixture has not been detected in the earlier Yamnaya culture, suggesting that the Fatyanovo people did not directly descend from the Yamnaya.

Unter diesen neuen Daten sind vor allem die Angaben für die Jamanja-, die Afanasiewo- und die Schnurkeramik-Kultur unerwartet. Einerseits sind die Gesamtzahlen der untersuchten Individuen noch nicht besonders groß. Andererseits sind sie vielleicht auch ein Hinweis darauf, daß die Haarfarbe blond in der Völkergeschichte - und insbesondere in der Geschichte indogermanischen Völker (mit Steppen-Herkunft) eine größere Schwankungsbreite aufgewiesen hat, zumal auch in der Frühzeit, und daß hier womöglich genetische "Selektion" oder "Drift" eine Rolle gespielt hat (so wie in Skandinavien in den letzten tausend Jahren ja ebenfalls), daß solche ggfs. auch bei der Ethnogenese der jeweils genannten Einzel-Kulturen, Einzel-Völker - über Gründer- und Flaschenhalspopulationen - eine Rolle gespielt hat. 

Wir können jedenfalls noch nicht erkennen, daß anhand dieser Angaben aufgezeigt werden könnte, daß ein direkterer Zusammenhang zwischen dem Vorkommen der Haarfarbe blond einerseits und zwischen dem Vorkommen von Steppengenetik völlig obsolet wäre - so wie es Lazaridis und Mitarbeiter scheinen nahelegen zu wollen.

2,3 Prozent Blonde zwischen Armenien und Kreta

Im Supplement wird angeführt (1):

Der griechische Arzt und Philosoph Galen (Von den Temperamenten, 2. Jahrhundert n. Ztr.) stellt die schlanken, glatthaarigen, "rothaarigen" Einwohner der kalten und feuchten Regionen (Illyrer, Germanen, Dalmatier, Sauromaten und "alle Skythen") in Gegensatz zu den dicken, lockigen, schwarzhaarigen Einwohnern der warmen und trockenen Regionen (Ägypter, Araber und Inder), sowie denjenigen in der Region dazwischen mit moderat dunklem Haar.
The Greek physician and philosopher Galen (De Temperamentis, 2.5; 2 nd c. CE) contrasts the thin, straight, light “red” hair of inhabitants of cold and damp regions (Illyrians, Germans, Dalmatians, Sauromatians, and “all Scythians”) with the thick, curly, black hair of warm and dry ones (Egyptians, Arabs, and Indians), and with the moderately dark hair of those of intermediate regions (“μελαίνας μετρίως καὶ παχείας συμμέτρως καὶ οὔτ’ ἀκριβῶς οὔλας οὔτ’ ἀκριβῶς εὐθείας.” / melainas metriôs kai pakheias summetrôs kai out’ akribôs oylas out’ akribôs eutheias) This “climate theory” of light pigmentation was echoed by Vitruvius who suggested (On Architecture, 6.1.3; 1 st c. BCE) that “the people of the north are so large in stature, so light in complexion, and have straight red hair, blue eyes, and are full of blood, for they are thus formed by the abundance of the moisture, and the coldness of their country.” 

Solche Aussagen historischer Quellen werden nach den Forschern durch ihre Studie bestätigt (1, Suppl, S. 18f):

Der häufigste Phänotyp der West-Eurasier ist dunkelbraune Haare, braune Augen und mittelhelldunkle Hautfarbe. Dies trifft ungefähr auf ein Drittel der Menschenfunde zu sowohl im "Südlichen Bogen" (zwischen Balkan, Kreta, Kaukasus und Mesopotamien) wie außerhalb (nördlich) dieser Großregion. Die beiden nächsthäufigen Phänotypen besitzen schwarzes statt braunes Haar und entweder mittelhelldunkle oder dunkle Hautfarbe.
The modal phenotype of West Eurasians is one of dark brown hair, brown eyes, and intermediate skin, accounting for roughly ~1/3 of samples both in the Southern Arc and outside it. The next two most frequent phenotypes have black instead of brown hair and either intermediate or dark skin.

Und die "beiden nächsthäufigen", nämlich hellfarbigen Phänotypen machen - nach der beigegebenen Tabelle - grob 25 % aus. Es handelt sich um 10 % mit hellem oder braunen Haar, braunen Augen und mittelhelldunkler Hautfarbe, sowie um 5,4 bzw. 11,7 % mit der Pigmentkobination blaue Augen, helldunkle Haut mit ...:

  • hellem bis braunem Haar  2.6%, bzw. 4.9% 
  • dunkles bis braunes Haar 1.4%, bzw. 2.1% 
  • helles bis blondes Haar 1.4%, bzw. 4.7%,

wobei die erstere Prozentangabe für den Südlichen Bogen gilt, die letztere für die europäischen Regionen nördlich davon für die Zeiträume Neolithikum, Bronzezeit, Eisenzeit und Antike. 

In einer übersichtlicheren Auswertung (1, Suppl, S. 20 "Simple Phenotype") finden sich die Angaben: Unter den 705 in die Analyse mit aufgenommenen Menschenfunden des "Südlichen Bogens" finden sich 16 Blonde, also 2,3 %. Unter den 1194 in die Analyse mit aufgenommenen Menschenfunden von West-Eurasien nördlich davon finden sich 107 Blonde, also 9 Prozent (wobei womöglich noch einer, bzw. vier Rothaarige hinzuzählen wären). Ebenso haben wir 6 %, bzw. 16,4 % Blauäugige. 

Dabei wird noch gar keine genauere Analyse der Häufigkeiten über die Zeiträume hinweg unternommen. Aber als ziemlich sicher scheint man ja nun davon ausgehen zu müssen, daß sich der Anteil der Blonden ab etwa 3.000 v. Ztr. im nördlichen Europa noch erhöht hat. 

.... Und die helle Hautfarbe ....

Ähnliches scheint für die helle Hautfarbe zu gelten (1, Suppl., S. 23f):

Die Eigenschaft helle Haut findet sich insgesamt nur sehr selten in den Menschenfunden des Südlichen Bogens (1,7 %). Es scheint, daß sie im Allgemeinen überhaupt sehr selten in allen bislang untersuchten Menschenfunden zu finden ist, daß sie eine Häufigkeit von 25 % erst im mittelalterlichen Deuschland, bei den Sachsen in England und in mitteleuropäischen Ausreißern aus dem spätantiken Italien, bei den vorchristlichen Isländern aufweist, wobei sich die früheste hohe Häufigkeit im bronzezeitlichen Lettland findet mit 37,5 %.
The category of pale skin is very limited in samples from the Southern Arc as a whole (1.7%), it appears to have been rare in all the studied samples in general, exceeding 1/4 in frequency only in Medieval Germany, Saxons from England, Central European outliers from Late Antique Italy, Pre-Christian Icelanders, with the earliest high frequency found in Bronze Age Latvians at 37.5% (3/8).

Insgesamt erinnert uns das an die parallele Evolution der angeborenen Fähigkeit, als Erwachsener Rohmilch verdauen zu können.

So ganz grob scheint uns jedenfalls doch der Anteil der jeweils vorliegenden Steppengenetik mit der Häufigkeit der Blonden, bzw. Hellpigmentierten korreliert zu sein. Da hier aber - soweit wir sehen - alle Zeitepochen zwischen Neolithikum und Antike zugleich erfaßt sind, könnte die Häufigkeitsangabe für jene Teilregionen des "Südlichen Bogens" wohl noch höher werden, in denen während der Bronze- und Eisenzeit überhaupt Steppengenetik festgestellt worden ist (also in Armenien, Thrakien, Ägäis mit Griechenland und kleinasiatischer Küste, Levante, sowie alle griechischen Kolonien). Ähnlich für die eurasischen Regionen außerhalb des Südlichen Bogens.

Die Forscher führen dazu aus (1, Suppl, S. 20):

Wir sehen, daß Menschen im "Südlichen Bogen" eine geringere Häufigkeit von hellem Haar, blondem Haar, blauen Augen und heller Haut aufwiesen, verglichen zu solchen außerhalb desselben, was in Übereinstimmung steht mit den antiken Quellen, die das Erscheinungsbild der Kelten, Germanen, Skythen und Sarmaten von Europa und Zentralasien beschrieben.
By examining simple phenotypes (Table S 3) we see that Southern Arc individuals have a lower frequency of light hair, blond hair, blue eyes, and pale skin compared to non-Southern Arc ones, a finding that is in agreement with the ancient sources that commented on the appearance of Celts, Germans, and Scytho-Sarmatians from Europe and Central Asia.

Aufgrund all dieser, unserer Meinung nach noch zu spärlichen Angaben und Analysen schlußfolgern die Forscher, daß es eine zu "simplistische" Ansicht wäre, wenn man sagen würde, blonde Haarfarbe und helle Hautfarbe wären vor allem gemeinsam mit Steppengenetik aufgetreten. Mit der Analyse, die sie hier vorlegen können sie uns davon allerdings noch nicht so recht überzeugen, zumal eine in sich stimmige alternative Theorie zur "Steppen-Theorie" ebenso wenig formuliert wird.

/ - - - Ergänzung 11.9.2022 - - - /

Kulturelles Ideal und Wirklichkeit (bei den antiken Griechen)

Wenn man sich nun - zum Beispiel - die Wandmalereien von Pompeij durchsieht, dann wird man eindeutig sagen müssen, daß das kulturelle Schönheitsideal dieser Kultur nicht dunkle bis schwarze Haarfarbe war - wie etwa in der ägyptischen Kultur oder in der minoischen Kultur -, sondern bräunliche bis hellbraune Haarfarbe. Und das steht nun - insbesondere abgesichert durch den archäogenetischen Forschungsstand - in deutlicherem Kontrast zu der durchschnittlichen Haarfarbe, die die antiken Griechen selbst über viele Jahrhunderte aufgewiesen haben.**)

Ist das nicht ein mehr als erstaunlicher Befund?!?

Auf den deutsch- und englischsprachigen Wikipedia-Artikeln zu der Haarfarbe blond wird dieser "Kontrast" zwischen dem offensichtlich vorherrschenden kulturellen Schönheitsideal und der tatsächlich verwirklichten Körperbeschaffenheit der antiken Griechen schon recht interessant behandelt, und zwar mit Bezug auf entsprechende Literatur, in der das behandelt wird. So heißt es auf dem englisch-sprachigen Wikipedia (Wiki):

Die meisten Menschen im antiken Griechenland hatten dunkle Haare und fanden deshalb blondes Haar außerordentlich faszinierend.
Most people in ancient Greece had dark hair and, as a result of this, the Greeks found blond hair immensely fascinating.[67]

Nun, das "deshalb" ist ja im Grunde keinesfalls selbstverständlich. Genauso gut könnte man formulieren "trotzdem". Aber lesen wir weiter (Wiki):

In den homerischen Dichtungen wird Menelaos, der König der Spartaner zusammen mit anderen Führern der Achäer als blond portraitiert. Andere blonde Charaktere in der homerischen Dichtung sind Peleus, Achilles, Meleager, Agamemnon und Rhadamanthys. Aphrodite, die griechische Göttin der Liebe und der Schönheit wird oft als gold-haarig beschrieben und mit dieser Haarfarbe in der Kunst dargestellt. Aphrodite's Haupt-Beiname in der homerischen Dichtung ist χρυσέη (khruséē), was "golden" meint. Die Reste von Haarfarbe auf griechischen Korai (...) schließen eine breite Palette von Schattierungen von blond, rot und braun mit ein. Die Minderheit der Statuen mit blondem Haar rangiert zwischen rotblond bis zu Platin-blond. (...) Alexander der Große und Angehörige der makedonisch-griechischen Ptolomäer-Dynastie des hellenistischen Ägyptens hatten blondes Haar wie etwa Arsinoe II. und Berenice II. (...) Im antiken Griechenland hatte blond auch die Konnotation von besonders stark ausgeprägtem männlichen Abenteuer-Sinn. Insbesondere Alexander der Große wurde als Verkörperung westlicher Männlichkeit angesehen mit seinem "blonden, kräftigen guten Aussehen".
In the Homeric epics, Menelaus the king of the Spartans is, together with some other Achaean leaders, portrayed as blond.[68] Other blond characters in the Homeric poems are Peleus, Achilles, Meleager, Agamede, and Rhadamanthys.[68] Aphrodite, the Greek goddess of love and beauty, was often described as golden-haired and portrayed with this color hair in art.[69] Aphrodite's master epithet in the Homeric epics is χρυσέη (khruséē), which means "golden".[70] The traces of hair color on Greek korai probably reflect the colors the artists saw in natural hair;[71] these colors include a broad diversity of shades of blond, red and brown.[71] The minority of statues with blond hair range from strawberry blond up to platinum blond.[71]  Sappho of Lesbos (c. 630-570 BC) wrote that purple-colored wraps as headdress were good enough, except if the hair was blond: "...for the girl who has hair that is yellower than a torch [it is better to decorate it] with wreaths of flowers in bloom."[72] Sappho also praises Aphrodite for her golden hair, stating that since gold metal is free from rust, the goddess' golden hair represents her freedom from ritual pollution.[70] Sappho's contemporary Alcman of Sparta praised golden hair as one of the most desirable qualities of a beautiful woman,[70] describing in various poems "the girl with the yellow hair" and a girl "with the hair like purest gold".[70] In the fifth century BC, the sculptor Pheidias may have depicted the Greek goddess of wisdom Athena's hair using gold in his famous statue of Athena Parthenos, which was displayed inside the Parthenon.[73] The Greeks thought of the Thracians who lived to the north as having reddish-blond hair.[74] Because many Greek slaves were captured from Thrace, slaves were stereotyped as blond or red-headed.[74] "Xanthias" (Ξανθίας), meaning "reddish blond", was a common name for slaves in ancient Greece[74][75] and a slave by this name appears in many of the comedies of Aristophanes.[75]  The most famous statue of Aphrodite, the Aphrodite of Knidos, sculpted in the fourth century BC by Praxiteles, represented the goddess' hair using gold leaf[76] and contributed to the popularity of the image of Aphrodite as a blonde goddess.[77] Greek prostitutes frequently dyed their hair blond using saffron dyes or colored powders.[78] Blond dye was highly expensive, took great effort to apply, and smelled repugnant,[78] but none of these factors inhibited Greek prostitutes from dying their hair.[78] As a result of this and the natural rarity of blond hair in the Mediterranean region, by the fourth century BC, blond hair was inextricably associated with prostitutes.[78] The comic playwright Menander (c. 342/41–c. 290 BC) protests that "no chaste woman ought to make her hair yellow".[78] At another point, he deplores blond hair dye as dangerous: "What can we women do wise or brilliant, who sit with hair dyed yellow, outraging the character of gentlewomen, causing the overthrow of houses, the ruin of nuptials, and accusations on the part of children?"[78] Historian and Egyptologist Joann Fletcher asserts that the Macedonian ruler Alexander the Great and members of the Macedonian-Greek Ptolemaic dynasty of Hellenistic Egypt had blond hair, such as Arsinoe II and Berenice II.[79] In Greece Blondism was also seen as carrying a connotation of hyper-masculine adventurism: Alexander the Great in particular was seen as embodying Western masculinity with his “blond, rugged good looks.”

Von ähnlichen Umständen bei den antiken Römern wird in dem Wikipedia-Artikel zunächst nichts berichtet.*) Aber auch bei den Römern gab es Blonde (GuteFrage2010):

Es gab blonde Römer. Lucius Cornelius Sulla hatte graublaue Augen und blonde Haare (Plutarch, Sulla 2, 1 und 6, 7). In der Familie Ahenobarbus waren blonde oder rote Haare üblich (Sueton, Nero 1, 1). Dazu gehörte Kaiser Nero (hieß ursprünglich Lucius Domitius Ahenobarbus). Seine Geliebte Poppaea Sabina hatte rotblonde Haare, wie die Farbe von Bernstein (Plinius, Naturalis historia 37, 59).

So auch auf Wikipedia (Wiki). Aber der insbesondere bei den Griechen anklingende Gegensatz zwischen Schönheitsideal und Wirklichkeit sei hier insbesondere festgehalten. 

Zur Psychologie der antik-griechischen Kultur

Was hier nur in Bezug auf die Äußerlichkeit der blonde Haarfarbe gesagt wird, mag ja bei den antiken Griechen auch für viele andere Eigenschaften zutreffen, die in Verbindung stehen mit der von ihnen gelebten indogermanischen Religion, Sprache und Kultur: Es wäre zu prüfen, was bei der anatolisch-iranisch-neolithischen Völkergruppe insbesondere in der Ägäis und in Anatolien schon an kulturellen Voraussetzungen, an kulturellem Habitus vorgelegen hatte, bevor diese einzelnen Völker in Berührung gekommen sind mit der indogermanischen Kultur, und ob wir dort Anzeichen finden können dafür, daß sie aufgrund des schon zuvor vorliegenden kulturellen Habitus besonders geneigt hätten sein können, sich für indogermanische Sprache, Religion und Kultur in einem derartigen Umfang begeistern zu können.

Womöglich mag man dazu in der minoischen und helladischen Kultur schon mancherlei Ansätze und Voraussetzungen erkennen. So daß die Menschen dieser Kulturen das Wesen der Indogermanen nur noch als "Tüpfelchen auf dem i" der von ihnen sowieso schon gelebten Kultur empfunden haben mögen. Das sei hier eher als Frage, denn als feststehende Tatsache formuliert.

Denn die kupfer- und bronzeitlichen Griechen scheinen sich ja, seitdem sie mit der indogermanischen Kultur in Berührung gekommen waren, für diese in einem solchen Umfang begeistert zu haben, daß sie dabei ja womöglich "bessere" Indogermanen sein wollten als jene, die es - sozusagen - "von Geburt" her schon gewesen waren. Und das mag dann ja auch für andere indogermanische Völker mit nur sehr geringen Anteilen Steppengenetik gelten, insbesondere in Anatolien. Wie etwa die Hethiter oder die Phryger und andere indogermanische oder von indogermanischer Kultur angehauchte Völker in Anatolien. (Oder aber gerne auch - dann in ganz anderer Form - in der Mongolei.)

Die antiken Griechen haben ihre Emphase für "das Indogermanische" ja schließlich so weit getrieben, daß sie bis heute quasi kulturell als das "Paradevolk" schlechthin der indogermanischen Völkergruppe gelten - und gelten müssen. Und das obwohl sie nur ausgesprochen wenig indogermanische Steppengenetik aufweisen. Wie ist das überhaupt möglich?

Auf diesen für die Kulturpsychologie außerordentlich interessanten, ja, fast aufwühlenden Befund werden wir in weiteren Blogartikeln noch häufiger zurück kommen. Zurück kommen müssen. Dieser Befund wirft in vielerlei Hinsicht völlige neue Perspektiven für Weltgeschichte auf und darauf, was quasi "möglich" ist in der Weltgeschichte, auch was für Spielräume es in ihr gibt, sozusagen Hinweise auf die große prinzipielle Dehnbarkeit des Bandes zwischen Genetik und Kultur im Völkerleben.

Der Befund macht auf die Möglichkeit aufmerksam, daß sich Menschen und ganze Völker für das, was sie von Geburt aus nicht haben, mehr begeistern können als Menschen und ganze Völker, die solche Dinge schon von Geburt her haben. Und solche Dinge geben doch sehr zu denken.

Weltgeschichte heißt .....

Es darf auch daran erinnert werden: Die germanischen Völker fingen erst in dem Augenblick an, sich für antik-griechische Kultur zu begeistern, als sie ihre eigene, angestammte, heidnische Religion verloren hatten. Erst seit dieser Zeit wissen sie wirklich das zu schätzen, was die antiken Griechen kulturell geleistet hatten. Hier wird uns ein womöglich besonders tiefer Blick gewährt in das, was Weltgeschichte in eigentlichem Sinne heißen mag. Und daß Weltgeschichte in der Tat nichts anderes als sozusagen "dialektisch" zu verstehen sein mag.

Weltgeschichte mag heißen, daß sich Menschen eher für das begeistern, was sie nicht haben als für das, was ihnen sicherer Besitz zu sein dünkt ... 

Wenn in diesem Satz kein Ausblick in eine mögliche Zukunft enthalten ist, dann weiß der Autor dieser Zeilen auch nicht mehr, was noch sinnvoll sein sollte zu sagen ....

Oder mögen wir versuchen, deutlicher zu werden: Könnte es Aspekte unserer Kultur geben, die wir nicht haben, und nach denen sehnsüchtig zu werden, "Zukünftigkeit" bedeuten könnte? Wir wollen ja "nur mal so" eine Ahnung laut werden lassen hier an dieser Stelle. Wie könnte sonst die jetzige Phase der Weltgeschichte Sinn bekommen?!?! Wie könnte sie Sinn bekommen, wenn nicht so wie eben angedeutet? Denn - - - "Ende der Geschichte" (Wiki) wäre ja wohl das größte Ausmaß an Sinnlosigkeit, das man unserem Zeitalter predigen könnte. Es ist wohl schon für sich genommen ein treffender Ausdruck unseres Zeitalters.

/ Letzte Überarbeitung, 
Ergänzung: 12./16.9.22 /

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*) Während wir diese Worte übersetzen lernen wir nebenbei gerade noch, daß die wiederkehrenden Beinamen von Menschen und Göttern in der homerischen Dichtung Epithet (Wiki, engl) genannt werden. Diese Beinamen bei Homer tragen unseres Erachtens sehr wesentlich zu dem heroischen, hinaufreißenden, begeisternden Charakter dieser Dichtung bei.
**) Es könnte auch Sinn machen zu überprüfen, welchen Aussagenwert die Vasenmalerei der antiken Griechen (Wiki, engl) in Bezug auf ihre in Wirklichkeit vorherrschende Haarfarbe haben könnte. Ob man etwa einen authentischeren Eindruck von ihrer wirklichen vorherrschende Haarfarbe erhält, wenn man die Schwarz- (Wiki) und Rotfigurige Vasenmalerei (Wiki) auf sich wirken läßt. Hier gewinnt man - allein schon aufgrund des verwendeten Stils - den Eindruck, als ob im Wesentlichen alle dargestellten Personen schwarze Haare hatten. Zwar findet man hier vereinzelt auch ein Bemühen, hellere Haarfarbe zur Darstellung zu bringen. In der großen Mehrheit aber scheinen hier alle dargestellten Personen schwarzhaarig zu sein. Allerdings werden offenbar einige Personen auch - sozusagen betont - als rothaarig oder blond gekennzeichnet.

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  1. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) A genetic probe into the ancient and medieval history of Southern Europe and West Asia. Science 377, 940-51, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge: pdf)

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