Die Menschen der Chwalynsk-Kultur an der Wolga (4.700 v. Ztr.) aßen viel Fisch
- Das einstige "Lachsargument" in der Indogermanen-Forschung
- Lachs und Meeresforelle in der Völkergeschichte
Eine neue Studie macht sich Gedanken darüber, wie sich Völker ernähren müssen, deren Hauptnahrungsbestandteil in dem mageren, proteinreichen Fleisch des Lachs-Fisches besteht. Es wird dies festgemacht insbesondere an den Indianervölkern an der Nordwestküste Nordamerikas (1) (Abb. 1).
Abb. 1: Ergänzende Fett- und Kohlenhydrat-reiche Nahrung, um "Protein-Vergiftung" zu verhindern (Grafik aus 1)
Bei der Ernährung vorwiegend mit Lachs besteht ein ähnliches Problem, wie Forscher ein solches feststellten bei nordamerikanischen Indianern, die hauptsächlich von der Jagd auf Kaninchen lebten. Kaninchen bieten ebenfalls nur fettarmes Fleisch. Die Forscher nannten die daraus sehr leicht folgende "Protein-Vergiftung" "Kaninchenhunger" (Wiki).
Das Ergebnis der neuen Studie ist nun, daß Völker, die vorwiegend vom Lachsfang leben, auf jeden Fall auch noch fett- und kohlehydratreiche
andere Nahrungsbestandteile zusätzlich brauchen. Denn zu einseitige Ernährung nur mit Lachs-Fleisch wäre für sich genommen eine zu
proteinreiche Nahrung, die die sogenannte "protein starvation" mit sich bringen kann (1). Dies birgt nach Meinung der Autoren
Schlußfolgerungen in sich für die bisherigen völkerkundlichen,
wirtschaftsgeschichtlichen und archäologischen Annahmen hinsichtlich der
Bedeutung des Lachs-Fanges in der Völkergeschichte.
Abb. 2: Vor Sonnenaufgang an der Wolga ("Early Morning"), Gemälde von Alexei Savrasov (1830-1897), 1887*)
Es wäre noch zu
überprüfen, ob diesselben Überlegungen auch für die Kaspische Meeresforelle gelten .... Denn
diese scheint der "Lachs" unserer indogermanischen Vorfahren gewesen zu
sein. Mehr dazu unten. - Doch zunächst: Der
(Atlantische) Lachs gilt auch bei uns in Deutschland schon seit vielen Jahrhunderten
als eine Delikatesse. Schon 1865 wurde in der damals weit verbreiteten Zeitschrift "Gartenlaube"
geschrieben (2):
Wer
von den Hunderttausenden der Leserinnen und Leser der Gartenlaube wird
nicht mit innerem Wohlbehagen an manches saftige Gericht eines
marinirten, geräucherten oder gebratenen Lachses denken, jenes seltsam
erzogenen Kindes der Wasser, dessen röthliches Fleisch uns hungrigen
Sterblichen oft so einladend, so delicat und so poetisch
entgegenlächelt.
Der Atlantische Lachs (Abb. 5) ist
Ende des 19. Jahrhunderts im nördlichen Kontintental-Europa - vornehmlich in den Niederlanden, in Deutschland und im Baltikum, sowie in Südengland - durch die
Industrialisierung und die intensive Bewirtschaftung der Flüsse ausgestorben (Abb. 6).
Bis dahin hatte er alle
deutschen Flüße bewandert (Wiki). Und es gibt wohl bezüglich fast aller deutschen Flüssen heute Wiederansiedlungsbemühungen hinsichtlich des Atlantischen Lachses (s. z.B. 5-7). Auf dem Stadtplan der Stadt Stolp in Pommern aus dem Jahr 1940 findet man im Süden der Stadt am Fluß Stolpe die Angabe "Lachsschleuse" (19). Also schon damals bemühte man sich darum, den Lachs in den Binnengewässern Pommerns zu erhalten. Die Straße "An der Lachsschleuse" führte in die südöstlichen Neubaugebiete der Stadt.
Abb. 3: Fischer an der Wolga - Gemälde von Alexei Savrasov (1830-1897), undatiert
Der Lachs gehörte schon in früheren Jahrhunderten zu den teuren Fischarten. In
der deutschen Sprache heißt der Fluß-aufwärts wandernde Lachs "Salm". Und
nach diesem Namen sind auch manche Haus- und Straßennamen in Ortschaften am Rhein
benannt. "Salm" (Wiki) ist abgeleitet von Lateinisch "Salmo". Diese Benennung "Salmon" (Wiki) hat auch im Englischen heute das vormalige mittelenglische Wort "Lax" verdrängt.
Die
eingangs genannte Studie lenkt nun aber auch die Aufmerksamkeit auf den Umstand,
daß es viele traditionell lebende Völker und Stämme gegeben haben muß, in
denen der Fischfang, nicht zuletzt auch der Lachs-Fang eine große Rolle
spielte und spielt, nicht nur in Nordwest-Amerika, sondern auch in Europa. Am besten erforscht diesbezüglich sind natürlich heute die Indianer
Nordwest-Amerikas (Wiki). Sie konnten mit dem Lachs-Fang und der Bevorratung von Lachs für die
Wintermonate ihre Bevölkerungsgröße deutlich vergrößern. Dies
kam auch in bekannten Volksfesten wie dem "Potlach" (Wiki) zum Ausdruck.
Angesichts des einstigen anzunehmenden Lachs-Reichtums in den Flüssen, die in den Atlantik, in die Nord- und Ostsee münden, wird man annehmen dürfen, das der Lachs für viele Völker der westeuropäischen und der osteuropäische Jäger und Sammler eine nicht unbeträchtliche Nahrungsgrundlage darstellte. Das spiegelt sich auch in der chemischen Zusammensetzung der Knochen spätmesolithischer Menschen an der Atlantikküste wieder (8). Für Irland sind umfangreichere Fisch-Fangvorrichtungen für die Zeit 4.100 bis 3.700 v. Ztr. archäologisch nachgewiesen (9). Auch Lachs-Gräten sind an verschiedenen Ausgrabungsorten nachgewiesen worden (siehe Google Scholar "Mesolithic, Salmon").
Abb. 4: Fischer an der Wolga - Gemälde von Alexei Savrasov (1830-1897), 1872 - Diese Szenerie könnte über Jahrtausende an der Wolga ähnlich geblieben sein
Die Kaspische Meeresforelle - War sie der "Lachs" unserer indogermanischen Vorfahren ...?
Der Name "Lachs" ist nun interessanterweise ein urindogermanisches Wort (Wiki). Und dieses Wort hat in der Indogermanistik zwischen den 1880er und 1950er Jahren eine nicht geringe Rolle gespielt hinsichtlich der Erörterung der Urheimat der Indogermanen. Darüber gibt es erfreulicherweise einen ausführlichen Wikipedia-Artikel. Die diesbezüglichen Auseinandersetzungen sind unter dem Begriff "Lachsargument" in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen (Wiki):
Die Sprachvergleichung deutete auf einen Mangel an indogermanischen Fischnamen. Selbst ein einheitliches indogermanisches Wort für Fisch, der lateinisch piscis, in Sanskrit mátsya-, griechisch ichthýs und altslawisch ryba hieß, fehlte offenbar. Beides machte eine Herkunft der Indogermanen aus einem fischarmen eurasischen Steppen- oder Waldgebiet plausibel. Für den Lachs (Salmo salar) jedoch enthielten die Nachschlagewerke, die seit den 1870er Jahren erschienen, umfangreicher werdende Zusammenstellungen ähnlicher Bezeichnungen in den germanischen, baltischen und slawischen Sprachen.
Auf Wikipedia ist natürlich in diesen Worten schon implizit der heutigen Forschungsstand vorweg genommen: Womöglich hat der Fischfang im Urvolk der Indogermanen keine große Rolle gespielt, auch wenn es an den Ufern der Mittleren Wolga lebte. Womöglich.
Aber der genannte Umstand, daß es in vielen indogermanischen Sprachen das Wort "Lachs" gibt, wurde in der Forschung bis in die 1950er Jahre als Argument herangezogen dafür, daß die Urheimat der Indogermanen an der Ostsee gelegen haben müsse. Im Verlauf der Jahrzehnte wurde das Wort Lachs dann von den indogermanischen Sprachwissenschaftlern auch in indogermanischen Sprachen wie dem Tocharischen (!), dem Ossetischen und dem Altindischen gefunden.
Abb. 5: Die natürlichen Wanderungsbewegungen des Atlantischen Lachses (aus: 3)
Seit den 1970er Jahren hält man nun die Vermutung für plausibel, daß mit "Lachs" von den Urindogermanen auch - oder sogar ursprünglicher - Unterarten der Lachs- oder Meerforelle (Salmo trutta trutta) benannt worden sind (Englisch "brown trout"),
die in den Flüssen zum Kaspischen und zum Schwarzen Meer verbreitet
sind (also auch in der Wolga), ebenso wie im Kaukasus (Abb. 7). Auch bezüglich dieser Wander-Fische gibt es Wiederansiedlungsbemühungen (10).
Es wäre somit plausibel, daß die Lachsforelle schon von unseren Vorfahren, den Urindogermanen an der Mittleren Wolga, ihren osteuropäischen Jäger/Sammler-Vorfahren und ihren kaukasisch-neolithischen bäuerlichen Vorfahren im Kaukasus gefischt worden ist. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist diesbezüglich aber noch vieles ungesichert:
Bei den im Kaukasus und um das Schwarze und Kaspische Meer auftretenden Unterarten der Meerforelle handelt es sich um die Schwarzmeer-Forelle (Salmo trutta labrax) und die Kaspische Forelle (Salmo trutta caspius). Welcher dieser Fische von den ur-indoeuropäischen Sprechern als *loḱs- oder ähnlich bezeichnet wurde, ist ungewiß.
Die Kaspische Forelle weist nach einer genetischen Studie aus dem Jahr 2016 in der Mittleren Wolga und im Unteren Ural nur eine sehr geringe genetische Vielfalt auf und kann diesbezüglich auf Populationen aus dem nördlichen Iran, also dem Bereich des südlichen Kaspischen Meeres zurück geführt werden (11). Dies könnte bedeuten, daß sie auch in der Wolga zeitweise ausgestorben war.
Omega3-Fettsäuren enthält der Lachs ja sehr viel (Wiki). Leinöl und andere pflanzliche Öle enthalten sie auch. Diese Omega3-Fettsäuren sollen mancherlei positive Wirkung im menschlichen Körper entfalten. Vieles davon ist aber wissenschaftlich noch keineswegs besonders gut abgesichert (Wiki). Auch die Massentierhaltung des Lachses wirft viele Umweltprobleme auf, er gilt inzwischen als "das Schwein des Meeres".
Abb. 6: Die natürlichen Wander- und Brutregionen des Atlantischen Lachses -
Rot die Regionen, in denen er ausgestorben ist (aus 4)
Was "verschweinert" der moderne Mensch eigentlich nicht in seiner elendig großen Ehrfurchtlosigkeit vor der Natur?
Unsere Vorfahren haben viel Fisch gegessen
Auf jeden Fall gibt es doch mancherelei Grund, die Beziehung unserer Vorfahren an der Mittleren Wolga zu Fischen im Augen zu behalten. Und indem wir noch fragen, finden wir schon Antworten. Für Skelette der Chwalynsk-Kultur an der Mittleren Wolga um 4.750 v. Ztr. wurde 2018 anhand ihrer chemischen Zusammensetzung festgestellt (12):
Dies ist Hinweis auf einen beträchtlichen Anteil an Fisch im Ernährungssystem der Population, die im Spätneolithikum die Region der Mittleren Wolga bewohnte.
This is an indication of a substantial portion of the fish component in the dietary system of the population inhabiting the Middle Volga region in the Eneolithic. Schulting and Richards (2016) came to the same conclusion.
Schon eine Studie aus dem Jahr 2016 war zu demselben Ergebnis gekommen (13). Thomas Terberger und Kollegen haben schon 2013 für archäologische Kulturen an der Oberen Wolga ähnliche Untersuchungen vorgenommen (14).
"Fischarme" Urheimat der Indogermanen - oder: Gehörten die Fischer einfach nicht zu den wandernden Volksteilen?
Die hier gegebene erste Sichtung von Forschungen zum Fischverzehr der Urindogermanen an der Mittleren Wolga aus archäologischer und sprachgeschichtlicher Sicht läßt die Angabe oben, daß die Urheimat der Urindogermanen "fischarm" gewesen sei, höchst fragwürdig erscheinen.
Noch heute ist eine Kreuzfahrt auf der Mittleren Wolga zwischen Wolgograd und Kasan eines der legendärsten Urlaubsziele der Russen (18). Und die Wolga und insbesondere das Wolgadelta sind ein sehr beliebter Urlaubsort für Angler und Fischer aus aller Welt (15, 16). Unzählige Fischarten werden in der Wolga gefischt und geangelt (15, 16). Ist dieser Umstand eigentlich in das genannte sprachwissenschaftliche Forschungsergebnis eingeflossen, nachdem es außer für den Lachs für keine Fische urindogermanische Worte geben soll? Immerhin lebt in der Wolga aber auch der Weißlachs (Wiki) ist bei dieser Gelegenheit zu erfahren (16). Bekanntlich ist ja auch der Kaviar (Wiki) - Eier diverser Störarten - ein russisches Nationalgericht. Der Name soll auf iranische Volksstämme zurück gehen. Kaviar wurde schon von Aristoteles erwähnt und von den wikingischen Rus nach Byzanz verkauft (16):
Die Wolga hat sich hinter Astrachan in 800 Arme verzweigt und erstreckt sich von West nach Ost über eine Breite von 200 Kilometern. 19 000 Quadratkilomter groß ist das Gebiet – fast so wie Rheinland-Pfalz.
Über das Wolgadelta heißt es auf Wikipedia (Wiki):
Das Wolgadelta gehört mit dem Donaudelta und 230 dort vorkommenden Süßwasserfischarten zu einem der fischreichsten Gebiete Zentralasiens und Europas. Am Unterlauf der Wolga zwischen Wolgograd und Astrachan findet man eines der größten Vorkommen an Wildkarpfen mit einem Durchschnittsgewicht von 12 Kilogramm, die hier bis 35 Kilogramm schwer werden können. Begünstigt wird das Wachstum durch die hohen Wassertemperaturen im Sommer (bis max. 26–28 °C und Außentemperaturen von 50 °C), viele Muschelbänke und großflächig überschwemmte Uferzonen, die den Karpfen ein hohes Nahrungsaufkommen liefern. Außerdem finden sich viele andere Friedfische wie Silberkarpfen, Brassen, Rotaugen und Güster. Rotfedern zeigen hier anders als in Mitteleuropa mit zunehmender Größe ein räuberisches Verhalten. Bei den Raubfischen dominieren in der Wolga Hechte, Rapfen, Wolgazander und die dort bis zu 100 Kilogramm schwer werdenden Welse. Von Astrachan aus wurden ab Ende Juni nach der Hochwassersaison Angeltouren (Heribert's Fishing Tours von 1990–1995 in die KARAI LODGE, eine ehemalige Jagddatscha der russischen Präsidenten) in die Wasserlandschaft aus Seen, Teichen, Gräben, Sümpfen, Schilfinseln und Auenwäldern organisiert.
Vielleicht könnte das Fehlen von gemein-indogermanischen Fisch-Namen auf die soziale Schichtung innerhalb des Volkes der Urindogermanen hinweisen. Wenn Fischer - anzunehmenderweise - auf der sozialen Leiter weiter unten standen (womöglich oft noch mehr der mesolithischen Bevölkerungsweise verhaftet als andere Volksteile), wenn sie aufgrund ihrer Bindung an das Wasser weniger "beweglich" und wanderfreudig waren wie andere Volksteile, wäre es naheliegend, daß die wandernden Volksteile jeweils die Fischnamen jener Bevölkerungen übernommen haben, die sie vor Ort in einer bestimmten Region antrafen.
Abb. 7: Verbreitungsgebiet der Kaspischen Forelle, des "Lachses" unserer Vorfahren (?) (aus: 10)
Unter dieser Annahme hinwiederum würde es auffallend erscheinen, daß der Lachs ihnen offenbar als so bedeutend erschien, daß sie an ausgerechnet diesem Fischnamen sehr häufig dennoch festgehalten haben.
/ 15.4.21 / Auf die Inhalte dieses Blogartikels haben wir auf der Diskussionseite zu dem lesenswerten Artikel "Lachsargument" auf Wikipedia hingewiesen. Der Ersteller des Artikels, "Aalfons", will neue sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse zum Thema einarbeiten, sobald sie erschienen sind.
Der Landschaftsmaler Alexei Sawrassow
Über Bildersuche "fishermen volga" stößt man mehrfach auf den russischen Landschaftsmaler Alexei Sawrassow (1830-1897) (Wiki) (Abb. 2-4). Er wurde in Moskau geboren. Von seinen Bildern geht eine besondere Stimmung aus, nicht nur dann, wenn er Landschaften rund um die Wolga malt. Aber mehrfach wählte er für seine Gemälde das Thema "Fischer an der Wolga" (Abb. 2-4) oder auch sonstige Blicke auf die Wolga. Es wird berichtet (17) (Übersetzung):
1852 reiste der Künstler in die Ukraine, wo er eine Reihe von Ansichten der dortigen weiten Steppen schuf: "Die Steppe bei Tage" (1852), worin sich die vielen Aspekte wieder finden seines Lieblingsthemas: weite, offene Räume.
In 1852, the artist traveled to the Ukraine where he produced a series of views of its rolling steppes The Steppe in Daytime (1852), which reflect the various aspects of his favorite subject, wide-open spaces.
Obwohl er viele Jahre als Professor an der Kunstakademie in Moskau wirkte, verbrachte er - aufgrund von Alkoholismus - seine letzten Jahre als Obdachloser. Nur der Türsteher der Kunstakademie ist zu seinem Begräbnis gegangen (17). Was für ein Schicksal!
Abb. 8: Am Unterlauf der Wolga südlich von Saratow lebten 300 Jahre lang die Wolgadeutschen und hatten sogar zeitweise ihre autonome Wolgadeutsche Republik
Am Unterlauf der Wolga südlich von Saratow lebten 300 Jahre lang auf beiden Seiten der Wolga die
Wolgadeutschen (Wiki). Sie hatten sogar zeitweise ihre Autonome Wolgadeutsche
Republik (Abb. 8).
/ Letzte Ergänzung (Abb. 1):
22.7.2021 /
_______________________
How ancestral subsistence strategies solve salmon starvation and the “protein problem” of Pacific Rim resources Shannon Tushingham, Loukas Barton, Robert L. Bettinger. American Journal of Physical Anthropology First published: 08 April 2021 https://doi.org/10.1002/ajpa.24281
Why
aren’t there more Atlantic salmon (Salmo salar)? Donna L. Parrish, Robert
J. Behnke, Stephen R. Gephard,Stephen D. McCormick, and Gordon H.
Reeves, 1998 (pdf)
Historisch: Lachsfang auf der Weser in Hameln. Die Weser July 17,
2017 | Author: Teresa Lenz,
https://silo.tips/download/historisch-lachsfang-auf-der-weser-in-hameln-die-weser
Der
Elblachs. Ergebnisse der Wiedereinbürgerung in Sachsen. November 2003,
Publisher: Sächsische Landesanstalt für LandwirtschaftEditor: Sächsische
Landesanstalt für Landwirtschaft, Gert Füllner, Matthias Pfeifer, Jens
Geisler, Klaus Kohlmann (Researchgate)
https://www.salmoncomeback.org/de/context/
Stable isotope evidence for similarities in the types of marine foods used by Late Mesolithic humans at sites along the Atlantic coast of Europe. MP Richards, REM Hedges - Journal of Archaeological Science, 1999, https://doi.org/10.1006/jasc.1998.0387
Late Mesolithic fish traps from the Liffey estuary, Dublin, Ireland. M McQuade, L O'Donnell - Antiquity, 2007 ( researchgate )
Final Report of Coldwater Fishes Research Center Project. August 2013, Project: Production and evaluation of Viral Nervous Necrosis (Caspian Sea serotype), Jalil Zorriehzahra, Shahram Abdolmaleki, Behroz Bahramian, Saltanat Najjar Lashgari (Researchgate)
Marić, S., Askeyev, O., Askeyev, A., Monakhov, S., Yanybaev, N., Askeyev, I., Galimova, D. and Snoj, A. (2016), Lack of mtDNA variation among remote middle Volga and upper Ural brown trout suggests recent and rapid recolonization. J. Appl. Ichthyol., 32: 948-953. https://doi.org/10.1111/jai.13126
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Schulting RJ, Richards MP. 2016. Stable isotopeanalysis of Neolithic to Late Bronze Age popula-tions in the Samara Valley. In: Anthony DW,Brown DR, Khokhlov AA, Kuznetsov PF,Mochalov OD, editors.Bronze Age Landscape inthe Russian Steppes. The Samara Valley Project.p 281–320 (Academia)
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Die frühe Ausbreitung der iranisch-neolithischen Völkergruppe Richtung Osten
Die Geschichte der Ausbreitung des Ackerbaus und der Viehzucht vom Fruchtbaren Halbmond aus über den gesamten Iran hinweg bis nach Innerasien in das Ferghana-Tal (Wiki) (Abb. 1) ist noch wenig gut verstanden. Aber wir haben sie - ansatzweise - hier auf dem Blog 2017 schon einmal behandelt, als wir die Entstehung des Volkes der Urindogermanen an der Mittleren Wolga nördlich des Kaspischen Meeres in den Zusammenhang der vielen benachbarten Kulturen stellen wollten (1).
Abb. 1: Domestizierte Schafe im Ferghana-Tal um 6.000 v. Ztr. (aus 2)
Um das Forschungsergebnis einer neuen archäogenetischen Studie (2) zu verstehen und einzuordnen, seien noch einmal Sachverhalte ausgeführt, die man sich - auch als belesener Mensch - nicht oft genug vor Augen halten kann, da sie so selten in das Blickfeld getreten sind bislang: Seßhafte, ackerbautreibende Kulturen gibt es im Kaukasus-Gebirge in Georgien an der Ostküste des Schwarzen Meeres seit 8.000 v. Ztr. (Wiki). Das ist ein ungeheuer langer Zeitraum.
Seit 6.000 v. Ztr. wird dort Wein angebaut, und zwar durch die Shulaveri-Shomu-Kultur (Wiki). Das ist eine Kultur, mit der man sich als heutiger Europäer womöglich noch viel intensiver auseinander setzen sollte. Denn derzeit ist sie als die älteste Wein-anbauende Kultur weltweit nachgewiesen, da die Zeugnisse hierfür im Iran deutlich jünger sind. Und in dieser Kultur sind - wohl - die Vorfahren der einen Hälfte des Urvolkes der Indogermanen zu suchen, nämlich der - genetisch gesprochen - kaukasisch-neolithischen Herkunftskomponente.
Und indem wir das gerade noch einmal nieder schreiben, kommt uns der Gedanke: Vielleicht haben die indogermanischen Völker eine so intensive Beziehung zu berauschenden Getränken - wie Wein und Met - über so viele Jahrtausende hinweg, eben weil sie entstanden sind nördlich des Kaukasus aus eben dieser frühen Wein-anbauenden Kultur. Vielleicht wurde deshalb seit dieser Zeit die Völkergeschichte so "beschwingt" (räusper).
Es ist jedenfalls zu erfahren, daß die Shulaveri-Kultur von der berühmten Hassuna- und Halaf-Kultur beeinflußt ist, bzw. abstammt, die sich zuvor im Zagros-Gebirge über weite Gebiete ausgebreitet hatte. Sie ist unter anderem berühmt wegen ihrer eindrucksvollen Keramik (Kaukasus-Wiki):
Um 6.000 bis 4.200 v. Ztr. benutzten die Shulaveri-Shomu-Kultur und andere neolithische/kupferzeitliche Kulturen des Südlichen Kaukasus örtlichen Obsidian für Werkzeuge, hielten Tiere wie Rinder und Schweine, bauten domestizierte Pflanzen an, einschließlich Wein. Von vielen der Merkmale ihrer materiellen Kultur (runde Lehmhütten, Keramik dekoriert durch plastisches Design, anthropomorphe weibliche Figurinen, Osidian-Werkstätten mit einer Betonung auf der Produktion von langen, prismenförmigen Klingen) wird angenommen, daß sie ihren Ursprung im nahöstlichen Neolithikum haben (Hassuna, Halaf).
In around ca. 6000-4200 B.C the Shulaveri-Shomu and other Neolithic/Chalcolithic cultures of the Southern Caucasus use local obsidian for tools, raise animals such as cattle and pigs, and grow crops, including grapes. Many of the characteristic traits of the Shulaverian material culture (circular mudbrick architecture, pottery decorated by plastic design, anthropomorphic female figurines, obsidian industry with an emphasys on production of long prismatic blades) are believed to have their origin in the Near Eastern Neolithic (Hassuna, Halaf).
Eine weitere Ursprungsregion des Ackerbaus scheint in Pakistan und Nordindien gelegen zu haben und sich ebenfalls ab 6.500 v. Ztr. bemerkbar zu machen (Wiki):
Die am besten erforschte Stätte dieser Zeit ist Mehrgarh, die um 6500 v. Chr. entstand. Diese Bauern domestizierten Weizen und Rinder und benutzten ab 5500 v. Chr. auch Töpferwaren.
Vielleicht entstand der Ackerbau dort auch schon früher (Wiki). Der dort domestizierte Weizen hat sich jedenfalls von dort schon ab 5.500 bis 4.000 v. Ztr. bis nach Innerasien und Tibet ausgebreitet (3). Weiter nach China hinein hat er sich aber nach derzeitigem Kenntnisstand erst ab 3.000, vielleicht auch erst ab 2.200 v. Ztr. ausgebreitet (3), also vermutlich mit der Zuwanderung der Indogermanen nach Innerasien.
Auch die Fischer- und Jäger-Kulturen der Kelteminar (Wiki) - datiert auf die Zeit ab 5.500 v. Ztr. am Aralsee und am Kaspischen Meer (s. Abb. 1) - ist in Rechnung zu stellen. Sie besaß schon 25 Meter lange Häuser, was ja ebenfalls ein Hinweis auf Viehzucht und Ackerbau sein wird, die womöglich nur noch nicht durch die Archäologie festgestellt worden sind. Wir erfahren von dem Archäologen Detlef Gronenborn (4, S. 203):
Keramik tritt nördlich des Kaspischen Meeres und an der Unteren und Mittleren Wolga (Yelshan, ca. 7.200 v. Ztr.) und am Unteren Don (Rakushechnyi Yar; ca. 6800 v. Ztr.) auf. Das Bestehen dauerhafter Siedlungen wird durch Ausgrabungsorte an der Mittleren und Unteren Wolga (Yelshan) um 6.800 v. Ztr. und in der Ebene nördlich des Kaspischen Meeres und am Unteren Don um ca. 6.000 v. Ztr. nahegelegt (...)
Pottery appears in the north Caspian area, the middle-lower Volga (Yelshan, c. 7200 BC) and the lowe Don (Rakushechnyi Yar; c. 6800 BC). Stable settlement is indicated by sites in the middle-lower Volga (Yelshan) at 6800 BC, and in the Caspian lowland and on the lower Don at c. 6000 BC. (...) The origin of ceramics in eastern Europe was independent from the Near East. However, the early appearance of ceramics at the western margins of the central Asian steppe zone and the high degree of perfection make its local invention unlikely. Vybornov (2008) seeks its sources in the trans-Caspian deserts. Significantly, a network of culturally related pottery-bearing foraging sites arose along the waterways further north (Vinogradov 1981). Ultimately, this pottery horizon might have its origins in the early pottery of Siberia and China (Gronenborn 2009). Future research should be geared towards closing this link. This pottery horizon then spreads from the Russian steppe zone into the forest zone northwards up to the Baltic coast and from there westward until its final outliers are reached with the Ertebolle and Swifterband traditions.
Interessant jedenfalls dürfte sein, daß die halbseßhafte Vorgängerkultur der späteren, quasi "voll-"indogermanischen Samara-Kultur an der Mittleren Wolga, nämlich die Elsan-Kultur um 7.500 v. Ztr. schon von Ostasien her Keramik übernommen hatte (5). Sie war damit die früheste europäische Kultur mit Keramik (5):
Weiter westlich hielt die neue Technologie erst etwa tausend Jahre später Einzug (Bug-Dnestr-Kultur),
dort nun aufgrund der neuen kulturellen Einflüsse aus dem Westen, vom Balkanraum. Und von dort breitete sich die Keramik dann bis zur Ertebolle-Kultur an der Ostsee aus (5).
Die Dscheitun-Kultur (7.200 bis 4.600 v. Ztr.)
Und nun ist für uns als neues Wissen zu erfahren: Auch östlich des Kaspischen Meeres im heutigen Turkmenistan, nördlich der Grenze zum Iran ist archäologisch schon seit 1950 die seßhafte Kultur von Dscheitun (Wiki) - Englisch Jeitun (Wiki) - für den Zeitraum 7.200 bis 4.600 v. Ztr. bekannt (s. Abb. 1). Diese Kultur geht der später in dieser Region entstandenen, ebensfalls noch wenig ins Bewußtsein getretenen Hochkultur der Marghinana (BMAC) (Wiki) um nicht weniger als 4000 Jahre voraus.
Was für umfangreiche Entwicklungen der Völkergeschichte liegen hier noch im Dunkel und Halbdunkel unseres Wissens und der Forschung.
Aber das Alter dieser letzteren Kultur macht es nun erklärlich, daß neuerdings in einer archäogenetischen Studie domestizierte Schafe und Ziegen um 6.000 v. Ztr. im heutigen südlichen Kirgisistan, nämlich im berühmten Ferghana-Tal (Wiki) gefunden wurden (2). Dieses neue Forschungsergebnis macht bewußt, was wir alles über die Jahrtausende lange Geschichte einer riesigen Region des eurasischen Kontinents noch nicht wissen und jetzt erst allmählich zu erahnen beginnen.
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Bading, Ingo: Neue Forschungen zur Entstehung der Indogermanen, 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/07/neue-forschungen-zur-entstehung-der.html
Taylor, W.T.T., Pruvost, M., Posth, C. et al. Evidence for early dispersal of domestic sheep into Central Asia. Nat Hum Behav (2021). https://doi.org/10.1038/s41562-021-01083-y, Published 08 April 2021
Chris J Stevens, Charlene Murphy, Rebecca Roberts, Leilani Lucas, Fabio Silva and Dorian Q Fuller: Between China and South Asia - A Middle Asian corridor of crop dispersal and agricultural innovation in the Bronze Age. In: The Holocene 2016, Vol. 26(10) 1541–1555, pdf: http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/0959683616650268
Gronenborn, Detlef; Dolukhanov, Pavel: Early Neolithic Manifestations in Central and Eastern Europe. (Verfasst Dezember 2011). In: Chris Fowler, Jan Harding, Daniela Hofmann (Hrsg.): The Oxford Handbook of Neolithic Europe, Oxford University Press, 2015, S. 195ff (GB)
Piezonka, Henny: Neue AMS-Daten zur frühneolithischen Keramikentwicklung in der nordosteuropäischen Waldzone. In: Estonian Journal of Archaeology, 12/2008, S. 67-113
Eine großartige europäische Völkergruppe - Ihre Geschichte, ihr Ende
- Sie sah über die Jahrtausende hinweg viele europäische Völker kommen und gehen (13.000 bis 2.700 v. Ztr.)
- Ihre letzten Vertreter auf der Insel Gotland übernahmen die Kultur der zugewanderten Indogermanen
[Ergänzung 26.4.2022] Wie Jäger-Sammler-Völker auf die Ausbreitung und Ankunft von Bauern-Völkern in ihrer eigenen Heimat reagieren, wird immer genauer - und im weltweiten völkerkundlichen Vergleich - erforscht. Darauf macht neuerdings eine Studie zum Schicksal der Shabo-Jäger-Sammler (Wiki) im Regenwald von Südwestäthiopien aufmerksam (33). Bei ihnen handelt es sich um entfernte Verwandte der Hadza-Jäger-Sammler. Am ursprünglichsten überleben solche Gruppen in der Regel in marginalisieten Regionen, die für Ackerbau nicht infrage kommen (33). In anderen Fällen können Gruppen solcher Shabo-Jäger-Sammler sich dadurch demographische Stabilität erhalten, daß sie entweder einfache Formen von Ackerbau annehmen haben oder daß sich - schon vor Jahrtausenden - spezialisert haben (etwa als Schmiede) (33). In anderen Gruppen haben Männer Frauen von umliegenden Bauernvölkern geheiratet, wodurch es auch zu kulturellen (und genetischen) Anpassungen kommen kann (33). Letzteres ist natürlich insbesondere auch von der Duldsamkeit und Friedfertigkeit der zuwandernden Bauern-Völker abhängig und von der Art des Verhältnisses der vormals einheimischen Jäger-Sammler-Völker zu den Bauern-Völkern (33).
Bei der Ethnogenese der Vorfahren der "Landnahme-Ungarn", sowie der ihnen genetisch verwandten Baschkiren und Wolga-Tataren scheinen auch mesolithisch lebende Fischer, Jäger und Sammler südlich des Ural, die sibirische Nganasanen-Herkunft in sich trugen Menschen der schnurkeramischen Andronowo-Kultur geheiratet zu haben (Stgen2022). Dabei haben sie sich in ihren Familien aber ihre finno-ugrische Sprache erhalten, auch dann wenn sie zwischenzeitlich - teilweise - das Leben als Reitervölker angenommen haben. (Baschkiren und Wolga-Tataren sind vermutlich erst im Mittelalter unter der Herrschaft der Goldenen Horde sprachlich turkisiert worden, während die Landnahme-Ungarn im Kampf gegen die Mongolen in Ungarn genetisch zwar ausgestorben sind, ihre finno-ugrische Sprache aber in Ungarn zurück gelassen haben.) [Ende der Ergänzung]
Aus archäogenetischer Sicht am bislang besten erforscht ist diesbezüglich das Schicksal der großen Völkergruppe der "westeuropäischen Jäger und Sammler" (Wiki). Es kann schon recht genau beschrieben werden, aufgrund welcher Umstände es dazu kam, daß diese Völkergruppe auch noch in uns heutigen Europäern in kleinen Prozentsätzen genetisch in uns fort lebt. Eine estnische genetische Studie des Jahres 2022 sagt dazu (32):
Der Herkunftsanteil der westeuropäischen Jäger und Sammler ist in heutigen Menschen verbunden mit niedrigem Cholesterolspiegel, hohem Bodymass-Index und trägt vermutlich zur braunen Haar- und hellen Augenfarbe in der heutigen estischen Bevölkerung bei. (...) Genorte, die zu diesen Merkmalen beitragen, scheinen bei den Esten aber auch der Selektion unterworfen gewesen zu sein. Andere von dieser Herkunft herstammende Genmerkmale schließen geringeren Hüftumfang ein und die Neigung zu verstärktem Koffein-Verbrauch, sowie zu höherer Herzschlag-Rate.
WHG ancestry in present day individuals is linked to lower cholesterol levels, higher BMI, and putatively contributed brown hair and light eye color to the contemporary Estonian population. This last association has been previously described based on the HERC/OCA2 haplotypes found in ancient WHG samples. In addition, loci associated with these features also appear to have undergone selection in Estonians. Other region-specific associations for this ancestry include decreased hip circumference and increased caffeine consumption and heart rate.
Ein hoher BMI ist mit der Neigung zu Übergewichtigkeit verbunden. Diese große Völkergruppe lebt also genetisch in einigen Eigenschaften in uns fort. Als Völkergruppe selbst muß sie als ausgestorben angesprochen werden. Die letzten Menschen mit einem fast hälftigen Herkunftsanteil westeuropäischer Jäger und Sammler haben - nach derzeitigem Kenntnisstand - am Plattensee in Ungarn in der Bronzezeit ab 2.200 v. Ztr. gelebt (Stgen2022).
Die Geschichte dieser großen Völkergruppe der dunkelhäutigen und blauäugigen Fischer, Jäger und Sammler in Süd-, West-, Mittel- und Nordeuropa trat in den letzten Jahren durch die archäogenetischen Erkenntnisse sehr überraschend in ersten Umrissen ans Tageslicht. Auch der genetische Zusammenhang derselben über viele Jahrtausende hinweg und über viele tausende von Kilometern über Europa hinweg ist erst seit wenigen Jahren durch die Archäogenetik erkannt worden.
Teil A - Das ungestörte Leben der Völkergruppe bis zur Ankunft der Bauern (ab 5.700 v. Ztr.)
Die Entstehung dieser Völkergruppe kann womöglich ganz gut auf die Zeit um 15.000 v. h. datiert werden. Denn erst seit dieser Zeit finden sich in Europa Menschen mit blauen Augen. Da alle Menschen dieser Völkergruppe blaue Augen haben, wird es sie erst seit 15.000 v. h. geben (28) (etwa Min. 1:00:00).
Erst allmählich werden auch in der traditionellen, archäologischen Forschung alle Funde und Befunde zu dieser großen Völkergruppe in ebensolchen Zusammenhängen gesehen wie sie durch die Genetik aufzeigt worden sind. Im folgenden sollen erste Umrisse der bewegenden, mitunter vielleicht auch erschütternden Geschichte dieser Völkergruppe gezeichnet werden. Ihrer kann nur mit Respekt gedacht werden. Die "westeuropäischen Jäger und Sammler" sind - sozusagen - die "Indianer Europas", die Ureinwohner Europas. Sie haben die Ankunft bäuerlicher Bevölkerungen über die Jahrtausende hinweg erlebt. Sie haben seither in Höhenlagen der Mittelgebirge in Rückzugsräumen gelebt oder an See- und Meeresufern. Sie haben sich schließlich - vor allem ab dem Mittelneolithikum - mit den Bauern vermischt. Sie haben dann neue große Völker und Königreiche mit Hochadel gebildet. Sie scheinen sich dann zum Teil mit den neu ankommenden Indogermanen verbündet - und auch vermischt - zu haben. Und sie scheinen durch sie ein letztes mal neue Siedlungsgebiete bekommen zu haben, etwa auf der Insel Gotland in der Ostsee oder an den Ufern des Plattensee's in Ungarn (Stgen2022).
Zur Zeit sind auf dem deutschen Wikipedia zu dieser Völkergruppe nur die archäologischen Daten zusammen getragen (Wiki). Sie bieten eine erste Orientierung (Wiki).
Die Zeitepoche nach der Eiszeit - etwa ab 9.600 v. Ztr. - wird
Mittlere Steinzeit genannt (Wiki).
In ihr breitete sich in Nordeuropa zunächst Pflanzenbewuchs aus wie er heute noch aus
dem nördlichen Finnland oder aus Sibirien bekannt ist (zunächst Moose
und Flechten, später Birken und erst später - bis etwa 6.000 v. Ztr. -
jener Wald wie er heute noch bekannt ist).
7.100 v. Ztr. - Der "Cheddar Man" auf den britischen Inseln
Anfangs ist das Bild dieser Völkergruppe bestimmt gewesen durch Diskussionen, die es rund um den berühmten "Cheddar Man" (Wiki)
in Großbritannien im Jahr 2018 gegeben hat. Er ist sicherlich bis heute der bekannteste und berühmteste Vertreter dieser Völkergruppe.
Sein Skelett wurde 1903 in einer Höhle in Südwest-England gefunden. Der zugehörige Mann ist nur 23
Jahre alt geworden und lebte um 7.100 v. Ztr.. Nach archäogenetischen Untersuchungen des Jahres
2018 hatte er die typischen anthropologischen Merkmale dieser
Völkergruppe: dunkelbraune Hautfarbe, blaue Augen und dunkle, gelockte
Haare.
In England glaubte man anfangs dieses Forschungsergebnis so wahrnehmen zu müssen, als könne es das Herkunftsbild und Selbstverständnis heutiger "weißer" Engländer infrage
stellen. Und umgekehrt gingen viele "Patrioten" in England auf diese Wahrnehmung ein. Offenbar von wissenschaftsfernen Menschen wurde ihnen weisgemacht, es wäre sinnvoll, dieses Forschungsergebnis als ein solches wahrnehmen zu
müssen, das nur um einer "Multikulti-Agenda" willen herbei "gefälscht" worden sei. Das war natürlich grotesker Unsinn.
Eine
solche Debatte mutet einem sehr künstlich und geradezu an den Haaren herbei gezogen an vor dem
Gesamtbild der europäischen und weltweiten Völkergeschichte wie es sich inzwischen
herausgeschält hat sowohl in seinen Kontinuitäten ebenso wie in seiner großen Veränderungsfreudigkeit. Um beide soll es ja auch im vorliegenden Aufsatz gehen.
Aufgrund solcher Debatten jedenfalls ist in England inzwischen der
"Cheddar Man" ein "bunter Hund" und ähnlich bekannt wie in Deutschland der "Ötzi". Allerdings ist der Ötzi 4.000 Jahre jünger als der "Cheddar Man" und lebte in einer Zeit, kurz bevor die letzten Reste unvermischt gebliebener westeuropäischer Jäger und Sammler in Skandinavien - zum Beispiel auf der Insel Gotland - ausstarben (siehe unten). Der Ötzi gehörte dementsprechend auch
schon der zu seiner Zeit in Europa vorherrschenden anatolisch-neolithischen Völkergruppe an.
Die niederländischen "Kennis-Zwillinge", Kennis&Kennis (Wiki), die beiden bedeutendsten Paläontologie-Konstrukteure
der Gegenwart, haben vom "Cheddar Man" - so wie zuvor schon von Neandertalern, dem Ötzi und anderen
Vormenschen - eine außerordentlich eindrucksvolle Rekonstruktion geschaffen. Um ihretwillen haben wir ein Video eingebunden, das diese Rekonstruktion als Vorschaubild zeigt (24). Wie in anderen Fällen auch fließt nämlich ihre Rekonstruktion sehr stark und kaum hintergehbar in das
Bild mit ein, das wir uns von den ausgestorbenen westeuropäischen Fischern, Jägern und Sammlern machen.
Aber auch die Behausungen fließen in das Bild ein. Gut erforscht ist diesbezüglich die "Steinzeithütte von Howick" (Wiki) in Northumberland in England aus der Zeit um 7.800 v.
Ztr..
Ergänzung 2.11.2021: In einem neuen Vortrag zeigt der Archäogenetiker David Reich auf, wieviel genetische Veränderung es in Großbritannien seit dem "Cheddar-Man" gegeben hat, so daß die westeuropäischen Jäger und Sammler, die der Cheddar-Man repräsentiert, heute nur noch 0,03 % unserer Herkunftsgenetik ausmachen (29). Das beruht darauf, daß es Bevölkerungsaustausch auf den britischen Inseln gegeben hat um 4000 v. Ztr. zu 99 % (neolithische Zuwanderung), um 2.500 v. Ztr. zu 90 % (Glockenbecher-Zuwanderung), um 900 v. Ztr. zu 50 % (keltische Zuwanderung?) und um 400 n. Ztr. zu 40 % (Zuwanderung der Angelsachsen) (29).
Abb. 1: Die Ursprungsvölker Europas (aus: 30): San Teodora auf Sizilien (braun) und die westeuropäischen Jäger und Sammler (rot) stehen sich vergleichsweise nahe. Die osteuropäischen Jäger-Sammler stehen weit entfernt (blau-lila). Dazwischen Balkan- und skandinavische Jäger/Sammler (grün).
Zur Zeit des "Cheddar Man" hatte es die Völkergruppe der westeuropäischen Jäger und Sammler (Wiki)
schon viele Jahrtausende lang in Europa gegeben. Sie hatte den
Höhepunkt der Eiszeit im mediterranen Raum überstanden, nämlich vor
allem in Italien (um 12.000 v. Ztr.) als sogenanntes
"Villabruna-Cluster".
12.000 v. Ztr. - Das Villabruna-Cluster
Ergänzung 12.12.2021: Inzwischen ist das Villabruna-Cluster auch für die Zeit um 13.000 v. Ztr. auf Sizilien in der dortigen San Teodoro-Höhle nachgewiesen (30). Insgesamt werden in einer neuen Studie die Balkan-Jäger-Sammler als neue eigenständige Vorfahrengruppe erkennbar (Abb. 1 und 2). Und diese Balkan-Jäger-Sammler haben nun Skandinavien besiedelt und sich dabei mit den osteuropäischen Jägern und Sammlern vermischt, nicht - wie bisher in dem vorliegenden Blogartikel dargestellt - die westeuropäischen Jäger und Sammler. (Es gilt allerdings abzuwarten, ob sich diese Ansicht in der Forschung durchsetzt.)
Von Italien aus breitete sich die Gruppe der westeuropäischen Jäger und Sammler (in Abb. 2 braun) über ganz West- und Mitteleuropa bis nach England aus. Sie breitete sich auch in den östlichen Ostseeraum aus - aber nicht bis nach Skandinavien (30; in Revision zu: [1]). Diese Neustrukturierung des bisherigen Bildes dürfte allenthalben auch Schlußfolgerungen mit sich bringen für die Prozesse der Ethnogenese im europäischen Mittelneolithikum. Da darf man auf weitere Studien gespannt sein. [Ergänzung-Ende]
Abb. 2: Genaue Aufschlüsselung der Herkunftsgruppen für die mesolithischen Jäger-Sammler-Populationen Europas (aus: 30)
Wie es um die genetische Kontinuität der im vorliegenden Artikel behandelten mesolithischen west- und mitteleuropäischen Jäger und Sammler gegenüber den eiszeitlichen Vorgängerkulturen in Mitteleuropa bestellt ist, insbesondere gegenüber der Magdalénien-Kultur (18.000-12.000 v. Ztr.) (Wiki) und den damit im Zusammenhang stehenden Kulturen - wie Hamburger Kultur (13.700-12.200 v. Ztr.) (Wiki) und Federmesser-Kultur (12.000-10.000 v. Ztr.) (Wiki), sowie das "Doppelgrab von Oberkassel" bei Bonn (um 13.500 v. Ztr.) (Wiki), all das wäre noch einmal gesondert zu behandeln, bzw. hier nachzutragen. Jedenfalls deckt sich der Verbreitungsraum der eben genannten Kulturen und Funde ja schon einmal sehr deutlich mit dem der nachfolgenden mesolithischen, west- und mitteleuropäischen Jäger und Sammler. Um 11.000 v. Ztr. reichte er bis ins heutige östliche Polen (Antiquity 2021).
/ Ergänzung: 27.10.22: Nach einer neuen Studie (Nature2022) gehen die Archäogenetiker insbesondere für Nordeuropa von einem umfangreichen genetischen Austausch bei der Ablösung der beiden Völkergruppen aus, das heißt, die Völkergruppe der Magdalenien-Kultur starb mit der Ankunft der Hamburger- und Federmesser-Kultur aus. Beide scheinen aber zumindest in England parallel zueinander in unterschiedlichen ökologischen Lebensräumen noch einige Zeit nebeneinander her gelebt zu haben. Mehr dazu aber in einem Beitrag, der demnächst hier auf dem Blog erscheinen wird. /
Aus der Grotte Bichon in der Schweiz ist ein Menschenfund bekannt, auf 11.500 v. Ztr. datiert (Wiki), der in Zusammenhang mit den Knochen eines weiblichen Bären gefunden wurde. Aus dieser Völkergruppe finden sich wiederholt Hinweise auf gemeinsame Niederlegung von Bären- und Menschenknochen, später etwa auch in der Blätterhöhle in Westfalen (Res.g.).
Abb. 3: Die früheste Besiedlung Skandinaviens während des Rückgangs des
Inlandeises (aus: 22) - Von Balkan- (30) west- und osteuropäischen Jägern und Sammlern gleichzeitig
Diese immer wieder auftretende enge Beziehung europäischer Mesolithiker zu Bären ist sicherlich besonders gut in Beziehung zu setzen zu dem Umstand, daß noch heute bei den mesolithisch lebenden Chanten und Mansen in Westsibirien - genetische Verwandte der Landnahme-Ungarn - der Bärenkult, die Totenwache bei einem erlegten Bären eine große Rolle spielt. Von dieser Totenwache beim erlegten Bären kann womöglich sogar das nachherige europäische Weihnachtsfest abgeleitet werden, da auch ein Kiefernbäumchen in diesem Kult eine Rolle spielt (Stgen2022).
Auch im Land Brandenburg
Am Bützsee südlich von Alt-Friesack im Bundesland Brandenburg (zwischen Berlin und Hamburg) wurden 1995 Ausgrabungen vorgenommen
(36). Hier wurden "Ahrensburger Pfeilspitzen" (Harpunen)
gefunden, die auf 10.500 v. Ztr. datiert wurden. Die Ahrensburger Kultur
(Wiki, engl) wird auf 10.760 bis 9.650 v. Ztr. datiert. Zu ihrer Zeit gab es noch die Landverbindung zwischen dem Kontinent und England. Das Verbreitungsgebiet dieser Kultur reichte dementsprechend von Südost-England bis in die Gegenden
östlich der Oder (bis in die frühere Provinz Neubrandenburg). Da wir es bei ihr um eine der Ausgangspopulationen für die Besiedlung von Skandinavien zu tun haben (siehe gleich), ist es sehr wahrscheinlich, daß es sich bei der Ahrensburger Kultur
genetisch um westeuropäische Jäger und Sammler gehandelt hat.
Bei den Chanten und Mansen gibt es Familien, die mehr in der nördlichen
Tundra leben und solche, die weiter südlich in den Wäldern leben. So
wie jene, die weiter im Norden leben, war auch für die Ahrensburger
Kultur das wichtigste Jagdwild das Rentier - natürlich neben dem
Fischen. In der Gegend von Alt-Friesack lebten die Menschen damals also ziemlich genau so wie es noch bis ins 20. Jahrhundert hinein die Chanten und Mansen in Westsibirien getan haben.
11.300 v. Ztr. - Beginn der Besiedlung Skandinaviens
Die
neueste archäologische Studie datiert die Besiedlung Skandinaviens
zeitgleich mit dem Rückgang des dortigen Inlandeises auf die Zeit ab 11.300 v. Ztr., und zwar zunächst von Süden durch Balkan- westeuropäische Jäger und Sammler (Abb. 3 rot) (30), wenig später von Osten durch "osteuropäische Jäger und Sammler" (Abb. 3 grün). Nach 8.600 v. Ztr. werden die Balkan-Jäger und Sammler in vielen Regionen von der anderen Herkunftsgruppe zurück gedrängt, bzw. ersetzt, wobei die Menschen offenbar auch das Meer überquerten.
Dieser Vorgang ist womöglich spannender als man auf den ersten Blick denken sollte. Immerhin begegneten den (dunkelhäutigen und dunkelhaarigen?) Angehörigen der Balkan- westeuropäischen Jäger und Sammler Menschen der Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler, bei denen es schon Menschen gab, die blonde Haare hatten und helle Haut. Die Abfolge der Ereignisse wird zusammenfassend folgendermaßen charakterisiert (22):
1) Das erste Eindringen ins südliche Schweden von Süden aus, zirka 11.300 bis 10.000 v. Ztr.
2) Die Ausbreitung entlang der norwegischen Küste vom westlichen Schweden aus Richtung Nordwesten, zirka 9.500 bis 9.300 v. Ztr.
3) Eine nordöstliche Ausbreitung ins nördliche Norwegen und auf die Kola-Halbinsel vor 9.000 v. Ztr.
4) ...
5) ...
6) ...
Original: 1) The initial dispersal into southern Sweden from the south c. 11 300–10 000 BC.
2) The north-westward migration along the Norwegian coast from western Sweden c. 9500–9300 BC.
3) The pre-9000 BC north-eastern migration into northern Norway and Kola.
4) The eastern dispersal into Finland and Karelia c. 9000–8400 BC.
5) The movement of quartz-using groups into northern Sweden from the east between 8900–8200 BC.
6)
The southward migration of groups using the eastern technology along
the Norwegian coast and into central Sweden c. 8400–8000 BC.
Furthermore, a migration across the Baltic Sea Basin to southern Sweden c. 8500 BC can be suggested (Figure 10).
Im ersten
Jahrtausend hat es in Skandinavien nach dieser Studie keine kulturelle
und genetische Vermischung der beiden Zuwanderergruppen - nämlich von südlichen
Balkan - westeuropäischen Jägern und Sammlern und östlichen "osteuropäischen
Jägern und Sammlern" - gegeben (22). Nach 8.300 v. Ztr. kommt es dann
aber - nach Zeugnis der Archäologie - innerhalb von Skandinavien zu
kulturellen und auch genetischen Vermischungen zwischen der östlichen kulturellen Tradition und der
westlichen (22):
Deshalb schlagen wir
vor, daß der Prozeß, der zu einer vermehrten archäologischen
Sichtbarkeit der östlichen technologischen Tradition nach 8.300 v. Ztr.
führte und zu jener genetischen Vermischung, die in den aDNA-Daten für
etwa 7.500 v. Ztr. festgestellt worden ist, auf ein Jahrtausend früher
datiert werden kann als die Ausbreitung der östlichen Technologie vom
nördlichen ins südliche Skandinavien.
We therefore
suggest that the processes that led to the increased archaeological
visibility of the eastern technological tradition after 8300 BC and the
genetic admixture detected in aDNA samples at c. 7500 BC can be traced
back one millennium earlier than the expansion of the eastern technology
from the north into Southern Scandinavia.
Mit diesen Ausführungen wird eine
archäogenetische Studie ergänzt und präzisiert, die im Jahr 2017 erschienen war. Sie hatte die genetische Geschichte der Maglemose- (Wiki), der Kongemose- (Wiki) untersucht, sowie der aus ihr folgenden Ertebolle-Kultur (Wiki) im Nord- und Ostseeraum zwischen dem heutigen England und Finnland. Dabei hat sie aber ein Zeitraum behandelt, der nach dem eben behandelten Zeitraum liegt. In ihr hieß es (2):
Wir sequenzierten die Genome von sieben Jägern und Sammlern aus
Skandinavien (...). Die Überreste konnten direkt datiert werden auf
7.500 v. Ztr. und 4.000 v. Ztr. und wurden im südwestlichen Norwegen
(Hum1, Hum2), nördlichen Norwegen (Steigen) und auf den Ostsee-Inseln
Stora Karlsö und Gotland (SF9,
SF11, SF12 and SBj) gefunden. Sie repräsentieren 18 % (6 von 33) aller
bekannten menschlichen Überreste in Skandinavien, die älter als 8000
Jahre sind.
We
sequenced the genomes of seven hunter-gatherers from Scandinavia (...).
The remains were directly dated to between 9,500 BP and 6,000 BP, and
were excavated in southwestern Norway (Hum1, Hum2), northern Norway
(Steigen), and the Baltic islands of Stora Karlsö and Gotland (SF9,
SF11, SF12 and SBj) and represent 18% (6 of 33) of all known human
remains in Scandinavia older than 8,000.
Und sie schrieben weiter (2):
Die
skandinavischen Jäger und Sammler (SHG) haben keinerlei direkte
Nachfahren hinterlassen oder eine Population, die direkte (genetische)
Kontinuität mit mesolithischen Populationen aufweisen würde. Deshalb
haben sich viele genetische Varianten, die in mesolithischen Individuen
gefunden werden, in heutigen Völkern nicht erhalten.
Original: The
SHGs (as well as WHGs and EHGs) have no direct descendants, or a
population that show direct continuity with the Mesolithic populations.
Thus, many genetic variants found in Mesolithic individuals have not
been carried over to modern-day groups.
Dieser Umstand, daß die skandinavischen Jäger und Sammler bis heute keinerlei
direkte Nachfahren hinterlassen haben, gilt auch für die west- und die
osteuropäischen Jäger und Sammler (WHG und EHG). Diese drei großen
europäischen, mesolithischen Völkergruppen müssen heute - vom
Prinzip her - als ausgestorben gelten. Das
Fischer-Volk der Ertebolle-Kultur im Ostseeraum war aus genetischer
Sicht ein komplexes Mischvolk aus
westeuropäischen Balkan- und osteuropäischen
Jägern und Sammlern, wie es sich aus der eben geschilderten Erstbesiedlung ergeben hat. Es hieß in der Studie von 2017 (2):
Die skandinavischen Jäger und Sammler des nördlichen und westlichen
Skandinavien zeigen eine scharf umrissene und bedeutsam stärkere Nähe zu
den osteuropäischen Jägern und Sammlern auf, verglichen mit den
zentralen und östlichen skandinavischen Jägern und Sammlern. Umgekehrt
waren die skandinavischen Jäger und Sammler im östlichen und zentralen
Skandinavien genetisch näher den westeuropäischen Jägern und Sammlern,
verglichen mit den nördlichen und westlichen skandinavischen Jägern und
Sammlern.
Original: The
SHGs from northern and western Scandinavia show a distinct and
significantly stronger affinity to the EHGs compared to the central and
eastern SHGs. Conversely, the SHGs from eastern and central Scandinavia
were genetically more similar to WHGs compared to the northern and
western SHGs.
Der
genetische Anteil der osteuropäischen Jäger und Sammler betrug im Norden und Westen Skandinaviens zu dieser Zeit - also nach 7.500 v. Ztr. - 55 %
und auf den Ostseeinseln und in Lettland 35 %. Auf der Grundlage dieser
Ergebnisse war damals vorgeschlagen worden, daß das eisfreie Skandinavien, vor allem
die Südküste der Ostsee erst von Süden aus von den mittel-, bzw. westeuropäischen
Mesolithikern besiedelt wurde, und daß später die Nordküste der Ostsee von Osten aus von den osteuropäischen Jägern und Sammlern
besiedelt wurde. So wird es ja auch von der Archäologie 2021 dargestellt (22).
Abb. 4: Umiak der Grönländischen Inuit (aus: 23)
Beide Gruppen hätten
sich dann im Ostseeraum miteinander vermischt. Aber es scheint auch
Gegenden gegeben zu haben, wo sich beide Völkergruppen niemals miteinander
vermischt haben. Auf der dänischen Insel Lolland hat sich nämlich noch
sehr später reine westeuropäische Jäger-Sammler-Genetik gefunden (siehe
unten).
Ergänzung 22.1.22: Die Datierungen der Vermischungen in Skandinavien sind in einer neuen Studie noch einmal etwas genauer gefaßt worden (31):
.... Damit erhalten wir einen Vermischungszeitpunkt von 10.200 v. Ztr. für norwegische und schwedische mesolithische Individuen, obwohl die Jäger und Sammler vom schwedischen Motala etwas jüngere Vermischungs-Zeitpunkte ergeben (8.000 v. Ztr.). Im Baltikum erhalten wir Vermischungs-Zeitpunkte von 8.700 bis 6.000 v. Ztr. in lettischen und litauischen Jägern und Sammlern. Diese liegen später als jene in Skandinavien.
... This translates to a timing of admixture of ~10,200 BCE for Norway and Sweden Mesolithic individuals, though dates are more recent (~8,000 BCE) in the Motala HG’s. In the Baltic region, we inferred admixture dates of ~8,700–6,000 BCE in Latvia and Lithuania HGs, postdating the mixture in Scandinavia.
Immerhin könnte auch eine der ältesten Bootsdarstellungen Nordeuropas aus dem nördlichen Norwegen (23) damit den westeuropäischen Jägern und Sammlern zugesprochen werden. Die Bootsdarstellung stellt wahrscheinlich ein Boot von Art der "Umiak" (Wiki) dar (s. Abb. 4). Sein inneres tragendes Gerüst wurde aus Treibholz oder Walknochen hergestellt. Es wurde dann von einer Seerobben-Haut überzogen. Es gibt auch sehr schöne bildliche Rekonstruktionen des Lebens dieser Meeresfischer (25).
Abb. 5: Der Feuerstein, der um 9.000 v. Ztr. in einer Werkstatt in Mittelhessen verarbeitet wurde, stammte aus allen Richtungen und ist bis zu 150 Kilometer weit transportiert worden (aus: 17)
Zur Vermischung zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Jägern und Sammlern scheint es im gesamten ostmitteleuropäischen Raum gekommen zu sein. Wo dies genau geschah und zu welchen Anteilen wird in der künftigen Forschung sicher noch deutlicher heraus gearbeitet werden.
9.000 v. Ztr. - Eine Feuerstein-Werkstatt in Mittelhessen
Welche
komplexe Lebensweise die westeuropäischen Fischer, Jäger und Sammler
aufgewiesen haben müssen, wird durch die Herkunft von 8.000
Feuerstein-Funden auf dem sogenannten "Feuersteinacker" bei dem Dorf
Stumpertenrod im nördlichen Vogelsberg-Gebirge in Mittelhessen deutlich
(16, 17). Die Rohmaterialien dieser - sozusagen "indianischen" - Feuerstein-Werkstatt stammten aus allen Himmelsrichtungen und
sind bis zu 150 Kilometer weit transportiert worden (Abb. 5). Die Masse der
Feuersteine stammten aus etwa 60 Kilometer Entfernung. Es ist dazu zu erfahren (16):
"Das Farbspektrum des Inventars ist besonders
vielfältig", sagt (Erstautor) Hess, "und es ist möglich, daß den
Materialien neben einer funktionalen auch eine symbolische Bedeutung
zukam." Im Vogelsberggebiet, im größten vulkanischen Gebirge
Mitteleuropas, entspringen zahlreiche Flüsse, an denen sich die Menschen
damals orientierten. Der heute abgelegene Feuersteinacker war in der
Mittelsteinzeit ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und diente als
Versammlungsort.
Vielleicht ist an diesem Ort durch beabsichtigte Brandrodung auch eine größere, freie Fläche entstanden, die als Versammlungsort für "Indianer-Stämme" genutzt wurde, die von weit her entlang der Flüsse gekommen sein mögen (17):
Die
Transportwege, die die Orte, wo das Rohmaterial gewonnen wurde, mit
den Siedlungen verbanden, folgten dem Flußsystem von Lahn, Main, Fulda,
Schwalm, Ohm, und Eder. (...). Mesolithische Siedlungsorte liegen oft
auf erhöhten Terrassen, durch die sie vor Überflutung geschützt sind,
nahe von kleinen Flüssen, die zu größeren Flüssen führen.
Original: Transportation
routes, linking raw material outcrops and settlements, followed the
river systems of Lahn, Main, Fulda, Schwalm, Ohm, and Eder. (...)
Mesolithic sites are often situated on elevated terraces that are
protected from floods, near small streams leading to the tributary
waters of larger rivers.
Diesen Umstand
finden wir auffallenderweise auch noch in der Bronzezeit vor, etwa am Königsgrab
von Seddin, wo eine Wallanlage an einem sehr kleinen Flüsschen
gelegen war, das als Schutz genutzt wurde. Neben Siedlungsorten finden sich aber auch Jagd-Camps (17).
9.000 v. Ztr. - Venusdarstellung in der Lüneburger Heide
Daß
es in dieser Völkergruppe ähnliche künstlerische Ambitionen gab wie in
den europäischen Völkern der Eiszeit, bezeugt unter anderem die Venus
von Bierden (Wiki) bei Verden an der Aller, eine Venus-Darstellung, die 2011 entdeckt wurde (Abb. 6).
8.500 v. Ztr. - Die Geweihmasken und der Schamanismus
Welcher
Art der Schamanismus war, der in dieser Völkergruppe praktiziert wurde,
kann abgelesen werden anhand der 1953 an der Wuhle in Ost-Berlin
gefundenen Hirschgeweihmaske (Wiki). Von solchen gibt es auch Exemplare aus England, Westfalen (Wiki), Mecklenburg oder Bad Dürrenberg an der Saale (21). An letzterem Ort wurde das Grab einer eindrucksvollen Schamanin gefunden, das im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Halle ausgestellt ist (siehe Video) (21).
Die Geweihmasken werden als Hinweise auf Schamanismus gedeutet.
Schamanen in
Nordrußland trugen solche auch noch im 17. Jahrhundert (Abb. 7). Sie sind
auch auf dem Kessel von Gundestrup aus dem 2. Jhdt. v. Ztr. dargestellt.
Mesolithische Menschenfunde im Havelland?
Auch die Kiefernwälder und Seeufer des Havellandes in Brandenburg sind seit dem Ende der nordeuropäischen Eiszeit besiedelt worden.
Über den
Pritzerber See im Bereich der Unteren Havel ist auf der Grundlage älterer Forschungsliteratur zu berichten (34; zit. n. 4; Preuß.blog2016):
Zahlreiche vorgeschichtliche Bodenfunde in der Feldmark oder im See
beweisen die Besiedlung des Gebietes. (...) Der Übergang zwischen See
und Havel in Form eines Verbindungsarmes zur Talinsel, dort wo heute
sich Pritzerbe befindet, bot genügend Platz für eine Niederlassung. Die
weithin bekannten Schädelfunde aus dem Pritzerber See, es sind die
ältesten Reste von Menschen aus jener Zeit in Nordeuropa, sowie Geräte
und Werkzeug aus Rentierknochen sprechen eindeutig dafür.
So wurden im Gebiet des Pritzerber Sees zahlreiche Artefakte aus Knochen
und Geweih ausgegraben, die in die jungpaläolithische beziehungsweise
mesolithische Zeit datiert werden konnten. Man fand beispielsweise
Spitzen, knöcherne Angelhaken und ein Schwirrgerät.
Die im ersten Zitat erwähnten Schädelfunde bei Pritzerbe spielten in
der traditionellen anthropologischen Forschung seit 1928 eine gewisse Rolle. Schädel von
Stangnäs in Bohuslän (Südschweden), vom Pritzerber See, aus Friesack in Brandenburg und aus Groß-Tinz in Schlesien wurden damals als "Übergangsformen" vom Cromagnon-Menschen zum "Nordischen Menschen" der Bronzezeit in Beziehung zueinander gesetzt. Am Pritzerber See wurde auch
Bernstein gefunden (35, S. 110). 1936 wurde über die Pritzerber
Schädel festgehalten (35, S. 134f):
Daß die Pritzerber
Schädel zum Mesolithikum gehören, ist wahrscheinlich, aber es scheint
schwer zu entscheiden, zu welcher genauen zeitlichen Phase sie gehören.
Original:
Two dolichocephalic skulls from the Pritzerber See in the Havelland
have received detailed attention from Reche (1925). They were dredged,
together with two complete and two fragmentary human jaws, and a vast
quantity of bone and antler objects, from the blue Havel clay, which was
overlain by a certain thickness of whitish-grey marl, between 30-40 cm
of sand and from 20-30 cm of mud. The observation of Stimming, who
recovered the material from the dumps of the mechanical dredgers, is
confirmed by the fact that Reche found traces of Havel clay in the
cavities of the skulls. Unfortunately this stoneless clay, which
overlies glacial valley sands, cannot be accurately dated by geological
or palaeo-botanical means, and the antler and bone objects from it
belong to periods I, II and III of the Mesolithic. That the Pritzerber
skulls belong to the Mesolithic is probable, but it seems hardly
possible to decide to which sub-period they belong. Skull no. 1 has a
cephalic index of 71,5 and a capacity of 1450 ccm, and skull no. 11 an
index of 71,1 and a capacity of 1260 ccm. They resemble one another
closely and are considered by Reche to be typically Nordic, with
relations on the one hand to the Chancelade skull and on the other to
skulls of the cord and band ceramik folk of Silesia and Bohemia.
Der hier auch erwähnte "Mann von Chancelade" (Wiki)
lebte in der Dordogne in Südwestfrankreich vermutlich vor 17.000 bis
12.000 v. Ztr.. Er gehörte zur zeitgleichen Kultur des Magdalenien (Wiki). Es wäre spannend zu erfahren, wie die Pritzerber Schädel heute in den Forschungsstand eingeordnet werden.
7.000 v. Ztr. - Die Ausbreitung nach Nordwest-Spanien
Westeuropäische Jäger und Sammler haben sich noch vor der Ausbreitung
des Ackerbaus auch nach Nordwest-Spanien ausgebreitet. Darauf wies der
Archäogenetiker David Reich in einem Vortrag im November 2019 hin (13).
Anhand der Folie "A population turnover in
northwest (Iberia) between 7.000-6.000 BCE" (Minute 3:00) referiert er das Forschungsergebnis einer zuvor veröffentlichten Studie (14):
In
Nordwestspanien dokumentieren wir eine Herkunfts-Verschiebung schon vor
der Verbreitung des Ackerbaus, auf die zuvor niemand aufmerksam
geworden war. Das älteste Individuum "Chan" wies Ähnlichkeit auf zu dem
etwa 19.000 Jahre alten Individuum von "El Mirón",
während die "La Braña"-Brüder aus der Zeit etwa 1300 Jahre später
größere Ähnlichkeit mit zentraleuropäischen Jägern und Sammlern
aufweisen wie dem ungarischen Individumm "KO1", wobei das Individuum
"Canes1" aus der Zeit von etwa 700 Jahren später eine noch extremere
genetische Verschiebung aufweist. Darin könnte sich ein Genfluß
wiederspiegeln, der den Nordwesten der iberischen Halbinsel betroffen
hat, nicht aber ihren Südosten, wo Individuen mit großer Ähnlichkeit zu
El Miron fortlebten.
Original: In
northwest Iberia, we document a previously un-appreciated ancestry
shift before the arrival of farming (Fig. 2A, fig. S5, and table S7).
The oldest individual Chan was similar to the ~19,000-year-old El Mirón,
whereas the La Braña brothers from ~1300 years later were closer to
central European hunter-gatherers like the Hungarian KO1, with an even
more extreme shift ~700 years later in Canes1. This likely reflects gene
flow affecting northwest Iberia but not the southeast, where
individuals remained close to El Mirón (Fig. 2A). More data from the
Mesolithic period, especially from currently unsampled areas, would
provide additional insight into the geographical impact and
archaeological correlates of this ancestry shift.
Solche vorneolithischen Bevölkerungsverschiebungen sind ja neuerdings
(2021) auch für die Philippinen festgestellt worden (siehe Beitrag vor
einigen Tagen).
7.000 v. Ztr. - Menschenfunde in Schweden
Die sitzende Bestattungsweise war in dieser Völkergruppe sehr weit verbreitet. Um 7.000 v. Ztr. wurde so auch eine Frau in Schweden bestattet (Wiki) ("Frau von Bäckaskog") (Abb. 8).
Die Schädelfunde von Motala in Schweden (Wiki) aus der Zeit um 5.500 v. Ztr. deuten noch auf mancherlei Rituelles mehr hin in der Umgangsweise mit den Gestorbenen und ihren Überresten.
Auch in Motala sind unter anderem Bärenknochen um die Menschenknochen herum gruppiert (Sciencealert).
***
Teil B - Hellhäutige Bauern aus dem Süden treten auf (ab 5.700 v. Ztr.)
Der schon 1878 erschienene historische Roman "Rulaman" von David Friedrich Weinland (Wiki) hat das Zusammentreffen von hellhäutigen Bauern aus dem Süden mit dunkelhäutigen Einheimischen, die in den Höhlen der Schwäbischen Alp lebten, beschrieben. Er hat damit intuitiv ein Geschehen nachgezeichnet, das sich - nach heutigem Kenntnisstand - genau so ab etwa 5.500 v. Ztr. in Höhlen in der Schwäbischen Alp abgespielt haben kann.
Während der Besiedlung Europas durch die hellhäutige, braunhaarige Völkergruppe der anatolisch-neolithischen Bauern kam es nämlich dann auch tatsächlich nicht nur zu friedlichem Kontakt, sondern auch zu Kämpfen zwischen beiden Völkergruppen (3) ebenso wie zu Vermischungen beider Völkergruppen. Durch die Vermischungen sind dann ganz neue Völker und Kulturen entstanden, insbesondere im Mittelneolithikum. In Rückzugsräumen lebten Stämme dieser dunkelhäutigen Ursprungsbevölkerung allerorten noch tausende von Jahren parallel zu den
aus Anatolien stammenden hellhäutigeren Bauernkulturen. Erst in der Frühbronzezeit, als sich die indogermanischen Kulturen der Schnurkeramiker und der Glockenbecherleute bis nach Skandinavien, bzw. England und bis in den Mittelmeerraum ausbreiteten, sind - in Skandinavien - die letzten Stämme der dunkelhäutigen Ursprungsbevölkerung in Form des Volkes der Grübchenkeramischen Kultur untergegangen.
Als sich die hellhäutigen, braunhaarigen Bauern anatolisch-neolithischer Herkunft um 5.700 v. Ztr. von Süden her bis in das Wiener Becken ausgebreitet hatte, entstand an der dortige Siedlungsgrenze ein neues Volk, in das 7 % Genetik der einheimischen osteuropäischen Jäger und Sammler eingemischt war, wobei letztere - anzunehmenderweise - auch sprachlich Einfluß genommen haben auf die Ausformung eines neuen Volkes und einer neuen Kultur, nämlich der Bandkeramik. Die Siedlungsweise der Bandkeramik war nämlich nun etwas historisch ganz Neues, nicht mehr eine Dorfkultur wie bisher im Balkan-Raum, sondern eine Kultur, die in einzel oder weilerartig angeordneten Langhäusern lebte.
Diese großartige Kultur breitete sich dann sehr schnell über weite Räume Mitteleuropas aus, natürlich auch bis zu den Südhängen der Schwäbischen Alp (wo dies "Rulaman" und die alte Urahne des Romans so eindrucksvoll erleben). Diese Kultur hat allerdings nur die Täler besiedelt, die einheimischen Fischer, Jäger und Sammler blieben weiterhin in den Höhenlagen der europäischen Mittelgebirge wohnhaft. Das Volk des Rulman könnte also auch in der Schwäbischen Alp noch Jahrhunderte oder Jahrtausende lang fortgelebt haben.
4.900 v. Ztr. - Die geschlossene Welt der Bandkeramik-Bauern löst sich auf
Spätestens ab 5.000 v. Ztr., im Zuge der Auflösung der europaweit sehr einheitlichen Bandkeramik in Regional-Kulturen, kam es offenbar auch zu blutigen Kriegen zwischen den Bandkeramikern und der ursprünglicher einheimischen Bevölkerung in den Mittelgebirgen.
Womöglich auf Kriegszügen in Gefangenschaft geratene Fischer, Jäger und Sammler wurden von den Bandkeramikern an Zentralorten rituell in größeren Zahlen getötet (3). Die auf die Bandkeramiker folgenden Bauernkulturen, deren Vorfahren oder Verwandten westeuropäische Jäger und Sammler zeitweise so grausam getötet hatten, haben sich dann aber dennoch verstärkt auch mit ihnen vermischt. Der genetische Anteil der westeuropäischen Jäger und Sammler in den Bauernvölkern stieg nun auf 15 bis 20 % an, in Mittelhessen zeitweise sogar auf 30 und 40 %. Wiederum können natürlich auch sprachliche Einflüsse der Jäger und Sammler bei der Neuentstehung der Völker und Kulturen des Mittelneolithikums angenommen werden.
Abb. 9: Die letzte Ausdehnung der Grübchekeramischen Kultur, nachdem sie vormalige Siedlungsräume der Trichterbecherkultur wieder übernommen hatte
Nachgewiesene Rückzugsräume der westeuropäischen Jäger und Sammler waren die Blätterhöhle in Westfalen, der Schweriner See, Neuwasser an der Pommerschen Ostseeküste (5), Schweden und Norwegen, sowie die dänischen und schwedischen Inseln in der Ostsee. Etwa von Neuwasser in Pommern aus unternahmen halbseßhafte Angehörige dieses Volkes als Fischer Handelsschiffahrten auf den großen Flüssen Oder und Weichsel bis weit in das Innere des Landes der Bauernkulturen hinein (5).
4.900 v. Ztr. - Beitrag zur Ethnogenese der mittelneolithischen Kulturen, insbesondere auch zur Cucuteni-Tripolje-Kultur
Zu den Rückzugsräumen der westeuropäischen Jäger und Sammler müssen auch die Karpaten gehört haben. Denn wir schrieben schon 2019 hier auf dem Blog aufgrund der damals neuesten
archäogenetischen Erkenntnisse, daß sich die
westeuropäischen Jäger und Sammler schon vor der Ausbreitung des
Ackerbaus so weit nach Osteuropa ausgebreitet haben müssen, daß ihre
Nachkommen nach dem Untergang der Bandkeramik um 4.900 v. Ztr. in
Moldawien - so wie zu den mittelneolithischen Völkern in Mitteleuropa - zu etwa 20 % zur Ethnogenese der mittelneolithischen
Cucuteni-Tripolje-Kultur beitragen konnten. Die anderen 80 % Herkunftsanteil stellten die Bandkeramiker.
Zu gleicher Zeit breiteten sich übrigens Keramik-Kulturen der iranisch-neolithischen Völkergruppe rund um das Kaspische Meer und das Schwarze Meer, sowie entlang der in diese von Norden her mündenden Flüsse - Wolga, Don, Dnjepr, Dnjestr - aus (26). Daraus ergab sich an der Mittleren Wolga - zwischen Samara und Chwalynsk an der Grenze zwischen Waldsteppe und Steppe - die Ethnogenese der Indogermanen, die dann etwa um 3.600 v. Ztr. sich mit den Menschen der Cucuteni-Tripolje-Kultur vermischten.
4.300 v. Ztr. - Beitrag zur Ethnogenese der Trichterbecherkultur - Sie verdrängt die einheimische Ertebolle-Kultur im westlichen Ostseeraum
Um 4.300 v. Ztr. entsteht auf dem Festland
in Ostholstein die erste Bauernkultur des Ostseeraumes, die
Trichterbecherkultur. Auch die Trichterbecherleute hatten etwa 18 % Herkunftsanteil
westeuropäischer Jäger-Sammler in sich, der Rest ihrer genetischen
Herkunft bestand aus anatolisch-neolithischer Genetik.
Sie hatte sich von dort in den nächsten
Jahrhunderten rund um den westlichen Ostseeraum ausgebreitet. Ob sie um
3.700 v. Ztr. auch schon auf der dänischen Insel Lolland nachweisbar ist, wäre interessant
zu erfahren, denn dort lebten auf jeden Fall noch unvermischte, einheimische Fischer, Jäger und Sammler, die dort schon seit vielen Jahrtausenden gelebt hatten.
Gleichzeitig
lebten aber noch bis 3.900 v. Ztr. im östlichen Ostseeraum, sprich im
heutigen Finnland und in angrenzenden Ländern, westeuropäische Jäger und
Sammler, bzw. Fischer weiter. In
Finnland wurden diese westeuropäischen Jäger und Sammler ab 3.900
v. Ztr. durch osteuropäische Jäger und Sammler der Grübchenkeramik (Wiki, engl) ersetzt. Auch hier werden "nicht-neolithische" Völkerverschiebungen innerhalb von Europa greifbar.
3.700 v. Ztr. - Eine der "Letzten ihres Stammes" auf der Insel Lolland
Um 3.700 v. Ztr., also tausend Jahre VOR dem Untergang der letzten Völker dieser Völkergruppe, lebte auf der dänischen Insel Lolland (beim heutigen Syltholm) eine solche braunhäutige, braunhaarige, blauäugige Frau dieses Volkes noch mit der reinen Genetik desselben. Sie kaute ein Birkenpech-Kaugummi. Und dieses wurde von Archäologen gefunden und in ihm haben sich Gene erhalten, die 2019 sequenziert werden konnten (6, 7).
Die Grübchenkeramische Kultur bestand im nördlichen Dänemark bis 2.700 v. Ztr. fort, also eintausend Jahre lang parallel zur Trichterbecherkultur (8). Es findet sich auf einer Grafik (6) auch, daß sequenzierte Träger dieser Kultur etwa 20 % Herkunftsanteile osteuropäischer Jäger und Sammler in sich trugen. Mit solchen Mischungsverhältnissen könnte diese Jäger-Sammler-Kultur auch in Finnland bis zur Ankunft der Schnurkeramiker fortbestanden haben.
Also die wirklich "Letzte ihres Stammes" kann man diese Birkenpech kauende Frau auf Lolland noch nicht wirklich nennen. Sie erscheint den Forschern deshalb so auffällig, weil sie noch keinerlei osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik in sich trug - wie es sonst recht häufig im Ostsee-Raum vorkam in der Ertebollekultur. Jedenfalls scheinen es erst die nachfolgenden Indogermanen gewesen zu sein, die diesem Jahrtausende alten Jäger-Sammler-Volk sowohl im westlichen wie im östlichen Ostseeraum den endgültigen Garaus gemacht haben. Und es schwant einem so ein wenig, daß sich die Indogermanen mit ihnen auch direkt vermischt haben könnten (so wie sie es zuvor mit den Trichterbecherleuten getan haben). Insbesondere in Finnland könnte das der Fall gewesen sein.
3.200 v. Ztr. - Am Schweriner See
Auch am Ostorfer See bei Schwerin in Mecklenburg lebten zwischen 3.200 und 3.000 v. Ztr. noch einheimische, westeuropäische Fischer, Jäger und Sammler. Über sie stellten die Anthropologen fest (zit. n. Stgen2009):
„Das waren keine Bauern, sondern Paddler“, sagt Thomas Terberger über die Ostorfer von einst. Ihre Armknochen weisen die modifizierten Muskelansatzstellen auf, wie sie für Kajakfahrer oder Kanuten typisch sind. Und zwar bei Männern wie Frauen. Das jedenfalls entdeckten Mainzer Anthropologen vor kurzem bei einer morphologischen Untersuchung. Die Kiefer verrieten ihnen, daß die Jäger und Sammler das frugale Mahl intensiv kauen mußten. Sie verzehrten Fleisch und Rohkost, aber kaum Kohlenhydrate. Trotzdem konnte ihre mesolithische Diät sie nicht vor Karies bewahren. Auch zeigen die bei Ostorf geborgenen Skelette Abnutzungsspuren auf; die veränderten Bein- und Hüftknochen zeugen von starker Mobilität. Ähnliche Merkmale sind heute bei Marathon- und Langstreckenläufern zu beobachten.
3.100 v. Ztr. - Völker im Umbruch auf der dänischen Halbinsel
Vor zehn Jahren veröffentlichten wir unseren Artikel "3.100 v. Ztr. -
Der Rinderwagen in der Weltgeschichte" über damals neu gedeutete
Rinderwagen-Gräber in Norddänemark. Dort hatten wir in einer
Nebenbemerkung festgehalten (18):
Wagenräder als Grabgut kennt die "Majkop-Kultur" am Westkaukasus
schon zwischen 3.700 und 3.000 v. Ztr.. (...) Die
neue Studie läßt sogar die Vermutung verschiedener Forscher
anklingen, daß die parallelen Erscheinungen von
Wagengräbern zwischen Westkaukasus und Norddänemark ähnlich wie die
nachfolgende Ausbreitung der Indogermanen mit ihrer Kultur
Pferde-gezogener Streitwagen auf großflächigen kulturellen oder sogar
bevölkerungsmäßigen Ausbreitungsbewegungen beruhen könnte.
Zu unserer Überraschung findet sich inzwischen in einer neuen archäologischen
Studie, daß diese Rinderwagen-Gräber in Dänemark zeitgleich auftreten
mit der Schnurkeramik-Kultur, also mit den Indogermanen (19):
Um
3.100 v. Ztr. breitet sich das Kugelamphoren-Phänomen mit seiner
eigenen groben Keramik, Äxten, Dechsel-Typen ebenso wie Rindergräbern
vom Südosten ins nördliche Jütland aus.Zur
selben Zeit entwickelt sich das Phänomen der Einzelgrabkultur, räumlich
verteilt in unterschiedlicher Intensität mit seinen eigenen Formen
sozialer Organisation und seinen eigenen Symbolen sowie mit der Betonung auf
einem zweiten Monumenten-Boom oder vielleicht auch auf der Rolle von
Kriegern.
In 3100 BCE, the Globular Amphora phenomenon,
with its own coarse ware, axe and adze types, as well as cattle
burials, spreads from southeast to northern Jutland. At the same time,
the phenomenon of the SGC develops, spatially in different intensities,
with its own forms of social organization and its own symbols, such as
emphases on a second monumental boom or perhaps on the role of
warriors.
Im Süden der dänischen Halbinsel tritt diese Einzelgrabkultur ab 2.950
v. Ztr. auf, im Norden der dänischen Halbinsel ab 2.750 v. Ztr. (Abb. 10).
Der Begriff "Dunkle Jahrhunderte" (Wiki)
wird auf eine Phase der Geschichte Griechenlands zwischen 1200 und 800
v. Ztr. angewendet. Für diese Zeit nach dem "Seevölkersturm" beobachten
Archäologen fundarme Jahrhunderte in Griechenland. Diese Jahrhunderte
markieren dort den Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit, den Untergang
des mykischen und die Entstehung des klassischen Griechenland. Ähnliche
"Dunkle Jahrhunderte" werden nun auch im Zusammenhang der Zuwanderung der
Indogermanen nach dem heutigen Norddeutschland und Dänemark festgestellt
(19):
Neue Studien über die Umweltveränderungen, das Ausmaß der Bewaldung, die
Zahl der Großbauten (Monumente) und allgemein über den wirtschaftlichen
Wandel haben eine Periode aufscheinen lassen zwischen 3.100 und 2.800
v. Ztr., in der keine neuen Monumente errichtet werden, und in der ein
Rückgang des menschlichen Einflusses auf die Landschaft sowohl im
nördlichen Deutschland als auch im südlichen Teil der dänischen
Halbinsel festzustellen ist.
Original: New studies on environmental change, the degree of opening up
of the land, the quantities of monuments, and economic change have shown
a period between ca. 3100 and 2800 BCE without monumental building
activity and a decrease in human impact on the environment in northern
Germany and the southern part of the Cimbrian peninsula.
Auf diesen "Hiatus", bzw. Bevölkerungsrückgang in Europa vor, bzw.
während der Zeit der Ankunft der Indogermanen wird neuerdings auch von
Seiten des Archäogenetikers Johannes Krause in seinem inhaltsreichen
Buch "Die Reise unserer Gene" hingewiesen (20). Genau in diese Zeit der
"Dunklen Jahrhunderte" fällt nun das Auftreten eines (neuen)
Keramiktyps, der schon in den 1950er Jahren nahe des dänischen Ortes
Store Valby gefunden wurde. Er wird deshalb "Store Valby Keramik"
genannt. Diese Keramik war in ganz Dänemark, ebenso in Ostholstein
("Wagrien") und
bis nach Dithmarschen verbreitet.
Abb. 10: Chronologische Einordnung der "Store-Valby-Übergangsgesellschaften auf der dänischen Halbinsel (aus: 19)
Dieser Keramiktyp wird nun in einer neuen Studie deutscher Archäologen
als Keramiktyp der Zeit des Übergangs, der Zeit der "Dunklen
Jahrhunderte des Nordens" gekennzeichnet. Und man glaubt mit diesem
fehlenden Puzzleteil nun die Kulturabfolge in diesem Raum noch genauer
zeitlich, räumlich
und kulturell einordnen zu können (s. Abb. 10). Dabei ist zu
berücksichtigen, daß in nördlichen Teilen der jütländischen Halbinsel
bis 2.700 v. Ztr. interessanterweise sogar noch die
Grübchenkeramik-Kultur ("Pitted Ware Societies"; Abb. 10) fortbestand,
jenes Jahrzehntausende Jahre alte Volk westeuropäischer Jäger, Sammler
und Fischer, das sich für den westlichen Ostseeraum hier mit seinen
letzten Rückzugsorten bis zur Ausbreitung der Indogermanen hielt. (Etwas
später ging dieses Volk auch im östlichen Ostseeraum unter.) Das
Ergebnis der Studie lautet nun für die Viehzucht und ackerbautreibenden
Kulturen (19):
In der Zeit 3.100 bis 2.900 v. Ztr. hatten die Menschen Zugang zu
Keramik der Trichterbecherkultur, der Kugelamphorenkultur und der
(regionalen) Store Valby-Keramik.
In the period 3100-2900 BCE, people could have had access to Bundsø/Lindø, Globular Amphora and Store Valby ceramics.
Das könnte heißen, daß in dieser Zeit der "Landnahme" Menschen ganz unterschiedlicher kultureller und ggfs. auch genetischer Herkunft neben einander lebten. Im weiteren Verlauf, in der Zeit von 2.900 bis 2.600 v. Ztr. kam zu der
soeben beschriebenen, schon vorhandenen Keramik noch die Keramik der
Schnurkeramiker dazu (in Abb. 10 "Single Grave Societies", sprich
Einzelgrab-Kultur).
Die kulturellen Spuren der Kugelamphorenkultur verlieren sich
aber hinwiederum nach 2.700 v. Ztr. im Norden ebenso wie die der
Grübchenkeramik-Kultur. Nur die Kultur der Schnurkeramik bleibt übrig.
Unsere Frage, bzw. Vermutung, bzw. Deutung: War das etwaige Großreich der Kugelamphoren-Kultur von den Indogermanen aus dem Osten erobert worden, haben diese Indogermanen Teile des Heeres des Großreiches der Kugelamphoren-Kultur in ihr eigenes Heer aufgenommen und haben wurden während der Landnahme auf der dänischen Halbinsel unterschiedlichen Heeresteilen unterschiedliche Siedlungsräume zugeordnet? Das ist jedenfalls das, was sich uns in diesen Zusammenhängen schemenhaft andeutet.
2.800 v. Ztr. - Die Indogermanen sind da
Erst also also die Indogermanen ab 2.800 v. Ztr. als Schnurkeramiker - womöglich in großen Heerzügen gemeinsam mit Kriegern der Kugelamphoren-Kultur - den
westlichen Ostseeraum erobern, verlieren sich dort die kulturellen
und genetischen Spuren der großartigen Völkergruppe der westeuropäischen Fischer, Jäger und Sammler, die sich dort
lange als Ertebolle-Kultur (Wiki) und zuletzt als Grübchenkeramische Kultur ("pitted ware culture") (Wiki)
gehalten hatte.
Zu dieser Zeit brachten die Schnurkeramiker den
Ackerbau auch nach Finnland, also in den östlichen Ostseeraum.
Es deutet
inzwischen immer mehr darauf hin, daß hier sowohl in Form der
anatolisch-neolithischen Trichterbecher- und Kugelamphoren-Kultur wie
auch auf Seiten der Indogermanen stattliche Strukturen vorlagen, wie sie
am ehesten in der Eisenzeit "Altitaliens" greifbar werden, das heißt,
mit einer kriegerischen Adelsschicht, die sich Steinstelen als
Grabsteine setzte, freien "Patriziern" und dem einfachen Volk, sowie
auch Sklaven und Kriegsgefangene.
2.700 v. Ztr. - Die letzten einheimischen Fischer auf Gotland nehmen die indogermanische Streitaxt-Kultur an
Auf der Insel Gotland haben zwischen 3.300 v. Ztr. und 2.700 v. Ztr. Menschen der bäuerlichen Trichterbecherkultur gelebt, die mehrheitlich anatolisch-neolithischer genetischer Herkunft waren. Im Verlauf des Untergangs dieser bäuerlichen Trichterbecherkultur durch die Zuwanderung der Schnurkeramischen Kultur von Süden her bis nach Dänemark hinein, wurde diese Kultur ab 2.700 v. Ztr. noch einmal ersetzt von jenem im skandinavischen Raum schon viel länger einheimischen Fischer-Volk mesolithischer, genetischer Herkunft. Es war dies das Volk der Grübchenkeramischen Kultur. Was für ein verrückter Vorgang!
Die Archäologen hatten nämlich schon länger beobachtet, daß
diese Grübchenkeramische Kultur auf Gotland zwischen 2.900 und
2.500 v. Ztr. etwa zur Hälfte Grabsitten und Grabausstattungen jener indogermanischen Streitaxt-Kultur
angenommen hatte, die sich in dieser Zeit rund um den Ostsee-Raum
ausgebreitet hat. Eine archäogenetische Studie von 25 Skeletten der Insel Gotland aus dem Juni 2020 zeigt nun auf, daß die dortigen Menschen der Grübchenkeramischen Kultur, die teilweise mit Streitäxten und in Hockerstellung begraben wurden, aus genetischer Sicht von skandinavischen Fischer-, Jäger und Sammler-Populationen abstammen (15) (Abb. 11). Vielleicht waren diese Menschen als "Verbündete" des Königs oder Fürsten der Streitaxt-Kultur sehr bewußt von anderen Gegenden her um- und auf Gotland angesiedelt worden.
Abb. 11: Die kulturell von der Streitaxt-Kultur beeinflußten Grübchenkeramischen Gräber auf Gotland (rote und orangene Dreiecke) waren genetisch identisch mit sonstigen Grübchenkeramischen Gräbern in Skandinavien. Insgesamt standen diese letzten Jäger und Sammler Skandinaviens genetisch den westeuropäischen Jägern und Sammlern näher als den osteuropäischen (aus: 15)
Zwölf der von der Insel Gotland sequenzierten Skelette waren jedenfalls in der typischen Rückenlage der Grübchenkeramischen Kultur bestattet, elf dieser Skeletten waren in der typischen Hockerlage der Streitaxt-Kultur bestattet. Letzteren war auch eine entsprechende typische Streitaxt beigegeben worden. Aber alle diese Skelette wiesen einheitliche, einheimische mesolithische, skandinavische Genetik auf. Trotz ihrer Streitaxt-Grabkultur hatten alle diese Menschen sich vornehmlich von Meerestieren ernährt, was untypisch ist für die Herdenhalter der Streitaxt-Kultur (15).
Ob wohl diese kulturell von der Streitaxt-Kultur überformten Menschen auf Gotland aus dem 3. Jahrtausend v. Ztr. als die geschichtlich letzten Vertreter der einstmals so großen Völkergruppe der westeuropäischen Jäger und Sammler angesprochen werden können? Und ob es solche kulturelle Überformung auch noch an anderen Orten des Ostseeraumes gegeben hat?
[ 14.2.22 ] Nein, als die letzten Vertreter dieser großen Völkergruppe werden neuerdings Menschen am Plattensee ab 2.500 und 2.200 v. Ztr. gelten können (Stgen2022).
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