Die Indogermanen kommen nach Siebenbürgen (3500 v. Ztr.)
- Neue Forschungen aus Genetik und Archäologie - Anhang: Allgemeinere Überlegungen zu Geschichte und Wesen des Indogermanischen
[23.12.2019] Im November 2019 ist eine neue archäogenetische Studie zur Ankunft der (indogermanischen) Steppen-Genetik in den protourbanen Donaukulturen, den Cucuteni-Tripolje-Kulturen (Wiki) erschienen (2) (s. Abb. 1).
Abb. 1: Ankunft der Steppen-Herkunft in der Cucuteni-Tripolje-Kultur ab 3.500 v. Ztr. (aus: 2)
Die Studie ... (2)
....
präsentiert Genom-weite Daten aus Skeletten von vier Frauen, die in zwei späten Cucuteni-Tripolje-Ortschaften in
Moldawien (3.500-3.100 v. Ztr.) gefunden wurden. Alle Individuen waren
gekennzeichnet durch eine umfangreiche neolithisch-geprägte genetische
Herkunft, sie standen hierbei der Bandkeramik genetisch näher als den
(ursprünglichen) anatolischen Bauern. Drei der Frauen wiesen ebenfalls
ein beträchtliches Ausmaß an Steppen-Herkunft auf, was einen Zustrom
von Genen des ukrainischen Steppen-Mesolithikums in den
Cucuteni-Tripolje-Genpool nahelegt. Dieses Szenarion wird durch
archäologische Belege untermauert. Unsere Ergebnisse bestätigen, daß die
Steppenkomponente in den östlichen Bauernkulturen schon um 3.500 v.
Ztr. angekommen war.
Original: ... present genome-wide data
generated from the skeletal remains of four females that were excavated
from two Late CTC sites in Moldova (3500-3100 BCE). All individuals
carried a large Neolithicderived ancestry component and were genetically
more closely related to Linear Pottery than to Anatolian farmers. Three
of the specimens also showed considerable amounts of stepperelated
ancestry, suggesting influx into the CTC gene-pool from people
affiliated with, for instance, the Ukraine Mesolithic. The latter
scenario is supported by archaeological evidence. Taken together, our
results confirm that the steppe component had arrived in eastern Europe
farming communities maybe as early as 3500 BCE. In addition, they are in
agreement with the hypothesis of ongoing contacts and gradual admixture
between incoming steppe and local western populations.
Die
bisher genetisch bestimmten Menschen dieser Kultur und Zeitstellung
sehen wir in Abb. 1 ganz links. Der
dunkelblaue Herkunftsanteil geht zurück auf die bäuerliche
anatolisch-neolithische Völkergruppe (einschließlich Bandkeramik), der
braun-orange Herkunftsanteil geht nun zurück auf dieselbe
Steppen-Herkunft, die sich auch in der Yamnaja-Kultur findet (Abb. 1
ganz rechts). Um 3.500 v. Ztr. ist dieser Herkunftsanteil in den
Menschen von Moldawien noch nicht sehr umfangreich vorhanden, aber immerhin
- er ist sehr deutlich vorhanden. Das heißt, daß sich die Menschen der Steppe zunächst allmählich in die
Bauernkulturen der Ukraine, Moldaviens und Siebenbürgens eingemischt
haben (2):
Für das Skelett Pocrovca 1
(...) sind die folgenden Herkunftsanteile naheliegend: Bandkeramik 41
bis 60 %, Steppen-Herkunft 8 bis 18 % und Herkunft von westeuropäischen
Jägern und Sammlern 29 bis 41 %.
Pocrovca 1 yielded a feasible
three-way admixture model suggesting the following proportions: LBK
(41-60%), steppe-related ancestry (8-18%) and WHG (29-41%).
Der hellblaue Herkunftsanteil in Abb. 1 geht
zurück auf die dunkelhäutigen westeuropäische Jäger und Sammler, wobei allerdings nicht klar wird, wo die osteuropäischen Jäger und Sammler zu finden sind und ob die nicht auch darunter summiert sind. Zu
den westeuropäischen Jägern und Sammlern ist zu sagen, daß diese sich schon vor der
Ausbreitung des Ackerbaus so weit nach Osteuropa ausgebreitet hatten und
daß ihre Nachkommen nach dem Untergang der Bandkeramik in Moldavien
nicht unbeträchtlich zur Ethnogenese der mittelneolithischen
Cucuteni-Tripolje-Kultur beigetragen haben werden.
Schon in einem Blogbeitrag von vor wenigen Wochen haben wir darauf hingewiesen, daß die frühesten
Schnurkeramiker Mittel- und Nordeuropas vermutlich noch gar keine neolithische
Bauerngenetik aufgewiesen zu haben. (In Abb. 1 sind diese
bislang noch selten untersuchten frühesten Schnurkeramiker offenbar noch
gar nicht eingetragen, unter "Corded Ware" jedenfalls nur spätere.) Bei
den Schnurkeramikern handelt es sich also, so wird auch in dieser
Studie geschlußfolgert, um Zuwanderungen direkt aus dem Kernraum der
Steppenvölker heraus nach Mitteleuropa, nicht um Zuwanderungen aus den
Vermischungsgebieten auf dem Territorium der vormaligen
Cucuteni-Tripolje-Kultur. (Diesen Umstand scheint uns der
bekannte Blogger "Davidski" in seinem Kommentar auf dem Preprint-Server
noch übersehen zu haben.) Ähnliches könnte dann auch für die
Glockenbecher-Kultur ("Bell Beaker") gelten, die ja eine ganz ähnliche
genetische Signatur aufweist wie die Schnurkeramiker-Kultur (s. Abb. 1).
Soweit die neueste Archäogenetik zur Geschichte dieses Raumes.
Das Auf und Ab der Geschichte der Cucuteni-Tripolje-Kultur
In einer ebenfalls in diesem Jahr erschienenen rein archäologischen Studie (1) wird die Geschichte der protourbanen Cucuteni-Tripolje-Kultur (Wiki) anhand statistischer Auswertungen auf gleich mehreren Ebenen nachgezeichnet, wobei ein starker Bevölkerungseinbruchum 3.500 v. Ztr. deutlich wird (Abb. 2). Dieser tritt aber tatsächlich erst in der letzten Endphase dieser Kultur auf. Vorausgegangen ist ihm eine lange Phase erhöhter kriegerischer Aktivität, gemessen an Pfeilfunden und Verteidigungsanlagen rund um Siedlungen (Abb. 2). Auch das Auf und Ab der Bodenqualität und des Anteils des Jagdwildes am gesamten Fleischkonsum kann für über ein Jahrtausend vor diesem Ereignis nachgezeichnet werden (Abb. 2).
Abb. 2: Bevölkerungsdichte und Wirtschaftsweise in der heutigen Ukraine und im heutigen Rumänien 4.500 bis 3000 v. Ztr. (aus: 1)
Das soll im folgenden noch etwas genauer erläutert werden. Um 5.500 v. Ztr. ist die Bodenqualität der Schwarzböden in der Ukraine, in Moldawien und Siebenbürgen (Rumänien) hervorragend. Ab dieser Zeit geht sie aufgrund des Bevölkerungswachstums der frühneolithischen Kulturen sehr schnell zurück und erreicht um 4.800 v. Ztr. einen Wert, der unseren modernen Braunböden entsprechen wird. 4.800 v. Ztr. ist die Zeit des Untergangs der Bandkeramik, die sich auch bis in die Ukraine ausgebreitet hatte. (Die Bevölkerungsgröße in bandkeramischer Zeit scheint nicht eingezeichnet zu sein.) Hier sehen wir also womöglich eine der Ursachen der Instabilität der bandkeramischen Kultur: die Bodenqualität. Womöglich hatten die Menschen noch nicht gelernt, die Bodenqualität durch Düngung und Brache zu pflegen und hatten plötzlich viel weniger ertragreiche Böden, ein Umstand, auf den sie zunächst womöglich nicht reagieren konnten.
In dieser Zeit des Niedergangs wurde nun wieder
deutlich mehr Wild gejagt und konsumiert als zuvor. Dies ist an dem Prozentsatz der Knochen von Wildtieren unter den Tierknochen-Funden in
den menschlichen Siedlungen ablesbar (s. Abb. 2, "faunal remains"). Er erreichte wieder Werte zwischen 50 und 60 %, sank in den folgenden Jahrhunderten dann aber wieder auf 30 % oder noch geringer ab.
Denn von diesem Tiefpunkt am Ende der Bandkeramik ab wächst die Bodenqualität dann wieder deutlich an. Und das obwohl zeitgleich auch die Bevölkerungsgröße weiter wächst (siehe "Area of settlements"). In letzterem Umstand dürften die Entwicklungen ab dieser Zeit in Mitteleuropa und in Südosteuropa auseinander laufen. Eine so hohe Siedlungsdichte wie im Frühneolithikum wurde in Mitteleuropa erst im Frühmittelalter wieder erreicht. In Südosteuropa verlief diese Entwicklung aber - wie hier nun deutlich wird - für eintausend Jahre lang - sehr viel beschleunigter. Vielleicht konnte dort durch neue Anbaumethoden (z.B. Brache, Düngung, Rinder-gezogener Pflug) die Bodenqualität wieder verbessert werden und so schließlich sogar noch einen höheren Wert erlangen als der Ausgangswert vor der Einführung des Ackerbaus betragen hatte (siehe Abb. 2, "soil quality").
Zwischen 4.500 und 3.900 v. Ztr. erreichte die Bodenqualität im Zeitverlauf nämlich ihren sehr deutlichen Höhepunkt. Dieser Zeitabschnitt wird als Zeit großen wirtschaftlichen Wohlstandes und Reichtums in der Cucuteni-Tripolje-Kultur (und in der zeitgleichen, nördlicheren Kugelamphorenkultur) gedeutet werden können. Und dieser Reichtum lockte die kriegerischen Kulturen der Indogermanen vom Mittel- und Unterlauf der Wolga an, die dort parallel in der Zeit nach dem Untergang der Bandkeramik entstanden waren. Pfeilspitz-Funde ("arrow caches"), die ein Hinweis auf die jeweilige Intensität kriegerischer Ereignisse sein werden, zeigen schon um 4.400 v. Ztr. einen ersten Höhepunkt. Weitere Höhepunkte folgen in den nachfolgenden Jahrhunderten bis 4.000 v. Ztr..
Auf das erste Auftreten der Bogenwaffe reagieren die reichen Kulturen der Ukraine und Siebenbürgens mit der Befestigung ihrer Siedlungen (s. Abb. 2, "settlement fortification"). Diese setzt ab 4.500 v. Ztr. ein und erreicht um 4.300 v. Ztr. ihren deutlichen Höhepunkt. Und sie hält weiter an bis 3.900 v. Ztr.. Der erarbeitete Wohlstand und Reichtum waren also von Anfang an begehrt und umkämpft und mußte verteidigt werden, entweder in Kriegen dieser Völker untereinander (Stamm gegen Stamm) oder in Kriegen gegen - z.B. - die indogermanische Steppenkultur.
Es muß nicht unwahrscheinlich sein, daß sich die Steppengenetik schon - ebenso wie in Warna - ab 4.300 v. Ztr. in der Cucuteni-Tripolje-Kultur eingemischt hat. Nachgewiesen ist das nicht. Aber soweit übersehbar, kann das auch nicht ausgeschlossen werden.
Über fast tausend Jahre hinweg scheint es dabei - dennoch - gelungen zu sein, die sozioökonomische Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Organisationsgrad aufrecht zu erhalten oder sogar noch auszubauen. Auffallenderweise gehen die Befestigungsanlagen schon ab 4.000 v. Ztr. wieder deutlich zurück. Und ab 3.900 v. Ztr. geht auch recht deutlich die Bodenqualität zurück. Womöglich hat sich ab dieser Zeit wieder vermehrt Herdenhaltung ausgebreitet.
Vielleicht kam es schon in jenen Jahrhunderten zu einer schrittweisen "Integration" der östlichen Nachbarn als "Föderaten" oder auch in Führungsschichten (sichtbar schon um 4.300 v. Ztr. in Varna) ähnlich wie dies im Römischen Reich Jahrtausende später geschah. Sollte es schon ab etwa 4.000 v. Ztr. eine irgendwie geartete "Integration" gegeben haben, ist sie archäologisch bislang aber nicht deutlich sichtbar. (Immerhin sichtbar in der Genetik, siehe neue Einleitung oben!) Sie geschah unter Beibehaltung oder sogar noch Steigerung der bisherigen Wirtschaftskraft, bzw. unter nur gradueller Veränderung derselben. Um 4.100 v. Ztr. erreichen Siedlungsgröße und -dichte in der heutigen Ukraine und in Siebenbürgen ihren Höhepunkt (s. Abb. 2, "Area of settlements"). Da die Schwarzböden nun offenbar sehr intensiv angebaut werden, tragen die Flüsse mehr Erde in das Donau-Delta, wo sie sich ablagert ("Danube delta sedimentation").
Zeichen des Niedergangs
Ein erster, noch geringerer Einbruch in der Bevölkerungsgröße und -dichte erfolgt ab 4.000 v. Ztr., er verstärkt sich dann aber sehr deutlich um 3.700 v. Ztr.. Um 3.500 v. Ztr. könnte die Bevölkerung auf ein Viertel ihres vormaligen Höchstwertes um 4.400 v. Ztr. zurückgegangen sein. Dies ist die Zeit, in der der "Ötzi" in Tirol mit seinem Kupferbeil lebte und an in der in der Ukraine und in Siebenbürgen die Bronzezeit begann. Eine indogermanische Kultur begann, sich zwischen der einheimischen Bauernkulturen auszubreiten. In der Studie heißt es (1):
Bislang
vorliegende Radiokarbon-Daten und Keramik-Serien in der Ukraine legen
eine nur kurze Periode der Gleichzeitigkeit zwischen der Endphase des
(rein bäuerlichen) Eneolithikums und der frühbronzezeitlichen
(Steppen-)Gruppen nahe (Diachenko and Harper, 2016) und deshalb auch einen schnellen Übergang zwischen ziemlich unterschiedlichen kulturellen Horizonten.
In dieser Studie verfolgen wir hingegen die Hypothese, daß die
eneolithischen Gesellschaften der Ukraine, Moldawiens und Rumäniens über
den Verlauf des vierten Jahrtausends v. Ztr. hinweg allmählich in eine Viehherden-Ökonomie überging, und daß dies unabhängig von der späteren Ansiedlung von frühbronzezeitlichen (Steppen-)Gruppen in der Region geschah.
Original:
Existing radiocarbon data and pottery seriation in Ukraine suggest only
a brief period of synchronicity between Terminal Eneolithic and EBA
groups (Diachenko and Harper, 2016) and, therefore, a rapid transition
between fairly discontinuous cultural horizons. In this paper we present
the hypothesis that the Eneolithic societies of Ukraine, Moldova and
Romania gradually transitioned to a pastoral economy over the course of
the fourth millennium BCE, and that this occurred independently of the
later establishment of EBA cultural groups in the region.
Nun, daß dies ganz unabhängig von Steppen-Gruppen geschehen ist, wird ja inzwischen schon durch die einleitend erwähnten neuen archäogenetischen Daten eher widerlegt. Aber die Bevölkerungsgröße erholte sich doch noch einmal von dem Bevölkerungseinbruch von 3.500 v. Ztr. und verdoppelte sich bis 3.400 v. Ztr.. Womöglich ist daran die Zähigkeit erkennbar, mit der sich diese weit entwickelte Kultur ihrem Untergang entgegen stemmte Erst danach pendelte sich die Bevölkerungsgröße dauerhafter auf einem niedrigeren Niveau ein.
Abb. 3: Die Siedlungen der Cucuteni-Tripolje-Kultur 4.500 bis 3.500 v. Ztr. (aus: 1)
Es bildete sich dann eine Mischkultur von Herdenhaltern der Steppe und einheimischer Bevölkerung aus. Die Bronzezeit hatte begonnen. Die große mittelneolithische Cucuteni-Tripolje-Kultur mit ihren "Megasites", mit ihren Großsiedlungen, deren geographische Verbreitung sich auf Abbildung 3 zeigt, war untergegangen. Die Angabe zu "site relief" in Abb. 2 soll wohl anzeigen, daß die Zahl der Siedlungsstellen womöglich noch wuchs, jede für sich aber deutlich kleiner geworden war. Die Forscher fassen die Ergebnisse ihrer Studie folgendermaßen zusammen (1):
Die wirtschaftlichen Veränderungen vollzogen sich allmählich, in ihrem Ausdruck regional vielfältig und gehen der Ankunft der frühbronzzeitlichen (Steppen-)Völker voraus.
Economic changes were gradual, regionally diverse in their manifestation and pre-date the arrival of EBA populations in Eastern Europe.
Ob es aber - wie von uns angedeutet und wie von der Archäogenetik neuesten nachgewiesen (siehe Einleitung oben) - schon zuvor schrittweise Integrationen dieser östlichen Steppen-Völker gegeben hat, wird in dieser Studie nicht konkreter in Erwägung gezogen.*) In der Studie wie auch auf Wikipedia ist die Rede von (Wiki):
... der kurzen historischen Gleichzeitigkeit von Cucuteni-Tripolje (4.800-3000 v. Ztr.) und der (östlichen, indogermanischen) Yamnaja-Kultur (3.300-2.600 v. Ztr.)
Original: ... the limited common historical life-time between the Cucuteni–Trypillia (4800–3000 BC) and the Yamnaya culture (3300–2600 BC); given that the earliest archaeological findings of the Yamnaya culture are located in the Volga-Don basin, not in the Dniester and Dnieper area where the cultures came in touch, while the Yamnaya culture came to its full extension in the Pontic steppe at the earliest around 3000 BC, the time the Cucuteni-Trypillia culture ended, thus indicating an extremely short survival after coming in contact with the Yamnaya culture. (...) The kurgans that replaced the traditional horizontal graves in the area now contain human remains of a fairly diversified skeletal type approximately ten centimetres taller on average than the previous population.
Daraus wäre zu folgern, daß es sich bei den genetischen Einmischung, die schon um 3.500 v. Ztr. sichtbar sind, um Genetik von Vorgängerkulturen der Jamnaja-Kultur handeln wird. Und es ist die Rede von einem nur kurzzeitigen Überleben der Cucuteni-Tripolje-Kultur nachdem sie mit der Jamnaja-Kultur in Berührung gekommen war. Unter den Kurganen, die die vorherige Grabform ersetzten, waren nun Menschen begraben, die durchschnittlich zehn Zentimeter größer waren als die vorherige Bevölkerung (1).*)
Hoher Organisationsgrad der "Megasites"
Ergänzung (6.7.22): Der hohe gesellschaftliche Organisationsgrad der "Megasites", sowie der Organisationsgrad ihrer Landwirtschaft, dabei auch die Knappheit an Land wird in einer detaillierten neuen Untersuchung mittels massenweiser Isotop-Analysen von Tierknochen solcher "Megasites" deutlich. Deren Ergebnisse werden aktuell folgendermaßen zusammen gefaßt (6):
Die intensive Beweidung durch Rinder, vermutlich Milchkühe in hoher Zahl auf räumlich beschränktem Weideland legt nahe, daß qualitativ hochwertiges Weideland eine begrenzte Ressource am Siedlungsort Madanetske darstellte, und daß der Zugang zur Weide zwischen Haushalten ausgehandelt werden mußte. (...) Rinder-Dung, der sich auf diesen Weiden ansammelte, könnte ebenfalls als eine Gemeinschafts-Ressource angesehen worden sein, nutzbar für die routinemäßige Düngung der Anbauflächen. Wenn dies der Fall war, wären landwirtschaftliche Aktivitäten ebenfalls an die Gesellschaft gebunden gewesen, selbst wenn der Getreideanbau durch einzelne Haushalte erfolgt sein sollte. (...) All dies bezeugt die tief eingewurzelte Rolle sorgfältiger Raumnutzung - am deutlichsten sichtbar in dem konzentrischen Grundriß der Tripolje-Megasites.
The intensive grazing of some cattle, probably dairy cows, at high
stocking rates in spatially restricted pastures suggests that
high-quality pasture was a limited resource at Maidanetske and that
pasture access was negotiated between households, or, if cattle were
communally held by several households, through integrative activities
perhaps directed within the built environments of ‘mega-structures’. The
practice of intensive pasturing itself therefore may have also served
socially cohesive functions. Cattle dung, concentrated on specific
pastures, may have also been a community resource, available for routine
fertilising of agricultural plots. If this was the case, agricultural
activities were also tied into the community, even if cropping was
undertaken at the household level. At the same time, the partitioning of
the local landscape, exemplified in extensive pasturing systems and the
different roles played by domesticated animals in those landscapes,
also suggests that access to pastures was further determined by intra-
and inter-community cooperation or competition. Altogether, this attests
to the deep-seated role of careful spatial calculations - most visible
within the concentric planning and layout of Trypillia mega-sites - in
maintaining and reifying Trypillia social organisation.
Da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Steppen-Herkunft schon vor Entstehung der "Megasites" in der Ukraine in die Menschen der Cucuteni-Tripolje-Kultur eingemischt war (Studgen2022), könnte auch aus solchen Forschungen die Erkenntnis abgeleitet werden, daß das indogermanische Element - sowohl genetisch wie kulturell - von Anfang an nicht nur zerstörend, anarchisch und ausbeutend, sondern auch aufbauend, organisierend und disziplinierend in der Weltgeschichte aufgetreten sein könnte. Um dessen sicher zu sein, müssen aber weitere Forschungen abgewartet werden.
_____________
*) Die hier erörterte Studie argumentierte gegen die These des sehr bedeutenden Buches "Zepter, Pferde, Krieg" des moldawischen Archäologen Vladimir Dergachev aus dem Jahr 2007. Auf diesen Umstand wurden wir erst 2021 aufmerksam und machen darauf in einem jüngeren Blogartikel aufmerksam (5). Leider ist das Buch bislang nur auf Russisch erschienen, so daß seine Thesen und Erkenntnisse von uns bislang nicht im Detail nachvollzogen werden können und auch von deutschen Archäologen wie Volker Heyd bis 2016 nicht mit in die Betrachtung und Beurteilung mit einbezogen worden ist. Dieser Umstand ist sehr bedauerlich, zumal mit diesem Buch zugleich die Urheimat der Indogermanen an der Mittleren Wolga entdeckt worden ist.
- In Arabien, auf Malta, in Spanien, Frankreich und der Ukraine
"Proto-Indo-European mythology" (Wiki)
- so heißt ein Wikipedia-Artikel, auf dem man mit großer Überraschung die Abbildung einer 1,20 Meter hohen
Menhirstatue finden kann. Es handelt sich um die Kernosovsky-Stele (Wiki) (Abb. 1). Diese ist 1973 in der Ukraine gefunden worden.
Abb. 1: Die Kernosovsky-Stele (Wiki) (Fotograf: John Bedell), um 3.600 v. Ztr. (gefunden bei Kernosovsky im Oblast Dnjepropetrovsk)
Der darauf dargestellte Krieger trägt - dies wird durch Vergleich mit vielen Steinen ähnlicher Zeitstellung über ganz Europa verstreut zur Gewißheit (1) - in beiden Händen einen Bogen. Er trägt außerdem zahlreiche Waffen, die unter seinen Händen dargestellt sind: Streitaxt, Beil, Dolch.
Die Figur ist nackt und trägt nur einen Gürtel und Schuhe. Sie ist mit Hoden und Penis dargestellt - so wie auch noch bei den antiken Griechen. Dies ist sicherlich kein unwesentlicher Umstand. Schon die menschenähnlichen T-Stelen von Göbekli
Tepe um 10.000 v. Ztr. stellen unter einem Gürtel männliche
Geschlechtsteile dar (ggfs. unter einem Lendenschurz) (2). Ebenso ist die männliche Nacktheit in einer so berühmten Statue wie der "Bärtige Mann aus Warka/Uruk" (Wiki)dargestellt worden. Er gehört in eine ähnliche Zeit wie diese Menhirstatue in der Ukraine (um 3.000 v.
Ztr.). Für sie gibt es die Deutung,
daß es sich um die Darstellung eines "rituell nackten Priesterkönigs" (Wiki) handeln würde. (Weiteres zum Thema kriegerische, männliche, rituelle Nacktheit inzwischen hier ---> Stdgen2024. Dieses Thema macht im übrigen auch darauf aufmerksam, daß das Nacktturnen der antiken Griechen in einer uralten, Jahrtausende langen Tradition steht.)
Da auf diese Menhir-Statue alles zur Darstellung kommt, was diesen Menschen wichtig gewesen zu sein scheint, wird man tatsächlich annehmen können, daß dies die Zeremonial-Bekleidung ist, diejenige, mit der sie "vor die Götter" traten.
Unter dem Hoden schließlich finden sich auf der hier entdeckten ukrainischen, indogermanischen Stele Herdentiere dargestellt. Ebenso auf den Seitenteilen. Viele dieser Tiere sind ebenfalls schon Jahrtausende früher auf den Statuen vom Göbekli Tepe dargestellt. Sie stellen den Reichtum dieser Menschen dar.
Abb. 2: Transport eines großen Steines auf der Insel Nias, Indonesien, 1915 - für den verstorbenen Anführer Saoenigebo, damit er im "Jenseits" seine göttlichen Vorfahren wiederfindet. An drei Tagen wurden 525 Menschen benötigt, um diesen Stein im Dorf Bawemataloeo zu errichten (nach P. Boomgaard, 2001) (Wiki) (s.a. 17, S. 17 [Merian])
Indem man auf diese Weise auf die Existenz einer solchen Grabstele aufmerksam wird, stößt man auf einen sehr allgemeinen Themenbereich, von dem man zuvor gar keine Ahnung hatte, bzw. den man sich wenig bewußt gemacht hatte.
Nämlich zunächst auf die Geschichte des menschlichen Porträts (Wiki). Oder - eben noch allgemeiner - auf die Geschichte der menschlichen Skulptur (Wiki).
Erst damit in Zusammenhang macht man sich bewußt, daß wir es Jahrtausende lang im Grunde mit "gesichtslosen" Kulturen zu tun haben. Denn wir haben keine sehr authentischen Eigendarstellungen der jeweiligen Völker und Kulturen.
Es wird aber, um so mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, erahnbar, daß die "Schlichtheit"
der Kunstäußerungen solcher Kulturen sehr leicht völlig falsche
Rückschlüsse nahelegen kann auf die vorliegende
gesellschaftlich-wirtschaftlich-kulturelle Komplexität jener Gesellschaften, aus denen diese Kunstäußerungen hervorgegangen sind.
Vielmehr machen Fotografien wie jene in Abbildung 2 darauf aufmerksam, daß die traditionellen komplexen Gesellschaften in Indonesien, zum Teil auch in Indien in vielen Aspekten einen guten Eindruck davon vermitteln können, wie man sich die komplexen Königreiche des europäischen Neolithikums und der Bronzezeit vorzustellen hat.
Man beachte zum Beispiel auch die metallenen Halsringe der Transportierenden (Abb. 2)!
Abb. 3: Die "Schlafende Frau "von Malta, etwa 3.600 bis 3.000 v. Ztr. (Wiki)
Zum
Mittelneolithikum Europas erscheinen gegenwärtig umwälzende neue
Forschungen, die
frühe Staaten mit Königs- und Adelsdynastien für diesen Zeitraum sogar
bis hoch nach Irland nahelegen (3). Für die in diesem Beitrag
interessierenden Grab- und Gedenksteine ist durch diese neuen
Forschungen also
nahegelegt, daß es sich um solche für Könige und Adelige gehandelt hat innerhalb von staatlichen Strukturen, die von den Archäologen inzwischen
mit denen in "Altitalien" (also Italien zur Zeit der Etrusker) parallel
gesetzt werden (4).
"Repräsentationen der großen Helden"
Eine
solche Art von Interpretation war schon schon vor drei Jahren von dem
führenden
deutschen Archäologen Svend Hansen vorgeschlagen worden (5, 6). Sie war von
dem weiteren führenden deutschen Archäologen Harald Meller vor zwei
Jahren in folgender Weise referiert worden (7, S. 284):
Menhire aus dieser Zeit zeigen angedeutete Menschenkörper, die mit einem
ganzen Arsenal von Waffen wie Stabdolchen, Beilen und Dolchen behängt
sind. Svend Hansen sieht in diesen ersten Großplastiken Europas
"Repräsentationen der großen Helden". Wir können also sicher sein, daß
(...) eine Kriegerkaste existierte, die einem heroischen Ideal
verpflichtet war.
Und (7, S. 315):
Wie der Archäologe Svend Hansen überzeugend ausführte, ist der neue
Sozialtypus des Heroen schon für das ausgehende 4. Jahrtausend vor
Christus nachweisbar: das Ideal herausragender Personen, die über das
Leben hinaus eine großartige Inszenierung ihrer selbst verdient haben.
Insbesondere
seit die Archäogenetik aufzeigt, daß sich in jenen Jahrtausenden,
in denen diese "urtümlichen" Eigendarstellungen vorherrschten, in Europa
riesige Bevölkerungsbewegungen über weite Entfernungen hinweg
festzustellen sind, die umfangreichen Bevölkerungsaustausch bewirken
konnten, ist man um so mehr veranlaßt, bisherige Geschichtsbilder zu
hinterfragen. Geben diese Stelen doch auch Anlaß, sich bewußt zu machen,
daß jene Kulturen,
die fähig
waren, zwar fein ziselierten Bronzeschmuck zu erarbeiten, dennoch zu
gleicher Zeit noch "grobschlächtig" und "primitiv" anmutende
Grabstelen aufstellen konnten.
Alle solchen scheinbaren "Ungleichzeitigkeiten" in der Kulturentwicklung wollen in ein einheitliches, in sich widerspruchsfreies Geschichtsbild eingebracht werden.
Auch
wird deutlich: Regionen und Zeitepochen treten plötzlich in den
Mittelpunkt der Betrachtung und an die Spitze der Kunstentwicklung eines
jeweiligen Jahrtausends, die davor und danach völlig abseits stehen.
Dies gilt für abgelegene Regionen in Frankreich, in Portugal oder
Spanien. Es gilt dies für die Kunstgeschichte des Insel Malta, es gilt
dies für die Kykladen-Inseln und es gilt dies für die arabische
Halbinsel.
Welch weite Wege hier zu beobachten sind von zum Teil sehr urtümlichen
Anfängen
der Kunst bis hin zu den Kunstwerken der klassischen Antike und
schließlich bis zu denen der
Neuzeit. Oftmals geht das eine aus dem anderen sehr unvermittelt hervor.
Es kann einem aber auch bewußt werden: Noch in der Zeit der klassischen
Antike sind solche "Ungleichzeitigkeiten" unübersehbar: Während um 400
v. Ztr. die "große" klassische griechische Kunst schon
ihre Fülle an Meisterwerken hervorbringt, werden für Keltenfürsten wie
den Krieger von Hirschlanden (Wiki) (Gegend von Stuttgart)
den Fürsten vom
Glauberg im mittleren Hessen (Wiki)
noch Grabstelen, Krieger- oder Götterstatuen errichtet, die
mehr als archaisch anmuten (Wiki).
So "ungleichzeitig" wird sich Kunstgeschichte dann aber auch schon
dreitausend Jahre früher vollzogen haben können. Und genau dies wird im
vorliegenden Beitrtag deutlich werden.
Ganz allgemein
muß wohl für Menschendarstellungen vor der Bronzezeit gesagt werden,
daß in ihnen in der großen Mehrheit alle menschlichen Körperteile größere Aufmerksamkeit finden als ausgerechnet das Gesicht.
Ebenso können Waffen größere Aufmerksamkeit finden als das Gesicht.
Und insbesondere gibt es viele weibliche Figurinen, deren weibliche
Körpermerkmale sehr ausgeprägt dargestellt sind, über deren
Gesichtsausdruck aber wenig bis gar nichts gesagt werden kann, da er zu
allgemein gehalten ist oder gar nicht gestaltet wurde (Abb. 3).
Ein Blick in die altarabische Religion
Um sich in das zeitgenössische Denken rund um die Anfänge von Eigendarstellungen der Völker hineinzudenken, macht es allerhand Sinn, sich mit einer Religion wie der altarabischen (Wiki)
zu beschäftigen, also jener vor der Einführung des Islam. Es wurden Heilige Orte, Heilige Berge, Heilige Steine, Heilige Felsen
und Heilige Bäume verehrt.
Daß es bei den Arabern eine Verehrung Heiliger Steine gab, hat schon Herodot
berichtet. Und ähnliches hat es auch bei den Hethitern gegeben (Wiki). Bei den heiligen Steinen wurde geopfert, sie wurden mit Blut beschmiert, an ihnen wurde gefeiert, an ihnen wurden politische Entscheidungen getroffen, hier wurde Recht gesprochen.
Im Alten
Testament findet sich dann dementsprechend auch der große Groll des altestamentarischen Gottes gegen diese Verehrungsstätten seiner Konkurrenten. Wir finden die Aufforderung zur
Zerstörung von "Idolen", "Kultsteinen" und von Idolatrie allgemein. Es richtete sich dies sicherlich auch gegen die ersten, zaghaften Porträtdarstellungen des Menschen wie sie sich in Grabstelen und Menhiren bis dahin erhalten hatten, und wie sie sich - vielleicht auch deshalb - nur zu wenigen bis heute haben erhalten können.
Abb. 6: Die "Frau (oder Dame) von Saint-Sernin", 3300-2200 v. Ztr. (Wiki),
1,08 Meter hoch; im Gesicht sind Streifentätowierungen dargestellt. Was
unter dem Gürtel auf den ersten Blick als breite und in Fransen
auslaufenden
Gürtelborten anmutet, wird - aufgrund des Vergleichs vieler ähnlicher
Stelen miteinander - richtiger gedeutet als Beine mit Füßen (die immer
fünf Zehen aufweisen). Auf der Rückseite ist
der Mantel in langen, schweren Falten dargestellt, auch die Haare sind
zu zwei langen Strähnen gebunden (Wiki).
Behauene und unbehauene Steine wurden als Repräsentanten von Gottheiten oder Ahnen verehrt, siehe der "Steinkult", "Kultsteine", den Baitylos (Wiki).
Dies alles sind Vorformen, in die sich die Menschen zunächst menschliche Gesichter nur hinein gedacht haben. Erst allmählich wurde mehr Wert gelegt auf die Darstellung des menschlichen Gesichtes selbst. Es scheint, als hätten die Menschen Jahrtausende lang unbewußt jenes bekannte Bibel-Wort befolgt, wonach sie sich kein Bild von ihrem Gott machen dürften.
Womöglich
darf dahingehend gesprochen werden von einer Scheu der Künstler, das menschliche
oder göttliche Gesicht darzustellen, eine Scheu, die viele Jahrtausende innegehalten wurde. Schon in den Höhlenmalereien und in den Elfenbeinschnitzereien der
Eiszeit, ebenso wie in der sonstigen Keramikproduktion und auf der bemalten Keramik ab etwa 6.000 v. Ztr. ist
ja deutlich genug erkennbar, daß die Kulturen zu hochwertiger auch künstlerischer
Darstellung fähig waren, auch zu äußerst gelungener
Charakterdarstellung von Tieren und anderen Formen der Natur (darunter
eben auch denen des menschlichen Körpers).
Diese Fähigkeit aber wandten sie
offenbar nicht - oder nur
sehr selten und ungern - auf das menschliche Gesicht selbst an.
Abb. 7: Die europäischen
frühindogermanischen, kupferzeitlichen, bzw. spätneolithischen
Steinstelen weisen eine
große Vielfalt auf - hier vorwiegend in Frankreich und Italien (aus: 1, Abb. 101). In dieser Grafik wird der Versuch
einer ersten chronologischen Einordnung unternommen. Zum Beispiel:
Dreieckige Kupferdolche mit Mittelrippe
und halbmondförmigem Griffabschluß ("Typ Remedello") gehören in die
mittlere Phase.
Aufgrund
dessen könnte man verleitet sein, all diese Kulturen als "primitive"
zu empfinden. Dafür besteht aber - und das muß man sich klar machen - gar kein Anlaß. Gegenüber einer solchen Schlußfolgerung ist
vielmehr die allerhöchste Vorsicht angebracht.
Naturvölker und frühe
Bauernvölker widmen dem "vergänglichen Kunstwerk",
nämlich dem lebenden Menschen, so viel Aufmerksamkeit - dabei auch seiner
Seele und seiner Beseeltheit, ebenso einer oft kunstvollen Körperbemalung und Tätowierung -, daß es nicht als nötig
und angemessen empfunden worden sein wird, die Seele des Menschen auch noch in einem
"unvergänglichen Kunstwerk" - in Holz, Stein, Ton oder Elfenbein - nachzuzeichnen.
Deshalb könnte umgekehrt die "Primitivität" von Menschendarstellungen auch als ein Hinweis angesehen werden auf das
Gegenteil einer solchen Primitivität. Es könnte ein Hinweis sein auf seelische Erfülltheit, auf Innigkeit und auf ein Seelenleben, das noch nicht soweit mit sich selbst zerfallen war, daß es eine neue Orientierung im unvergänglichen Kunstwerk suchen mußte. Diese Blickweise wird einem von Seiten kunstphilosophischer Ansätze eher nachvollziehbar. Auch eine Auseinandersetzung mit dem
Leben von Naturvölkern und von Völkern, die an natürlicher,
naturverbundener Lebensweise festgehalten haben bis heute, kann diesbezüglich Anregung geben.
Welche Fülle an Schönheit, welche Fülle an Edelsinn und Großmut ist hier oftmals verwirklicht, ohne daß diesen Eigenschaften jemals in unvergänglichen Kunstwerken Ausdruck verliehen worden wäre (nur als Beispiel: 8) (oder auch: DVHS2001).
Abb. 8: Anthropomorphe Stele aus der Ukraine (aus: 16) - Auch hier ist rituelle Nacktheit dargestellt (wie sie noch z.B. von Keltenstämmen berichtet wird) und das männliche Geschlechtsteil über dem getragenen Gürtel
Im
übrigen ist man ja schon anhand des Kunstvollen in der Waffen- und
Schmuckherstellung in der Kupfer- und Bronzezeit gezwungen, die
steinernen Porträtversuche jener Zeit nicht als Zeichen von
"Unfähigkeit" oder "Primivität" zu deuten.
Die Kunstentwicklung bis zum Ende des Frühneolithikums wird in einem inzwischen ausgegliederten zweiten Teil dieses Blogartikels ganz unten behandelt (Stgen2021). Es soll hier im weiteren vielmehr eingesetzt werden mit jener Stufe der Kunstentwicklung Europas, die wir in den Kykladen-Idolen (Wiki, engl) repräsentiert finden, sowie in der figürlichen Plastik auf Malta (Wiki). Bezüglich letzterer ist etwa die eindrucksvolle dicke, schlafende Frau zu nennen (Wiki) (Abb. 3).
Diese Beispiele zeigen - wie gesagt - auf, daß Künstler
sehr lange zögerten, das menschliche Gesicht detailgetreu nachzubilden,
auch wenn sie ansonsten schon zu kunstvoller Abstraktion befähigt gewesen waren.
Überraschend ist nun, daß die arabische Halbinsel
zu jenen Regionen der Erde gehört, in denen die Menschen nicht nur
sehr früh zu Ackerbau und Viehzucht übergegangen sind, sondern in
der sich auch einige der frühesten, einfachen, Portrait-ähnlichen
Grabstelen
finden, und zwar solche, die jenen ähneln, die früher, gleichzeitig oder
einige Jahrhunderte später auch weiter nördlich in Europa Verbreitung
gefunden haben (Abb. 4, 5) (Wiki):
Am
Ende des 4. Jahrtausends v. Ztr. gelangte die Bronzezeit nach Arabien -
nach drastischen Umwandlungen; Metall fand weite Verbreitung und die
Periode war gekennzeichnet durch ihre 2 Meter hohen Gräber, denen zur
gleichen Zeit zahlreiche Tempel folgten, die wiederum viele freistehende
Skulpturen enthielten, die ursprünglich mit roten Farben bemalt waren. Original:
At the end of the 4th millennium BC, Arabia entered the Bronze Age
after witnessing drastic transformations; metals were widely used, and
the period was characterized by its 2 m high burials which was
simultaneously followed by the existence of numerous temples, that
included many free-standing sculptures originally painted with red
colours.
2012 schon wurden weitere
Beispiele in einer Ausstellung zusammen getragen und präsentiert, betitelt "Roads of Arabia". Sie war im Pergamon-Museum in Berlin ebenso zu sehen wie im Louvre in Paris ("Roads of Arabia", 2012; Wiki). Mit solchen Ausstellungen wächst allmählich das Bewußtsein dafür, daß die gleichzeitigen - und doch sehr
"ungleichzeitig" wirkenden - Entwicklungen des 5. bis 3. Jahrtausends v. Ztr.
weltweit künftig mehr im Zusammenhang gesehen werden müssen (Wiki).
Abb. 9: Anthropomorphe Stele aus Cioburciu in Moldawien (aus: 16, S. 15) - Erneut ist offenbar rituelle männliche Nacktheit dargestellt
Denn erstaunlicherweise
sind eindrucksvolle, zum Teil erst in jüngerer Zeit
entdeckte und in ihrer zeitlichen Zuordnung
verstandene Beispiele aus der frühen Geschichte der Porträtdarstellungen oder Porträt-Andeutungen bislang der allgemeineren Öffentlichkeit kaum bewußt geworden. Es gilt dies insbesondere für die Geschichte des "Statuenmenhirs" (Wiki, engl) wie er im westlichen Europa benannt ist, bzw. der Kurgan-Stelen (Wiki) wie sie im östlichen Europa genannt werden. Aus letzterer Kunstgruppe ging ja auch jenes Kunstwerk hervor, das die Erarbeitung des vorliegenden Beitrages überhaupt anregte und einleitend behandelt worden ist.
Diese Grabstelen repräsentieren eine wesentliche und lange Phase der "vorgeschichtlichen Kunst" (Wiki), bzw. der Geschichte der Kunst überhaupt (Wiki).
Soweit bislang Datierungen vorliegen, beginnt die Geschichte der
"Statuenmenhire" in Europa schon lange vor jener Ausbreitung der Indogermanen, die ab
2.900 v. Ztr. von Ostmitteleuropa aus einsetzte. Ab jenem Zeitpunkt ist dann aber ein großer Teil der heute
überlieferten Statuenmenhire vor Ort auch von den zugewanderten
Indogermanen geschaffen worden.
(Ergänzung 10/2024) Der Brauch, Statuenmenhire zu schaffen, ist aber auch schon ein definierendes Element des Urvolkes der Späten Urindogermanen, sprich der Jamnaja-Kultur am Unteren Dnjepr ab etwa 3.300 v. Ztr. (21, S. 207ff). Es ist bis auf weiteres nicht erkennbar, daß sie für diesen Brauch Anregungen aus anderen Regionen erhalten haben könnten. Er scheint ein konstitutives und innovatives Element ihrer Kultur zu sein. Bis nach Mitteleuropa und bis in den Alpenraum hinein erfolgte die Verbreitung - ausgehend vom Nordschwarzmeer-Raum - nicht. Denn es besteht da vielmehr eine Verbreitungslücke zwischen Ostkarpaten und Alpen (s. Abb. 10). Wenn innerhalb von Mittel- und Westeuropa und innerhalb des Alpenraumes die dort ankommenden Indogermanen den Brauch wieder aufgenommen haben, Stelen aufzustellen, dann haben sie es offenbar jeweils von den Menschen vor Ort übernommen. Vielleicht war ihnen von ihren Vorfahren in der Steppe her noch in Erinnerung, daß auch diese diesen Brauch ausgeübt hatten. Vermutlich lag ein solcher Grabbrauch auch einfach "im Geist der Zeit", so daß er in ähnlicher Zeitstellung in unterschiedlichen Regionen Europas bei unterschiedlichen Kulturen aufkam und entweder jeweils fortgesetzt wurde oder aber auch in Vergessenheit geriet. (Ende Ergänzung)
Solche Statuenmenhire in der Ukraine stellen jedenfalls die ältesten
Eigendarstellungen des Urvolks der Späten Urindogermanen dar, weisen aber zugleich - zumindest in West- und Mitteleuropa - auf eine ältere, nicht-indogermanische Vorgeschichte hin, die auch im Zusammenhang stehen mag mit den schon angedeuteten Entwicklungen im Mittelmeerraum.
Abb. 10: Verbreitung der europäischen Stelen (aus: 16)
Viele Grabstelen, Menhire, die bis heute überliefert sind, haben sich nur deshalb erhalten, weil sie später als Wandsteine in Steinkistengräbern sekundär verbaut worden sind (1, 9). Es scheint in früheren Jahrtausenden sehr beliebt gewesen zu sein, solche vormals freistehenden Menhire als Wandsteine für Steinkistengräber zu nutzen. Ein Teil des geheimnisvollen Geistes, der diese Steine umgab, mag sich für die Menschen dann auf das Steinkistengrab insgesamt übertragen haben. Deshalb mag man sie gerne dafür benutzt haben.
Spanien - Älteste Grabstelen ab 4.200 v. Ztr.
In Spanien sind steinerne Grabstelen schon mindestens ab 4.200 v. Ztr. bekannt. Der Schweizer Archäologe Urs Schwengler, auf dessen Ausarbeitung wir uns hier besonders stützen, schreibt etwa über die Stelenform "Stelen
mit rundem Kopfvorsprung und Schultern"(1, S. 9):
Diese Stelen sind mit einem
speziell geformten Vorsprung (protubérance céphalique) an der Spitze
versehen, der einen Kopf symbolisieren oder darstellen kann. Die
Ausbildung des Kopfes hat zur Folge, daß die darunter wegführende
flachere Partie in Schultern übergeht. Stelen mit dieser menschlichen
Silhouette, die keine weiteren Gravuren aufweisen, werden häufig auch
als anthropomorph anikonisch bezeichnet (‘anikonisch im engeren Sinne’).
Einige Stelen mit Schultern sind in französischen Grabanlagen als
Boden- oder Deckplatten wiederverwendet worden (Mané Lud, Kersandy,
Petit Mont), mehrere dieser Stelen mit Schultern tragen Gravierungen
oder Skulpturen, wie diejenigen von Laniscar (Abbildung 9), Kermené und
Le Câtel. Beispiele aus der spanischen Region Galicien zeigen, daß solche Stelen mit Farben bemalt waren, deren Alter sich zwischen 4251 und 3652 ca BC bestimmen ließ (Bueno et al. 2016).
Also im südlichsten Spanien finden sich solche Stelen schon Ende des 5. Jahrtausends. Es drängt sich
einmal erneut der Eindruck auf - den man hinsichtlich der Indogermanen
ja sehr oft
gewinnt -, nämlich daß sie Gebräuche, Sitten und Erfindungen der
Vorgängerkulturen einfach
übernommen und fortgeführt haben. So etwa erkennbar auch in anderen
Kulturbereichen, etwa an der Weiterverwendung von "Grabenwerken"
(Volkssternwarten) - insbesondere auch von Stonehenge in Südengland. Und
so auch bezüglich des Brauches, einfach gehauene Grabstelen
aufzustellen. Im gleichen 4. Jahrtausend oder gar 5. Jahrtausend, in dem
solche steinernen Grabstelen in Mitteleuropa in Gebrauch kamen,
scheinen sie auch in der Ukraine bei den Indogermanen in Gebrauch
gekommen zu sein.
In Südtirol finden sich unter anderem die Algunder Menhire (Wiki). Insgesamt sind 25 Stelen erhalten, auf denen zum Teil Waffen der jeweiligen Zeit abgebildet wurden (1, S. 30):
Die
Stelestatuen Südtirols gehören in die erste Hälfte des 3. Jahrtausends.
Auf den Stelen Lagundo B und Feldthurns sind sehr schöne Knieholmbeile
graviert (siehe Abbildungen 54.6 und 54.13), welche den Typ des gut
datierten Knieholmbeils des Gletschermannes vom Hauslabjoch darstellen.
Dieses Beil ist mit der 14 C-Methode in die zweite Hälfte des 3.
Jahrtausends datiert, zwischen 3359 BC und 3105 BC.
Vermutlich hat der Autor hier zwei Jahrtausende miteinander verwechselt und meinte das vierte Jahrtausend vor der Zeitrechnung, in das ja auch die genannte genaue Datierung mit Hilfe von C14 fällt. Somit
sind ein Teil der in Mitteleuropa gefundenen Stelen keineswegs zwangsläufig indogermanischen Ursprungs. Oft ist die chronologische und damit kulturelle Ein- und Zuordnung der Stelen aber noch keineswegs besonders deutlich geklärt. Für die
Schweiz gilt (1, S. 30):
Funde von Beilen mit Knieholm treten auf ab etwa 4200 BC.
Wenn solche Waffen auf steinernen Stelen in Mitteleuropa abgebildet sind, können also auch diese Waffen und die Stelen selbst nicht zwangsläufig den Indogermanen zugeordnet werden, sondern werden schon von den Vorgängerkulturen vor Ort aufgestellt worden sein. Wenn sich hingegen auf den Steinstelen "Beile mit quadratischer Klinge" finden, deuten diese auf eine Entstehung erst in der Eisenzeit hin,
und damit wären Stelen, auf denen diese abgebildet sind, einer chronologisch
viel späteren Zeit zuzuordnen.
Es ist ein aufwühlender Umstand, daß es im Mittelneolithikum schon eine Adels- und Heldenkultur gegeben hat, die ein sehr strukturiertes Staatswesen voraussetzt (ähnlich den "altialischen"), und die die kriegerischen Tugenden ihres Adels in solchen Grabstelen feierte und zur Darstellung brachte. Wie wir aus der Archäogenetik wissen, sind die Männer dieser vorindogermanischen Adels- und Kriegerkulturen durch die Indogermanen in vielen Teilen Europas zum Aussterben gebracht worden. Dieses Aussterben wird aber nicht daran gelegen haben, daß die vorindogermanischen neolithischen Kulturen besonders "friedfertig" gewesen wären. Dieser Umstand läßt sich an diesen Grabstelen jedenfalls nicht ablesen.
Ukraine - Grabstelen ab 3.500 v. Ztr.
Das
Urvolk der Indogermanen entstand um 4.700 v. Ztr. an der Mittleren
Wolga in Form der dortigen Chwalynsk-Kultur wie wir in einem früheren
Beitrag dieses Jahres anhand neuester Forschungsergebnisse darstellten (Stgen2019).
Dieses Volk breitete sich schnell an beiden Ufern der Wolga bis an das
Nordufer des Kaspischen Meeres und am Unterlauf des Don entlang an das Nordufer des Schwarzen Meeres aus und von dort Richtung Bulgarien. In
seiner exzentrischen Art war es sehr kriegerisch (ablesbar an
Verletzungen der gefundenen Skelette) und errichtete riesige Grabhügel
(Kurgane). Aus dem 5. Jahrtausend scheinen allerdings noch keine
Eigendarstellungen der Indogermanen bekannt zu sein. Offenbar mußten sie
erst mit älteren Bauernkulturen im Westen in näheren Kontakt zu kommen,
um diesen Brauch schließlich auch für sich anzuwenden.
Die eingangs erwähnte Kernosovsky-Stele stammt aus der Zeit tausend Jahre nach Entstehung des
Urvolkes der Indogermanen, also aus der Zeit der Jamnaja-Kultur. Die Jamnaja-Kultur hat die reiche Bauernkultur, benannt Cucuteni-Tripolje-Kultur beerbt, in der sich selbst schon ab etwa 4.000 v. Ztr. genetisch indogermanische Einflüsse geltend gemacht hatte, und nachdem sie um 3.500 v. Ztr. zunächst von der ebenfalls schon indogermanisch mitgeprägten Maikop-Kultur des Kauksasus unterworfen worden war (Stgen2020).
Die Kernosovsky-Stele macht jedenfalls darauf aufmerksam, daß es solche
recht frühen Eigendarstellungen der Indogermanen gibt. Sie deckt sich vollständig mit der reichen Waffenausstattung ihrer Gräber. Solche frühen indogermanischen Grabstelen aus dem 4. oder 3. Jahrtausend v.
Ztr. sind nun - wie bei intensiverem Hinterherfragen und -recherchieren
deutlich wird - über ganz Europa verbreitet (1).
Daß es zwischen all
diesen eine solche Gemeinsamkeit der Herkunft gibt, ist allerdings noch
nicht in allen Museen, wo es solche urtümlichen Grabstelen gibt, in das
Bewußtsein der Museumsleiter gedrungen. Daß bei diesen Grabstelen unterschieden werden muß zwischen jenen vorindogermanischen Ursprungs und denen indogermanischen Ursprungs, dieses Bewußtsein scheint ebenfalls noch nicht sehr weit verbreitet zu sein unter Archäologen. Immerhin, zum Ursprungsgebiet der Indogermanen schreibt Urs Schwengler - vor dem Hintergrund des aktuellsten archäogenetischen Forschungsstandes (1, S. 22):
In
Südrußland, in der Ukraine, in der Umgebung der Halbinsel Krim und in
Moldawien, Rumänien, Bulgarien und Mazedonien gibt es eine große Zahl
von Steinfiguren, plastische Skulpturen, die den westeuropäischen
Menhirstatuen und Stelestatuen ähnlich sind und die verschiedenen
Kulturen Osteuropas und des östlichen Mitteleuropas zugeschrieben
werden. Eine Gemeinsamkeit dieser Kulturen sind Bestattungen in großen
Grabhügeln, den Kurganen, die über unterirdischen Grabanlagen errichtet
wurden, in denen die Toten mit zahlreichen Beigaben bestattet wurden;
auf oder am Rand der Kurgane wurden häufig Kurgan-Stelen aufgestellt
oder als Deckplatten der Grabanlagen wiederverwendet. Die Kulturen mit
diesem Bestattungsbrauch entstanden im 5. bis 3. Jahrtausend BC in den
Steppengebieten Südrußlands und breiteten sich in dieser Zeit in den
Raum nördlich und westlich des Schwarzen Meeres aus. Sie wurden von der
litauisch-amerikanischen Archäologin Marija Gimbutas zur sogenannten
Kurgankultur zusammengefaßt, deren Bewohner als kriegerische Hirtenvölker zwischen 4400 BC und 2000 BC in mehreren Wellen westwärts bis ins westliche Mitteleuropa zogen
und für die Verbreitung der indoeuropäischen Sprache in ganz Europa
verantwortlich sind. Die ältesten der als Kurgan-Stelen bezeichneten
Skulpturen wurden im Süden der Ukraine und in der Umgebung der Halbinsel
Krim gefunden; es sind einfache anthropomorphe Stelen mit einem
Kopfvorsprung. Bei vielen dieser Stelen waren Gürtel und andere Motive
mit Ockerfarbe dargestellt, von der beim Auffinden der Stelen noch Reste
vorhanden waren. Die Kurgankultur ist deshalb auch als Ockergrabkultur
bekannt. Viele dieser als Rundplastik gestalteten Stelen (Abbildung 38 -
hier Abb.11) wurden in oder bei älteren Kurganen gefunden, bei denen
die Grabkammer oft nur eine einfache Grube (russisch ßìà=Jama) ist.
Diese weit verbreitete Kultur mit solchen einfachen Grubengräbern ist
unter dem Namen Jamnaja-Kultur oder Grubengrabkultur bekannt, sie wird
in den Zeitraum zwischen 3600-2300 BC datiert. (...) Die Tradition der
Bestattungen in den Kurganen hielt sich bei den Skythen bis in die
Eisenzeit und verschwand um die Zeitenwende.
Auch
hier muß man sich diese Steinstelen also als bemalt vorstellen. Bekanntlich
hielt sich diese Tradition der Bestattung in Hügelgräbern - die
gegebenenfalls bekrönt sein konnten mit einer Steinstele - auch in
Mitteleuropa bis in die Eisenzeit. Denken wir an das Königsgrab von
Seddin um 800 v. Ztr. (Wiki),
denken wir vor allem auch an die auf einem Hügelgrab aufgestellte
Steinstelle des "Keltenfürsten vom Glauberg" aus der Zeit um 400 v. Ztr.
(Wiki). Wir erfahren über die Steinstelen der Ukraine (Wiki) (eig. Übersetzung):
In
der Ukraine gibt es um die 300, die meisten von ihnen bestehen aus sehr
groben Steinplatten mit einem einfachen Kopfvorsprung und einigen
Merkmalen, die in den Stein geritzt sind wie Augen oder Brüste. Gut
zwanzig von ihnen, die als Menhir-Statuen bekannt sind, sind komplexer
und weisen Ornamente, Waffen, Darstellungen von Menschen und Tieren
auf.
Der
einfache, frühe Typ der anthropomorphen Stele findet sich ebenso in der
italienischen Alpenregion, in Südfrankreich, in Portugal, in Bulgarien
und Rumänien.
Abb. 11: Anthropomorphe Stele aus Hamangia (einer bäuerlichen Kultur nördlich von Warna) (aus 20) (Resg)
Während sich diese Kunstform im übrigen Europa dann
scheint verloren zu haben, wurde sie in der Ukraine noch bis in die skythische
Zeit fortgeführt.
Es finden sich aus späteren Zeiten Beispiele auch
in Preußen, auf der Krim, am Samara-Fluß, in der kasachischen Steppe,
in Turkistan, am Yenisei und in der Mongolei.
Halle und Tübingen - 2.800 bis 2.000 v. Ztr.
Bei
dieser Gelegenheit wird einem bewußt, daß sich auch in Sachsen-Anhalt
und Süddeutschland - zum Beispiel in der Region um Halle, in der
Region um Bamberg und in der Region um Tübingen - jeweils gleich
mehrere solcher indogermanischer Steinstelen aus dem 3. Jahrtausend v.
Ztr. erhalten haben, und daß es in diesen Regionen noch Hinweise auf
weitere solcher Steine gibt, deren Verbleib aber inzwischen in
Vergessenheit geraten ist (1, S. 24):
Stilistische Vergleiche der beiden anthropomorphen Stelen, die im Gräberfeld ‘Lindele’ bei Rottenburg am Neckar (Baden-Württemberg) gefunden wurden zeigen, daß diese den zweifellos endneolithischen Menhirstatuen von Schafstädt (Bad Lauchstädt) und Pfütztal
(Salzatal) in Sachsen-Anhalt der Zeit vor 2000 BC zugeordnet werden
können. Auf Grund der dargestellten Waffen und Motive gehören auch die
Menhire von Weilheim bei Tübingen in Baden-Württemberg und von
Seehausen, Dingelstedt und Langeneichstädt (die ‘Dolmengöttin’) in
Sachsen-Anhalt sowie wahrscheinlich der Menhir von Gelnhausen zur
endneolithischen Schnurkeramik-Kultur. (...) In Deutschland gibt es
zweifellos mehrere rundplastische Figuren, bei deren Darstellung sich
über Einflüsse aus der Kurgan-Kultur spekulieren läßt: die Götzen von Bamberg,
Ebrach und Gallmersgarten (Bayern) sowie das Raibacher Bild von
Breuberg (Hessen). Die Fundsituation dieser Menhirstatuen lassen keine
Datierung zu, wahrscheinlich gehören diese Objekte zur Eisenzeit,
genauso wie die stilistisch völlig anders skulptierten
hallstattzeitlichen Statuen von Hirschlanden, Holzgerlingen
(Baden-Württemberg) und Glauberg (Hessen).
Der hier erwähnte, knapp ein Meter große Menhir von Schafstädt, 23 Kilometer südwestlich von Halle, wurde 1962 gefunden (Wiki):
In
den Augenhöhlen haben sich schwarzbraune Farbreste erhalten. Unterhalb
des Kopfes ist durch drei tiefe, halbkreisförmige Linien vermutlich eine
Lunula (spätneolithischer, goldener Halsreifen) dargestellt.
Daneben setzen zwei Arme an, die etwa in der Mitte des Steins in Hände
auslaufen. (...) Zwischen den Händen ist ein Gegenstand mit sechs
Zinken, vielleicht ein Kamm, dargestellt. Unterhalb der Hände stellen
drei tiefe Linien, die um den ganzen Stein herum verlaufen, einen Gürtel
dar.
Nicht zuletzt die Lunula (Wiki)
verweist auf eine angesehene, wohlhabende Person und zugleich ist nicht
zuletzt mit ihr eine Datierung in die frühe Zeit der Ausbreitung der
Indogermanen über ganz Europa möglich, nämlich in de Zeit der
Schnurkeramik (2.800 bis 2.200 v. Ztr.).
Abb. 12: (Beschädigter) Menhir von Schaftstädt (Wiki), mit "Lunula"-Halsschmuck, datiert zw. 2.800 und 2.200 v. Ztr, 23 km südwestlich von Halle/Saale
Der Menhir von Pfützthal (Wiki) wurde an der Saale, zwölf Kilometer nördlich von Halle in den 1930er Jahren gefunden. Auch auf ihm ist eine Lunula
zu erkennen. Wie andere solcher Bildsteine ist er - noch während der
Bronzezeit - in einem Steinkistengrab sekundär verbaut worden.
Am Neckar in Rottenburg-Lindele (Wiki),
zehn Kilometer westlich von Tübingen, wurden 1984 und 1995 71 Grabhügel
und weitere Flachgräber aus der Zeit zwischen 800 und 200 v. Ztr.
ausgegraben. In diesen fanden sich - wiederum sekundär verwendet - drei
Menhire aus der Bronzezeit, etwa 1,20 und einen Meter hoch (Wiki):
Auf dem Stein sind in Draufsicht zwei stark stilisierte Rinder mit einem
gemeinsamen Joch abgebildet. Dahinter (...) war vermutlich ein Wagen
abgebildet. Vor den Rindern sind außerdem neun Schälchen in den Stein
eingetieft.
Vier Kilometer südlich von Tübingen fand sich im Ortsteil Weilheim 1985 ein 4,50 Meter hoher Menhir (Wiki).
Auf der Vorderseite des Menhirs sind fünf (...) Stabdolche
dargestellt. Daneben ist eine ovale Scheibe (Sonne), und eine hängende
Mondsichel zu erkennen. (...) Südlich der Alpen wurden verwandte
Statuen- oder Figurenmenhire gefunden. Aufgrund des Stabdolch-Motivs
kann der Menhir in das beginnende 2. Jahrtausend v. Chr. datiert werden.
Stabdolche dienten als Herrschafts- oder Würdezeichen. Für die
Aufstellung verantwortlich zeichnet hier die so genannte Neckar-Gruppe,
eine frühbronzezeitliche Regionalgruppe im Bereich Baden-Württembergs.
Über
diese Stabdolche haben wir schon vor Jahren hier auf dem Blog einen
Beitrag veröffentlicht (5). Sie spielen für die Datierung solcher
Grabstelen eine nicht geringe Rolle wie wir noch sehen werden.
Frankreich und Norditalien
Der
Archäologe Urs Schwegler hat sich insbesondere mit Steinstelen in
Frankreich, Spanien und Italien beschäftigt. Er schreibt (1, S. 8):
In
Südfrankreich findet man einige Motive - Halsketten, dreieckige
Dolchklingen und Dolche im Futteral, geschäftete Äxte und Beile,
Krummstäbe, Bogen und Pfeile - auf menschengestaltig geformten Steinen,
die allgemein als anthropomorphe Stelen bezeichnet werden. In
verschiedenen Regionen der Alpen in Frankreich, Italien und der Schweiz
sind zahllose Zeichnungen ähnlicher Motive und expliziter
Menschendarstellungen auf anstehenden Felsplatten und an Felswänden
graviert (parietale Kunst, Felsbildkunst).
Und (1, S. 12):
Anthropomorphe
Stelen des östlichen Languedoc: Platten, die menschliche Statuen
darstellen. Diese anthropomorphen Platten haben auf einer Seite eine
gravierte oder skulptierte und stark stilisierte Darstellung einer
menschlichen Gestalt mit der Darstellung eines Gesichts und weiteren
Attributen und Motiven; die Rückseite ist glatt oder unbearbeitet. In
einer Studie von 1995 (Jallot/D’Anna) sind die Stelen dieser
Languedocien-Gruppe auf fünf Untergruppen verteilt.
Sehr
viele dieser Stelen weisen ausgeprägte Augen, Krummstab, Dolch,
Brustschild oder Brüste auf, gegebenenfalls auch Stirnband. Im
westlichen Languedoc finden sich 150 Stelen (1, S. 14):
Häufig
ist auf der Frontseite ein Gesicht dargestellt (manchmal mit
Tätowierungsstreifen) darunter Arme mit Händen und Beine mit Füssen und
fast immer ein Gürtel. ‘Weibliche’ Stelen sind anhand von Brüsten,
Halsketten und Y-Anhängern zu erkennen, als ‘männliche’ Attribute gelten
Schultergurt mit Dolchfutteral, geschäftete Äxte und Pfeil und Bogen (Abbildung 21). Auf der Rückseite sind Schulterblätter, Haarfrisur oder Schultergurt zuerkennen.
Anhand dieser Beschreibungen wird deutlich, was den Indogermanen im Leben wichtig war. Interessant sind ja auch die Gesichtstätowierungen, auch von weiblichen Gesichtern (siehe 1, Abb. 21). Schwegeler (1, S. 15):
Für
die chronologische Einordnung von Menhirstatuen stehen eingravierte
Motive im Vordergrund, insbesondere die wahrscheinlich als Statussymbol
abgebildeten Waffen: -
Dolchfutterale mit ringförmigem Tragegriff, wie sie in der Region
Rouergue zur Darstellung - manchmal mit Fischgratmuster - kamen. Diese
Futterale wurden für Silexdolche mit Schäftung verwendet. Der Mann vom
Hauslabjoch trug am Gürtel ein solches kunstvoll geflochtenes Futteral
für seinen geschäfteten Dolch. Die Verwendung solcher Silexdolche ist im
4. und 3. Jahrtausend BC durch Grabfunde belegt (Zeitraum von 3500 bis
2200 BC). -
Dolche mit dreieckiger Klinge, wie sie auf vielen Stelen des Alpenraums
und Nordwestitaliens (Lunigiana, Aosta-Sion, Trentino, Alto Adige)
dargestellt sind. Solche dreieckige Silexdolche (Typ Remedello I, 3400
bis 2800 BC), Kupferdolche mit Halbmondknauf und meist gerippter Klinge
(Typ Remedello II, 2900 bis 2200 BC) und Kupferdolche mit Kugel- oder
Scheibenknauf und langer Griffzunge (Typ Ciempozuelo, 2600 bis 2200 BC)
sind mit oft großer Detailtreue dargestellt. -
Steinbeilklingen und Steinbeile, von denen es viele Darstellungen aus
dem Gebiet der Bretagne und der Île-de-France gibt. Funde von Jadeit-
und Fibrolitklingen belegen dort deren Verwendung im 6. bis 4.
Jahrtausend BC. (...) -
Geschäftete Äxte und Beile mit Klingen aus Stein und Metall. Diese
Waffen und Geräte mit Stangen-, Flügel- und Knieholmschäften wurden
zwischen dem 4. und dem 2. Jahrtausend verwendet. Häufig dargestellt
wurden Hammeräxte; die ebenfalls oft dargestellten Beile mit
Knieholmschaft wurden seit dem 4. Jahrtausend BC bis in die Eisenzeit
verwendet, was eine chronologische Einordnung der Darstellungen
erschwert. Darstellungen vongekrümmten Stangenholmen undFlügelholmen
sehen mitunter wie die Darstellungen von Krummstäben aus und können
deshalb mit diesen verwechselt werden. Auf einigen Menhirstatuen und auf
Bauelementen von Dolmen sind auch Bogen, Pfeile und Köcher abgebildet.
Bogen,
Pfeile und Köcher eignen sich zwar für Datierungen weniger gut, sie
sind aber dennoch eine gute Geschichtsquelle für den Fall, daß die
Stelen anderweitig datiert werden können und dann aufzeigen können, daß
standardmäßig auch Pfeil und Bogen zur Ausrüstung gehörte, auch wenn
diese in Gräbern nicht entdeckt worden sein sollten.
Abb. 13: Am vielleicht eindrucksvollsten sind Menhirstatuen der Region Rouergue (Südfrankreich)(Wiki), auf denen viele Details zur Kleidung und Bewaffnung zu sehen sind - Außer Dolchfutteralen
sich noch andere Waffen dargestellt: Äxte, Beile, Bogen, Köcher und
Pfeile (aus 1, Abb. 25)
Interessant mag auch sein, daß alle Menhirstatuen der Region Rouergue (Abb. 13) fast einheitlich einen breiten Gürtel
tragen. Was auf den ersten Blick als zwei breite, herunter hängende Gürtel-Enden mit Fransen
wahrgenommen werden könnte, sollen aber mit größerer Wahrscheinlichkeit Beine und Füße darstellen (es sind immer fünf Zehen dargestellt, ähnlich wie fünf Finger bei den Händen). Sie tragen ein Schultergehänge, das aber nicht bis zum Gürtel
hinunter geht, und an dem der Köcher auf dem Rücken befestigt gewesen
sein wird. Auch tragen sie fast alle Gesichtstätowierungen. Und noch
einmal wird einem an dieser Stelle bewußt: Das sind die ersten Eigendarstellungen unserer Vorfahren.
Sie erinnern auch sofort an die Grabausstattung des berühmten "Bogenschützen von Amesbury" ("Amesbury Archer") (Wiki),
dem Fürsten von Stonehenge, der mit seiner Armee um 2.300 v. Ztr. von
Süddeutschland aus in England die Bronzezeit einführte, wobei es zum
weitgehenden Aussterben der vorherigen Bevölkerung in Großbritannien
gekommen ist.
Die Rekonstruktionen dieses "Amesbury Archer", die sich im
Internet finden, haben noch nicht die Eigendarstellungen der Leute der
Glockenbecherkultur auf ihren Grabstelen in Frankreich (Abb. 13)
berücksichtigt. Keine der Rekonstruktionen weist Gesichtstätowierungen
auf oder einen solchen breiten, eindrucksvollen Gürtel wie er sich auf
den Grabstelen findet.
Abb. 14: Tocharische Edelleute, Wandmalerei in einer Höhle des Tarim-Beckens an der Seidenstraße, um 500 n. Ztr. (Wiki)
Vom
Habitus her findet man sich erinnert an die ehrwürdigen Mäntel der
tocharischen Edelleute aus der Spätantike der Seidenstraße (Abb. 14).
Noch heute findet man in traditioneller lebenden Völkern wie den Uiguren, den Kasachen oder auch bei Völkern des Kaukasus als traditionelle Bekleidung der Männer lange, ehrwürdige Mäntel, zum Teil bis zum Boden reichend und zum Teil mit breiten Borten. Das könnte auch die Kleidung der Schnurkeramiker und Glockenbecher-Leute gewesen sein.
Abb. 15: Ein kasachischer Schäfer in der Steppe südlich von Aqtöbe (Aktjubinsk, bzw. Aktobinsk) im westlichen Kasachstan, 1000 km östlich von Astrachan an der Mündung der Wolga (Fotograf: Airunp, ein Katalane 2004) (Wiki)*)
Auch
in Norditalien fanden sich viele Stelen, die grob in die Kupferzeit
datiert werden (3.000 bis 2.200 v. Ztr.). Einige von ihnen können auch
genauer zeitlich eingegrenzt werden (1, S. 18, 30):
Die
Stelestatuen von Aosta werden auf Grund einer großen Zahl an 14C-Daten
bei und in den megalithischen Strukturen dem Eneolithikum zugerechnet (2750-2400 BC ).
Und (1, S. 30):
Die
Stelen und die Monumentalkompositionen des Val Camonica mit den
Darstellungen von Äxten und Beilen mit Knieholmschaft und Stabdolchen
gehören zum Stil III dieser Felszeichnungen und werden der ‘Kupferzeit’
zugeordnet, in die Zeit von 2900 BC bis 2400 BC (Gravierungen TypA1:
stileIII A 1) und 2400 BC bis etwa 2000 BC (GravierungenTypA2: stile III
A2).
Das heißt, sie stammen entweder aus der Zeit kurz vor der indogermanischen Zuwanderung oder aus der Zeit derselben selbst, also aus der Glockenbecher- oder Schnurkeramik-Kultur.
Abb.
16: Einer der drei "Gaustadter Bildsteine", gefunden im Talboden der
Regnitz nördlich von Bamberg (Wiki Commons) - Vielleicht auch erst aus
der Eisenzeit, also aus keltischer Zeit
Anhand
der vergleichenden Untersuchung all dieser Steinstelen läßt sich die
Vielfalt des "Waffenarsenals" der frühen Indogermanen sehr gut
rekonstruieren wie Schwegeler aufzeigt (1, S. 25-30).
Die Vielfalt des "Waffenarsenals" der Indogermanen
Die Archäologen
haben dafür jeweils ihre sehr spezifische Benennungen: Axt, Hammer,
Beil, Stabdolch, Steinbeil, "Kupferbeil mit Stangenholm", "Beil mit
Knieholm". Auch Dolchfutterale aus Leder oder Bast finden sich
abgebildet, auch sie können in Fransen ausmünden (1, S. 32). Bronzene Stabdolche waren vermutlich
übrigens keine Waffen, sondern Herrschaftszeichen (1, S. 29).
Dargestellt finden sich auch Vögel, gehörnte Tiere (Steinböcke, Rinder),
Pferde und Reiter. Oft sind Halsketten dargestellt, oft zusammen mit
weiblichen Brüsten.
Abb. 17: Anthropomorphe Stelen aus dem Nordschwarzmeer-Gebiet und vom Balkan (aus: 10, S. 42)
Mit
diesem Blogbeitrag sollte auf das Thema insgesamt nur hingewiesen
werden. Es wird deutlich, daß es noch eine Fülle von Erkenntnissen
birgt, sowohl hinsichtlich zeitlicher Einordnung der Phänomene,
räumliche Verbreitung derselben, Häufigkeit derselben und zahlreiche
weitere Detailerkenntnisse, die aus diesen ältesten Eigendarstellungen
der Indogermanen gewonnen werden können. Wie das ja auch sonst in der
Geschichte der frühen Indogermanen zu beobachten ist, scheinen auch bei
diesen Eigendarstellungen Kulturgebräuche von Vorgängerkulturen
aufgenommen worden und weitergeführt worden zu sein.
Im südlichen Spanien fanden sich aus der Zeit um 1.000 v. Ztr. die Kriegerstelen von Magacela (Wiki) und von Solana de Cabañas (Wiki).
Abb. 18: Frauendarstellung auf dem Griff eines Bronzemessers von Beringstedt bei Itzehoe, 9./8. Jhdt. v. Ztr.
Nahe der Ortschaft Beringstedt bei Itzehoe in Schleswig-Holstein wurde 1779 ein Bronzemesser gefunden, dessen Griff als Menschendarstellung gestaltet war (Abb. 18) (Beringst). Sein Gesichtsausdruck erinnert ein wenig an das "Holzidol von Shigir" (9.500 v. Ztr. östlich des Ural) und die sogenannten "Anthropomorphen Pfahlgottheiten" (Wiki), die in Schweden, Dänemark und Norddeutschland gefunden worden sind. Man könnte hier von einer fast 10.000 Jahre langen kulturellen Tradition von Gott-Darstellungen sprechen. Man wird sagen dürfen, daß es sich um einen sehr ernsten Gesichts-Aussdruck handelt (Goldschmiede Jess) (gekürzt):
Die Mädchenfigur ist mit einem Schnürenrock bekleidet, trägt Hals-, Arm- und Beinringen sowie Ohrringe. Sie hält eine Schale in der Hand, mit der sie etwas darzubieten scheint. Möglicherweise handelt es sich um die Darstellung eines Rituals.. Vielleicht hatte dieses Messer eine Funktion bei kultischen Handlungen. Die Spitze wurde ergänzt. Das Original befindet sich im Nationalmuseum Kopenhagen.
Es gibt noch weitere, ähnliche solcher Frauenfiguren ähnlicher Zeitstellung im Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen (Age).
Bildsteine aus der Eisenzeit
Die drei 1 bis 1,70 Meter großen "Gaustadter Bildsteine" (Wiki) (traditionell auch "Bamberger Götzen") wurden
1858 im Schwemmsand der Regnitz bei Gaustadt, einem nördlichen
Stadtteil von Bamberg, etwa vier Kilometer südlich der Einmündung der
Regnitz in den Main gefunden (Wiki).
Es gibt Hinweise noch auf weitere solcher Steine in der Region (11).
Schwegeler weist diese Steine vom Stil her eher der Eisenzeit zu.
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*) Erläuterung: "Dieses Foto eines Schäfers habe ich im Februar 2004 in Westkasachstan aufgenommen. (...) Dieser Mann lebt in der Steppe südlich von Aktobinsk im Westen Kasachstans. Er lebt in einem kleinen Bauernhaus mit Strom, aber ohne Wasser. Er besitzt, soweit ich weiß, einige Ziegen und Schafe und zwei Kamele. Er war sehr froh, daß er fotografiert wurde. Als ich dieses Foto im Februar 2004 machte, saß er auf seinem Pferd und wachte über seine Herde und würde höchstwahrscheinlich den Tag über so auf seinem Pferd verbringen. Wir fuhren auf dem Weg nach Aktobinsk vorbei und er verließ seine Herde für eine Weile, um zu uns zu kommen und mit uns zu reden. Er trägt eine Waffe, um jeden Wolf zu töten, der versucht, zu seiner Herde zu gelangen, ein häufiges Problem in dieser Gegend."
/ Neuer Titel, von vormals
"Die ältesten Eigendarstellungen der Indogermanen",
25.2.2020;
letzte Ergänzung: 1.4., 13.5.21, 5.3.2023 /
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Schwegler, Urs: Elemente prähistorischer Kunst in Europavom Neolithikum
bis zur Eisenzeit - Mit einem Online-Corpus von gravierten und
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