Samstag, 31. Juli 2021

Die Indogermanen in Apulien - Herkunftsanteil 20 bis 40 %

Wann und von wo kamen die Indogermanen in den östlichen Mittelmeerraum und den Stiefelabsatz Italiens?

Apulien, berühmt durch das Castel del Monte (Wiki), das weiß glänzende Schloß des Stauferkaisers Friedrichs II. aus dem 13. Jahrhundert mit seinem acheckigen Grundriß (Abb. 1). Berühmt durch seine herrlichen Küsten und Strände, durch sein abwechslungsreiches Mittelgebirge im Inland. Apulien, der "Stiefelabsatz Italiens". Dort lebte in der Eisenzeit das Volk der Daunier (Wiki, engl). Es stammte genetisch zu 20 bis 40 % von Indogermanen ab (sogenannte "Steppen"-Herkunft) (1) (s. Abb. 2). Diese waren um 2.200 v. Ztr. in das Land gekommen (6) und hatten dort die Bronzezeit eingeläutet (Wiki):

An den Küsten entstanden während der Bronzezeit viele befestigte, oft zusätzlich natürlich geschützte Siedlungen, deren Funde teilweise intensive Handelsbeziehungen u. a. mit dem östlichen Mittelmeerraum - speziell dem mykenischen Griechenland und teilweise Zypern - offenbaren. Vor allem Mykenische Keramik kam an vielen Fundorten zu Tage. Ein bedeutendes Handelszentrum war die Siedlung am Scoglio del Tonno in Tarent, die nicht nur intensive Handelsbeziehungen zum östlichen Mittelmeerraum, sondern auch nach Norditalien unterhielt und ein wichtiger Umschlagsplatz für Metallwaren aus dem Norden war. Tausende von Purpurschneckenhäusern, die in der befestigten Siedlung von Coppa Nevigata ans Licht kamen, legen nahe, daß dort während der mittleren und späten Bronzezeit eine Produktionsstätte für Purpur bestand.

Daß die Bewohner Apuliens in der Bronze- und Eisenzeit zu 20 bis 40 % Steppen-Herkunft in sich trugen, also indogermanischer Herkunft waren, geht aus einer neue Studie zur Archäogenetik des eisenzeitlichen Apulien hervor (1). Wir sehen in ihr in "Fig. 2B" (hier: Abb. 2, B), daß es noch in der Eisenzeit in Apulien Menschen gab, die nur anatolisch-neolithische Herkunft (gelb) und Steppen-Herkunft (lila) in sich trugen.

Abb. 1: Casel del Monte, 13. Jahrhundert n. Ztr., erbaut von Kaiser Friedrich II. (Wiki)

Daraus wäre zu folgern, daß die westeuropäische Jäger-Sammler-Herkunft (blau) nach Süditalien erst sehr spät ("zurück"?) gekommen ist und sich dort womöglich noch nicht einmal (wie wir unten sehen werden) im Mittelalter überall ausgebreitet hatte.

Und dieser Umstand hinwiederum deutet darauf hin, daß die Bauernvölker in Süditalien sich zwar mit den Indogermanen (vermutlich der Glockenbecherkultur) irgendwann nach 2.200 v. Ztr. (2-4) sehr umfangreich vermischt haben. Aber diese Menschen der Glockenbecher-Kultur scheinen von ihrem Ursprungsraum ohne weitere Vermischungs-Ereignisse bis nach Süditalien gekommen zu sein und dabei - womöglich - 800 Jahre überbrückt zu haben. Denn sonst hätte es nahegelegen, daß sie auch eine westeuropäische Jäger-Sammler-Komponente mit nach Süditalien gebracht hätten, die ja auf ihrem Weg nach Italien überall die spätneolithischen Bevölkerungen Mittel- und Westeuropas in sich trugen. 

Kann ein solches 800 Jahre lang aufrecht erhaltenes Unvermischt-Sein plausibel gemacht werden? Mit den neuesten, hier auf dem Blog schon referierten Forschungsergebnissen (5) durchaus. Nach ihnen haben die spätneolithischen Kulturen überall in Europa viele Jahrhunderte lang in engster Nachbarschaft und Verzahnung miteinander unvermischt gelebt (5).

Abb. 2: Die Herkunftskomponenten der eisenzeitlichen Apulier: Zu einem Drittel bis zur Hälfte indogermanischer Herkunft (aus: 1)

Wir haben ja schon referiert, daß die Steppen-Genetik in jener Zeit so gut wie nicht nach Kreta und in die minoische Kultur kam. Dorthin gelangte sie erst mit den Mykenern ab 1600 v. Ztr. (4).

Die Indogermanen kamen unvermischt bis Süditalien

Neben den beiden schon genannten Herkunftskomponenten tritt im eisenzeitlichen Apulien am häufigsten die iranisch-neolithische Herkunftskomponente auf. Von dieser wissen wir ja schon, daß sie sich früh im östlichen Mittelmeer-Raum ausgebreitet hat (s. z.B.: 4). Auffallend ist aber auch hier wieder, daß es in Apulien in der Eisenzeit noch Menschen gab, die diese Herkunftskomponente nicht in sich getragen haben. Es hat also hier Regionen und Stämme gegeben, die sich lange von äußeren Einflüssen und damit verbundenem Menschenaustausch (Sklavenhandel etc.) frei hielten. Und zwar obwohl sie sich schon mit Indogermanen umfangreich vermischt hatten.

Abb. 3: Daunische Kanne, 6./5. Jhrdt. v. Ztr.; heute im Hetjens-Museum Düsseldorf (Wiki) - Fotograf: DerHexer

Die Forscher interpretieren ihre Ergebnisse grundsätzlich ähnlich wie wir (1):

... Das eisenzeiche (vor-kaiserzeitliche) Süditalien (Apulien) kann eingeordnet werden in das genetische Mittelmeer-Kontinuum, das von Kreta (Minoer) und der Levante (Seevölker) bis zum republikanischen Rom und zur iberischen Halbinsel reicht und sich vornehmlich zusammensetzt aus der anatolisch-neolithischen und der iranisch-neolithischen/Kakasus-Jäger-Sammler-Herkunftskomponente, verbunden mit der westeuropäischen Jäger- und Sammler- sowie Steppen-Herkunftskompenente wie sie im (sonstigen) kontinentalen Italien zu beobachten ist.
The new genomic sequences Daunian samples reveal that Iron Age (pre-Imperial) Southern Italy (Apulia) can be placed within a Pan-Mediterranean genetic continuum that stretches from Crete (Minoans) and the Levant (Sea People) to the Republican Rome and the Iberian Peninsula, mainly composed by AN and IN/CHG genetic features with the addition of WHG and Steppe-related influences in Continental Italy.

Hier scheint also doch zumindest indirekt unterstellt zu sein, daß die Steppen-Herkunftskomponente im eisenzeitlichen Italien sich über die Glockenbecher-Kultur (und/oder bronzezeitliche Nachfolge- oder Parallelkulturen - Cetina-Kultur [Wiki]?) bis nach Apulien ausgebreitet hat.

Womöglich wäre dann zu schlußfolgern, daß sich Steppen-Herkunft und anatolisch-neolithische Herkunft in Süditalien beide zum Teil noch in "reiner Form" miteinander vermischen konnten und als solche Vermischung sich zum Teil bis in die Eisenzeit haben halten können ohne Zuflüsse von iranisch-neolithischer oder westeuropäischer Jäger-Sammler-Herkunft, die dann beide erst später hinzugekommen sein mögen.

Die Forscher halten außerdem fest (1):

Die westeuropäische Jäger-Sammler-Herkunfts-Komponente, die bei den eisenzeitlichen Apuliern und bei den Römern im republikanischen Zeitalter zu finden ist, ist bei den Minoern (auf Kreta) und bei den eisenzeitlichen Völkern in Kroatien nicht zu finden.
The WHG contribution, which was a necessary component to explain IAA and Roman Republicans according to qpAdm output, is absent from Minoans and Iron Age Croatians.

Das ist ein wesentlicher Satz. Sogar noch ein mittelalterlicher Apulier, so führen sie aus, weist keinerlei westeuropäische Jäger-Sammler-Herkunft auf. So regional divers scheint sich die Bevölkerung Apuliens also - nach dem zusätzlichen mittelalterlichen Einzel-Ergebnis - sogar noch durch die ganze Antike hindurch entwickelt zu haben. (Ob man das glauben kann, stehe aber einstweilen dahin. Das wäre ja die Geschichte sozusagen eines "einzelnen gallischen Dorfes" über Jahrtausende hinweg ....)

Ergänzung: 1.3.22: Daß es im eisenzeitlichen Kroatien keine westeuropäische Jäger-Sammler-Herkunft gegeben habe, scheint uns so eindeutig nach neueren Studien auch nicht mehr zu sein (siehe Blogartikel des Jahres 2022).

Wir schlußfolgern und ordnen ins bisherige Gesamtbild ein: Die anatolisch-neolithische Herkunftsgruppe wird sich spätestens im Mittelneolithikum zumindest in Norditalien mit den dort noch verbliebenen, einheimischen westeuropäischen Jägern und Sammlern vermischt haben. Diese Vermischung scheint aber zumindest in Teilen Süditaliens bis zur Eisenzeit - vielleicht sogar bis zum Mittelalter (!) - nicht stattgefunden zu haben. (Ähnlich authothon hat sich ja auch die Bevölkerung zeitgleich auf Sizilien weiter entwickelt [4].)

Während die Steppen-Genetik durchaus schon mit der Glockenbecher-Kultur - und ohne alle weitere vorherige Einmischung (auf dem Weg dorthin) - bis nach Süditalien gelangt zu sein scheint (vielleicht auch von Kroatien aus mit der Cetina-Kultur).

Das auffallendste Ergebnis dieser Studie ist also bis auf weiteres: Die Glockenbecher-Kultur (oder eine vergleichbare indogermanische Kultur) muß sich - ohne Vermischungen in Zwischenstationen - bis nach Süditalien ausgebreitet haben.

2.200 v. Ztr. - Bevölkerungsumbruch im östlichen Mittelmeer-Raum

Aber wie viel Grund haben wir eigentlich dafür zu vermuten, daß Apulien von den Glockenbecher-Leuten genetisch "indogermanisiert" wurde? Bisherige Ausbreitungskarten zeigen ja nur, daß sie bis nach Sizilien und Norditalien gekommen waren (2). 2014 fand in Halle an der Saale ein internationaler Archäologen-Kongreß zum europaweiten Epochenwechsel rund um 2.200 v. Ztr. statt (6). Auf diesem Kongreß wurde zur Archäologie Süditaliens und Siziliens rund um 2.200 v. Ztr. referiert (6):

... Eine fortgeschrittene Phase der späten Kupferzeit beginnt wohl um 26oo/255o v. Chr.; ihr Ende ist bisher noch nicht sehr gut erfaßt, ist aber wohl um 235o/23oo v. Chr. anzusetzen. Während dieser Zeit finden lokale Entwicklungen und kulturelle Veränderungen statt, während gleichzeitig die "internationale" Glockenbecherkultur aufzutreten beginnt - allerdings nur im Westen Siziliens relativ gut belegt. Die dritte Periode, die eine Endphase der späten Kupferzeit umfaßt, datiert zwischen 235o/23oo  v. Chr. und 215o/21oo v. Chr. Es  ist  eine  Übergangsphase,  während  derer einerseits frühere Traditionen verschwinden oder zumindest  klar  abgeschwächt  werden  (Laterza  und  Malpasso), sich andererseits aber neue Kulturgruppen und Keramikstile durchsetzen. In Süditalien breiten sich Cetina-artige Kulturelemente aus dem Adriagebiet aus, während in Sizilien, nebst  einigen  Funden  einer  späten  Glockenbechertradition  und einer sehr eingeschränkten Präsenz Cetina-artiger Keramik  (manchmal  auch  "Thermi-Ware" genannt),  die  bemalte  Keramik  des  sogenannten Naro-Partanna-Stils aufkommt, die eine Verwandtschaft mit der nachfolgenden Castelluccio Kulturgruppe aufweist. Die vierte Periode entspricht schließlich der Frühbronzezeit und datiert ungefähr zwischen 215o/21oo v. Chr. und 165o  v.  Chr. Diese Periode ist geprägt durch Fazies mit langen Laufzeiten, wie z. B. Palma Campania, Prov. Neapel, in Kampanien (die sich in einer späten Phase der Frühbronzezeit innerhalb der proto-apenninischen Kulturgruppe herausbildet); Cessaniti, Prov. Vibo Valentia, in Kalabrien; Capo Graziano 1, Prov. Messina, auf den Liparischen Inseln sowie Castelluccio, Prov. Syracuse, in Sizilien  (gleichzeitig mit der Rodì-Tindari-Vallelunga Kulturgruppe). Auf dem italienischen Festland lassen sich Phänomene wie Bevölkerungsrückgang und kulturelle Diskontinuität feststellen, die hauptsächlich in der ersten Periode des Übergangs zwischen der späten Kupferzeit und der frühen Bronzezeit, bzw. im späten 22. Jh. v. Chr.  und  frühen  21.  Jh.  v.  Chr. stattfinden.
The Late Copper Age, probably starts around 26oo/255oBC and ends somewhere around 235o/23ooBC. During this period, processes of local evolution and changes in previous traditions are seen, together with a limited introduction of the "international" Bell Beaker Culture group (fairly common only in western Sicily). The third phase, corresponding to a final stage of the Late Copper Age, spans from 235o/23ooBC to 215o/21ooBC. This is a phase of transition, during which we see a disappearance or a marked weakening of older traditions (Laterza and Malpasso), and the spread of new Culture groups and ceramic styles. In southern Italy, Cetina-related cultural elements of trans-Adriatic origin spread, and in Sicily, besides some artefacts relating to a late Beaker tradition and a very limited presence of Cetina-related pottery (sometimes called "Thermi Ware"), painted potteries of the so-called Naro-Partanna style appear, a style preluding to the subsequent Castelluccio Culture group. The fourth phase corresponds to the Early Bronze Age, beginning around 215o/21ooBC and ending at approximately 165oBC. This period is characterised by regional long-lasting archaeological facies like Palma Campania, prov. Naples, in Campania (evolving within the Protoapennine Culture group in a late phase of the Early Bronze Age); Cessaniti, prov. Vibo Valentia, in Calabria; Capo Graziano 1, prov. Messina, in the Aeolian Islands, and Castelluccio, prov. Syracuse, in Sicily (coexisting with the Rodì-Tindari-Vallelunga Culture group). Phenomena of depopulation and cultural discontinuity are attested in peninsular Italy, and mainly correspond to the earliest phase of transition from the Late Copper Age to the Early Bronze Age, dating to the late 22nd century BC and early 21st century BC.

In der Studie heißt es dazu genauer über (6):

... das Glockenbecher-Phänomen, das im südlichen Italien nur durch isolierte Funde bezeugt ist.
... the Bell Beaker phenomenon, although it is attested in southern Italy only by isolated  finds. A  more  significant presence has been found in the Rome area, especially in the fertile plains south-east of the city. In this area it was possible to document a local evolution of the Laterza facies. After 26oo BC a cultural change, characterised amongst other things by the admixture of Bell Beaker elements, gradually led to the development of the so-called Culture group of Ortucchio, which spread throughout part of central Italy (Carboni/Anzidei  2o13). Throughout southern Italy the Bell Beaker presence is sporadic, being evidenced only by single pieces (e. g. Lo Torto et al. 2oo1), sometimes within late Laterza contexts, as in the case of the burial ground found at Paestum, prov. Salerno, close to the temple of Ceres (Arcuri/Albore Livadie 1988).

Also nach 2.600 v. Ztr. ist in der Umgegegend von Rom ein kultureller Wandel festzustellen, charakterisiert durch die Vermischung einheimischer Funde mit Glockenbecher-Funden. Ansonsten tritt die Glockenbecherkultur in Süditalien in den ansonsten "einheimischen" archäologischen Funden nur "sporadisch" auf. Das würde bedeuten, daß der genetische Steppen-Zufluß - z. B. in Apulien - damals stärker war als sich aus den archäologischen Funden allein ablesen läßt. Und das wiederum würde heißen, daß die sich hierher ausbreitenden Indogermanen sehr schnell die einheimische Kultur und Lebensweise angenommen haben. Die Forscher schreiben weiter (6):

In Apulia, taking into account the radiocarbon dates available for the site of Grotta Cappuccini di Galatone, prov. Lecce (Ingravallo 2oo2) - where a late Laterza facies very similar to that of Cellino San Marco (Lo Porto 1963) is attested - we may postulate that the late Laterza tradition lasts until at least 235o/ 23oo BC. For the period corresponding to the third phase (between 235o/23oo BC and 215o/21oo  BC), data are not abundant in Campania and other parts of southern Italy, such as Basilicata and Apulia. If we compare this situation with the relatively rich record for the preceding and the subsequent  phases, the impression is that the scarcity of sites may be explained, at least in part and in some areas, by a demographic crisis.

Man wird also bis aufs weitere schlußfolgern können: In der Zeit um 2.350 v. Ztr. führt die vornehmliche kriegerische Ausbreitung einer indogermanischen Kultur - entweder der Glockenbecher-Kultur und/oder der ost-adriatischen Cetina-Kultur zu einem Bevölkerungszusammenbruch und zu jenem teilweisen "genetic replacement" in Süditalien, das wir noch an der Genetik in der Eisenzeit daselbst feststellen können. Die Forscher stellen Daten zusammen, nachdem dieser Bevölkerungszusammenbruch sehr eng zusammen fällt mit einem Auftreten von Cetina-Keramik in Süditalien. Über dieses Cetina-Phänomen im östlichen Mittelmeer-Raum schreiben sie (6):

In the Aegean this diffusion correlates well with the Early Helladic III, now dated by R. Jung and B. Weninger (Jung/Weninger in the present volume) to between approximately 23oo BC and 21oo BC. A similar chronology is also possible for the Italian evidence.

Das hier genannte Frühe Helladikum III (Wiki) wird von der griechischen Archäologie häufig mit der Zuwanderung von Indogermanen in Zusammenhang gebracht. Aus der Zeit nach der Zuwanderung der Indogermanen sind übrigens in Apulien zahlreiche Megalith-Anlagen überliefert (Wiki). Sie gehörten, da erst datiert auf die Zeit ab 2.300 v. Ztr. zu den spätesten des ganzen Mittelmeerraumes.

Ergänzung [21.10.23]: Ein ausführlicher Blogartikel ist erschienen über "Die Krise des 23. Jahrhunderts - Umbrüche zwischen Spanien und dem Jangtse-Fluß ("Crisis of the 23rd Century - Upheavals from Spain to the Yangtze" (PeterNimitz2023). In einem Interview werden die Inhalte desselben mit den Daten der Archäogenetik abgeglichen (RazibKhan2023).

Ein Viertel waren blond - Die eisenzeitlichen Picener an der Adria  

Ergänzung [24.11.24]: In einer archäogenetischen Studie über die Picener (Wiki) an der mittleren Adria-Küste stellt eine ähnliche Herkunftszusammensetzung fest wie im übrigen Italien. Sie stellt aber fest (7):

Die Picener haben (...) einen größeren Anteil an Individuen mit blauen Augen (26,8 %) und blonder Haarfarbe (22,0 %) als andere italische Populationen. Bei den Etruskern und Römern sind diese helleren Phänotypen viel seltener (blaue Augen: 2,6 % bei den Etruskern, 10,0 % bei den Römern; blondes oder dunkelblondes Haar: 5,3 % bei den Etruskern, 10,0 % bei den Römern), wodurch diese Populationen früheren Individuen von der italienischen Halbinsel ähnlicher sind.
The Picenes (excluding the presumed outliers) have a greater proportion of individuals with blue eyes (26.8%) and blond hair color (22.0%) than other Italic populations. In the Etruscans and Italy_IA_Romans, these lighter phenotypes are much less common (blue eyes: 2.6% in the Etruscans, 10.0% in the Italy_IA_Romans; blonde or dark blond hair: 5.3% in the Etruscans, 10.0% in the Italy_IA_Romans), making these populations more similar to previous individuals from the Italian peninsula.

Dieser Umstand macht darauf aufmerksam, wie groß bei ähnlicher Herkunftszusammensetzung dennoch unterschiedliche Phänotypen evoluieren können. Vielleicht ergab sich dieser Umstand daraus, daß selektive Heiratswahl diesen höheren Anteil Blonder bei den Picenern hervor brachte. 

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*) Wie und warum die Forscher Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunft von iranisch-neolithischer Herkunft unterscheiden, bleibt uns unerfindlich. Womöglich ist doch die Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunfts-Komponente der Steppen-Herkunft hinzuzurechnen (?). Sie schreiben selbst, es sei "schwer, Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunft, die durch Mittelmeer-Ausbreitung nach Italien gekommen sein mag, angemessen von jener zu unterscheiden, die durch die Steppen-Herkunft dorthin gekommen sein mag" ("hard to properly detect a CHG signature  independent  from  the  Steppe wave, possibly brought by pan-Mediterranean  influxes"). Gibt es denn überhaupt Hinweise, daß Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunft sich von anatolisch-neolithischer Herkunft unterscheidet und sich deshalb getrennt von letzterer und der Steppen-Herkunft ausbreiten konnte? Auf solche wären wir allerdings bis jetzt nicht gestoßen.

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  1. The genetic origin of Daunians and the Pan-Mediterranean southern Italian Iron Age context. Serena Aneli, Tina Saupe, Francesco Montinaro, Anu Solnik, Ludovica Molinaro, Cinzia Scaggion, Nicola Carrara, Alessandro Raveane, Toomas Kivisild, Mait Metspalu, Christiana L Scheib and Luca Pagani, bioRxiv. posted 30 July 2021, 10.1101/2021.07.30.454498, http://biorxiv.org/content/early/2021/07/30/2021.07.30.454498?ct=ct; Molecular Biology and Evolution, Volume 39, Issue 2, February 2022, Online 17.1.2022, https://academic.oup.com/mbe/article/39/2/msac014/6509524
  2. Bading, Ingo:  2.200 v. Ztr. - Kriegerische Glockenbecherleute im westlichen Mittelmeer-Raum, kriegerische Hethiter in Anatolien - Eine neue Ancient DNA-Studie zur Geschichte der Indogermanen im Mittelmeer-Raum der Bronzezeit, 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/04/2200-v-ztr-kriegerische.html
  3. Bading, Ingo: Indogermanische Genetik in Italien, 11/2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/11/indogermanische-genetik-in-der.html
  4. Bading, Ingo: Völkerbewegungen im Mittelmeer-Raum ab 2.400 v. Ztr., 2020, https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/02/volkerbewegungen-im-mittelmeer-raum-ab.html 
  5. Bading, Ingo: Die Fundamente Europas - Sie wurden in einer Umbruchszeit gelegt (3.500 bis 2.700 v. Ztr.), 5/2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/05/das-fundament-europas-in-einer.html
  6. Teodoro Scarano, Marco Pacciarelli, Anita Crispino: The transition between Copper and Bronze Ages in Southern Italy and Sicily. Konferenzbeitrag, October 2015; Conference: H.H. Meller, R. Risch, R. Jung, H. W. Arz (eds.), 2200 BC - Ein Klimasturz als Ursache für den Zerfall der alten Welt? (2200 BC - A climatic breakdown as a cause for the collapse of the old world?) Proceedings of the 7th Archaeological Congress of Central Germany of the State Office of Heritage Management and Archaeology Saxony-Anhalt (LDA), October 23-26, 2014 in Halle (Saale)Volume: 12/I-II 2015 Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Halle 2015) (Researchgate)
  7. Ravasini, F., Kabral, H., Solnik, A. et al. The genomic portrait of the Picene culture provides new insights into the Italic Iron Age and the legacy of the Roman Empire in Central Italy. Genome Biol 25, 292, 21.11.2024. https://doi.org/10.1186/s13059-024-03430-4 

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