Samstag, 7. November 2020

Turkvölker, Indogermanen, Sarmaten und Hunnen - Zwischen Mongolei und Kaukasus

Die Geschichte der Völker in der Mongolei und rund um das Altai-Gebirge

Vorbemerkung: Die Inhalte dieses Blogartikels werden auch behandelt und erläutert in einem Video auf meinem Videokanal: https://youtu.be/sA6wpUUvV-c.

Eine neue Studie im Bereich der Archäogenetik ist erschienen (1, 2). Sie wartet mit neuen "Farbspektren" der Herkunftsanteile der vielen Völker auf, die im Laufe der Geschichte in der Mongolei aufgetreten - und wieder untergegangen sind (Abb. 1 und 2). Was für ein farbenprächtiges, wechselhaftes Bild!

In Teilen knüpft die Studie natürlich an ältere Studien an (z.B. 3; siehe auch: 4, 5).

Tasten wir uns nach und nach an diese Völkervielfalt und Epochenvielfalt heran.

Die einzige genetische Kontinuität im Wechsel der Völker innerhalb der Mongolei seit dem Neolithikum stellt die nordostasiatische Jäger-Sammler-Herkunftskomponente dar, repräsentiert ursprünglich durch Funde in der "Devil's Cave" nördlich von Korea und durch noch heute am Amur-Fluß und in Nordost-Sibirien lebende Völker. Bei den heutigen Mongolen macht diese Herkunftskomponente 65 % aus (in Abb. 1 die grünen Balken). Geschichtliche Großreiche bildend, trat dieser Herkunftskomponente aber offenbar erst sehr spät in der Weltgeschichte auf.

Die heutigen Mongolen tragen außerdem zu 15 % indogermanische (westliche) Genetik in sich (Abb. 1 blauer Balken) und 20 % Han-chinesische Genetik (Abb. 1 gelber Balken). (s. Abb. 1: "lateMed_Mongol").

Der Han-chinesische Herkunftsanteil ist jedoch in der Mongolei der allerjüngste Herkunftsanteil von allen, die dort jemals aufgetreten sind. Er ist erst nach der Zeitenwende - etwa ab dem 1. Jahrhundert n. Ztr. - in die Mongolei gelangt. Wenn diese Herkunftsanteile also erst ab der Eisenzeit in der Geschichte der Mongolei "umtriebiger" geworden sind - welche Völker waren es zuvor? Nun, Völker, die - zu nicht geringen Teilen -  vor Ort in der Mongolei heute als ausgestorben gelten müssen.

Im Norden der Mongolei, im Altai-Gebirge und am Baikal-See lebten Angehörige der Völkergruppe der westsibirischen Jäger und Sammler. Es gibt Hinweise, daß das Ausbreitungsgebiet dieser Völkergruppe ursprünglich bis in den Ostiran reichte (4) (s.a. Stgen2022). In Abbildung 1 findet sie sich vor allem in den hellblauen Balken wieder.

In einer anderen archäogenetischen Studie aus dem letzten Jahr wurden zusätzlich noch die Nganasanen (Wiki, engl) als eine wichtige Herkunftsgruppe nordasiatischer Völker genannt (5; in der dortigen Abbildung 1 in der ersten Reihe das dritte Volk von rechts mit dunkelgrüne Farbe). Ihre "paläosibirische Genetik" hat sich später bis auf die Kola-Halbinsel zu den Samen ausgebreitet, ebenso lebt sie in einigen Völkern der Waldtundra weiter, etwa bei den Besermenen und Udmurten (5; Abb. 1 zweite Reihe) und ebenso bei vielen stolzen Reitervölkern wie den Tataren (Ttm, Ttk, Ttz, Tts), der Baschkiren (Bsn, Bsc, Bss), den Altaiern (Alt, Ack), den Tubalaren (Tbl) und den Kasachen (Khk) (5; Abb. 1 dritte Reihe). // Ergänzung 21.6.2022: Inzwischen wissen wir, daß von ihnen auch die Landnahme-Ungarn abstammen (Stgen2022). // Soweit erkennbar, spielt diese Vorfahrengruppe aber in den Völkern und Kulturen, die in dieser neuen Studie erforscht werden, keine Rolle. Umgekehrt scheint die Vorfahrengruppe der westsibirischen Jäger und Sammler in der genannten archäogenetischen Studie aus dem letzten Jahr (5) nicht berücksichtigt zu sein. Ist das eine Folge des Umstands, daß die westsibirische Genetik im Altai-Gebirge und in der Mongolei tatsächlich ausgestorben ist?

Weiter im Westen - im Altai-Gebirge - hatten sich diese westsibirischen Jäger und Sammler jedenfalls mit osteuropäischen Jägern und Sammlern vermischt. Dabei entstand die Botai-Kultur (3.700 bis 3.100 v. Ztr.) (Wiki) (4; darin Abb. 1). Die Angehörige der Botai-Kultur gehörten zu der Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler, hatten sich aber zu etwa einem Viertel mit den westsibirischen Jäger-Sammlern, die am Baikal-See gelebt haben, vermischt (4; darin Abb. 1). Es waren dies Fischer, Jäger und Sammler, die auch von der Jagd auf wilde Pferde lebten. Daß sie es gewesen sein könnten, die das Pferd domestiziert haben, ist länger von der Forschung vermutet worden. Bis heute ist diese Frage aber nicht wirklich geklärt.

Der westsibirische Herkunftsanteil ist nun rund um das Altai-Gebirge und in der westlichen Mongolei im Laufe der Geschichte, also nach der Eisenzeit - scheinbar - völlig ausgestorben. Stattdessen scheint er sich während der Eisenzeit - wahrscheinlich mit den Turkvölkern - bis nach Anatolien und innerhalb der nordindischen Hochkultur offenbar bis nach Ostindien ausgebreitet zu haben (4; darin Abb. 1 - oranger Herkunftsanteil).

Abb. 1: Herkunftskomponenten der Völker rund um das Altai-Gebirge: A. Grün = Ostsibirische Jäger und Sammler (Devil's Cave), Schwarz = Botai-Jäger und Sammler, Hellblau = Westsibirische Jäger und Sammler, Braun = Iranisch-neolithische Bauern, Rot=Urvolk der Indogermanen, Hellbraun=Zweite Welle der Indogermanen

Aber noch der Herkunftsanteil einer weiteren großen Völkergruppe gelangte in das Altai-Gebirge. Ab 2.750 v. Ztr. haben sich Angehörige der Hochkultur der Marghiana aus Turkmenistan (BMAC) (Wiki) (6), also Angehörige vornehmlich der iranisch-neolithischen Völkergruppe, bis in das Altai-Gebirge ausgebreitet. Sie haben sich dort mit den Angehörigen der Botai-Kultur vermischt (1). Daraus entstand die Chemurchek-Kultur (2.750-1.900 v. Ztr.). Dieses Volk hatte zu 60 bis 80 % genetische Botai-Herkunft und zu 20 bis 40 % BMAC-Herkunft (1, S. 4). Die einheimische Botai-Genetik hat im Norden des Altai 80 % betragen, im Süden des Altai 60 %. Die bisherigen archäogenetischen Daten scheinen aber nahezulegen, daß dieses Volk der Chemurchek-Kultur im Altai schon in der Mittleren Bronzezeit genetisch wieder ausgestorben ist (4, S. 4). Wie wechselhaft sich hier die Geschichte gestaltete!

Der Ostiran und die erst spät entdeckte bronzezeitliche Hochkultur der Marghiana in Turkmenistan (auch "Turan-Region", "Oasenkultur") ist erst vor zwei Jahren näher in den Aufmerksamkeits-Kegel der Archäogenetik geraten (4) und nur wenige Jahre zuvor in die Aufmerksamkeit der westlichen Archäologen überhaupt. In dieser Hochkultur in Turkmenistan hatten sich nach Norden ausbreitetende iranisch-neolithische Kulturen mit den einheimischen, westsibirischen Jägern und Sammlern vermischt, also - vermutlich - den Vorfahren der heutigen Turkvölker, die ursprünglich am Baikal-See gelebt hatten (4). Ab 2.300 v. Ztr. findet sich in Baktrien/Turan/Ostiran dann 60 % iranisch-neolithische Herkunft neben 21 % anatolisch-neolithischer Herkunft und 13 % westsibirischer Jäger-Sammler-Herkunft (4).

Kein Wunder vielleicht, daß am Nordrand dieser Hochkultur der Marghiana auch noch ganz andere Völker entstanden sind, nun durch die Zuwanderung indogermanischer Völker nach Osten.

Die Pazyryk-Kultur - Nachkommen westsibirischer Jäger und Sammler

Nach 3.000 v. Ztr. begannen sich nach Westsibirien, in die westliche Mongolei und in das Altai-Gebirge nämlich Angehörige der zweiten Welle der indogermanischen Ostwanderung auszubreiten. In der Mittleren und Späten Bronzezeit stammten im Norden der Mongolei die Angehörigen des einheimischen Volkes der westsibirischen Jäger und Sammler ("Khövsgöl"/"Khovsgol") zu etwa 10 % von diesen Indogermanen ab, zur gleichen Zeit im Altai-Gebirge zu etwa 50 % (Abb. 1: "Altai_MLBA").

Im Osten der Mongolei nahmen die Menschen zwar in dieser Zeit auch die Lebensweise der Herdenhaltung an, die sie - vermutlich - von den Indogermanen kennengelernt hatten. Aber sie scheinen sich über lange Jahrtausende hinweg genetisch so gut wie gar nicht mit diesen Indogermanen aus dem Westen vermischt zu haben (s. "Ulaanzuukh" in Abb. 1). Sie sind repräsentiert durch die Plattengrab-Kultur (Wiki), englisch Slab-Grave-Kultur (Wiki), die im späten 2. und 1. Jahrtausend v. Ztr. über die ganze heutige Mongolei verbreitet war (1.300 bis 300 v. Ztr.).

Während der Frühen Eisenzeit erhöhte sich dieser indogermanische genetische Anteil in Westsibirien auf 50 %. Im südlichen Sibirien gab es die Aldy-Bel-Kultur (Wiki) und die Sagly-Baschi-Kultur (Wiki), auch "Chandman"-Kultur genannt. Sie standen in großer kultureller Nähe zur Pazyryk-Kultur (Wiki). Bei ihnen handelte es sich wiederum zur Hälfte um Nachkommen der zweiten Welle der Indogermanen, zur anderen Hälfte um Nachkommen der westsibirischen Jäger und Sammler. Diese Völkerschaften haben, so scheint es, in der Mongolei und rund um das Altai-Gebirge aber später genetisch keine Nachkommen mehr hinterlassen, sind dort also ausgestorben. Aber sie könnten den Grundstock der nachherigen Turkvölker gebildet haben, also der Uiguren und vieler weiter westlich lebender Turkvölker.

Abb. 2: Die eisenzeitlichen Sarmaten ("Early Samartian IA") tragen Spuren von westsibirischer Jäger-Sammler-Genetik in sich (hellblau), ihre bronzezeitlichen Vorfahren ("Poltavka") noch nicht

Aus dieser Sagli-Baschi-Kultur - mit zur Hälfte indogermanischer Genetik, zur anderen Hälfte westsibirischer Genetik und einem kleinen Anteil iranisch-neolithische Marghiana-Genetik - entsteht dann das Großreich der Xiongnu in der westlichen Mongolei. Im Verlauf seiner Geschichte vermischen sich die westlichen Xiongnu mit den Einwohnern der östlichen Mongolei, wodurch zusätzlich nordostasiatische Genetik in dieses Volk hinein kommt. Das wird in der Studie folgendermaßen charakterisiert (1):

Sechs Individuen stehen genetisch auf der Mitte zwischen den "Frühen Xiongnu im Westen" und dem genetischen Cluster der Plattengrab-Kultur. Vier tragen unterschiedliche genetische Anteile der "Frühen Xiongnu im Westen" (39 bis 75 %) und der Plattengrab-Kultur (25 bis 61 %), zwei sind von der Genetik der Plattengrab-Kultur nicht zu unterscheiden. Hier wird das Verschmelzen von zwei genetisch sehr unterschiedlichen Gruppen in der östlichen Steppe erkennbar.
Six individuals (‘‘earlyXiongnu_rest’’) fall intermediate between the earlyXiongnu_west and Ulaanzuukh_SlabGrave clusters; four carry varying degrees of earlyXiongnu_west (39%–75%) and Ulaanzuukh_SlabGrave (25%–61%) related ancestry, and two (SKT004, JAG001) are indistinguishable from the Ulaanzuukh_- SlabGrave cluster (Figure 3D; Tables S5F and S5G). This genetic cline linking the earlyXiongnu_west and Ulaanzuukh_SlabGrave gene pools signifies the unification of two deeply diverged and distinct lineages on the Eastern Steppe.

Und damit sind dann die Hunnen entstanden, die indogermanische Genetik, Turkvolk-Genetik und "mongolische" Genetik in sich tragen, in der späteren Zeit aber überwiegend die nachmalige "mongolische" Genetik (s. Abb. 1B).

Und während dieses Verschmelzungsprozesses stoßen indogermanische Sarmaten (Wiki) und Alanen (Wiki) zu diesem Großreich der Xiongnu hinzu. Während der westsibirische genetische Anteil ebenso wie der ursprünglichere indogermanische genetische Anteil in dieser Zeit sehr stark zurückgedrängt wird im Großreich der Xiongnu, wird er also noch einmal - sozusagen - "erneuert" durch den Zuzug von Sarmaten und Alanen. Mit ihnen zusammen entstehen nachmalige Turkvölker wie die Uiguren und sicherlich andere Turkvölker, die sich dann bis in den Kaukasus und nach Anatolien ausgebreitet haben.

Die Sarmaten

Wer aber nun waren die genannten Sarmaten? Sie waren ein Reitervolk aus dem Süden des Ural, das zur gleichen Zeit - ab 300 v. Ztr. - die ganze Völkergruppe der hochherzigen antiken Skythen nördlich des Schwarzen Meeres aufgerollt hat (berichtet von den zeitgleichen griechischen Historikern), und das - soweit erkennbar - einen völlig neuen Geist in die europäische Völkergeschichte gebracht hat, womöglich auch neue religiöse Vorstellungen. Ausgerechnet die Genetik dieser Sarmaten nun, von deren Kriegsdiensten im Römischen Reich man viele gute Kenntnisse hat, findet man - zur großen Überraschung der Forscher - um 200 v. Ztr. in der Mongolei bei den  "Weißen Hunnen", bei den "Xiongnu" (2): 

Elf Skelette der Xiongnu-Zeit zeigen eine genetische Signatur, die der der Sarmaten gleicht, Krieger-Nomaden, die die Region nördlich des Schwarzen Meeres dominierten, 2000 Kilometer offener Steppe entfernt von der Mongolei. "Es gibt keine schriftliche Belegen für einen Kontakt der Xiongnu mit Sarmaten und er ist auch durch die Archäologie (noch) nicht gut belegt. Es ist wirklich sehr überraschend, daß sie sich über diese weiten Entfernungen vermischt haben," sagt Tsagaan Turbat, ein Archäologe des Instituts für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wissenschaften. "Solche Informationen sind wirkliche 'Game Changer' (etwas Bahnbrechendes). ...
Original: Eleven Xiongnu  period skeletons showed genetic signatures similar to those of the  Sarmatians, nomad warriors who dominated the region north of the Black Sea, 2000 kilometers across the open steppe from Mongolia. “There’s  no written evidence of [Xiongnu] contact with Sarmatians, and it’s not  well-attested archaeologically. It’s really surprising they’re mixing over these long distances,” says Tsagaan Turbat, an archaeologist at the  Mongolian Academy of Sciences’s Institute of Archaeology. “This kind of  information is really a game changer.” In the future, researchers hope the genomes will help reveal how the mysterious nomad empire worked. The  Xiongnu are “doing the things that empires do - forcing or enticing  people to move,” says University of Michigan, Ann Arbor, archaeologist Bryan Miller. “Are people sent out to rule, or are local elites allowed to continue?” he asks. “Only genetics could answer that.”

2017 hieß es in einer archäogenetischen Studie über Sarmaten vom Fundort Pokrovka südwestlich des Ural (3):

Die beiden frühen Sarmaten-Funde aus dem Westen fallen (genetisch gesehen) in die Nähe eines eisenzeitlichen Fundes aus dem Samara-Distrikt und stehen im allgemeinen den frühbronzezeitlichen Yamnaya-Funden von Samara und Kalmykien und den mittelbronzezeitlichen Poltavka-Funden von Samara nahe.
The two Early Sarmatian samples from the West (group #3 in Fig. 2) fall close to an Iron Age sample from the Samara district and are generally close to the Early Bronze Age Yamnaya samples from Samara and Kalmykia and the Middle Bronze Age Poltavka samples from Samara.

Zusammen genommen mit den Auskünften aus den Abbildungen 1 und 2 der neuen Studie (1) ist das dahingehend zu verstehen, daß sich die Sarmaten südwestlich des Ural ("Poltavka") - wie andere indogermanische Kulturen an der Wolga (Samara) - bis zum Ende der Bronzezeit im wesentlichen die ursprünglichste Genetik des Urvolkes der Indogermanen erhalten hatten (siehe Poltavka, Yamnaya_Samara/Kalmykia und Afanasievo in Abbildung 2). Das heißt, daß sie bis dahin nicht jene typische Einmischung anatolisch-neolithischer Genetik aufgewiesen haben, die für viele indogermanischen Kulturen rund um sie herum ab 3.000 v. Ztr. charakteristisch wurden (Sintashta, Schnurkeramik, Glockenbecher, Andronovo, Srubnaya).

Abb. 3: Samarten mit Spangenhelmen - Darstellung auf römischem Sarkophag

Ab der Eisenzeit allerdings sind auch bei ihnen erstens kleinere Anteile von Einmischungen zu anatolisch-neolithischer Genetik zu erkennen. Ebenso aber auch Einmischungen von ursprünglicher westsibirischer wie auch nordostasiatischer Genetik ("Devils Gate"). Und genau dieses genetische Profil scheint sich dann um die Zeitenwende in der Mongolei bei den Xiognu wiederzufinden, weshalb die Archäogenetiker auf eine Zuwanderung von Saramaten in die Mongolei schließen.

Haben die Sarmaten die Religion der völkerwanderungszeitlichen Germanen beeinflußt?

Noch heutige wilde Bergvölker des Kaukasus wie die Osseten und andere führen ihre Herkunft auf Sarmaten und Alanen zurück. Ihre Mythologie (Wiki), die mündlich überlieferten "Narten"-Sagen (Wiki, engl), erinnern nun vom Geist und Inhalt in vielem an die religionsgeschichtlich jüngeren germanischen Göttergestalten Loki und Odin, an Götter also, die oft als Zutaten zur ursprünglichen indogermanischen Mythologie gedeutet werden (7, 8).*) Dies gilt insbesondere für einen Unterstamm der Samarten, die Narten (Wiki). Bei ihnen findet man viele ähnliche mythologische Elemente wie bei den germanischen Völkern. Die Alanen siedelten im Zuge der germanischen Völkerwanderung fast in allen Teilen Europas, bergründeten kurzzeitig auch in Spanien ein eigenes Reich. Und noch im Mittelalter führten viele Adlige stolz ihre Herkunft auf die Alanen zurück.

Noch der klassische Spangenhelm (Wiki) der völkerwanderungszeitlichen Germanen wird auf den Spangenhelm der Sarmaten zurück geführt, von denen viele als Hilfstruppen bis hoch hinauf nach Britannien innerhalb des römischen Heeres gedient haben.

Als im Jahr 375 n. Ztr. die Hunnen (Wiki) die Goten an der Wolga besiegten und nach Westen vordrangen und hier die germanische Völkerwanderung auslösten, war damit also nur die allerletzte Phase einer unglaublich langen und wechselvollen Völkergeschichte auf der West-Ost-Achse zwischen Mongolei und Atlantikküste eingeläutet, einer Völkergeschichte, die mehr als fünftausend Jahre zuvor begonnen hatte.

Um es also noch einmal klar zu sagen: Nach den Ergebnissen dieser neuen Studie verliert sich die westsibirische Herkunftskomponente nach dem Ende des Großreiches der Xiongnu im Großraum der Mongolei. In den nachfolgenden Turkvölkern scheint sie ebensowenig mehr vorhanden zu sein wie die vorherigen indogermanischen Herkunftsanteile. Aber an ihre Stelle tritt - zu 5 % (bei den Khitan [Wiki]) bis 45 % (bei den Uiguren) - Genetik der Sarmaten und Alanen.

Anhang: Snorri Sturleson 1230 n. Ztr. zur Frage, wie der Gott Odin nach Skandinavien kam

 
Vielleicht macht es auch in solchen Zusammenhängen Sinn, sich an das zu erinnern, was ein Laienforscher und Georgien-Freund namens Walter Schüle (Backnang, Jahrgang etwa 1958) (Fb) schon 2016 auf Facebook über den isländischen Historiker Snorri Sturleson (1179-1241) (Wiki) schreibt (FB 2016):
Der Isländer Snorri Sturluson war ein Dichter und Gelehrter des 12./13. Jahrhunderts. Er schrieb um 1230 das beachtenswerte Werk "Heimskringla", das die nordische Mythologie anhand völlig weltlicher Geschichte erklärte. Demnach war die germanische Göttin "Freya" ursprünglich die Tochter eines Stadtbewohners aus Vanaheim/Tanais, einer griechischsprachigen Kolonie in der heutigen Südukraine. Nachdem die Stadtbewohner die Asen eigentlich besiegt hatten (vgl auch Völuspà, Vers 28), sich aber auf einen Verhandlungsfrieden mit den Asen einigten, kam Freya, urprünglich eine Priesterin aus Tanais als Geisel zu den Asen, die daraufhin statt griechischen Schwarzmeerkolonien den Norden, insbesondere Sachsen und Schweden heimsuchten. Odin, nach Sturluson ein weltlicher Asenfürst, nahm seinen Heimsitz am Välarsee in Schweden, wo er in seinem Bett starb und sich kurz vor seinem Tod mit der Lanze verletzen liess, um den Tod eines Kriegers nach zu empfinden. Auf Odin als König Schwedens folgte daraufhin der reiche Njörður (Freyas Vater) als König des Friedens und unglaublichen Wohlstands. Seine Tochter Freya aber wirkte als Priesterin (auch als Vollzieherin der Blutopfer) und ihr Name wurde fortan zur ehrenvollen Anrede aller Frauen verwendet, woher das Wort "Frue" herstammen würde. (Vgl. Snorri Sturlusons "Heimskringla", Kapitel 1-13)
2019 schrieb Walter Schüle (FB 2019):
Nimmt man Snorri Sturlusons Bericht über die Heimskringla ernst, dann entstand das kriegerische Element der germanischen Religion kurz vor der römischen Ausbreitung. Womit übrigens der Wodans-Kult nur unwesentlich älter als das Christentum wäre. Da Snorris Bericht auf eine ethnisch iranische Herkunft des historischen Wodans (und eine griechische Herkunft der Vanen-Götter) hinweist, erklärt dies auch, warum die aus dem Mittelalter überlieferten Relikte der kriegerischen germanischen Religion überhaupt nicht zum Nerthus- oder Forseti-Kult passen, die etwa von Tacitus überliefert wurden. Demnach war die germanische Religion wohl tatsächlich relativ friedlich und annähernd egalitär. Kurz vor der römischen Ausbreitung belagerte eine iranische Elite aus dem nördlichen Schwarzmeerraum vergeblich eine griechische Kolonie am Don-Delta und eroberte dann (mit drei Griechen im Schlepptau) Teile Mitteleuropas und Skandinaviens. Aus deren Gefolge entstand eine kriegerische Elite, die dann den Grundstock für die sehr kampfstarken Germanenheere des Altertums bildeten. Jedenfalls, wenn man (wie ich) der Heimskringla historischen Wert beimißt.
Und:
Bei Snorri Sturlusons Heimskringla handelt es sich um eine historische Erklärung für den Hintergrund der beiden Eddas. Sturluson zufolge lag Vanaheim am Delta des Dons. Was auf eine griechische Schwarzmeerkolonie hinweist. Für die umliegenden Völker am Don nimmt die Mainstream-Linguistik einen iranischen Hintergrund an, genauer gesagt: Es dürfte sich um die sprachlichen Onkels der heutigen Osseten handeln. Der Ausdruck "Vanen" bzw. "Vanaheim" passt übrigens exzellent in die iranische Annahme, da das Suffix -van, das sich auch noch im nicht-iranischen armenisch findet, in einigen iranischen Sprachen "befestigter Ort" bedeutet. Vanaheim würde sich dann als "Ort befestigter Städten" bzw. "umfriedetes Stadtgebiet" und "Vanen" als "Stadtbewohner" deuten lassen. Auch der Name "Asen" passt wunderbar auf die nähere Verwandtschaft der Osseten. Der Namen "Osseten" ist ein georgisches Fremdwort" und verweist im Original auf ein Volk, das sich selbst "Osen" nennt. Der Sprung von Osen zu Asen ist nicht sonderlich weit, wobei die Variante "Asen" ebenfalls in der Selbstbezeichnung der Osseten auftaucht. Die Osseten jedenfalls sind ohne Zweifel ein iranisches Volk, das in der Antike sehr gut nachweisbare Ausläufer bis nach Mitteleuropa aufwies. Sprachliche Zeugnisse, die eine enge Beziehung zum ossetischen Iron aufweisen, wurden übrigens noch im mittelalterlichen Ungarn gefunden (siehe Jazygen). Weiterhin sind sehr enge politische Verflechtungen zwischen iranischen Alanen und germanischen Heeren nachweisbar. Insbesondere unter Bogenschützen und leichter Kavallerie. Die Annahme, dass es sich bei den nordischen Asen um die historischen Asen handelte, würde übrigens auch den Namen der Vanen erklären. Der Ausdruck "Van" taucht nämlich in einigen iranischen Sprachen (und auch in der nicht-iranischen armenischen Sprache, die sehr viele Iranismen beinhaltet) im Sinne von "befestigter Ort" auf. Die Vanen wären demnach ganz einfach die Stadtbewohner. Es gibt übrigens eine Reihe von Logikfehlern in der Edda, die sich ziemlich gut auflösen lassen, wenn man die Heimskringla als historische Erklärung des Hintergrunds gelten liesse.
Und:
Mal zu den Logikfehlern in der Edda: Die Edda beschreibt den Vanenkrieg, einen Krieg zwischen Asen und Vanen. So weit so gut. Am Ende dieses Krieges tauchen die Vanen bei den Asen als "2. Geige" auf. Die Mainstream-Philologie interpretiert dies als Sieg der kriegerischen Asen, die ihre besiegten, nicht so kriegstüchtigen Gegner in ihren Stamm aufnahmen. Diese These hat aber einen Logikfehler: Die Edda schreibt NIRGENDS von einem Sieg der Asen im Vanenkrieg! Nirgends! Stattdessen schreibt schon das erste Lied der Edda (die Völuspa) von einer vernichtenden Niederlage der Asen. Ausgelöst durch die Kriegskunst der ganz und gar nicht untüchtigen Vanen! Zitat: "Gebrochen war der Burgwall der Asen. Schlachtkundige Vanen stampften das Feld." (Völuspa, Vers 24). Die beiden Eddas alleine vermögen die folgende Situation nicht aufzulösen: Warum sind die Wanen, die sogar die Stammburg der Asen niederbrennen zwar die völlig unbestreitbaren Sieger im Vanenkrieg, spielen aber dennoch später die zweite Geige? Der Mainstream argumentiert hier mit einer irgendwie vorkommenden Niederlage der Vanen, die man nur vergessen hätte, in einer der Eddas niederzuschreiben. Und die auch Snorri Sturluson irgendwie vergessen hätte zu erwähnen. Die Eddas schreiben ja nur von einem überwältigenden Sieg der Vanen. Nun, Snorri Sturluson hat nichts vergessen. Er schrieb außer der Prosa-Edda noch die Heimskringla, ein von den Germanisten eher stiefmütterlich betrachtetes Werk. Die Heimskringla, die in geografischer Hinsicht Vanaheim ausdrücklich am Nordufer des schwarzen Meeres (Raum Don/Asowsches Meer) verortet, beschreibt nicht nur einen klaren Punktsieg der Vanen im Vanenkrieg. Sie beschreibt auch, dass Asen und Vanen letztlich einen Friedensvertrag aushandelten, der die gegenseitige Überstellung von Geiseln beinhaltete. Dabei kamen von den Stadtbewohnern drei Personen als Geiseln zu den Vanen, nämlich Njörd und seine beiden Kinder Freyr und Freya. Ob es sich um Eigennamen der Betroffenen handelt, um germanische Analogien oder vielleicht um iranische Spitznamen, wäre separat zu klären. Auch die Asen sandten nach der Heimskringla zwei kluge Männer als Geiseln zu den Vanen: Nämlich Hönir und Mimir. Wobei Mimir tatsächlich klug, Hönir aber ein Vollidiot war. Sobald die Wanen bemerkten, dass sie nicht zwei weise Männer, sondern einen Weisen und einen Vollidioten bekommen hatten, köpften sie Mimir und schickten Odin dessen abgetrenntes Haupt, das er offenbar mumifizieren oder sonstwie konservieren liess. Diese Variante der Heimskringla ist jedenfalls in sich stimmig. Ganz im Gegensatz zur Auffassung, dass die Edda lediglich vergessen hätte, den glänzenden Sieg der Asen im ersten Götterkrieg zu berichten. Die Heimskringla berichtet auch, dass Odin daraufhin beschlossen hatte, dass seine Nachkommen im Norden herrschen sollte und er unterwarf Sachsen und Schweden, starb in seinem Bett in der Nähe des heutigen Stockholm und liess sich vor seinem Tod nochmals mit einer Lanze verletzen, um einen Kriegertod nachzufühlen. Politisch beerbt wurde Odin von dem Vanen Njörd unter dem der Handel aufblühte und dann von Njörds Tochter Freya. Da der Heimskringla zufolge der skandinawische Adel von Odin und seinem Gefolge abstammt, kann hier sehr wohl von einer iranischen Elite innerhalb eines germanischen Substrats gesprochen werden. Ob diese Elite sich auch genetisch bemerkbar machen muss, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Heimskringla überliefert nicht, aus welchen Ethnien die Krieger Odins stammten. Ich persönlich vermute, dass er überwiegend iranische Völker aus heute slawischsprachigen Gegenden rekrutierte, man also nach ukrainischer, polnischer oder weißrussischer DNA suchen müsste. Nicht unwahrscheinlich ist aber auch, dass er womöglich im Rahmen innergermanischer Konflikte auch größere Mengen germanischer Fußtruppen hatte. Ähnlich wie die Germanen der Völkerwanderung in großem Stil iranische Söldner unter den Alanen anwarben.
Und:
Eine weitere unlogische Sache in der Edda: Die Edda erwähnt Odins Frau Frigga und Odins Brüder Wili und We. Alle drei spielen aber sehr untergeordnete Rollen, Wili und We sind sogar reine Statisten mit nur einmaliger Erwähnung. Auch hier führt die Heimskringla eine überzeugende Erklärung an: Odin, Wili und We waren tatsächlich drei Brüder. Odin ging auf einen Kriegszug, wurde für Tod gehalten und nach vermutbarem Brauch stieg seine Frau Frigga dann offenbar mit seinen Brüdern Wili und We ins Bett (warum ausgerechnet mit allen beiden, bleibe dem Kopfkino des Lesers überlassen). Jedenfalls: Totgeglaubte leben länger. So auch Odin, der doch noch unter den Lebenden weilte. Man braucht nicht viel Empathie für die Vermutung, dass bei Odins daraufhin der Haussegen etwas schief hing. Spätestens nachdem Odin vergeblich Tanais/Vanaheim belagerte und sein Betrug beim Austausch der Geiseln bemerkt wurde, war es Zeit, den Brüdern Lebewohl zu sagen. Und weit weg zu gehen. Zum Beispiel in den Norden, nach Sachsen und Schweden. Seine Brüder kamen offenbar nicht mit. Und ob Frigga danach noch die glücklichste Ehefrau Europas war, mag man auch mal bezweifeln.
Auf private Nachfrage schrieb mir Walter Schüle dazu noch:
Meine Überlegung geht fast ausschliesslich aus dem Studium der Primärliteratur zurück. Anstöße aus Sekundärliteratur nahm ich natürlich auf, allerdings ist mir kein Buch untergekommen, das den von mir favorisierten Ansatz verfolgt. Es ist daher zumindest mal ein von mir entwickelter Ansatz. Was nicht ausschliesst, dass jemand anders mal den gleichen Gedanken hatte.

_________

*) Interessanterweise hat zu diesem Thema auch der oberste Priester der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland André Sikojev (geb. 1961) (Wiki) Quellentext auf Deutsch herausgebracht.

_________
  1. A Dynamic 6,000-Year Genetic History of Eurasia’s Eastern Steppe. Choongwon Jeong, Ke Wang, Shevan Wilkin, Myagmar Erdene, Jessica Hendy, Christina Warinner. Cell, Open Access, Published:November 05, 2020, DOI:https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.10.015, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(20)31321-0.
  2. How the horse powered human prehistory, Andrew Curry Science  06 Nov 2020: Vol. 370, Issue 6517, pp. 646-647, DOI: 10.1126/science.370.6517.646 https://science.sciencemag.org/content/370/6517/646
  3. Ancestry and demography and descendants of Iron Age nomads of the Eurasian Steppe. Martina Unterländer, Friso Palstra, Iosif Lazaridis, Aleksandr Pilipenko, Zuzana Hofmanová, Melanie Groß, Christian Sell, Jens Blöcher, Karola Kirsanow, Nadin Rohland, Benjamin Rieger, Elke Kaiser, Wolfram Schier, Dimitri Pozdniakov, Aleksandr Khokhlov, Myriam Georges, Sandra Wilde, Adam Powell, Evelyne Heyer, Mathias Currat, David Reich, Zainolla Samashev, Hermann Parzinger, Vyacheslav I. Molodin & Joachim Burger. Nature Communications volume 8, Article number: 14615 (2017), Published: 03 March 2017, https://www.nature.com/articles/ncomms14615
  4. Bading, Ingo: Die Indogermanen, ihre Nachbarvölker, ihre Ausbreitungsgebiete ,06/2018, https://studgendeutsch.blogspot.com/2018/06/die-indogermanen-ihre-nachbarvolker.html
  5. Bading, Ingo: Ihr Völker Asiens, ihr Völker Europas, 1. Mai 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/05/ihr-volker-asiens-ihr-volker-europas.html
  6. Bading, Ingo: Die Marghiana - Eine Hochkultur im Westen der Seidenstraße, 11/2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/11/eine-hochkultur-im-westen-der.html 
  7. Georges Dumézil: Loki. Darmstadt 1959 
  8. Kinder der Sonne. Die Narten - das große Epos des Kaukasus. Hrsg. von André Sikojev, Hugendubel, Kreuzlingen 2007
  9. Bading, Ingo: Die Ethnogenese des chinesischen Volkes - Sie erfolgte offenbar (bis in historische Zeit hinein) autochthon, ohne größere Zuwanderung von auswärts, 27. März 2020, https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/03/die-ethnogenese-des-chinesischen-volkes.html
  10. Bading, Ingo: "Söhne der Sonne" - Die Indogermanen Asiens, 1. Juli 2018 (mit aktuellem Nachtrag vom 8.11.2020), https://studgendeutsch.blogspot.com/2018/07/sohne-der-sonne-die-indogermanen-asiens.html.
  11. manasataramgini:  The ethnogenesis of the Mongols, 6.11.2020, https://twitter.com/blog_supplement/status/1324593436822044673
  12. Damgaard et. al. 2018 (Eske Willerslev): 137 ancient human genomes from across the Eurasian steppes. Nature Magazine, 9. Mai 2018

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen