Freitag, 13. November 2020

Die Altai-Skythen - Und ihre Vorgänger-Kulturen

Zunächst einiges zur Pasyryk-Kultur (500 v. Ztr.)

Ein langhaariger, blonder, bärtiger Mann reitet auf prächtig geschmücktem Hengst, einem Schimmel dahin. Er reitet in der Reihe vieler anderer blonder, langhaariger bärtiger Männer, die ebenfalls auf Hengst-Schimmeln reiten.

Abb. 1: Pasyryk-Teppich - Blonder Reiter, hinter seinem Pferd gehend mit bunten Hosen

Es sind Männer des stolzen Volkes der Altai-Skythen. Dieses Volk lebt - wie der Name schon sagt - im Altai-Gebirge, 500 v. Ztr.. Als der König dieses Volkes stirbt, wird ihm ein Teppich mit ins Grab gegeben, der älteste, erhaltene Teppich der Welt, ein typischer "Orientteppich". Er wurde 1947 entdeckt. Auf ihm ist dieser blonde, bärtiger Reiter dargestellt mit 27 weiteren Angehörigen - vermutlich - sozusagen der "Königsgarde" (Wiki).

Und auf einem inneren Fries auf diesem Teppich traben dann in entgegengesetzter Richtung Tiere jener Art, die einen zweiten Reichtum dieses Volkes darstellten: Vierundzwanzig Elche, ihr Jagdwild, mit rötlichem Fell dargestellt (Abb. 3, 4). Auf dem Teppich sind sogar recht genau die inneren Organe der Elche dargestellt. Diesen waren den Altai-Skythen offenbar wichtig (Abb. 4). So wie es ihnen offenbar auch wichtig war, zur Darstellung zu bringen, daß es sich bei den Pferden um Hengste und um Schimmel handelte. Noch die Wikinger auf Island ließen sich - tausendfünfhundert Jahre später - regelmäßig zusammen mit Hengsten begraben.

Abb. 2: Pasyryk-Teppich - Blonder Reiter mit schwarzer langer Hose und Umhang

Die Skythen reiten noch weder auf Sätteln, noch mit Steigbügeln. Das sind erst Erfindungen der Chinesen aus einer späteren Zeitepoche. Aber sie sitzen auf farbenprächtigen "Satteldecken", solchen mit vorwiegend rotem oder auf solchen mit vorwiegend gelbem Muster. Sie tragen außerdem lange Hosen. Der Pasyryk-Teppich wurde in einem Fürstengrabhügel im Pasyryk-Hochtal im Altai-Gebirge gefunden, zusammen mit dem mumifizierten, bestatteten Fürsten selbst und mit geopferten Pferden. Der Teppich zeigt auf, daß es schon damals eine uralte Teppich-Knüpftradition gab (Wiki):

An ihm erkennt man bereits alle Merkmale des Orientteppichs.

Abb. 3: Der Pasyryk-Teppich (Ausschnitt)

Aber natürlich gab es auch in anderen Kulturen - nicht nur in Nomaden-Kulturen - Teppiche (Wiki):

Griechische Quellen beschrieben häufiger die „weichen Teppiche“ der Babylonier und Perser.

Und (Wiki):

Man geht weiterhin davon aus, daß es eine Entwicklungszeit von mehreren hundert Jahren gegeben haben muß, um den hohen Standard des Pasyryk-Teppichs zu erreichen, was bedeuten würde, daß die Teppichknüpfkunst möglicherweise bis tief in die Bronzezeit zurückreicht.

Und (Wiki):

Nach Milhofer weist der Teppich in Stil, Format, Materialwahl, Technik sowie Struktur eine hohe Übereinstimmung mit neuzeitlichen Knüpfarbeiten der trans-kaspischen Turkmenen auf.

Solche und viele andere Hinterelassenschaften, die - zum Beispiel - in der Eremitage in Sankt Petersburg zu besichtigen sind (1), machen deutlich, daß es sich bei diesen "Nomaden-Völkern" um sehr stolze, wohlhabende Fürstentümer und Königreiche gehandelt hat (s.a.: 2).

Abb. 4: Elch vom Pasyryk-Teppich

Aus dieser Perspektive darf man gerne vermuten, daß dies schon für das Urvolk der Indogermanen, für die hier auf dem Blog schon mehrmals behandelte Chwalynsk-Kultur gegolten haben kann. Denn deren Grabfunde - Kurgane -  sind schon genauso eindrucksvoll wie später noch die Grabhügel der Könige, Fürsten und Hochadligen der Skythen (2).

Auf seiner äußersten Borte zeigt der Teppich also 28 langhaarige, blonde Männer, die im bunten Wechsel reiten oder ihr Pferd gehend führen in einer Prozession. Es handelt sich bei ihnen um solche typischen Skythen wie man sie auch in vielen Eigendarstellungen skythischer Kunst viel weiter im Westen gefunden hat in prächtigen Gegenständen aus Gold. Hier auf dem Teppich tragen die Männer lange Hosen, zum Teil sehr bunte. Der Skythe auf Abbildung 1 geht ja neben und hinter seinem Pferd. Er trägt eine bunt gepunktete Hose (Abb. 1).

Neue archäogenetische Erkenntnisse intensivieren Interesse

Im letzten  Beitrag war von der genetischen Zusammensetzung der skythischen Völker im Altai-Gebirge und in der heutigen Mongolei die Rede (3). All diese neuen Erkenntnisse lassen noch einmal verstärkt danach fragen, was über dieses Volk der Skythen eigentlich bekannt ist, selbst wenn man schon vor 25 Jahren die eindrucksvolle Ausstellung "Das Gold der Skythen" im Schloß Gottorf in Schleswig-Holstein besucht haben sollte (4). In der Eremitage in St. Petersburg sind heute viele der wertvollsten Hinterlassenschaften der Skythen ausgestellt, darunter auch dieser berühmte Pasyryk-Teppich (Wiki) (1). Es fand sich auch eine Harfe. Vieles erinnert an die Fürstengräber der zeitgleichen Kelten in Süddeutschland oder an die Fürstengräber der Alemannen des Frühmittelalters.

All diese Grabfunde stammen also - weltgeschichtlich gesehen - aus Zeiten, "kurz bevor" die Nachfahren dieser Menschen zum Christentum oder Islam übergetreten sind. Auch aus dieser Sicht wird noch einmal deutlich, was sich alles verändert hat mit der Ausbreitung der monotheistischen Religionen weltweit.

Abb. 5: Darstellung einer Siedlung der Tagar-Kultur im Felsbild (Wiki) //Aus: M. G. Moshkova (ed.), Stepnaya polosa Aziatskoy chasti SSSR v skifo-sarmatskoye vremya. Moskva 1992, p. 438 (Wiki)//

1993 wurde ein weiterer erhaltener Kurgan geöffnet. Unter ihm war eine 20-jährige Adlige des Volkes der Altai-Skythen (Pasyryk-Kultur) begraben, sie wird gelegentlich "Sibirische Eisprinzessin" (Wiki) genannt (5, 6). Wie fast alle Skythen war sie reich tätowiert. Sie ist vermutlich schon mit 20 Jahren an Brustkrebs gestorben. Um die Schmerzen vor ihrem Tod zu lindern, nahm sie Cannabis (Sensi Seeds 2020):

Ihre Kleider waren von hervorragender Qualität - eine Tunika aus gelber Wildseide, ein gestreifter Rock aus Wolle und lange, reich dekorierte Pelzstiefel. Man geht davon aus, daß Seide für die Pasyryk-Menschen aus jener Zeit seltener und vielleicht sogar wertvoller als Gold war, da man sie normalerweise nur in „königlichen“ Pasyryk-Gräbern finden kann. 
Sie lag in einem Baumsarg aus Lerchenholz. Diese Altai-Skythen waren Nachkommen der zweiten indogermanischen Ausbreitung im Zusammenhang mit der Andronowo-Kultur. Aber die Archäologie weiß noch über viele andere Kulturen im Umfeld des Altai- und des Tianshan-Gebirges zu berichten. Insbesondere ist zu beachten, daß sich mit den Skythen eine neue, eher nomadische Lebensweise ausbildete, während zuvor in diesen Regionen eher seßhafte Rinderzüchter gelebt hatten (Wiki):
Die kulturelle Kontinuität am Ob hielt im ersten Jahrtausend v. Chr., als in Sibirien die Eisenzeit anbrach, weiter an; es findet sich dort immer noch die heimische Keramik. Ein umso größerer Umbruch machte sich nun im zentralasiatischen Steppengürtel bemerkbar: Die seßhaften, vorwiegend viehzüchtenden Gesellschaften der späten Bronzezeit wurden abgelöst durch mobile Reiternomadenverbände, die bis in die Neuzeit Bestand haben sollten. Die Mobilität, die die neue Gesellschaftsform ermöglichte, entfesselte eine ungeheure Dynamik, mit der sich die Völker Mittelasiens fortan in der Steppe bewegen konnten. Davon waren nicht zuletzt auch die benachbarten Hochkulturen betroffen. Das alte China wurde von den Xiongnu und ihren Nachfolgern bedroht, die antiken Staaten des heutigen Iran hatten sich gegen die Massageten und Saken, und das Römische Reich, dessen Westteil wenig später unterging, schließlich gegen die Hunnen zu verteidigen. Die gesellschaftlichen Veränderungen schlugen sich auch im Fundgut deutlich nieder: Es finden sich keine Siedlungen mehr, Angehörige der neu gebildeten Oberschicht wurden in riesigen Kurganen reich ausgestattet begraben, und völlig neue Formen der Kunst bildeten sich heraus.

Es macht also womöglich wenig Sinn, sich die indogermanischen Völker vor der Eisenzeit vornehmlich als Völker vorzustellen, die wie die Skythen gelebt haben. Im folgenden noch einige Eindrücke von dem aktuellen Forschungsstand zum Spätneolithikum und zur Bronzezeit Mittelasiens (10-16).

4.000 v. Ztr. - Europäische Kulturen breiten sich bis zum Altai-Gebirge und zur Seidenstraße aus

Die spätneolithischen bis vormittelalterlichen Ausbreitungsbewegungen europäischer Völker und Kulturen bis an den Nord- und Westrand Chinas werden immer genauer nachvollziehbar (10-12). Wir stoßen auf eine Grafik, die gerade die früheste dieser Ausbreitungsbewegungen sehr gut zusammen zu faßt, nach derzeitigem Forschungsstand (Abb. 6) (10).

Abb. 6: Kulturen zwischen Pamir und Altai ab 4.000 v. Ztr. - Die iranisch-neolithische Oxus-Zivilisation (BMAC) und die indogermanische Afanassiewo-Kultur (aus: 10)

Dargestellt ist auf dieser, wie die iranisch-neolithische Marghiana-Kultur (hier benannt als "Oxus-Zivilisation") (Wiki)*). 

Die Marghiana-Kultur hat sich vom östlichen Iran aus über das heutige Tadschikistan hinweg am Nordhang des Tianshan-Gebirges entlang bis in den Süden des Altai-Gebirges ausgebreitet. In ihren östlichen Teilen, insbesondere im Altai-Gebirge wird diese Kultur von den Archäologen "Chemurchek-Kultur" benannt. Ihre anthropomorphen Stelen gleichen sehr zeitgleichen anthropomorphen Stelen in Europa und Arabien (Abb. 7) (13). Diese Kultur ist gerade erst neu von den Archäogenetikern eingeordnet worden - wie wir im letzten Beitrag berichteten (3). Die Archäologen benennen als einen Ausgangsort dieser Kultur (12, S. 6) ...

... den Fundort Sarazm in Tadschikistan am Zarafshan-Fluß, flankiert von Bergen und unterhalb der Oase von Samarkand. In der Keramik findet man Einflüsse aus der südlichen zentralasiatischen Oasenkultur von Namazga II. In Sarazm finden sich Belege für Weizenanbau 3.905-3.645 v. Ztr..
... the site of Sarazm in Tajikistan, on the Zarafshan river, flanked by mountains and upstream from the oasis of Samarkand. (...) The ceramic forms (...) reflect influences from the south Central Asian oasis culture of Namazga II. Sarazm has evidence for wheat cultivation (T. aestivum/ durum) from the mid-4th millennium BCE (3905-3645 cal. BCE) (Isakov, 1996; Isakov et al., 1987; Spengler & Willcox, 2013).

Diese Hochkultur hat sich also von der Region Samarkand bis hin zum Altai-Gebirge ausgebreitet.

Abb. 7: Die anthropomorphen Stelen der Chermurchek-Kultur, die sowohl Männer wie Frauen darstellen (aus: 12) - Sie ähneln stark zeitgleichen aus ganz Europa (13)

Grob tausend Jahre später erfolgte dann die Ausbreitungsbewegung der ersten Welle der Indogermanen, der indogermanischen Afanassiewo-Kultur, ebenfalls bis zum Altai-Gebirge. 

Aus Sicht der Archäologie Xianjiang's wird referiert (12, S. 5):

Im Nordwesten hatte sich die Afanassiewo-Kultur ausgebreitet, deren Zentrum westlich des Altai und im Minusinsk-Tales lag. Sie repräsentiert den frühesten Beleg für spätneolithisch/bronzezeitliche Herdenhaltung in der östlichen Steppe und ist jüngst auf 3.300 bis 2.500 v. Ztr. datiert worden. Die wirtschaftliche Grundlage der Afanassiewo-Kultur beruhte zu bis zu 50 % auf der Jagd, außerdem auf der Haltung einer Mischung von domestizierten Herdentieren, wobei Schafe und Ziegen mit Rindern kombiniert wurden. Weizenkörner, die auf 3.000 v. Ztr. datiert werden, sind jüngst in Verbindung mit Afanassiewo-Keramik an dem Fundort Tongtiandong im westlichen Xinjiang am Südufer des Irtysch-Flusses gefunden worden.
Original: To the northwest was the Afanasievo, centred on the western Altai and Minusinsk basin. It represents the earliest evidence for Éneolithic/ Bronze Age herding in the eastern steppe region (Frachetti, 2008, 2012) and has been recently dated to 3300-2500 cal. BCE (Svyatko et al., 2009). The Afanasievo economy included up to 50% reliance on hunting, together with a mix of domestic herds combining sheep/goat and cattle. Wheat grains dating from c. 3000 BCE associated with Afanasievo pottery have recently been found at the site of Tongtiandong in western Xinjiang on the south bank of the Irtysh river (Yu & He, 2017).

Neben Jagd und Herdenhaltung ist von Seiten der Afanassiewo-Kultur also auch Ackerbau getrieben worden. Der Irtysch (Wiki) ist ein Fluß, der im Altai entspringt. Er fließt durch die weiten Steppen Kasachstans und erreicht über sie östlich des Urals das Westsibirische Tiefland. Er fließt insbesondere durch die Stadt Omsk und mündet schließlich in den Ob (Wiki), mit dem zusammen er den Arktischen Ozean erreicht. Der Irtytsch spielt auch für die Geschichte des ugrischen Volkes der Chanten, die eng mit dem nordsibirischen Volk der Nganasanen verwandt sind, eine große Rolle (siehe Blogbeiträge von Anfang 2022).

Die Xiaohe-Kultur (Wiki, engl) am Tarim-Fluß mit ihren zumeist als "europäisch" identifizierten Wüstenmumien scheint archäogenetisch noch nicht so gut erforscht zu sein (?). Aber sie scheint doch im Wesentlichen indogermanischer Steppen-Herkunft zu sein (2):

Die Genetik platziert die Herkunft der Xiaohe-Populationen vornehmlich in die eurasische Steppe und jenseits derselben.
The human DNA places the ancestry of the Xiaohe population predominantly in the Eurasian steppe and beyond.

Die Archäologen schreiben hinsichtlich der genetischen Herkunft ansonsten noch sehr vage (12):

Die Chermurchek- und Xiaohe-Kulturen entstanden aus Populationen des Altai und der Mongolei, sowie aus eurasischen Populationen heraus, während sich eine dritte frühe Gruppe, die Tianshanbeilu-Kultur am östlichen Ende des Tianshan von Oasen-Bauern in Gansu und dem Hexi-Korridor herleitet. Im frühen 2. Jahrtausend v. Ztr. breiteten sich neue eurasische, bäuerliche Herdenhalter vom Westen her aus, die dieselben Landstriche besiedelten wie die Chemurchek-Kultur. Sie breiteten sich entlang der westlichen Hügel und Berge von Xianjiang aus, entlang des Tianshan Richtung Osten und nach Süden in den Pamir bis an das westliche Ende der tibetischen Hochebene. Diese Gruppe wies im Großen und Ganzen eine Ähnlichkeit auf mit dem Andronowo-Kultur, die sich weit über Eurasien in der späteren Bronzezeit ausbreitete, am meisten mit der östlichen Federowo-Variante.
Qiemu’erqieke and Xiaohe/Gumugou emerged out of Altaic/Mongolian and east Eurasian populations [11–13], while a third early group, the Tianshanbeilu culture, appearing in the oasis of Hami at the eastern end of the Tianshan, had its ancestry to the east in early oasis farming populations in Gansu and the Hexi Corridor. [10, 14]. By the early 2nd millennium BCE, new Eurasian agro-pastoralists moved in from the west, occupying some of the same lands as the southerly expansion of Qiemu’erqieke peoples. They spread into the western hills and mountains of Xinjiang, along the Tianshan towards the east, and south into the Pamirs, close to the western end of the Tibetan Plateau. This group shared broad affinity with the loosely defined Andronovo complex that appeared widely across Eurasia in the later Bronze Age [15–17], more specifically the eastern Federovo variant [18].

Die Xiaohe-Kultur könnte älter und zeitglich mit der hier genannten Andronowo-Kultur bestanden haben. In den Oasenstädten der Seidenstraße ist in späteren Jahrtausenden auch Tocharisch, eine westindogermanische Sprache gesprochen worden. Von dieser Sprache könnte man auch annehmen, daß sie erst mit der zweiten Welle der indogermanischen Ausbreitung nach Innerasien gelangt ist.

Abb. 7: Die bronzezeitliche Chemurchek-Kultur südlich des Altai-Gebirges (2.500-1.700 v. Ztr.), die Xiaohe-Kultur am Tarim-Fluß (2.200-1.500 v. Ztr.) (aus: 3)

Von der Xiaohe-Kultur wird von Seiten der Archäologen gesagt, daß sie weitgehend akeramisch gewesen sei und von dem Anbau von Weizen und Gerste, sowie von Rinderhaltung lebte (12, S. 4f). Daß die Xiaohe-Kultur von anderen Kulturen abgeleitet werden könnte, etwa von der Chermurchek-Kultur wird von den Archäologen aufgrund des sehr unterschiedlichen kulturellen Inventar-Vergleichs verneint. 

Damit sollte nur ausschnitthaft einiges zum archäologischen Forschungsstand jener Völker und Kulturen gesagt werden, deren Archäogenetik Thema des letzten Beitrages war (3). Wichtig ist es auch, sich klar zu machen, daß auch schon die Andronowo-Kultur Stadtkultur östlich des Ural ausgebreitet hat, aufgezeigt unter anderem durch die Spiralstadt Arkaim im Osten des Ural (Wiki). Stadtartige Siedlungen der Skythen sind inzwischen ebenfalls bekannt.

"Low-investment Agropastoralists"

[Ergänzung, 17.5.21] In einer neuen Studie wird darauf abgehoben, daß die skythischen Völker der Andronowo-Kultur keineswegs Nomaden im klassischen Sinne waren, sondern "low-investment agropastoralits" waren, also Herdenhalter und Ackerbauern, die nicht zu viel Mühe in den Anbau von Getreide gesteckt haben, die aber dennoch viele Züge von Seßhaftigkeit aufgewiesen haben. Die Archäologen sprechen von (17) ...

... der weiten Verbreitung von architektonischen Strukturen (Höfe und Dörfer), die auf Seßhaftigkeit hinweisen, ebenso unzählige Mahlsteine ...., Vorratsgruben, Bewässerungskanäle, .... Wir können inzwischen ein viel detaillierteres und komplexeres Bild gewinnen von dem Leben im östlichen Zentralasien während dem zweiten und ersten Jahrtausend v. Ztr..
the widespread presence of sedentary architectural structures (farmsteads and villages) and abundant grinding stones, in addition to farming implements, storage pits, irrigation canals, twills made with nonportable up-right looms, and bulky nonportable bronze and ceramic cooking cauldrons. In linking these archaeological data to recently accrued information emerging from the application of archaeological scientific methods, including isotope evidence, phytolith and macrobotanical data attesting to farming and grain processing practices, and seasonality estimates from zooarchaeological and macrobotanical studies, we can piece together a much more detailed and complex image of life in eastern Central Asia during the second and first millennia BC.

Wir hätten es also mit Seßhaftigkeit zu tun, die aber gerne auch wieder aufgegeben werden konnte, um andere Gegenden zu besiedeln. Eine solche Situation finden wir ja auch noch vor bei den keltischen und germanischen Stämmen zur Zeit von Cäsar.

Das Pazyryk-Pferd - Es wurde von den Chinesen weiter gezüchtet

[Ergänzung 25.1.22] Chinesische Genetiker haben die Größen-Zunahme der chinesischen domestizierten Pferde untersucht. Sie finden eine Stelle im Genom, an der diese verschaltet ist (18):

Das G-Allel findet sich am frühesten in Berel' Pazyrk-Pferden, etwa 300 v. Ztr. in der Altai-Region und nahm an Häufigkeit stetig zu bis zu der heutigen Häufigkeit. Das legt ein Szenario nahe, nach dem die Züchter zu Beginn des chinesischen Reiches während der Qin-Dynastie begannen, auf größere Pferde hin zu züchten.
The G allele was first detected among Berel’ Pazyryk horses some ∼2,300 YBP in the Altay region and steadily increased to present-day frequencies thereafter. This supported a scenario in which past breeders started to select horses of larger sizes concurrently with the beginning of the Chinese Empire during the Qin dynasty.

In welchen Zusammenhängen es zur Verbreitung von domestierten Pferden an den Nordwestgrenzen Chinas kam und in welchen Zusammenhängen die domestizierten Pferde dann Verbreitung in China gefunden haben, wäre noch einmal gesondert aufzuarbeiten.

Die berühmten Pferde des Ferghana-Tales haben dabei eine Rolle gespielt, vielleicht auch das Volk der Sogder, dessen Hauptstadt Samarkand war, und in dessen Besitz sich diese Pferde befunden haben.

Die geschichtliche Überlieferung zu Pferden ist in der chinesischen Geschichte jedenfalls sehr reich. Sie bietet viele Erkenntnismöglichkeiten allgemeinerer Art. In diese wären dann auch die Pferde der Altai-Skythen (Wiki) einzuordnen und das Weiterzüchten derselben in China. 

Außerdem werden die Hunnen, Awaren und Ungarn, die aus diesen Gebieten 600 Jahre später gen Westen aufgebrochen sind, ebenfalls ihre Pferde mit nach Europa gebracht haben. 

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*) Andere Namen dieser erst spät ins Blickfeld der westlichen Forschung geratenen Hochkultur: "Oasen-Kultur" oder auch "Baktria-Marghiana-Archäologischer-Komplex" = BMAC

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  1. Pazyryk. Tour in English. Eremitage - The State Hermitage Museum, Sankt Petersburg, 10.04.2020, https://youtu.be/rAvoeqxfEHI.  
  2. Barry Cunliffe: The Scythians: Nomad Warriors of the Steppe. Talks at Google, 03.12.2019, https://youtu.be/XFsd_LyYZdo.
  3. Bading, Ingo: Turkvölker, Indogermanen, Sarmaten und Hunnen, November 2020, https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/11/turkvolker-indogermanen-sarmaten-und.html
  4. Berthild Gossel-Raeck; Ralf Busch (Hrsg.): Gold der Skythen. Schätze aus der Staatlichen Eremitage St. Petersburg. Wachholtz, Münster 1993, ISBN 3529018457. (Katalog zur Ausstellung) 
  5. The Ice Maiden's Treasure - Ascent of Woman, 29.05.2017, https://youtu.be/UCmeU2-zBGo.
  6. NOVA: Ice Mummies: Siberian Ice Maiden (1998-TV), 11.02.2020, https://youtu.be/ZUtgQ6dQUF0.
  7. Hermann Parzinger: Das Gold der Skythen - Über ein sagenhaftes Reitervolk in der Antike (dctp.tv), 10.08.2020, https://youtu.be/o-vI_Jzf1_Y.
  8. Schliemanns Erben 05 Der Fluch der Skythen, 07.04.2013, https://youtu.be/WFLlAF2u5CQ. [Ein Kamerateam begleitet die Grabungen von Hermann Parzinger]
  9. Grandits, Victor: Die Amazonen - Auf der Spur antiker Kämpferinnen DOKU HD 11.01.2017, https://youtu.be/TIyMbzAmy24.
  10. Daniel Yang: Wann wurden Weizen und Hochlandgerste in China eingeführt? Quelle: China Tibet Online, 17.03.2020, http://german.tibet.cn/de/culture/news/202003/t20200317_6754986.html
  11. Jia P, Caspari G, Betts A, Mohamadi B, Balz T, Cong D, et al. (2020) Seasonal movements of Bronze Age transhumant pastoralists in western Xinjiang. PLoS ONE 15(11): e0240739. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0240739, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0240739
  12. A new hypothesis for early Bronze Age cultural diversity in Xinjiang, China. A. Bettsa, P. Jiaa, I. Abuduresule. Archaeological Research in Asia, 2019
  13. Bading, Ingo: Die ältesten Eigendarstellungen seßhafter, europäischer Völker (ab 4200 v. Ztr.) , Dezember 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/12/die-altesten-eigendarstellungen-der.html
  14. Prestel, Peter; Graichen, Gisela: Das Gold von Tuva. Schliemanns Erben - Spezial 1. ZDF 2002, https://youtu.be/1sOHDO_a5aI. [Grabungen Hermann Parzingers]
  15. Prestel, Peter; Graichen, Gisela: Das Geheimnis der Eismumie. Schliemanns Erben - Spezial 2, ZDF 2006, https://youtu.be/aTcRuHE8J3c. [Grabungen Hermann Parzingers 2006]
  16. Prestel, Peter; Graichen, Gisela: Das Vermächtnis der Steppenkrieger. Schliemanns Erben 32, ZDF 2010, https://youtu.be/6PcDHUSc_2w. [Archäologe Rüdiger Krause, Spiralstadt Arkaim im Ural (Wiki), Andronowo-Kultur, 2.000 v. Ztr., Sarmaten 200 v. Ztr.]
  17. Spengler III, R. N., Miller, A. V., Schmaus, T., Matuzevičiūtė, G. M., Miller, B. K., Wilkin, S., ... & Boivin, N. (2021). Agropastoralism Served as the Best Choice of Human Subsistence in Ancient Arid Central Asia. Current Anthropology, 62(3), Juni 2021, https://www.journals.uchicago.edu/doi/pdf/10.1086/714245
  18. Xuexue Liu, Yanli Zhang, Wujun Liu, Yefang Li, Jianfei Pan, Yabin Pu, Jianlin Han, Ludovic Orlando, Yuehui Ma, Lin Jiang, A single-nucleotide mutation within the TBX3 enhancer increased body size in Chinese horses, Current Biology, Volume 32, Issue 2, 2022, Pages 480-487.e6, https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.11.052. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982221016110)

1 Kommentar:

  1. Chinesische Genetiker haben die Größen-Zunahme der chinesischen domestizierten Pferde untersucht und finden eine Stelle im Genom, an der diese verschaltet ist (18):

    "Das G-Allel findet sich am frühesten in Berel' Pazyrk-Pferden, etwa 300 v. Ztr. in der Altai-Region und nahm an Häufigkeit stetig zu bis zu der heutigen Häufigkeit. Das legt ein Szenario nahe, nach dem die Züchter begannen, auf größere Pferde zu züchten zu Beginn des chinesischen Reiches während der Qin-Dynastie.
    The G allele was first detected among Berel’ Pazyryk horses some ∼2,300 YBP in the Altay region and steadily increased to present-day frequencies thereafter. This supported a scenario in which past breeders started to select horses of larger sizes concurrently with the beginning of the Chinese Empire during the Qin dynasty."

    In welchen Zusammenhängen es zur Verbreitung von domestierten Pferden an den Nordwestgrenzen Chinas kam und in welchen Zusammenhängen die domestizierten Pferde dann Verbreitung in China gefunden haben, wäre noch einmal gesondert aufzuarbeiten. Die berühmten Pferde Ferghana-Tales haben dabei eine Rolle gespielt, vielleicht auch das Volk der Sogder, dessen Hauptstadt Samarkand war, und in dessen Besitz sich diese Pferde befanden. Die geschichtliche Überlieferung zu Pferden ist jedenfalls in der chinesischen Geschichte reich und bietet sicherlich viele Erkenntnismöglichkeiten allgemeinerer Art. In diese wären dann auch die Pferde der Altai-Skythen (Wiki) einzuordnen und das weitere Züchten derselben in China. Außerdem werden die Hunnen, Awaren und Ungarn, die aus diesen Gebieten 600 Jahre später gen Westen aufgebrochen sind, ebenfalls ihre Pferde mit nach Europa gebracht haben.

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