Sonntag, 10. Juni 2007

"O Narretei, grausamer Traum, Wahnsinn und Raserei ..."

Die Eltern sind schuld an allem - und niemals war irgend eine deutsche Regierung an irgend etwas schuld

Zu den neuesten familienpolitischen Vorschlägen

Im "5. Familienbericht der Bundesrepublik Deutschland" des Jahres 1994 legten die angesehensten familienpolitischen Experten der Bundesrepublik (unter Federführung von Rosemarie von Schweitzer) exakt und klar da, daß praktisch alles in Deutschland bezahlt wird nur die häusliche "Familienarbeit" von Eltern nicht. Und der Familienbericht forderte, daß die Betreuung von Kindern und alten Menschen zu Hause genauso bezahlt werden müsse wie die Betreuung von jungen und alten Menschen in Kindergärten und Altersheimen.

Damals schrie die Republik auf, nicht weil man nicht meinte, daß eine solche Bezahlung den Eltern nicht grundsätzlich zustehen würde, sondern einfach weil das niemand für finanzierbar hielt. Demographie kam erst einige Jahre später in die Schlagzeilen. Deshalb wurden die Vorschläge des 5. Familienberichtes bis heute niemals wirklich ausdiskutiert. Denn: Als wäre schon damals Finanzierbarkeit in solchen für ein Staatswesen existentiellen Fragen wie der Bevölkerungsentwicklung auch nur irgend ein ausschlaggebendes Argument gewesen.

Schon der "Klassiker" der deutschen Bevölkerungswissenschaft, Gerhard Mackenroth und andere Sozialpolitiker hatten unter Konrad Adenauer - also vor ziemlich langer Zeit - nicht nur eine durchgreifende Rentenreform gefordert. Diese wurde damals durchgeführt, was entscheidend zur Wiederwahl Adenauers beitrug - was also ganz klar und eindeutig egoistische Ziele verfolgte. Sondern sie hatten vollständig parallel dazu eine Umverteilung der finanziellen Lasten der Kinderbetreuung von jenen, die weniger oder keine Kinder haben zu jenen, die mehr Kinder haben gefordert. (s. St. gen. 1, 2) Es gab und gibt also gar keinen Grund aufzuschreien. Das ist eine tiefgreifende Reform. Aber das, was notwendig ist, muß schlicht getan werden. Erst recht, wenn zu dieser Thematik verpflichtende und verbindliche Bundesverfassungsgerichts-Urteile vorliegen.

Aber die Ohnmacht, die der massive Widerstand gegen einen Reformwillen im Sinne von Gerhard Mackenroth und Rosemarie von Schweitzer in der Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen hat, führt derzeit von einer halb- und viertelherzigen Maßnahme zur nächsten viertel- und achtelherzigen Maßnahme. Ja, die Dinge drehen sich in dem Denken jener Menschen, die sich damit befassen, derzeit scheinbar vollständig auf den Kopf.

Da wird die ekelhafte Aussage getroffen, daß man nicht möchte, daß das an Eltern gezahlte Betreuungsgeld in Zigarettenautomaten oder in der Kneipe ausgegeben wird. (Zeit) Wenn es ums Geld geht, das nicht gezahlt werden soll, dann denkt man plötzlich an Kindesvernachlässigung in Deutschland, dann ist das plötzlich ein Argument. Aber: Was ist denn das für ein Elternbild? Was ist denn das für ein Elternbild? Was für eine schwerwiegende Beleidung stellt eine solche Art von Argumentieren für Millionen von Mütter und Väter in der Bundesrepublik Deutschland dar? Hier wollen Leute die gesamte Republik umkrempeln nur um die von Mackenroth geforderten Reformen nicht endlich durchführen zu müssen.

Jeder Mensch in unserer Gesellschaft wird für die Leistungen bezahlt, die er erbringt, und niemand fragt, wie er seinen Lohn ausgibt. Aber Millionen deutscher Eltern dürfen ihren Lohn nicht in Zigarettenautomaten und in der Kneipe ausgeben. Wobei auf das außergewöhnlich späte Tätigwerden deutscher Regierungen zu Themen wie Zigarettenwerbung und gesundheitsschädigenden, verqualmten Kneipen nur noch so ganz nebenbei hingewiesen werden soll. Auch auf das immer noch nicht Tätiggeworden-Sein in Fragen der Seelenverschmutzung von Kindern und Erwachsenen durch Videos, Internet, Zeitschriften und Fernsehen.

Nein, keine deutsche Bundesregierung war jemals an den Mißständen der heutigen Zeit schuld. Die Eltern - sie und sie allein sind an allem Schuld. Welch ein absurdes Auf-den-Kopf-Stellen allen sachlichen, vernünftigen familienpolitischen Denkens.

Da lesen wir in der "Zeit":

Das Betreuungsgeld soll nicht bar ausgezahlt werden, sondern in Form von Gutscheinen, die nur direkt in der Kita oder bei der Tagesmutter eingelöst werden können – nicht aber am Zigarettenautomaten oder in der Kneipe. »Ich möchte, dass das Geld direkt bei den Kindern ankommt«, sagt die CDU-Politikerin.

Das sind schwerwiegende Sätze, die hier ausgesprochen werden. Vielleicht ist sich Frau von der Leyen gar nicht bewußt, was sie hier über Eltern sagt. Man kann sich als Vater oder Mutter schwer beleidigt fühlen durch diese Worte von Frau von der Leyen. Ist sie sich dessen bewußt?

So bleibt sie ihrer Position treu, dass der Ausbau der Kinderbetreuung nur als Einheit zusammen mit einem Ausbau von frühkindlicher Förderung und Bildung gedacht werden kann.

Soll heißen: Alle Kinder sollen in die Krippe. Offenbar stellen Eltern eine Gefahr für ihre eigenen Kinder dar, wenn sie nicht arbeiten gehen:

Die Argumentation zielt besonders auf die benachteiligten Kinder aus sozial schwachen Familien und bildungsfernen Haushalten ab, deren Sprachkenntnisse häufig nur aus dem Fernsehen stammen. Die Ministerin will mit ihrem Vorstoß dem von der OECD kritisierten Missstand entgegenwirken, dass die Zukunftschancen der Kinder in Deutschland zu sehr von der sozialen Zugehörigkeit der Eltern abhängig sind.


Alle Mißstände in Deutschland, alle will man mit - - - Kinderkrippen lösen, mit Kinderkrippen. Und dabei werden pauschal Millionen deutscher Mütter und Väter - nein, nicht mehr nur benachteiligt, sie werden: schwer beleidigt.

Wie reagieren aber nun Menschen, die dagegen Widerstand leisten? Warum hört man von Linksparteien nichts? Fordern sie nicht auch einen gerechteren Familienlastenausgleich als bisher? Fordern das nicht alle Parteien schon seit Jahrzehnten? Alles innerhalb weniger Tage und Monate vergessen?

Der familienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), beharrt auf einem angeblich absolut wasserdicht verhandelten Koalitionskompromiss, wonach Eltern pro Kind künftig eine bar ausgezahlte Betreuungspauschale von 150 Euro monatlich bekommen sollen – die sie entweder in aushäusiger Kinderbetreuung anlegen oder für die eigene Haushaltskasse nutzen können, wenn ein Elternteil die Betreuung übernimmt. Die bayerische Sozialministerin Christa Stewens assistiert mit einer Boykottdrohung in Richtung Berlin, sollte die Koalition das Geld nicht bar auszahlen wollen.

Gut und schön. Aber warum wird das von der CSU nicht mit allen verfügbaren und klaren Argumenten unterstützt, die schon seit Jahrzehnten vorliegen? Warum hält man nur starr an Vereinbarungen fest? Warum diskutiert man die Dinge nicht aus? Warum redet man nicht über Gerhard Mackenroth? Warum nicht über Rosemarie von Schweitzer? Will man den großen Irrtum Adenauers und die Versäumnisse so vieler anderer CDU- (und SPD-)Regierungen nicht eingestehen, nicht anerkennen - immer noch verdecken? Sieht denn niemand etwas Absurdes an den gegenwärtigen Vorschlägen und Diskussionen? Aber schon Herr Stoiber hat ja Unwort des Jahres 2007 in den Mund genommen, das Unwort von der "frühkindlichen Bildung". Frau von der Leyen hat schon etwas abgewandelt, abgemildert, spricht von "frühkindlicher Förderung und Bildung". Das sagt aber doch nur wenig anderes aus.

Aber es wird immer noch absurder:

Die Gutscheinlösung baut auf der Annahme auf, dass mit etwas mehr Geld für die Familien die Kinderarmut kaum zu bekämpfen ist. Diese Position, die sich auch Ursula von der Leyen zu eigen gemacht hat, vertreten vor allem die beiden Experten am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Katharina Spieß und Gert Wagner. Die Politik könne nicht beeinflussen, wofür die Eltern ihr Geld ausgeben, sondern nur an den für Kinderarmut verantwortlichen Ursachen etwas ändern – an den zu niedrigen Einkommen oder an der Erwerbslosigkeit der Eltern. Deren Chancen auf Arbeit erhöhen sich, wenn die Kinder angemessen betreut sind.

Also wieder sind die Eltern schuld. Wieder. Immer nur die Eltern, die Eltern, die Eltern. Keine deutsche Regierung seit Adenauer. Nein: Die Eltern. Sie sollen gefälligst arbeiten gehen. Und ihre Kinder in die Krippe bringen.

Im Jahr 2001 gaben in einer Studie der DIW-Wissenschaftler in Westdeutschland 80 Prozent der Mütter mit Vorschulkindern an, dass der Grund für ihre Arbeitslosigkeit der Mangel an Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder sei. Ein Betreuungsgutschein würde diese Eltern animieren, die Kinder tatsächlich außer Haus betreuen zu lassen.

Handfeste Erziehungsabsichten - gegenüber Eltern. - - - Man möchte die Politiker dringend bitten, sich anzuschauen, was Gerhard Mackenroth und Rosemarie von Schweitzer und so viele andere Fachleute schon vor vielen Jahren und Jahrzehnten gesagt und gefordert haben. Und man möchte sie dann bitte, dringendst den Egoisten in unserer Gesellschaft auf die Füße zu treten - und sollten sie es selbst sein. Daß eine Umverteilung der Einkommen von den Kinderlosen zu denen, die Kinder haben, stattfinden muß, diese Forderung steht seit Jahrzehnten und es wird immer nur weitergewurstelt.

Kinder sind nicht an Eltern interessiert, die arbeiten gehen. Kinder sind an Eltern interessiert.

Es ist schon so viel Narretei aus dem "Zeit"-Artikel zitiert worden, daß ich verzichte, den Rest auch noch zu behandeln und zu zitieren. Denn es folgen noch weitere Narreteien.
Bin ich im Fieber? Ist das ein Spuk
Der nächtlichen Phantasei?
Äfft mich ein Traum? Es träumet mir
Grausame Narretei.

(...)

O Narretei, grausamer Traum,
Wahnsinn und Raserei!
Es gähnt die Nacht, es kreischt das Meer,
O Gott! o steh mir bei!

O steh mir bei, barmherziger Gott!
Barmherziger Gott Schaddey!
Da schollerts hinab ins Meer - O Weh -
Schaddey! Schaddey! Adonay! -

(Heinrich Heine)

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