Samstag, 2. Juni 2007

Ein dritter Weg zwischen Atheismus und Monotheismus?

Der neueste "Spiegel" macht ja ziemlich viel Wind um den "Kreuzzug der neuen Atheisten". (Studium generale 1, 2) Nun haben wir es endlich auch gelesen. Auch wenn man sonst weiter nichts von dem Autor Alexander Smoltczyk weiß, will einem scheinen, daß all das - wieder einmal - aus dem "intellektuellen Kernschatten von Jürgen Habermas" heraus geschrieben worden ist. (TAZ, 2004) Und solche Leute wollen - im Grunde merkwürdigerweise - nicht, daß Monotheismus zu heftig angegriffen wird, deshalb greifen sie Dawkins und Co. an, was soweit übersehbar bisher noch nie ein Atheist oder ein atheistisches Blatt in einer solchen Schärfe getan hat wie jetzt der "Spiegel". Ohne allzu viele Intim-Kenntnisse über die ideologischen Fronten im derzeitigen Journalismus zu haben, kann man sich vorstellen, daß auch ein Thomas Assheuer von der "Zeit" einen Artikel mit solcher Tonlage hingekriegt hätte. - Man will also - und zum Teil ziemlich heftig - Emotionen schüren. Aber warum?

Weil niemand auf die Idee der Möglichkeit eines "Dritten Weges" zwischen Atheismus und Monotheismus kommen soll, was wirklich, wirklich, wirklich das Naheliegendste wäre beim derzeitgen Stand des Wissens und des gesellschaftlichen Bewußtseins. Diese Kuppelei zwischen "Thron und Altar", zwischen Frankfurter Schule und katholischer Kirche, und das merkwürdige und zutiefst lächerliche Emotionen-Schüren, das sich aus einer solchen Kuppelei - offenbar - ergibt (notwendigerweise?), ist einem im Grunde viel zu lächerlich, als daß es ergiebig erscheint, sich damit ernsthafter auseinanderzusetzen. Das ist alles nur auf leicht manipulierbare Menschen berechnet. Auf sehr leicht manipulierbare.

Aber daß keine "dritte Stimme" auch nur "irgendwo" prononcierter hindurchschimmert in gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatten, zeigt, wie viel schon geistig "auf den Hund gekommen" ist. Heute mag gar nicht mehr so entscheidend sein die Frage: Gott oder nicht Gott, supernaturalistisch oder naturalistisch etc. pp.. Das ist doch im Grunde längst geklärt. Die entscheidende Frage wird jetzt und künftig immer mehr lauten: Seele oder keine Seele. Und das ist keine theoretische Frage, sondern bewährt sich an der Praxis und im Umgang mit unseren heutigen gesellschaftlichen Problemen.

Unter anderem - oder vielleicht sogar: vor allem - daran, wie unsere Gesellschaft und ihre einzelnen Mitglieder mit Kindern umgehen, welche Priorität sie der Kinderseele, ihrem Schutz, ihrem Gedeihen zusprechen. Und zu diesem Thema ist sowohl von der katholischen Kirche wie von einer von Atheismus und Materialismus durchtränkten Gesellschaft schon reichlich Anschauungsmaterial geliefert worden. Natürlich mag es auch noch andere - wichtige - Fragen geben. Krieg oder nicht Krieg, Klimaschutz oder nicht Klimaschutz ...

Aber selbst all die anderen Fragen werden sich letztlich künftig am besten daran messen lassen, ob Menschen mit Seele und echter, wahrhaftiger Persönlichkeit nach Antwort suchen oder Menschen, die sich von hohen Gehältern ihre Unzufriedenheit "mäßigen" lassen, Menschen, die glauben, mit Geld alles bezahlen zu können, Menschen, die mit - genügend - Geld käuflich sind für alles.
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Damit könnte man diesen Beitrag abschließen. Aber die zuletzt geäußerten Gedanken erinnern einen wieder daran, was man vor kurzem in einer Charles Lindbergh-Biographie gelesen hat (Studium generale), und wie beeindruckt man davon war, wie souverän Charles Lindbergh unmoralische Angebote abgelehnt hat - oder doch zumindest solche, die in seinen Augen unmoralisch waren. Charles Lindbergh war nicht käuflich. In einer Welt voller Schlamm und Unmoral, vor allem in einer Welt voller käuflicher "Sensationslust", bewegte er sich - noch dazu als Jahrzehnte langer Mittelpunkt dieser Sensationslust - wie ein "Reiner". Ist diese vielleicht zu blumige Sprache wirklich gerechtfertigt. Aber man mache Alternativ-Vorschläge: Wie soll man es denn sonst nennen?

Nachdem der Biograph (1) dem Leser über Seiten und Seiten hinweg die zehn- und hunderttausende von Menschen vorgeführt hat, die Charles Lindbergh nach dem Atlantik-Flug zugejubelt hatten, so daß es einem schon längst zum Hals heraushängt (denn zu gleicher Zeit jubelten andere Menschen ganz anderen "Persönlichkeiten" zu ...), referiert er Lindbergh's Gedanken, in welcher Weise er nun seinen "Ruhm" ausnutzen sollte. Und er zitiert einen Historiker, der über Lindbergh sagte: "Noch beeindruckender als Lindberghs Flug über den Atlantik war die Art, wie er sich nachher verhielt. " (1, S. 149) Das finanziell attraktivste Angebot kam von dem Multimillionär W. R. Hearst, dem Inhaber des einflußreichen Medienimperiums der amerikanischen "Hearst-Presse".
"Lindbergh sollte in einem Film über die Luftfahrt die Hauptrolle spielen, mit Marion Davies, der Geliebten Hearst, als Partnerin. Hearst bot Lindbergh 500.000 Dollar plus zehn Prozent der Bruttoeinnahmen. (...) Hearst drängte Lindbergh, es nicht nur um seinetwillen zu überdenken, sondern es auch als Ermutigung für andere zu sehen." (!!!)
Wie nun reagiert der 25-jährige, scheinbar ganz naiv aussehende Farmerjunge aus dem amerikanischen Mittelwesten? Vielleicht sah er sein Verhalten wirklich auch als eine Ermutigung für andere an. Aber nicht in dem Sinne, in dem sich Hearst das vorgestellt hatte.
" 'Ich wollte, ich könnte Ihnen den Gefallen tun', wandte Lindbergh ein, 'aber es geht nicht. Ich habe erklärt, ich werde nicht in Filmen auftreten.'

Erst viele Jahre später sprach Lindbergh in seinen Memoiren aus, daß er an Hearst selbst Anstoß genommen hatte. Der Mogul, so schrieb Lindbergh, 'kontrollierte eine Zeitungskette von New York bis Kalifornien, deren sittliche Maßstäbe sich von den meinen sehr unterschieden.
'Sie scheinen mir allzu sensationslüstern, unverzeihlich ungenau und übertrieben besessen von den Leiden und Lastern der Menschheit. Die Männer, die ihn vertraten und die ich kennengelernt hatte, waren mir fast alle zuwider, und ich wollte nicht mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht werden, das er aufgebaut hatte.' "
So denken und handeln heute bestimmt nicht mehr sehr viele Menschen in vergleichbaren Situationen:
" 'Na gut', sagte Hearst schließlich, 'aber den Vertrag müssen Sie zerreißen, ich hab' nicht das Herz dazu.'

Verlegener als je versuchte Lindbergh, ihm den Vertrag zurückzugeben. 'Nein', sagte Hearst ruhig und maß den jungen Mann prüfend von oben bis unten, 'wenn Sie keinen Film drehen wollen, zerreißen Sie das Papier und werfen Sie es fort.' Auf diese zweite Herausforderung hin riß Lindbergh die Seiten entzwei und warf sie in den Kamin. Hearst sah ihm 'mit einem Ausdruck belustigten Staunens' zu, an den Lindbergh sich noch lange erinnerte." (1, S. 151)
Was für ein souveräner Mensch. Ein Mensch, der nicht käuflicher war. Mehr Menschen von seiner Statur und das 20. Jahrhundert wäre - so möchte man ohne zu zögern vermuten - wesentlich anders verlaufen. Man könnte zu der Meinung kommen, daß wir Menschen wie Lindbergh brauchen, wenn wir das 21. Jahrhundert wirklich zukunftsweisend gestalten wollen.

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1. Berg, A. Scott: Charles Lindbergh. Karl Blessing Verlag, München 1999

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