Dienstag, 18. Juni 2024

Heiligtümer definieren die Urheimat der Indogermanen

Im Windschatten älterer Kulturen
- Die Entstehung des Urvolkes der Indogermanen
- Ältere Kulturen mit großer Tradition übernahmen die Patenschaft für die Entstehung eines jungen, neuen Volkes (3.500 bis 3.300 v. Ztr.)
- Das Urvolk der Indogermanen entsteht zwischen der Maikop-Kultur im Kaukasus und der Tripolje-Kultur östlich der Karpaten
- Das Volk vom Unteren Dnjepr war offenbar der aktivistische Verbündete der alternden Maikop-Kultur und trat dann als Erbe der großen Tripolje-Kultur auf

Der moldawische Archäologe Vladimir Dergachev läßt in einer neueren Veröffentlichung Fürstentümer der sogenannten "Post-Mariupol-Kultur" vom Unteren Dnjepr aus einen Angriff ausführen gegen die Maikop-Kultur zwischen Unterem Don und Kaukasus, also offenbar ein kleineres Herrschafts-Gebiet in der Steppe gegen ein großes mächtiges Reich im Kaukasus und an seinem Fuße (Stgen2022).

Abb. 1: Jurten im Schatten einer Befestigung - So lebten auch die Urindogermanen am Unteren Djepr um 3.500 v. Ztr. - - - Hier: in Usbekistan (Wiki) unterhalb der eisenzeitlichen Lehmfestung Ayaz Kale - Fotograf: BluesyPete, 2004 (Wiki)

Aber um welche Art von Menschen mag es sich dabei gehandelt haben? Sind das schon die Urindogermanen vom Unteren Dnjepr der neuen, von uns schon behandelten Studie von 2024 (s. Stgen2024)? Im folgenden wollen wir noch den allgemeineren Teil des umfangreicheren Anhangs dieser neuen Studie (2) auswerten.

Die ukrainischen Jäger und Sammler der "Mariupol-Kultur"

Und da gilt es festzuhalten, daß in dieser Studie "Gräber vom Mariupol-Typ" ganz allgemein für die mesolithisch-neolithischen Jäger-Sammler-Völker des mittleren und östlichen Nordschwarzmeerraumes stehen. Unter den Untergruppen dieser Jäger-Sammler wurden genetisch von Seiten der Archäogenetik keine Unterschiede gefunden. Dazu lesen wir im Anhang der neuen Studie (2, Suppl, S. 10): 

Der zentrale und östliche Nordschwarzmeerraum wurde im Neolithikum von Bevölkerungen besiedelt, die mesolithischen Subsistenzpraktiken folgten und nur begrenzt mit der Landwirtschaft des Balkans interagierten. Der archäologische Raum dieser Gruppen wird im Allgemeinen durch Begräbnisse in langgestreckter Rückenlage ("extended supine") vom Mariupol-Typ (M-t-Gräber) definiert, die nach der gleichnamigen neolithischen Nekropole in Mariupol benannt sind. Ukrainische Archäologen haben unterschiedliche Ansichten über archäologische Gruppeneinteilungen innerhalb der Bevölkerungen, die Mariupol-Typ-Gräber hinterlassen haben. Genetisch gesehen, weisen die bisher untersuchten neolithischen Mariupol-Typ-Gruppen Homogenität auf unabhängig von kulturellen Unterteilungen.
The central and eastern NPR in the Neolithic were settled by populations that followed Mesolithic subsistence practices and who had limited interactions with the farming world of the Balkans. The archaeological space of these groups is generally defined by extended supine cemeteries of Mariupol type (M-t cemeteries) named after the eponymic Neolithic Necropolis at Mariupol1. Ukrainian archaeology scholars have different views on archaeological group divisions within the populations that left M-t cemeteries. Genetically, the M-t Neolithic groups studied to date display homogeneity irrespective of cultural subdivisions.

Aber das sind ja offensichtich nicht die "Nach-Mariupol-Typ"-Menschen. Wir lesen nun weiter (2, Suppl, S. 11):

Die Dynamik der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der bäuerlichen Gesellschaften der Cucuteni-Tripolje-Kultur (CTAC) im nordpontischen Waldsteppengebiet und der Darkveti-Meshoko-Kultur, später der Maikop-Novosvobodnaya-Kultur im Nordkaukasus im 5.-4. Jahrtausend v. Ztr. hat Auswirkungen gehabt auf die Formung der Steppen-Völker im Nordschwarzmeerraum. Die Erkenntnisse aus der Archäologie zeigen auf, daß die allgemeine Stabilität der Entwicklung dieser bäuerlichen Gesellschaften, vor allem der Cucuteni-Tripolje-Kultur auch die Stabilität der Entwicklung ihrer Nachbarn in der Steppe sicherstellte.
The formation of the steppe archaeological groups in the NPR in the 5th - 4th millennium BCE was affected by the dynamics of the economic and cultural development of neighboring agricultural societies, represented by the Cucuteni-Trypillia archaeological complex (CTAC) in the North Pontic forest-steppe area, the Darkveti-Meshoko archaeological complex, and, later, the Maykop-Novosvobodnaya complex of the North Caucasus. Archaeological sources show that the general stability of the development of these agricultural societies, primarily the Cucuteni-Trypillia, also ensured the stability of the development of their steppe neighbors.

Die Archäologen berichten von zeitlich alternierenden Einflüssen innerhalb des Volkes am Unteren Dnjepr einmal von Seiten der Cucuteni-Tripolje-Kultur aus dem Westen, dann wieder von Seiten der Maikop-Kultur aus dem Osten. 

Abb. 2: Die Urheimat der Grubengrab-Kultur am Unteren Dnjepr (3.900 bis 3.300 v. Ztr.) - 2 = Kakhovka (Dnjepr-Übergang), 6 = Shevchenkivka (Kurgan 14), 7 = Mykhailivka, 8 = Kapulivka, 17 = Pishchanka, 20 = An der Molotschna (Vynohradne, Kurgan 3) (aus 2, Suppl., S. 26)*)

Sehr interessant ist, daß die Archäologen von einer Zeit der Siedlungsunterbrechung oder der Fundarmut im Nordschwarzmeerraum berichten, von einem "Hiatus".

Die Siedlungsunterbrechung in der Steppe 4.200 bis 3.900 v. Ztr.

Diese Zeit hätte von 4.200 bis 3.900 v. Ztr. gedauert. Vermutlich werden die "Post-Mariupol-Gräber" in die Zeit nach 3.900 v. Ztr. zu datieren sein. Wir wissen ja schon, daß die Einmischung der Menschen der Vor-Maikop aus der Kalmücken-Steppe bei dem Volk am Unteren Dnjepr sich über Jahrhunderte hinzog (2, Suppl, S. 12): 

Der sogenannten Hiatus-Periode (ca. 4200-3900 v. Ztr.) folgte in der Steppe das Mittlere Eneolithikum (ca. 3900-3500 v. Ztr.). Die chronologische Abfolge der Steppen-Monumente ist in ersterer Periode weniger klar zu gliedern und spiegelt wahrscheinlich regionale Veränderungen wider, die durch die atmosphärische Abkühlung und Schwankungen der Meereshöhe des Schwarzen Meeres hervorgerufen wurden. Es wird angenommen, daß die klimatischen Bedingungen in der Steppe nach 3900 v. Ztr. wieder besser wurden für menschliche Besiedlung und das ermöglichte die nachfolgenden kulturelleren Veränderungen.
The middle Eneolithic in the steppe (ca. 3900-3500 ВСE) follows the so-called hiatus period (ca. 4200-3900 BCE) with less clearly defined chronological sequence of steppe monuments and likely reflecting regional transformations precipitated by atmospheric cooling and fluctuations of the Black Sea level. The climatic conditions in the steppe are thought to have returned to more optimal for human habitation after 3900 BCE, which facilitated subsequent cultural transformations.

Sechshundert Jahre nach dem Ende der Siedlungsunterbrechung, also ab 3.300 v. Ztr. hat sich das Volk vom Unteren Dnjepr dann sehr schnell über weite Räume hinweg ausgebreitet. 

Abb. 3: Die Urindogermanen wohnten vermutlich in Jurten - Hier: Jurten der Kirgisen in Turkestan, 1860er Jahre (Wiki)**)  

Seine Formierungsphase überspannt also einen Zeitraum von sechshundert Jahren, von 3.900 bis 3.300 v. Ztr..

Sechshundertjährige Formierungsphase des Volkes der Urindogermanen (3.900 bis 3.300 v. Ztr.)

In diesen 600 Jahren formte sich das Volk vom Unteren Dnjepr, das Urvolk aller späteren indoeuropäischen Völker. In diesen 600 Jahren formten sich also "wir", wir Indogermanen. In diesen 600 begann "unsere Geschichte". Es war das jene Zeit als sich ab spätestens 3.700 v. Ztr. die Benutzung des Rades vielleicht von der Maikop-Kultur ausgehend ausbreitete in alle Richtungen (Stgen2010) (Wiki). Vor allem der hölzerne gezogene Streitwagen, dessen langhörnige, ziehende Ochsen als eindrucksvoll erlebt wurden (Abb. 5). Im folgenden ist der wichtige Fundort Michailowka (Mykhailivka) (Wiki, russ, ukr) erwähnt. Wir lesen nämlich über die genannten 600 Jahre (2, Suppl, S. 12):

Das Mitteleneolithikum entspricht der Zeit des Höhepunktes der Entwicklung der Tripolje-Kultur (die Tripolje-Kultur-Perioden BII-СI und СI) und der Formierung eines neuen Systems archäologisch erfaßbarer stabiler Einheiten (also Stämme, bzw. Völker) in den Steppen- und teilweise Waldsteppenzonen, insbesondere Untere Mykhailivka, Derijivka, Kvityana und Konstantinovka, die sich durch unterschiedliche Ausformungen komplexer Wirtschaftsweisen unterscheiden. Zu dieser Zeit erschienen in der Steppe die ersten komplexen Grabanlagen. Dazu gehören Cromlechs, Steinringe, Heiligtümer mit Säulenstrukturen, Ringgräben und eine komplexe Kombination aus schwarzer Erde und Lehm in der Struktur der Aufschüttungen. Die rituelle Steppenarchitektur dieser Periode erlangt eine beträchtliche Monumentalität, und ihre wichtigsten strukturellen Merkmale ähneln der europäischen megalithischen Bestattungsarchitektur Mittel- und Nordwesteuropas. Die frühesten derartigen Strukturen im Nordschwarzmeerraum erscheinen in der Kontaktzone von Steppe und Tripolje bei Pobuzhzhia (dem südlichen Bug-Becken) und der Zone zwischen Dnjestr und Prut. Diese Komplexe entsprechen chronologisch Tripolje BII-Cl und CI sowie CI-II-Gräbern in der Unteren Schicht von Mykhailivka und Nach-Stredni-Stog-Gräbern in der nordwestlichen Steppe. Rituelle monumentale Strukturen aus der Jungsteinzeit sind auch vom Unteren Dnjepr und von der Molotschna bekannt. Ähnliche Grabstrukturen mit Gräben und Cromlechs begleiten Gräber mit Grabbeigaben vom Typ Maikop-Novosvobodnaya in Siverskyj Donez, am Unteren Don und in Transkaukasien.
The Middle Eneolithic corresponds to the time of the height of Trypillian development (the BII-СI and СI period of Trypillian chronology) and the formation of a new system of stable archaeological groups in the steppe and, partly, foreststeppe zones, in particular, the Lower Mykhailivka, Deriivka, Kvityana and Konstantinovka, which are characterized by different forms of complex economy. It was at this time that the first complex burial structures appeared in the steppe. These include cromlechs, stone rings, sanctuaries with pillar structures, ring ditches, and a complex combination of black earth and clay in the structure of the embankment. Ritual steppe architecture of this period acquires considerable monumentality, and its main structural features resemble European funeral megalithic architecture of central and northwestern Europe. The earliest such structures in the NPR appear in the steppe-Trypillia contact zone of Pobuzhzhia (the Southern Buh basin) and the Dniester-Prut interfluve42. These complexes chronologically correspond to Trypillia BII-Cl and CI, as well as CI-II in burials of Lower Mykhailivka and post-Stih burials in the northwest steppe. Ritual monumental structures from the Eneolithic period are also known in the lower Dnipro and the Molochna River basins. Similar burial structures, containing ditches and cromlechs, accompany burials containing Maykop-Novosvobodnaya burial goods in Siverskyi Donets, Lower Don, and the Transcaucasia.

/ [Ergänzung 09/2024] Bei der hier genannten Ortschaft "Pobuzhzhia" handelt es sich (wohl) um das Städtchen Pobuske ("umgangssprachlich Pobuzhzhya") (Wiki, ukr) (GMaps) am Südlichen Bug.***) Es liegt 330 Kilometer nordwestlich von Michailowka am Dnjepr (GMaps). Wie den Verbreitungskarten der Cucuteni-Tripolje-Kultur zu entnehmen ist, lag das Gebiet im Südlichen Bug schon im östlichen Grenzgebiet der dicht besiedelten Bauern-Kultur (s. Studgen2021). Die Ausführungen im Zitat beziehen sich auf einen russischsprachigen Aufsatz von Y. Y. Rassamakin aus dem Jahr 2004 (9). /

Wir sehen also, daß in diesen 600 Jahren der Formierungsphase die Steppenvölker weiter in Bewegung sind, und daß sich insbesondere vom Bereich der Maikop-Kultur aus neue rituelle Formen und "Monumentalarchitektur" ausbreiten, und zwar wird sie zunächst im Grenzbereich zur Cucuteni-Tripolje-Kultur gebräuchlich, bevor sie auch am Unteren Dnjepr und an der Molotschna praktiziert wird. Auch der erste wirklich große Grabhügel ist ja im Kaukasus errichtet worden, womöglich auch "im Angesicht" einer dort festgefügten bäuerlichen Kultur. Es kommt einem der Gedanke, ob monumentale Grabarchitektur nicht überhaupt vor allem anfangs praktiziert wurde als "Machtdemonstration" gegenüber kulturell weiter entwickelten Völkern und Kulturen. 

Abb. 4: So wie hier 1915 Jurten der Kasachen am Ufer der Wolga bei Astrachan fotografiert worden sind (Wiki), werden sich die Jurten der Urindogermanen auch an den Ufern des Unteren Dnjepr oder der Molotschna entlang gereiht haben****)  

Die Menschen am Unteren Dnjepr waren in dieser Zeit beeindruckt von kulturellen Einflüssen sowohl von Seiten der Maikop-Kultur im Südosten wie der Tripolje-Kultur im Westen (2, Suppl, S. 12):

Die Verflechtung der Traditionen wird deutlich in Untere-Mykhailivka-Monumenten aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Ztr. im östlichen Teil der pontischen Steppe (südlich von Saporischja und nördlich von Taurien, also der Halbinsel Krim). Ihre Gräber unter Kurganen bestanden aus mehreren getrennten Bestattungen. (...) Ziemlich oft wurden den Bestatteten kleine Töpfe mit rundem oder flachem Boden beigegeben (...). Die Oberfläche der meisten Töpfe war gut geglättet - fast glänzend. (...) Diese Keramik mit flachem Boden imitierte die Küchenkeramik-Traditionen der späten Tripolje-Kultur, während polierte Keramik den Einfluß der späten Maikop-Kultur widerspiegelte. Den Bestattungen der Untere-Mykhailivka war auch Keramik begegeben, die für die Späte Maikop-Kultur typisch ist. Die Träger der Traditionen von Untere-Mykhailivka gehörten zu den ersten reinen Viehzüchtern in der nordpontischen Steppe mit einem ausgeprägten Verständnis für Domestizierung und die Verwendung sekundärer tierischer Produkte wie Milch. Die Tierpopulation in Untere-Mykhailivka wird von domestizierten Wiederkäuern wie Schafen und Ziegen dominiert, gefolgt von Rindern. Außerdem finden sich in sehr geringem Umfang nicht-wiederkäuende Pflanzenfresser wie Pferde.
The intertwining of traditions is evident at the Lower Mykhailivka monuments from the second half of 4th millennium BCE in the eastern part of the Pontic steppe (to the south of Zaporizhzhia and the north of Tavria). Their graves, under kurgans, consisted of several separate burials. (...) Quite often these burials were accompanied by small round-bottomed and flat-bottomed pots (...). The surface of most of the pots was well smoothed - almost to ashine. (...) This flat-bottomed ware imitated the kitchen ware traditions of late Trypillia, while polished ware reflected the influence of late Maykop. The Lower Mykhailivka burials were accompanied by typical late Maykop pots as well. Bearers of the Lower Mykhailivka traditions were among the first full pastoralists in the North Pontic steppe with a developed understanding of domestication and the use of secondary animal products such as milk. Faunal assemblages of Lower Mykhailivka are dominated by domestic ruminants such as sheep and goats, followed by cattle, with a very minor inclusion of non-ruminant herbivores such as horses.

Die Milchverarbeitung erfolgte in rundbödigen Keramikgefäßen (s. Abb. 7). Es wird auch ausgeführt, daß die glänzende Keramik der Maikop-Kultur beeinflußt war von ähnlicher Keramik aus dem Zweistromland (2, Suppl, S. 18f). 

Parallelen und Ähnlichkeiten mit der Kulturentwicklung der Sumerer im Zweistromland

Solche Parallelen und Ähnlichkeiten finden sich auch auf vielen anderen Gebieten - etwa auch bezüglich der Nacktheit der Herrscherdarstellungen in den beiden kulturellen Großräumen (s. Abb. 9) oder in Bezug auf die Lebensbaum-Symbolik sowohl bei den Sumerern wie bei den Urindogermanen. Beides wird im Anhang des ausgewerteten Aufsatzes gar nicht erwähnt. Erwähnt werden aber fast identische größere Nadeln, um einen Umhang oder Überwurf zusammen zu halten (2, Suppl, S. 19). Und so noch manches andere. 

Abb. 5: Rinderwagen -Modell mit Scheibenrädern - Kleinplastik aus Kupfer, gefunden in Gräbern in Alacahüyük (Türkei), Bronzezeit - Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin, Fotografie von Claudia Plamp

Solche Umstände machen deutlich, daß sich die Ethnogenese der Indogermanen in großräumigen weltgeschichtlichen Zusammenhängen vollzog, daß aber auch die Sumerer im Zweistromland umgekehrt unter indirekten oder sogar direkten Einflüssen aus dem Steppenraum gestanden haben können. 

Explosionsartige Ausbreitung ab 3.300 v. Ztr.

Über die explosionsartige Ausbreitung des Volkes vom Unteren Dnjepr ab 3.300 v. Ztr. lesen wir dann weiter (2, Suppl, S. 12):

Der ZV/III-C-Bestattungstyp ist in der Steppenzone ausschließlich durch Bestattungen in Kurganen vertreten. Die Verbreitung von ZV/III-C-Bestattungen über das gesamte nordpontische Gebiet zwischen Donau und Pruth im Westen bis zum Unteren Don im Osten sowie das Fehlen von Siedlungen spiegeln den nomadischen und hochmobilen Lebensstil von ZV/III-C wider. Die meisten ZV/III-C-Bestattungen in der pontischen Steppe werden auf ca. 3300-3000 v. Ztr. datiert (dieser Bericht). Unter Berücksichtigung zweier bronzezeitlicher Bestattungen aus Taraclia II.10.2 (2566–2347 calBCE) und Tiraspol 3.15 (2865–2576 calBCE) mit III-C-Bestattungsmerkmalen könnte sich die Endphase der ZV/III-C-Bestattungen bis in die Mitte des 3. Jahrtausends v. Ztr. erstreckt haben.
Die ZV/III-C-Monumente werden von einigen Archäologen im Zusammenhang mit dem „Gordinești-Spät-Maikop-Phänomen“ gesehen. In diesem werden sechs Gruppen unterschieden: I – Bursuceni (Karpaten-Dnjestr-Region), II – Zhyvotylivka (Dnipro-Region), III – Volchans’k (Asowsche Region), IV – Krim (Krim-Halbinsel), V – Unterer Don, VI – Kuban (Nordkaukasus). Es wurden auch andere Unterteilungen der ZV/III-C-Gruppe vorgeschlagen. So umfaßt das ZV/III-C-Gebiet die gesamte nordpontische Steppe und ihre Existenz überschneidet sich mit der frühesten Ausbreitung des Archäologischen Komplexes Jamna (YAC). In der vorliegenden Studie wird deutlich, daß Angehörige der ZV/III-C-Gruppe zu den frühesten Trägern der Jamna-Herkunft gehörten, im Nordschwarzmeerraum vermischt mit Steppen-Maikop.
The ZV/III-C burial type is represented in the steppe zone exclusively by burials in kurgans. The spread of ZV/III-C burials over an entire North Pontic area between the Danube and the Prut in the west to the Lower Don in the east, as well as the absence of settlements, reflects the nomadic and highly mobile lifestyle of ZV/III-C. Most ZV/III-C burials in the Pontic steppe are dated to ca. 3300-3000 BCE (this report). Taking into account two Bronze-Age burials from Taraclia II.10.2 (2566-2347 calBCE) and Tiraspol 3.15 (2865-2576 calBCE) with the III-C burial features, the terminal phase of ZV/III-C burials may have extended into the middle 3rd millennium BCE.
The ZV/III-C monuments are considered by some archaeologists in the context of the “Gordinești-Late Maykop phenomenon”, in which six groups are distinguished: I - Bursuceni (Carpatho-Dniester region), II - Zhyvotylivka (Dnipro region), III – Volchans’k (Azov region), IV - Crimea (Crimean Peninsula), V - Lower Don, VI - Kuban (North Caucasus)60. Other ZV/III-C group subdivisions have also been proposed57. Thus, the ZV/III-C territory encompasses the entire North Pontic steppe and their existence overlaps with the initial expansion of the Yamna Archaeological Complex (YAC). In fact, the present report shows that people of the ZV/III-C group where among the earliest carriers of Yamna genetic ancestry, admixed with steppe Maykop, in the NPR.

Das könnte heißen, daß der Untergang der Cucuteni-Tripolje-Kultur nominell der Maikop-Kultur zuzuschreiben wäre. Daß also das Großreich der Maikop-Kultur den administrativen Rahmen bot, daß aber der aktivistische Teil bei der Übernahme der Herrschaft im Gebiet der Cucuteni-Tripolje-Kultur von den Angehörigen des Volkes vom Unteren Dnjepr gestellt wurden, zumindest in zunehmendem Maße in der Zeit zwischen 3.500 und 3.300 v. Ztr.. 

Abb. 6: Die Wohlhabenderen der Urindogermanen werden ihre Jurten mittels Rinderwagen transportiert haben, die weniger Wohlhabenden auf den Rücken von Rindern - So wie in dieser Fotografie von 1925, entstanden wohl in den Karpaten (Wiki) - Ung. Geogr. Museum, Erd (Fotoarchiv Fortepan Budapest)

Weiter wird ausgeführt, daß die Tripolje-Kultur und die Maikop-Kultur sozusagen die Patenschaft übernommen haben für die Entstehung des Volkes der Urindogermanen am Unteren Dnjepr. So wird über die Zeit ab 3.500 oder ab 3.300 v. Ztr. ausgeführt (2, Suppl, S 14):

Die hochmobilen Träger der ZV/III-C-Traditionen standen in Kontakt mit Gemeinschaften, die über die gesamte ponto-kaspische Steppe verstreut waren. Das Beziehungsgefüge, das auf Verwandtschaft und sozioökonomischen Bindungen (zwischen den Teilstämmen) beruhte und mit dem Aufnehmen und Weitergeben von Informationen und neuen Technologien einherging, erleichterte die Bildung eines einheitlichen Systems, in dem die Späte Tripolje- und die Maikop-Kultur als mutmaßliche Katalysatoren dienten für die Schaffung der kulturellen und ideologischen Grundlagen für die Herausformung eines neuen sozioökonomischen Systems, das sich dann in der Grubengrab-Kultur (YAC) manifestierte.
The highly mobile bearers of ZV/III-C traditions were in contact with communities interspersed throughout the Ponto-Caspian steppe. The system of relations, built on kinship and socio-economic ties, was accompanied by the reception and transfer of information and new technologies, thus facilitating the formation of a unified system, in which late Trypillia and Maykop might have acted as catalysts for the creation of the cultural and ideological basis for the emergence of a new socio-economic system manifested by the YAC.

Nunja, was hätte ab 3.300 v. Ztr. noch "katalysiert" werden sollen? Die Ethnogenese war zu diesem Zeitpunkt ja schon abgeschlossen. Es werden aber ab 3.300 v. Ztr. erst den Stämmen am Unteren Dnjepr im vollen Ausmaß die Siedlungs- und Herrschafts-Möglichkeiten deutlich geworden sein, die durch eine Art Machtvakuum entstanden waren, indem die Tripolje-Kultur von der Maikop-Kultur zerstört worden war und die Maikop-Kultur selbst ebenfalls innerlich scheint auseinander gefallen zu sein. Jedenfalls heißt es über die Zeit ab 3.300 v. Ztr. (2, Suppl, S. 20f):

In ihrer größten Ausdehnung finden sich die Jamna-Gruppen im Gebiet zwischen der Mittleren Donau und den Nordhängen des Balkans im Westen bis zum Uralgebirge im Osten. (...) Die höchste Dichte an Jamna-Kurganen ist dokumentiert für das Gebiet des Südlichen Bug, die geringste Dichte findet sich in der Region des Unteren Don.
At their maximum extent, the Yamna groups occupied the area from the middle Danube and the northern slopes of the Balkans in the west to Ural Mountains in the east. (...) The highest density of Yamna graves is documented in the Southern Buh area, while the lowest density is found in the Lower Don region.

Der Südliche Bug (Wiki) liegt auf halbem Weg vom Dnjepr zur Donau. Die geringe Dichte am Unteren Don mag ein Hinweis darauf sein, daß sich hier Reste der vormaligen Maikop-Kultur noch etwas stabiler gehalten haben mögen.  

Zur Religion des Urvolkes am Unteren Dnjepr 

Es werden dann im Anhang aber außerdem auch noch hochinteressante Ausführungen über die Religion des Urvolkes am Unteren Dnjepr gegeben, und zwar unter der Überschrift "Kurgan-Heiligtümer mit Plattformen im Nordschwarzmeer-Gebiet und der Ursprung der Grubengrab-Kultur" (2, Suppl, S. 25f):

Die Kurgane stechen als Wahrzeichen der Grubengrab-Kultur hervor. Die meisten erhaltenen Grubengrab-Kurgane weisen eine abgerundete Form auf. Doch eine beträchtliche Zahl weist auch eine konische Form auf. Die Anfänge der konischen Kurgane reichen zurück bis in das Eneolithikum.
Kegelstumpfförmige Hügel mit flachen, horizontalen, oberen Plattformen waren in der ukrainischen Steppenzone wahrscheinlich durch die gesamte Grubengrab-Zeit hindurch verbreitet, obwohl es sehr schwierig ist, ihre tatsächliche Häufigkeit abzuschätzen. Die verstärkten oberen Plattformen einiger dieser Kurgane in der Nordschwarzmeer-Region sind mit einer dicken Tonschicht überzogen. Dazu gehören Kurgane wie Bakumova Mohyla in der Nähe von Mayaky mit einer horizontalen Lehmplattform mit einem Durchmesser von 10 m und Kurgan 22 in der Nähe des Dorfes Hlukhe mit einer 50 cm dicken Lehmplattformschicht. Beide Kurgane hatten im fertigen Zustand eine Höhe von 7 Meter. 
Kurgane mit Plattformen sind auch aus dem Nordkaukasus bekannt. Es gehören dazu Maikop-Kurgane wie der Zamankul Kurgan 2, der Klady Kurgan G und der massive Kurgan 11, der ihn bedeckte, der Naltschik-Kurgan, der Bolschoi Ipatowski-Kurgan (5. Aufschüttung) usw. So wie im Nordschwarzmeerraum war die Oberfläche der Böschungsplattformen der meisten Kurgane mit Plattform im Kaukasus mit einer Schicht aus leuchtend gelbem Ton überzogen
Einer der architektonisch komplexesten Kurgane mit Plattform im Nordschwarzmeerraum ist der Shakhtar (Schewtschenko) Kurgan 29. Zusätzlich zur horizontalen Plattform auf der 4. Aufschüttung hatte der Shakhtar Kurgan auch einen Felsvorsprung. Die Form und Struktur der Aufschüttungen von Kurganen wie Shakhtar Kurgan 29 hängt wahrscheinlich nicht nur damit zusammen, daß sie als Bestattungsort dienten, sondern auch als Heiligtümer, die im Zusammenhang standen mit der Durchführung zeremonieller Aktivitäten.
Kurgans stand out as the hallmark features of the Yamna archaeological complex. Most surviving Yamna kurgans exhibit a rounded shape, although a substantial number also display a conical form. The origins of conical kurgan mounds date back to the Eneolithic period.
Throughout the Yamna period, truncated conical mounds with flat horizontal upper platforms were likely common in the Ukrainian steppe zone, though accurately estimating their prevalence remains difficult96. The compacted upper platforms of some of such kurgans in the NPR are coated with a thick layer of clay. These include such kurgans as Bakumova Mohyla near Mayaky with a clay horizontal platform 10 m in diameter, and Kurgan 22 near the village of Hlukhe with a 50 cm thick clay platform layer. Both kurgans had a height of 7 m in their finished form. 
Flat-top kurgans are also known in the North Caucasus. These include Maykop kurgans such as Zamankul Kurgan 2, Klady Kurgan G and the massive Kurgan 11 that covered it, the Nalchik Kurgan, the Bolshoy Ipatovsky Kurgan (5th embarkment), etc. As in the NPR, the surface of embankment platforms of most flat-top kurgans in the Caucasus was finished with a layer of bright yellow clay coating.
One of the most architecturally complex flat-top kurgans in the NPR is the Shakhtar (Shevchenko) Kurgan 29. In addition to the horizontal platform at the top of the 4th embarkment, the Shakhtar Kurgan also had a ledge. The shape and structure of the embarkments of kurgans such as Shakhtar Kurgan 29 likely relate to their use not only as burial places but also as sanctuaries associated with the performance of ceremonial activities.

[Ergänzung 23.9.24] Heller Lehm findet sich in der Ukraine (WikiCom). Die Nutzung von Stampflehm (Wiki) zieht sich ja von früh an durch die Menschheitsgeschichte und heller Lehm (Wiki) kann ohne Frage beeindrucken. Auf dem russischen Wikiquote findet sich z.B. das Zitat aus Taras Schewtschenko's "Warnak" aus dem Jahr 1853 (Wikiq):  

"Die alte Hütte wurde sorgfältig bestrichen, allerdings mit gelbem Lehm - weißer Lehm muß gekauft oder gegen Brot eingetauscht werden, aber für gelben Lehm muß man nur zum Ufer des Sluch gehen."

Etwas weiter gedacht, könnte man sich denken, daß sich das Volk am Unteren Dnjepr als im Dienst der Götter stehend ansah, im Dienst seines Himmelsgottes Dyēus (Tius/Zeus/Deus) (Wiki) oder auch im Dienst von Eos, der Göttin der Morgenröte stehend (Stgen2021). Auf den Plattformen solcher Kurgane war man nicht nur den Sternen, sondern auch den Göttern womöglich am nächsten. Und von Anhöhen wie jener westlich der Molotschna und am Ufer des Dnjepr hatte man einen weiten Blick in die Steppe oder auf den eindrucksvollen Fluß.

Abb. 7: Die Urindogermanen vergoren die Milch der Tiere - So wie dieser Jakute bei der Kumys-Herstellung zur Vorbereitung auf ein großes Fest im Jahr 1910 (Wiki) - Die altertümlichen Gefäße erinnert doch sehr deutlich an solche der Schnurkeramiker und der Glockenbecher-Leute

Noch weiter gedacht, könnte man sich vorstellen, daß sie die Region des Unteren Dnjepr als Mittelpunkt der Erde ansahen, als Zentrum ihres Heiligen Landes, von dem aus Wege in alle Himmelsrichtungen und in aller Herren Länder führten. Sahen sie sich an als "Gesandte" für andere Völker? 

Strahlenförmige Wege in alle Himmelsrichtungen

Wir lesen jedenfalls weiter (2, Suppl, S. 25f):

Das untere Dnjepr-Tal beherbergt eine Kette von Kurganen mit Aufgängen und Altarplattformen mit Gehweg aus Torf-Schlamm-Rollen und mit Wegen, die strahlenförmig von ihnen hinwegführen. Ein solcher Kurgan ist der Vynohradne Kurgan 3 im Tal des Molotschna-Flusses (siehe Grab-Beschreibungen), in dem eine Personen bestattet war, die genetisch den Kern-Jamna am nächsten steht, und zwar das Sredni Stog-Individuum in Grab 15.
The Lower Dnipro Valley houses a chain of kurgans with ramps and altar platforms with a pavement of turf-mud rolls, and with roads radiating from them. One such kurgan is the Vynohradne Kurgan 3 located in the Molochna River Valley (see Burial Descriptions), from which came one of the closest to the Core Yamna Serednii Stih individual in Burial 15. 

Vinogradnoe ist das ehemalige deutsche Kolonisten-Dorf Alt-Nassau (seit 1945 Vinogradnoe, bzw. Wynohradne) (Wiki) (GMaps). Von der Anhöhe westlich des Dorfes hat man einen weiten Blick ins Land. Siehe ein Foto des dort Bestatteten, der allen nachfolgenden Indogermanen genetisch am nächsten stand, in Abbildung 8. Und weiter lesen wir (2, Suppl, S. 25f):

Ungefähr 46 Heiligtümer ähnlich dem Vynohradne Kurgan 3 mit sternenförmig auseinander laufenden Wegen sind in den Regionen Dnjepropetrowsk und Cherson in der südlichen Ukraine entlang der Unterläufe des Dnjepr und des Ingulets konzentriert (...). Eine besonders große Dichte solcher Denkmäler findet sich innerhalb eines 60-Kilometer-Radius rund um die eneolithisch-frühbronzezeitlichen Fundorte von Mykhailivka und Kapulivka, von denen der letztere frühe Jamna-Keramik vom Mykhailivka-Typ aufweist. Kurgan-Heiligtümer erstrecken sich von einem Flußübergang bei Davydiv Brid flußaufwärts bis zum Fluß Ingulets Kryvjy Rih und von einem Flußübergang bei Kakhovka flußaufwärts bis zur Stadt Dnjepr (Dnjeprpetrowsk) am Dnjepr.
An estimated 46 sanctuaries like Vynohradne Kurgan 3 with radially extending roadways are concentrated in the Dnipropetrovsk and Kherson regions of southern Ukraine, along the lower stretches of the Dnipro and Ingulets rivers122 (Fig. S1). A particular dense concentration of such monuments can be found within ca. 60-km radius from the Eneolithic-EBA Mykhailivka and Kapulivka sites, the latter featuring Mykhailivka-type early Yamna ceramics123 (Fig. 1). On the Ingulets River, kurgan sanctuaries extend from a river crossing at Davydiv Brid upstream to Kryvjy Rih, and from a river crossing at Kakhovka upstream to the city of Dnipro on the Dnipro.

Diesen Umstand findet man in Abbildung 2 dargestellt. Man kann entsprechend dieser Ausführungen sagen, daß sich die Urheimat der Indogermanen in den beiden heutigen ukrainischen "Oblasten", bzw. Regierungsbezirken Cherson (Wiki) und Saporischja (Wiki) befand. Der erstere Regierungsbezirk liegt nördlich der Krim, der letztere östlich davon und nördlich des Asowschen Meeres. Beide Regierungsbezirke sind in ihren nördlichen Teilen vom Flußlauf des Unteren Dnjepr bestimmt.

Die Urheimat der Indogermanen ist durch die Verbreitung von Heiligtümern definiert 

Wir lesen weiter (2, Suppl, S. 25f):

Ein Kurgan mit Plattform in der Nähe von Pischtschanka am nördlichen Rand der Kurgankette des Dnjepr enthält eine überlappende Abfolge von Sredni Stog- und Jamna-Bestattungen, wobei die früheste Jamna-Bestattung auf die Jahre 3626-3106 v. Ztr. datiert wird, und wobei sich die C14-Datierung der obersten Schicht überschneidet mit der Datierung des frühesten Kern-Jamna-Individuum I32534 aus Mykhailivka, von dem in der vorliegenden Studie berichtet wird. Der Pischtschanka-Kurgan befindet sich in der Nähe von Orgin-8, in dem sich ein weiteres Sredni Stog-Individuum fand, das der Kern-Jamna-Genetik am nächsten steht. Eine lange Reihe von Heiligtümern mit sternenförmiger Ausrichtung der Wege oder errichtet an Abzweigungen ausgetrockneter Flußtäler - wie der Kurgan 11 bei Forois (vormals Zhovtneve) im Tokmak-Bezirk - erstreckt sich von der Hauptkonzentration auf dem Plateau zwischen Dnjepr und Ingulets nach Nordosten in Richtung des Donez (Abb. S1).
A flat-top kurgan near Pishchanka at the northern edge of the Dnipro River kurgan chain contains an overlapping sequence of Serednii Stih and Yamna burials, in which the earliest Yamna burial dates to 3626-3106 calBCE124, the upper range of the date of which overlapping with the 14C date from the earliest Core Yamna individual I32534 from Mykhailivka, presented in this report. The Pishchanka Kurgan is also in the vicinity of Orgin-8, from which one other closest to the Core Yamna Serednii Stih individual originates. A line of sanctuaries with radially extending roads or erected at branching points of dried-up river valleys such as Forois (Zhovtneve) Kurgan 11 in the Tokmak District extends from the main concentration in the Dnipro-Ingulets interfluve northeast towards the Siverskyi Donets River (Fig. S1).

/ [Ergänzung 26.9.24] Will man all die hier dicht, in nur wenige Zeilen gedrängten Auskünfte verstehen, muß man sich zunächst einmal mit der Geographie der hier genannten Orte beschäftigen. Das erwähnte Dorf Pischtschanka (Wiki) (GMaps) liegt an der Samara, 30 Kilometer oberhalb der Mündung der Samara in den Dnjepr bei Dnjepetrowks (Dnjepr). Die sehr neue Studie, auf die hier Bezug genommen wird, ist zugänglich (s. Resg2023). An ihr war auch die Berliner Archäologin Elke Kaiser (geb. 1964) (Wiki) beteiligt. Von ihr gibt es auch aktueller deutschsprachige Überblicksdarstellungen zum Forschungsstand (Topoi2019).

Das erwähnte kleine Dorf Forojs (Wiki) (GMaps) liegt unseres Erachtens, wenn wir alles recht verstehen, keineswegs im Tomak-Bezirk (also nahe von Moloschansk an der Molotschna), sondern in dem deutlich weiter östlich gelegenen Rajon Polohy (Wiki). Von Pischtschanka nach Forojs sind es 200 Kilometer. Von Pischtschanka nach Kachowka sind es 300 Kilometer. Von Kachowka nach Forojs sind es auch 300 Kilometer. Die hier umschriebene Region hat also grob gesagt die Größe eines größeren deutschen Bundeslandes.

Und wenn gesagt wird "die lange Reihe der Heiligtümer (...) erstreckt sich nach Nordosten in Richtung des Donez", dann muß einordnend gesagt werden: der Fluß Donez (Wiki) - auch "Siwerskyj Donez" oder "Kleiner Don" genannt - ist ein rechter, paralleler Nebenfluß des Don und mündet 150 Kilometer oberhalb der Mündung des Don ins Asowsche Meer in diesen. Pischtschanka liegt nun 200 Kilometer westlich des Donez, Forojs liegt ungefähr 250 Kilometer südwestlich des Donez. Das Donez-Becken selbst also gehört nicht zur Urheimat der Indogermanen. / Weiter heißt es (2, Suppl, S. 25f):

Zusammengenommen bilden die in der Südukraine gefundenen Kurgan-Heiligtümer mit Altar-Plattform eine Verbindung mit den Maikop-Kurganen im Nordkaukasus. Diese Fundorte in der Ukraine bergen in sich eine kontinuierliche archäologische Aufeinanderfolge, die von der Sredni-Stog-Zeit bis in die frühe Jamna-Zeit reicht. Bemerkenswert ist, daß sie die frühesten chronologisch datierten Jamna-Individuen des Nordschwarzmeerraumes beherbergen. Diese komplexen architektonischen Strukturen erfüllten einen multifunktionalen Zweck und fungierten sowohl als Grabstätten als auch als Orte für gemeinschaftliche zeremonielle Feierlichkeiten. Diese zeremonielle Funktion, die über die Praktiken der Leichenbestattung hinaus geht, steht im Einklang mit der Vorstellung, daß ein grundlegender Aspekt der Jamna-Kultur die gemeinsame Weltanschauung seiner Gemeinschaften war.
Taken together, the flat-top kurgan sanctuaries found in southern Ukraine establish a connection with the Maykop kurgans located in the North Caucasus. These sites in Ukraine encapsulate a continuous archaeological record spanning from the Serednii Stih era to the early Yamna period. Notably, they harbor the earliest chronologically dated Yamna individuals within the NPR. These complex architectural structures served a polyfunctional purpose, acting as both burial grounds and venues for communal ceremonial rituals. This ceremonial function, 26 extending beyond mortuary practices, aligns with the notion that a fundamental aspect of the Yamna culture complex was the shared worldview embraced by its communities.

/[Ergänzung 26.9.24] In einem kommenden Beitrag hier auf dem Blog schauen wir uns die Literaturangaben zu diesen Ausführungen noch etwas genauer an und referieren noch ausführlicher die Inhalte derselben. Denn zu "unglaublich" erscheint einem das alles auf den ersten Blick. Von all diesen Erkenntnissen konnten auch selbst Menschen, die zum Beispiel die Erkenntnisse des US-amerikanischen Archäologen David Anthony in den letzten Jahren zur Kenntnis genommen hatten, bislang kaum etwas ahnen. Denn sie werden auch erst seit etwa zwanzig Jahren in der ukrainischen archäologischen Spezialliteratur behandelt. Diese Literatur ist - mit Hilfe von Google Übersetzer - grundsätzlich zugänglich. Aber dazu - wie gesagt - mehr davon in einem künftigen Beitrag. /   

Auf jeden Fall ist hier offensichtlich von der Urindogermanischen Religion (Wiki) die Rede. Sie wurde hier, am Unteren Dnjepr, erstmals praktiziert, stammt aber - mit sicherlich vielem anderen - aus dem Bereich der Maikop-Kultur und damit letztlich wohl auch aus dem Bereich des Ururvolks der Indogermanen, nämlich der Menschen der Chwalynsk-Kultur von der Mittleren Wolga. Ob und wie man künftig Kulturbestandteile, die typisch sind für das Urvolk an der Wolga von denen unterscheiden kann, die typisch sind für das eigentlichere Urvolk am Unteren Dnjepr, dazu wird man künftig womöglich noch manches Spannende von Seiten der Forschung - der Archäologie und der Sprachwissenschaft - hören. Nachdem die Zusammenhänge auf der Ebene der Archäogenetik einigermaßen geklärt haben werden können.  

Abb. 8: Das früheste Individuum mit Kern-Jamnaja-Genetik: Kurgan 3, Grab 15 in vormals Alt-Nassau, heute Vinogradnoe an der Molotschna (Foto: Rassamakin)

Am Fundort Michailowka (Mykhailivka) fand sich im 4. Jahrtausend v. Ztr., im Zeitalter der von herrscherlichen Streitochsen gezogenen hölzernen Kriegswagen - wie oben schon erwähnt - ein wichtiges politisches und kulturelles Zentrum der Urindogermanen des Unteren Dnjepr. 

Die befestigte Siedlung Mykhailivka am rechten Ufer des Dnjepr

Dieser Fundort befindet sich vier Kilometer südlich des heutigen ukrainischen Dorfes Michailowka (Mykhailivka) (Wiki) im Bezirk Beryslaw (Wiki) im Oblast Cherson (Wiki) am rechten Ufer des Dnjepr (GMaps). 

Abb. 9: Sie stellten stolze Grabsteine auf - Die älteste Eigendarstellung der Urindogermanen - Die Kernosovsky-Stele (Wiki) aus der Zeit um 3.600 v. Ztr. (?), gefunden 1973 88 km nordöstlich von Dnjeprpetrovsk (Wiki) (GMaps) (Fotograf: John Bedell)

Natürlich möchte man noch etwas mehr über diese wichtige Siedlung erfahren. Wir lesen über sie auf dem ukranischen Wikipedia (in Übersetzung) (Wiki):

Die Siedlung war vor allem an der Seite des Plateaus von einem System aus Verteidigungsmauern und Gräben aus Stein umgeben. Der Teil der Siedlung auf dem zentralen Hügel war der wichtigste und daher besser geschützt. Von der Seite des Flusses und der Hochebene war dieser Teil der Siedlung von 45 und 34 m langen Mauern umgeben. Einige Mauern sind bis zu einer Höhe von 2-2,5 m erhalten geblieben. Die Mauern wurden aus lokalem Kalkstein gebaut. Die Dicke der Kulturschicht auf der zentralen Erhebung beträgt 1,5-2,4 m. Es wurden drei Schichten identifiziert, die den drei Stadien der Existenz der Siedlung entsprechen.

Vielleicht glich dort die Szene grob jener, die sich in Abbildung 1 dieses Beitrages ebenfalls findet. Wir lesen weiterhin (Litopys):

Siedlung Mykhailiv
In den 1950er Jahren wurden die oberen Schichten untersucht. Die Siedlung Mykhailiv, die auf den Hügeln an der Stelle liegt, an der der kleine Fluß Pidpilna in den Dnjepr mündete, ist noch immer die informativste Quelle für die Erforschung des Lebensstils der Bevölkerung der Jamna-Kultur.
Die Siedlungsfläche erreichte 1,5 Hektar. Die Siedlung umfaßte zwei Hügel und einen Teil des angrenzenden Plateaus. (...).
In der Siedlung wurden bis zu 1 m hohe Steinfundamente rechteckiger Gewerbe- und Wohngebäude entdeckt. Der obere Teil der Häuser wurde aus Schilf und Lehm gebaut. Auf dem Gebiet der Siedlung wurden auch zahlreiche mit Steinen ausgekleidete Feuerstellen gefunden.
In der Siedlung werden je nach Art der Funde Handwerker-Bereiche unterschieden. Die reiche kulturelle Schicht der Siedlung ermöglichte es, die materielle Haushaltskultur der Bevölkerung zu studieren. Die Materialien der Mykhailivskyi-Siedlung veränderten die Vorstellung vom Entwicklungsstand der Stämme der Jamnaja-Kultur radikal.
Bestattungen in Steinkisten mit bemalten Wänden sind ein Phänomen in der Bronzezeitarchäologie. Traditionell werden sie der Kemi-Oba-Kultur der Krim zugeschrieben, aber das Auftauchen dieser Bestattungen in Hügeln in der Dnjepr-Region, im nördlichen Taurien, in Saporischja und weiter westlich, in der Schwarzmeerregion, wird als Migration der Bevölkerung der Kemi-Oba-Kultur im Norden angesehen, in der diese Bestattungen Brauch waren. 

Auf welche Zusammenhänge in den letzten Sätzen des Zitates hingewiesen werden soll, wäre noch einmal gesondert zu untersuchen. Die Kemi-Oba-Kultur (Wiki) war offenbar eine regionale Parallel-Kultur zur Jamnaja-Kultur, die am Ende von dieser ersetzt worden ist. Immerhin, wir lesen (Wiki):

Es werden enge Verbindungen zur benachbarten/überlappenden Unteren Mikhaylovka-Gruppe vermutet.

Das sind ja die Urindogermanen.

Rinderwagen-Gräber in der Grubengrab-Kultur

Die Grubengrab-, bzw. Jamnaja-Kultur (Wiki) grenzte also - wie ausgeführt - im Süden an die Maikop-Kultur und im Norden dann später an die Kugelamphoren-Kultur. Beide Kulturen sind dafür bekannt, daß sie die frühesten Kulturen Europas sind, die das Rad und hölzerne Rinderwagen nutzten, auch in rituellen Zusammenhängen (Stgen2010), zum Beispiel auch in Gräbern. Von der Grubengrab-Kultur selbst sind deshalb ebenfalls Rinderwagen-Gräber bekannt (Litopys):

Eine bedeutende Veränderung in der Art der Landwirtschaft unter den Grubengrab-Stämmen ergab sich durch die Verbreitung von Transportmitteln auf Rädern, nämlich von Wagen mit massiven scheibenförmigen Rädern, vor die Ochsen gespannt wurden. Auch für die Bestattungsbräuche wurden solche Wagen typisch. Die Räder wurden auf Höhe des Grabbodens an den Ecken der Grube platziert und die Teile des Wagens lagen auf dem Boden. Bestattungen mit Wagen sind nach Ansicht der meisten Forscher von der sozialen Elite der Grubengrab-Gesellschaft angelegt worden, insbesondere für die Oberhäupter patriarchaler Gemeinschaften, großer patriarchalischer Familien.

Und (Litopys):

Entsprechend dem Fund im Hügel „Storozova Mohyla“ wurden Holz-Wagen in Grubenbestattungen im gesamten Verbreitungsgebiet der Grubengrab-Kultur (Jamna-Kultur) in der Ukraine gefunden, insbesondere in der Schwarzmeerregion, im Süden von Podolien, in Saporischja und in Nordtaurien (nördlicher Teil der Krim), sowie in der Donezk-Region. Die Wagen wurden im zerlegten Zustand auf den Boden der Gräber gestellt und die Räder horizontal in den Ecken der Grube platziert. Daher hat man von oben betrachtet den Eindruck, daß die Grube selbst einen Wagen symbolisiert, normalerweise mit vier Rädern. Leider sind die Wagenteile selbst selten erhalten, da sie zusammen mit dem Boden irgendwann in die Gruben fallen und verrotten. Manchmal gibt es Teile von Deichseln in Form einer langen, dünnen Stange mit einem Horn an einem Ende und einem Joch, das aus rechteckigen Balken in Form eines rechteckigen Rahmens mit Löchern zur Befestigung hergestellt wurde. Als Zugkraft wurden Ochsen genutzt.

Aber zeitgleich zur Nutzung der Rinderwagen ist innerhalb der Maikop-Kultur und dann in der auf diese folgenden Jamanja-Kultur und Poltavka-Kultur am Unterlauf von Wolga und Don das Wildpferd zu einem Pferd domestiziert worden, das Streitwagen ziehen konnte. Allerdings scheinen sich die Experimente diesbezüglich tausend Jahre lang hingezogen zu haben. Denn erst ab 2.200 v. Ztr., also nachdem die Hochzeit der Jamnaja-Kultur schon vorüber war, tritt das domestizierte Pferde außerhalb der Steppen-Regionen auf (Stgen2021). 

Hirtenkrieger in der Steppe

Unsere Vorfahren in genetischer, kultureller und sprachlicher Hinsicht, die Urindogermanen der Grubengrab-, bzw. Jamnaja-Kultur (3.600-2.500 v. Ztr.) (Wiki) in der Nordschwarzmeer-Steppe waren Hirten-Nomaden (Wiki) ebenso wie ihre Vorfahren, die Ururindogermanen der Chwalynsk-Kultur an der Mittleren Wolga. Sie bildeten die letzte der drei frühen Phasen der Kurgan-Kultur in der Nordschwarzmeer-Steppe (Wiki). Sie lebten in Jurten. Ihr Reichtum waren Herden von Rindern, Schafen, Ziegen und (halb-)wilden Pferden.

Ihre Lebensweise hat sich in ihrer Urheimat, der Steppe, erhalten, allerdings wird sie heute von genetisch und kulturell anderen Völkern, vorwiegend monoglischer Abstammung fortgeführt. Über ihre traditionelle Lebensweise erhalten wir einen Blick in das Leben und in die Lebenshaltung des Urvolks der Indogermanen (Abb. 1, 3, 4, 7).

In den ersten Jahrtausenden haben die Urindogermanen an Wolga, Don und Dnjepr vor allem Schafe gehalten und Schafsmilch getrunken (Stgen2022). Auch warme Kleidung war im Winter sehr notwendig, besonders für die Hirten, die den ganzen Tag über bei den Herden bleiben mußten (s. Abb. 10).

Abb. 10: Im Winter war es kalt in der Steppe - Ein kasachischer Schäfer in der Steppe des westlichen Kasachstan (Fotograf: Airunp, ein Katalane 2004) (Wiki)*)

Das Foto in Abb. 10 wurde südlich von Aqtöbe (Aktjubinsk, bzw. Aktobinsk) aufgenommen, 1000 km östlich von Astrachan. Der Fotograf erläutert dazu (Wiki):

Dieser Mann lebt in der Steppe südlich von Aktobinsk im Westen Kasachstans. Er lebt in einem kleinen Bauernhaus mit Strom, aber ohne Wasser. Er besitzt, soweit ich weiß, einige Ziegen und Schafe und zwei Kamele. Er war sehr froh, daß er fotografiert wurde. Als ich dieses Foto im Februar 2004 machte, saß er auf seinem Pferd und wachte über seine Herde und verbringt höchstwahrscheinlich den ganzen Tag über so auf seinem Pferd. Wir fuhren auf dem Weg nach Aktobinsk vorbei und er verließ seine Herde für eine Weile, um zu uns zu kommen und mit uns zu reden. Er trägt eine Waffe, um jeden Wolf zu töten, der versucht, zu seiner Herde zu gelangen, ein häufiges Problem in dieser Gegend.

Die uralte Idee und Gewohnheit, daß man als Hirte bei den Herden in abgelegenen Gegenden zum Mann heranwächst, klingt noch bis in die homerische Zeit des antiken Griechenland hinein (Gschnitzer 1981/2013, S. 57):

Es ist für den homerischen Helden ebenso selbstverständlich und ehrenvoll, daß er Sichel und Pflug, wie daß er die Waffe zu führen versteht. Ihre Jugend pflegen diese Helden zu einem großen Teil als Hirten (ihrer väterlichen Herden) auf den Bergen zu verbringen.

Natürlich war das zu jenem Zeitpunkt nur noch in den Bergen möglich, denn die fruchtbaren Ebenen waren längst in Ackerland umgewandelt worden. Schon in der Spätbronzezeit beginnen ja die Terrassierungen sogar der Berghänge - von Griechenland bis hoch nach Nordeuropa - um sie für den Ackerbau verfügbar zu haben.

Die Hirtenkrieger stellten - zumindest in späterer Zeit - aus Stutenmilch Getränke mit leichtem Alkoholgehalt her, also solche wie den "Kumys" (Wiki) (s. Abb. 7) und den "Choormog" bei den späteren Mongolen oder den "Kefir" bei den späteren Kaukasus-Völkern. (Choormog wird aus Yak-Milch gewonnen. Kumys wird auch Airag genannt.) Aus Kumys oder Kefir kann dann auch ein Branntwein mit dem Namen "Archi" hergestellt werden.

Der größte Teil der Forschungsliteratur zu der Grubengrab-, bzw. Jamnaja-Kultur am Unteren Dnjepr ist auf Russisch oder Ukrainisch erschienen. Deshalb konnten der vorliegende Beitrag nur einige erste Blitzlichter werfen auf Entwicklungen und Zusammenhänge, die in der neuesten Forschung erkannt worden sind, und über die auch schon auf Englisch veröffentlicht worden ist. Man darf gespannt sein, zu welchen Einsichten die Forschung in den nächsten Jahren noch kommen wird und was uns die Wissenschaftsberichterstattung dazu nach und nach noch eröffnen wird.  

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*) Vollständige Bildunterschrift: 1, Mayaky (Bakumova Mohyla); 2, Kakhovka (Dnipro River crossing); 3, Davydiv Brid (Ingulets River crossing and a kurgan); 4, Mala Oleksandrivka; 5, Starosillya (Velyka Mohyla); 6, Shevchenkivka (Kurgan 14); 7, Mykhailivka; 8, Kapulivka; 9, Shakhtar (Kurgan 29); 10, Ryadovi Mohyly; 11, Nedaivoda (kurgan group "Three brothers”); 12, Kyslychuvata (Hola Mohyla); 13, Myrove; 14; Vysoke; 15, Hlukhe; 16, Vyshchetarasivka; 17, Pishchanka; 18, Hryhorivka; 19, Vasylivka (Kurgan 1); 20, Vynohradne (Kurgan 3); 21, Hordienkivtsi; 22, Vesnyanka; 23 Forois (Zhovtneve Kurgan 11); 24, Volodymirivka (Kurgan 13); 25, Sykhodil (Pioners'ke).
**) zu Abb. 2: nahe Tschimkent, Bezirk Syr Darya, 120 km nördlich von Taschkent, 1860er Jahre - Sommerlager mit Ziegen - Aus dem "Turkestan-Album" von 1872 (Wiki), Teil 2 Völkerkunde, Bd. 1, Seite 35, Nr. 102
***) Man darf sich offenbar nicht davon verwirren lassen, daß der "Obere Pobuzhzhia National Nature Park" (Wiki), auf den man bei der Suche nach dem Ortsnamen "Pobuzhzia" als erstes stößt, im Oblast Chmelnytskyi (Wiki) liegt, also noch einmal 350 Kilometer Bug-aufwärts.
****) zu Abb. 4: aus Hubback, Russian Realities, 1915; wiedergegeben in Reeves, Russia Then and Now, 1917

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  1. The Genetic Origin of the Indo-Europeans. By Iosif Lazaridis, Nick Patterson, David Anthony, Leonid Vyazov, Romain Fournier, Harald Ringbauer, Iñigo Olalde (...)  Anna Szécsényi-Nagy, Pier Francesco Palamara, Swapan Mallick, Nadin Rohland, Ron Pinhasi and David Reich (bioRxiv 18 April 2024) (bioRxiv)
  2. A genomic history of the North Pontic Region from the Neolithic to the Bronze Age. Autoren: Alexey G. Nikitin, Iosif Lazaridis, Nick Patterson, Svitlana Ivanova, Mykhailo Videiko, Valentin Dergachev (...) David Reich, 18. April 2024 (Biorxiv2024
  3. Konstantin Petrovich von Kaufman (1818-1882), erster Generalgouverneur von Russisch Turkestan (Hg): Das Turkestan-Album in sechs Bänden. Mit 1200 Fotografien. Teil 1: Archäologie (2 Bde), Teil 2: Völkerkunde (2 Bde), Teil 3: Wirtschaft (1 Bd), Teil 4: Geschichte (1 Bd), 1872 (Wiki
  4. Hubback, John Henry: Russian Realities. Being Impressions Gathered During Some Recent Journeys in Russia. John Lane, New York 1915
  5. Reeves, Francis B.: Russia Then and Now. My Mission to Russia during the famine of 1891-1892 with data bearing upon Russia of To-Day. G. P. Putnam's Suns New York und London 1917 (Archive)
  6. A genomic history of the North Pontic Region from the Neolithic to the Bronze Age. Autoren: Alexey G. Nikitin, Iosif Lazaridis, Nick Patterson, Svitlana Ivanova, Mykhailo Videiko, Valentin Dergachev (...) David Reich, 18. April 2024 (Biorxiv2024
  7. Gschnitzer, Fritz: Griechische Sozialgeschichte. Von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit. 2. Aufl. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013 (EA: 1981)
  8. Ukraine - Chronologie der Entwicklung - Enzyklopädische Veröffentlichung in 6 Bänden. Krion-Verlag 2013 (Litopys
  9. Rassamakin, Y. Y. Steppes of the Black Sea Region within a context of development of first agricultural societies. Arkheolohiya 3-26 (2004) [russischsprachige Zeitschrift](GB)

Freitag, 14. Juni 2024

Wir Kelten - Zu 55 % tragen wir die Herkunft der Kelten Süddeutschlands noch heute in uns

Die Ethnogenese der Deutschen aus Sicht der Archäogenetik 
- Die Deutschen südlich des Mains tragen 55 % genetische Herkunft der einstigen Kelten in sich
- Wir Deutschen südlich des Mains

Heute sehen wir hinauf zu einst mächtigen keltischen Fürstensitzen und Völkerburgen. Möge die Erinnerung an sie in Franken weiter leben oder in Schwaben. Oft sind sie umgeben von terrassierten Wiesen-, sprich einstigen Ackerflächen, was zeigt, wie hoch die Besiedlungsdichte einst schon war.

Abb. 1: Sterbender Gallier, antike Marmor-Statue, in den Kapitolinischen Museen in Rom. Das Werk ist die römische Kopie eines Originals, das etwa um 230/220 v. Ztr., vermutlich in Bronze entstand - Fotografiert von Burkhard Mücke (Wiki)

Wir wandern auf den alten keltischen Handelswegen von Völkerburg zu Völkerburg, wie sie da etwa in 30 Kilometer Abstand voneinander im ganzen süddeutschen und Alpen-Raum miteinander vernetzt waren. Und wir trauern über all die untergegangenen Völker, die hier einst lebten (Stgen2021). Wir ahnten aber bisher gar nicht, in welchem Umfang wir ja sogar selbst die Nachfahren all dieser einstigen keltischen Völker sind.  

Ein Deutscher südlich des Mains trägt etwa 55 % genetische Herkunft der Kelten in sich - und damit Herkunft der Glockenbecher-Leute, von denen die Kelten abstammen. Als die germanischen Stämme der Bajuwaren und Alemannen ab 400 n. Ztr. nach Süddeutschland kamen, stießen sie auf die freien keltischen Stämme, die nördlich des Limes lebten. 

Die Kelten sind gar nicht alle in den Mittelmeerraum gezogen und dort "gestorben und verdorben" wie wir uns das auch hier auf dem Blog bislang vorgestellt hatten. Es waren offenbar immer nur Teile der Kelten, die über die Alpen gezogen sind, den Balkan hinunter, die bis nach Anatolien übergesetzt sind, die nach Südfrankreich gezogen sind, bis nach Spanien, bis nach Italien wanderten, etwa die Volker um 300 v. Ztr.. Nein, viele blieben in ihrer Heimat. Und ihre genetische Herkunft lebt in uns weiter.

Eine neue archäogenetische Studie

Anfang des Monats ist eine neue archäogenetische Studie erschienen. Ihr Titel - „Hinweise auf die Erbfolge unter den frühen Eliten der Kelten in Mitteleuropa“ (1) - deutet mit keinem Akzent an, daß sie - wie nebenbei - nicht nur die Ethnogenese der süddeutschen Kelten, sondern auch der nachfolgenden, heutigen Deutschen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz behandelt, bzw. klärt.*)

Vorweg sei erwähnt: Die Hallstatt-Zeit datiert auf 800 bis 450 v. Ztr.. Sie scheint sich - laut dieser Studie (siehe unten) - unter kulturellen und auch geringen genetischen Einflüssen aus dem Raum südlich der Alpen gebildet zu haben. Auf sie folgte dann die La-Tène-Zeit zwischen 450 und 15 v. Ztr. (Wiki). Die La-Tène-Kultur mit ihren Viereckschanzen (Wiki), das waren die historischen Kelten. 

Interessanterweise scheint nun die Ethnogenese der Kelten der La-Tène-Zeit - nach den Ergebnissen dieser Studie - einher gegangen zu sein mit einem geringen Zustrom von Menschen aus der norddeutschen Tiefebene, und zwar sowohl ins böhmische Becken hinein wie nach Süddeutschland hinein (1). Offenbar haben sich diese Menschen germanischer Herkunft aber schnell innerhalb der keltischen Umgebung an die keltische Kultur und Sprache angepaßt.

Jenen keltisch-germanischen Mischvölkern zur Zeit Cäsars, von denen wir über die römischen Geschichtsschreiber wissen, sind also schon andere Austausch-Prozesse zwischen den beiden Kulturräumen voraus gegangen. Über die römischen Geschichtsschreiber und aus anderen Quellen wissen wir von Mischvölkern zwischen Kelten und Germanen insbesondere am Nieder- und Mittelrhein. Als Beispiele werden genannt die Belger, Condruser, Eburonen und Menapier (Wiki), ebenso die Treverer. Wir lesen dazu (Altwege):

Auf keinen Fall stimmt die Behauptung, daß der Rhein die kulturelle Grenze zwischen dem keltischen und germanischen Gebiet darstelle, da sowohl östlich davon keltische als auch westlich davon germanische Gruppierungen siedelten. Während es sich in Gallien um keltische Stämme und bei den nordöstlich des Rheins wohnenden Stämmen um Germanen handelte, müssen wir in der Übergangszone an der Mosel, Rhein und Donau von einer Mischbevölkerung (u.a. Menapier, Nervier, Eburonen, Treverer, Triboker) ausgehen.

Offenbar kann ähnliches auch über den Main gesagt werden. Ein Zeugnis dafür liefert nun die Herkunft eines Menschen, der in einem Fürstengrab neun Kilometer entfernt von der berühmten keltischen Heuneburg in der Schäbischen Alb bestattet worden war, nämlich innerhalb der sogenannten "Alten Burg" (Wiki). Diese "Alte Burg" stellte offenbar ein rituelles Zentrum dar. Hier lag ein Fürst begraben (benannt "LAN001"), der den Ergebnissen dieser Studie nach von der Nordseeküste stammte. Damit stand dieser im Gegensatz zur Herkunft der meisten Kelten der vorhergehenden Hallstatt- und der zeitgleichen La-Tène-Kultur, die nämlich durch die Genetik der Glockenbecher-Leute bestimmt war wie wir erst neulich hier auf dem Blog behandelt haben (Stgen2024).

Abb. 2: In diesen Ausmaßen wird sich laut dem Archäologen Markus Schußmann die keltische Stadt Menosgada vor mehr als 2000 Jahren auf dem Staffelberg bei Bad Staffelstein in Oberfranken etwa erstreckt haben. (Foto: Ronald Rinklef/Grafik: Michael Haller) (InFranken)

Wir lesen nun konkreter dazu (1):

Die meisten Hallstatt-Individuen entsprechen einem Modell, wonach ihre gesamte Herkunft derjenigen der Menschen des mittelbronzezeitlichen Lech-Tales gleicht - mit Ausnahme der zuvor beschriebenen südlichen Ausreißer MBG004, MBG016 und des nördlichen Ausreißers LAN001 von der Alten Burg (...). LAN001 hat den Großteil seiner Herkunft aus einer nördlicheren europäischen Quelle, die derjenigen der Bevölkerung der Bronze- und Eisenzeit in den Niederlanden und in Sachsen-Anhalt am nächsten stand (...), was auch mit seinen erhöhten δ18O-Werten übereinstimmt, die eine küstennahe nordwesteuropäische oder mitteldeutsche Herkunft belegen.
Most Hallstatt individuals fit a model of receiving all of their ancestry from Germany_Lech_MBA, with the exception of previously described southern outliers MBG004, MBG016 and northern outlier LAN001 from Alte Burg (Supplementary Table 2.8). LAN001 received the majority of his ancestry from a more northern European source, most closely related to the Bronze and Iron Age population of the Netherlands and Saxony-Anhalt (Supplementary Tables 2.9 and 2.11), which is also consistent with his elevated δ18O values supporting a coastal northwestern European or Central German origin.

Die weiteren Ausführungen klären dann aber ganz überraschend grundsätzlich die Ethnogenese der Deutschen überhaupt, insbesondere derjenigen in Süddeutschland, in Österreich und der Schweiz während des Frühmittelalters. 

Kelten-Zeit - Germanische Landnahme-Zeit - heute

Fast jeder der folgenden Sätze enthält dazu Grundlegendes (1): 

Die Ankunft von Personen mit eher nordeuropäischer Abstammung während der La-Tène-Zeit kann auch in veröffentlichten Daten aus der nahegelegenen Tschechischen Republik beobachtet werden, wo wir einzelne Herkunfts-Komponenten analysierten mithilfe von "supervised clustering" (...) und eine bisher unbeschriebene Ausdifferenzierung des Genpools in Bezug auf nordeuropäische Abstammung im Übergang von der Hallstatt- zur La-Tène-Zeit feststellten (...). In Süddeutschland (hier Baden-Württemberg und Bayern) weitet sich der nordeuropäische Zustrom (später) zu einem großen genetischen Umbruch zwischen der Eisenzeit und dem Frühmittelalter aus (...). Dies wird deutlich in Form eines starken Rückgangs der anatolisch-neolithischen Herkunft und eines erheblichen Wiederanwachsens der Steppenabstammung zusammen mit einer neuerlichen Ausdifferenzierung des Genpools. Während die Hallstatt-Bevölkerung die höchste genetische Verwandtschaft mit den heutigen Franzosen, Spaniern und Belgiern zeigte, weisen die frühmittelalterlichen (alemannischen und bayerischen) Bevölkerungen Süddeutschlands die größte genetische Ähnlichkeit mit den heutigen Dänen, Norddeutschen, Niederländern und Skandinaviern auf (...) und sind genetisch nicht von den Gruppen aus der Eisenzeit und dem Mittelalter in Norddeutschland und Skandinavien zu unterscheiden. (...) Durch die Zuwanderung aus Norddeutschland gelangten Vorfahren mit geringer anatolisch-neolithischer Herkunft nach Süddeutschland, was zu einem Anstieg des durchschnittlichen nordeuropäischen Herkunftsanteils von 2,8 % während der Eisenzeit auf 62,5 % im Frühmittelalter führte.
The arrival of individuals of more northern European ancestry during the La Tène period can also be observed in published data from the nearby Czech Republic42, where we analysed individual ancestry components using supervised clustering (Supplementary Fig. 5.8d) and detect a previously undescribed diversification of the gene pool with respect to northern European ancestry from the Hallstatt to the La Tène period (two-sided F test; F = 0.20174, numerator d.f. 15, denominator d.f. 60, P = 0.001). In southern Germany (here Baden-Württemberg and Bavaria) the northern European influx broadens to a major genetic turnover between the Iron Age and the Early Middle Ages (Fig. 4c and Supplementary Note 5). It is illustrated by a sharp decrease of EEF ancestry and a substantial resurgence of Steppe-related ancestry together with a re-diversification of the gene pool (Supplementary Figs. 4.4, 4.5 and 5.2). While the Hallstatt population showed highest genetic affinity to present-day French, Spanish and Belgians, the early medieval (Alemannic and Bavarian) populations of southern Germany47,48 exhibit closest resemblance to present-day Danish, northern Germans, Dutch and Scandinavians (Supplementary Fig. 5.4) and are genetically indistinguishable from Iron Age and Medieval groups in northern Germany and Scandinavia. (,,,) Migration from northern Germany introduced EEF-depleted ancestry to southern Germany, resulting in a rise of the median northern European ancestry from 2.8% during the Iron Age to 62.5% during the Early Middle Ages.

Germanen aus Nordeuropa spielten bei der Ethnogenese der Kelten um 450 v. Ztr. also genetisch eine kleine, nicht ausschlaggebende Rolle von durchschnittlich 2,8 %. 

Während der Römerzeit betrug die germanische genetische Herkunft schon bei etwa 8 % (siehe gleich).

Die germanische genetische Herkunft stellte dann aber ab dem Frühmittelalter in Süddeutschland 62 % der gesamten Herkunft. Das heißt, die Herkunft der Glockenbecherleute und Kelten betrug im Frühmittelalter in den damals kulturell dominierenden Bevölkerungsteilen in Süddeutschland nur noch 38 %. Wobei allerdings vor allem Menschen der germanischen Reihengräberfelder untersucht worden sein werden und frühmittelalterliche Menschen in Rückzugsräumen, etwa in Höhenlagen der Mittelgebirge (Schwarzwald, Schwäbische Alp etc.) bislang weniger in den Fokus der Wissenschaft getreten sein werden. Daß es sie aber gegeben haben muß, wird gleich noch deutlich werden. 

Weiter heißt es (1):

Daten aus der Römerzeit und der späten Eisenzeit aus Bayern und Thüringen deuten darauf hin, daß Teile des Genpools der frühen Eisenzeit in Süddeutschland erst im vierten oder fünften Jahrhundert n. Ztr. betroffen waren (wobei die nordeuropäische Herkunft in diesen Proben im Durchschnitt 8 % nicht überschritt). Im Allgemeinen scheint dieser Wechsel Teil einer größeren Bevölkerungsbewegung zu sein, die dazu Beitrug, daß in der frühmittelalterlichen Bevölkerung Englands, Ungarns, Italiens und Spaniens nordeuropäische Herkunft hinzu kam.
Roman and Late Iron Age data from Bavaria and Thuringia indicate that parts of the early Iron Age gene pool in southern Germany were not affected until the fourth or fifth century CE (with northern European ancestry not exceeding a median of 8% in these samples). In general, this turnover seems to be part of a larger movement of people, contributing northern European ancestry to the early medieval populations of England, Hungary, Italy and Spain.

Späte Eisenzeit ist 450 v. Ztr. bis 0 v./n. Ztr.. Die Römerzeit beginnt in diesen Regionen ab 50 v. Ztr.. Wenn umfangreichere Genetik aus Norddeutschland (bzw. germanische Genetik) in Bayern und in Thüringen erst ab dem 4. oder 5. Jahrhundert n. Ztr. im Genpool erkennbar wird, hieße das, daß der Zug des elbgermanischen Königs Ariovist nach Süddeutschland und sozusagen Cäsar entgegen ab etwa 70 v. Ztr. noch kaum genetische Spuren in Thüringen und Bayern hinterlassen hat. Die keltische Genetik würde in Süddeutschland, insbesondere südlich des Limes auch noch zur Zeit des Römischen Reiches vorherrschend geblieben sein. Denn dort gab es zu dieser Zeit nur etwa 8 % Herkunft aus dem germanischen, nordeuropäischen Raum. Der grundlegende Wandel kam also erst durch die germanische Völkerwanderung ab 375 n. Ztr. zustande, vergleichbar den zeitgleichen Vorgängen in den anderen genannten europäischen Ländern. Künftige archäogenetische Studien werden die Ankunft der elbgermanischen Stämme in Süddeutschland und Böhmen und ihr Einfluß auf den dortigen Genpool künftig sicherlich zeitlich und räumlich noch genauer aufschlüsseln. 

Wie richtig aber unser Hinweis auf bislang nicht untersuchte frühmittelalterliche Bevölkerungen in Rückzugräumen in Süddeutschland war, zeigen die dann folgenden Ausführungen (1):

Die Herkunft der meisten heutigen Deutschen liegt auf der Mitte zwischen der Herkunft der hallstattzeitlichen und frühmittelalterlichen süddeutschen Cluster, was auf ein Wiederanwachsen der stärker von anatolisch-neolithisch Herkunft bestimmten Abstammung insbesondere in Süddeutschland schließen läßt.
Most present-day Germans fall between the Hallstatt and early medieval southern German clusters, suggesting a resurgence of EEF-enriched ancestry, especially in southern Germany.

Die keltische Herkunft nahm also wieder von 38 % auf 55 % zu. Darin mag sich widerspiegeln, daß es wichtige Bevölkerungsteile gab, die durch die germanischen Reihengräberfelder der Landnahmezeit gar nicht repräsentiert wurden (1):

Dies zeigt sich auch in den uniparental weitergegebenen Y-Chromosomen. Wir stellen fest, daß der Hallstatt-Y-Chromosom-Genpool von den Linien R1b-M269 und G2a-P303 dominiert wird, wobei die Unterhaplogruppe G2a-L497 37 % der Haplotypen in der Stichprobe ausmacht (...). Interessanterweise stellen wir fest, daß Personen mit Haplogruppe G2a-L497 (z. B. MBG017, MBG016 und HOC004) deutlich mehr südeuropäische Vorfahren aufweisen als Personen mit Haplogruppe R1b-M269 (z. B. HOC001, APG001 und MBG003) (...). Obwohl G2a im heutigen Europa nördlich der Alpen äußerst selten ist, erreicht G2a-L497 immer noch seinen höchste Häufigkeit im Gebiet des ehemaligen West-Hallstattkreises, nämlich Ostfrankreich, Süddeutschland und der Schweiz sowie Norditalien, was einen weiteren Beweis für ein Überleben oder Wiederaufleben der Hallstatt-Herkunft aus der Eisenzeit in diesen Regionen darstellt
This is also indicated by uniparental Y-chromosome evidence. We find that the Hallstatt Y-chromosome gene pool is dominated by R1b-M269 and G2a-P303 lineages, with subhaplogroup G2a-L497 accounting for 37% of the haplotypes in the sample (Supplementary Table 1.1). Interestingly, we find that individuals with haplogroup G2a-L497 (for example, MBG017, MBG016 and HOC004) exhibit significantly more southern European ancestry than individuals carrying haplogroup R1b-M269 (for example, HOC001, APG001 and MBG003) (two-sided Welch two-sample t-test; t = 2.878, d.f. 13.812, P = 0.0123). Although G2a is exceedingly rare in present-day Europe north of the Alps, G2a-L497 still peaks in the area of the former West-Hallstattkreis, namely eastern France, southern Germany, and Switzerland53 as well as northern Italy, thus providing additional evidence for a survival or resurgence of Hallstatt Iron Age ancestry in those regions. 

Es heißt dann weiter (1):

Die meisten heutigen Deutschen können als Drei-Wege-Mischung von Herkunft aus der süddeutschen Frühen Eisenzeit (54,5 ± 2%), Herkunft aus dem römerzeitlichen Norddeutschland (33,8 ± 2,5%) und einer dritten, nordosteuropäischen Quelle (hier bronzezeitliches Lettland, 11,7 ± 1,2%) modelliert werden, die eine weitere Einmischung darstellt, die erst nach dem ersten Vermischungsereignis eingeführt wurde und möglicherweise mit slawischsprachigen Bevölkerungen zusammenhängt, die im Mittelalter nach Ostdeutschland einwanderten.
Most present-day Germans can be modelled as three-way admixture between SGermany_EIA (54.5 ± 2%), NGermany_Roman (33.8 ± 2.5%) and a third, northeastern European source (here Latvia_BA, 11.7 ± 1.2%) representing further admixture introduced after the initial admixture event, potentially connected to Slavic-speaking populations migrating into eastern Germany during the Middle Ages.

Das hieße, die Herkunft der heutigen Menschen in Süddeutschland würde sich folgendermaßen zusammen setzen:

  • 55 % keltisch
  • 34 % germanisch und 
  • 12 % slawisch.

Das haben wir Süddeutschen, Österreicher und Schweizer nun davon. Wir sind genetisch viel keltischer, als wir bislang angenommen hatten. Immerhin bleiben uns 34 % germanische Herkunft!!! All das dürfte sich in Norddeutschland und Nordeuropa deutlich anders verhalten.

Hier wird übrigens vorausgesetzt, daß sich eine typisch slawische Herkunft ausgerechnet im bronzezeitlichen Lettland gefunden hätte. Lettisch ist aber keine slawische, sondern eine baltische Sprache. War die Herkunft von Balten und Slawen gar nicht so unterschiedlich? Die Geschichte Ostmitteleuropas aus Sicht der Archäogenetik wird sicher in näherer Zukunft abschließender geklärt werden.

Ansonsten wartet die neue Studie mit der Klärung von Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb der reichsten Fürstenfamilien der süddeutschen Kelten auf - reich gemessen an der Ausstattung der Fürstengräber. Verwandtschaft über die mütterliche Linie über weitere Regionen Südwestdeutschlands hinweg spielte hier eine unerwartete Rolle. Es finden sich auch Fürsten mit Kindern bestattet, mit denen sie genetisch gar nicht verwandt waren. Hatten sie Pflegekinder aufgenommen? Spielte das Stellen von Geiseln eine Rolle (wie es auch in germanischer Zeit eine so wesentliche Kulturpraktik war)?

Abb. 3: Ein Kelte oder Germane übergibt Augustus ein Kind als Geisel, geprägt 8 v. Ztr. (Wiki , s.a. Wiki)

Einheiraten aus der Region südlich der Alpen spielten bei der Ausbildung dieser süddeutschen, keltischen Fürstenelite ebenfalls eine Rolle (1):

Die frühe keltische Elite dieser Netzwerke entstand aus einem langfristigen populationsgenetischen Prozeß der fortwährenden Vermischung mit koexistierenden Gruppen in Südeuropa, die zuvor weniger Genfluß von Steppenpopulationen erfahren hatten. In diesem Zusammenhang betonen wir unsere Entdeckung, daß die früheste Elitebestattung in der Region aus dem zentralen Grab des Magdalenenbergs aus dem Jahr 616 v. Ztr. sowie seine Verwandten Hinweise auf eine Abstammung südlich der Alpen aufweisen, was auf eine führende Rolle dieser Verbindung bei der anfänglichen Entstehung der frühkeltischen Hallstattkultur hindeuten könnte. Kulturelle Verbindungen über die Alpen hinweg bleiben auch in der materiellen Kultur dieser Elitegräber über Jahrhunderte hinweg erhalten. Die komplexen politischen Strukturen zerfielen jedoch im fünften und vierten Jahrhundert v. Ztr. und wurden schließlich aufgegeben. Genetische Ausreißer aus dieser und früher veröffentlichten Studien legen nahe, daß anschließend auf dem Höhepunkt der keltischen Migrationen im vierten und dritten Jahrhundert v. Ztr. nicht nur „Kelten“ wanderten, sondern daß zumindest eine begrenzte Anzahl von Menschen aus dem nördlichen Mitteleuropa die südliche Zone der Latène-Kultur und sogar Norditalien erreichte, möglicherweise in Verbindung mit historisch bezeugten Völkern wie den Kimbern und Teutonen.
The early Celtic elite of these networks emerged from a long-term population genetic process of ongoing admixture with coexisting groups in southern Europe who previously experienced less gene flow from Steppe-related populations38,42. In this context, we highlight our finding that the earliest elite burial in the region from the central grave of the Magdalenenberg at 616 BCE, as well as his relatives, show evidence of ancestry from South of the Alps, which might suggest a leading role of this connection in the initial formation of the early Celtic Hallstatt culture. Cultural links across the Alps are also preserved in the material culture of these elite graves throughout centuries10,12,39. However, the complex political structures disintegrated in the fifth and fourth century BCE and were ultimately abandoned. Genetic outliers from this and previously published studies suggest that, subsequently, at the height of the Celtic migrations during the fourth and third century BCE, not only ‘Celts’ migrated, but at least a limited number of people from northern central Europe reached the southern zone of the La Tène culture and even northern Italy74, possibly associated with historical entities like the Cimbri and Teutones.

Südlich der Alpen lebten Keltenstämme, die den ihnen südlich benachbarten Etruskern und Römern allerhand Sorgen bereiteten und eine nicht unbeträchtliche Rolle in der Frühgeschichte Roms spielen (Wiki), insbesondere im Jahr 387 v. Ztr. (Wiki), als der keltische Feldherr Brennus sieben Monate lang Rom belagerte (Wiki), und als die berühmten schnatternden Gänse die Römer vor einem nächtlichen Überfall aus das Kapitol warnten. Die Römer kauften sich von der Belagerung frei (Wiki):

Der Legende nach warfen die Römer bei der Auswägung dieses Lösegelds Brennus vor, falsche Gewichte zu benutzen. Daraufhin soll Brennus mit den Worten „Vae victis!“ (dt. „Wehe den Besiegten!“) zusätzlich noch sein Schwert in die Waagschale geworfen haben, so daß diese nun noch mehr Gold zahlen mußten. Der Ausspruch wurde sprichwörtlich und wurde später etwa von Plautus und Plutarch zitiert. Der materielle Schaden für den römischen Staat war weitaus geringer als der immaterielle. Das Selbstbewusstsein war erschüttert; die Keltenangst blieb auf Jahrhunderte hinaus ein wichtiger Faktor in der römischen Außenpolitik.

Ja, ja, damals - als "wir" Kelten die standhaften, erzfesten Römer zum Erzittern brachten. Was für Zeiten. Wenn doch heute endlich einmal wieder die Gänse schnattern würden - und die Menschen zum Aufwachen bringen würden ....   

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*) Was die Forschungsergebnisse betrifft, die im Titel der Studie angesprochen sind, kann man diese auch der Wissenschaftspresse entnehmen (MDR):

Die Schwester des Hochdorfer Fürsten war die Mutter des Asperger Fürsten.

Beide Grabhügel liegen zehn Kilometer voneinander entfernt. Und (StutZtg):

Zudem wurden in zwei etwa hundert Kilometer - und damit ungewöhnlich weit - voneinander entfernten Grabstätten Menschen gefunden, die wahrscheinlich ebenfalls über die mütterliche Linie verwandt waren. Möglicherweise handele es sich um Urgroßmutter und Urenkel, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler schließen daraus, daß es in den keltischen Gesellschaften eine matrilineare dynastische Erbfolge gegeben haben könnte. Reichtum und Macht wurden also jeweils über die mütterliche Abstammungslinie vererbt, nicht wie häufig über die väterliche. Zudem seien die Elitefamilien vermutlich über ein weites geografisches Gebiet von der Iberischen Halbinsel bis nach Südwestdeutschland verbunden gewesen.

Dazu könnte auch der Sklavenhandel beigetragen haben, der zwischen Böhmen, Manching und dem heutigen Basel in der Zeit vor Cäsar den "Sklavenmangel" im Römischen Reich deckte (worauf wir in einem künftigen Beitrag zu sprechen kommen wollen). Daß die heutigen Menschen in Süddeutschland zu 55% von den Kelten abstammen, ist den Wissenschaftsjournalisten keine Erwähnung wert. Dabei wertet doch gerade diese Mitteilung das Thema Kelten insgesamt unglaublich auf.

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  1. Gretzinger, J., Schmitt, F., Mötsch, A. et al., Wolfram Schier, Dirk Krausse, Johannes Krause & Stephan Schiffels: Evidence for dynastic succession among early Celtic elites in Central Europe. Nat Hum Behav (2024). https://doi.org/10.1038/s41562-024-01888-7, Published 03 June 2024