Mittwoch, 15. Mai 2024

70 % Urvolk-Genetik von der Mittleren Wolga - Das sind unsere unmittelbaren Vorfahren, die Jamnaja

Zur Ethnogenese der zweiten Welle der Kurgan-Kultur (4000 v. Ztr.)
Das sind wir: 70 % Genetik des Urvolks von der Mittleren Wolga, 20 % zusätzliche Genetik iranisch-anatolisch-neolithischer Menschen der Kalmücken-Steppe nördlich des Kaukasus und 10 % Genetik westeuropäischer Jäger-Sammler, die sich seit dem Mesolithikum in der Dnjepr-Donez-Kultur zwischen Don und Dnjepr eingemischt hatte
- Grazile indogermanische Kalmücken-Steppen-Hirten treffen auf großgebaute Jäger und Sammler der Dnjepr-Donez-Kultur
Wir Indogermanen der zweiten Ausbreitungswelle haben eine zweite, kompliziertere Ethnogenese durchlaufen
- Genetik der Steppen-Maikop-Kultur vermischte sich dabei ab 4.000 v. Ztr. mit der Genetik ukrainischer Jäger und Sammler der Dnjepr-Donez-Kultur
- Die Ethnogenese des sekundären Urvolkes der Indogermanen innerhalb der Sredni-Stog- und der Jamnaja-Kultur
- 1200 Jahre nach Entstehung des Kurgan-Volkes an der Mittleren Wolga

Zusammenfassung: Vorauszusetzenderweise "indogermanisierte" Menschen der Kurgan-Kultur in der Kalmücken-Steppe mit 60 % Herkunft von der Mittleren Wolga und 40 % iranisch-anatolisch-neolithischer Herkunft (Menschen der Vor-Steppen-Maikop-Kultur) breiteten sich demographisch(-genetisch) nach Nordwesten über den Don bis zum Dnjepr hin aus und vermischten sich mit den dort einheimischen ukrainischen Jägern und Sammlern der Dnjepr-Donez-Kultur. Diese trugen etwa zur Hälfte westeuropäische und zur anderen Hälfte osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft in sich. 
Die Menschen aus der Kalmücken-Steppe trugen vier Fünftel der Herkunft des neuen Volkes bei, die Menschen zwischen Don und Dnjepr ein Fünftel.
Die Menschen der Vor-Steppen-Maikop-Kultur näherten sich durch diese Vermischung genetisch wieder dem Urvolk an der Mittleren Wolga an, das sich dabei bildende Urvolk jener Indogermanen, von dem wir heute abstammen, trug am Ende seiner Ethnogenese nämlich grob 35 % osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik in sich, 10 % westeuropäische Jäger-Sammler-Genetik und etwa 55 % zusätzliche iranisch-anatolisch-neolithische Genetik.
Eine in ihrer Art für Europa vergleichsweise "typische" mittelneolithische Ethnogenese mit dem Unterschied, daß wir es hier nicht vornehmlich mit einer Kultur von Getreidebauern zu tun haben, sondern mit einer Kultur von mächtigen Steppenhirten-Fürsten, die ihren Vieh-Reichtum, ihre Zeugungs- und Kriegsfähigkeit auf Grabstelen dokumentierten (Abb. 1).

Abb. 1: Die älteste Eigendarstellung unserer direkten genetischen, kulturellen und sprachlichen Vorfahren - Die Kernosovsky-Stele (Wiki) aus der Zeit um 3.000 v. Ztr, gefunden 1973 88 km nordöstlich von Dnjeprpetrovsk (Wiki) (GMaps) (Fotograf: John Bedell)

Oder, anders zusammengefaßt: 2019 war hier auf dem Blog ein vielgelesenen Blogartikel veröffentlicht worden mit dem Titel "Es ist 'amtlich' - Das Urvolk der Indogermanen war die Chwalynsk-Kultur um 4.500 v. Ztr. an der Mittleren Wolga" (Stgen2019). Soweit übersehbar, ist an den damaligen Erkenntnissen nichts zu ändern. Was damals allerdings noch gar nicht verstanden war: Wir heutigen Indogermanen haben noch eine zweite Ethnogenese durchlaufen, und zwar zwischen Don und Dnjepr. Deshalb sind wir heutigen Indogermanen sowohl Nachkommen von grazileren Menschen der Steppen-Maikop-Kultur nördlich des Kaukasus als auch von groß und kräftig gebauten Menschen der Dnjepr-Donez-Kultur an Don und Dnjepr. 

Man wird grob sagen können: Zu 70 % stammen wir von Genetik ab, die der des Urvolk der Indogermanen an der Mittleren Wolga glich, zu 20 % von zusätzlicher iranisch-anatolisch-neolithischer Genetik der Menschen der Kalmücken-Steppe nördlich des Kaukasus und zu 10 % von westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik, die sich schon im Mesolithikum bis in die Dnjepr-Donez-Kultur zwischen Don und Dnjepr ausgebreitet hatte.  

*** 

"Sehen wir uns ins Gesicht. Wir sind Hyperboreer - wir wissen gut genug, wie abseits wir leben. "Weder zu Lande noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperboreern finden": das hat schon Pindar von uns gewußt. Jenseits des Nordens, des Eises, des Todes - unser Leben, unser Glück ... Wir haben das Glück entdeckt, wir wissen den Weg, wir fanden den Ausgang aus ganzen Jahrtausenden des Labyrinths. Wer fand ihn sonst? - Der moderne Mensch etwa? - "Ich weiß nicht aus noch ein; ich bin alles, was nicht aus noch ein weiß" - seufzt der moderne Mensch ... An dieser Modernität waren wir krank - am faulen Frieden, am feigen Kompromiß, an der ganzen tugendhaften Unsauberkeit des modernen Ja und Nein. Diese Toleranz und largeur des Herzens, die alles "verzeiht", weil sie alles "begreift", ist Schirokko für uns. Lieber im Eise leben, als unter modernen Tugenden und andern Südwinden! ... Wir waren tapfer genug, wir schonten weder uns noch andere: aber wir wußten lange nicht, wohin mit unsrer Tapferkeit. Wir wurden düster, man hieß uns Fatalisten. Unser Fatum - das war die Fülle, die Spannung, die Stauung der Kräfte. Wir dürsteten nach Blitz und Taten, wir blieben am fernsten vom Glück der Schwächlinge, von der "Ergebung"... Ein Gewitter war in unsrer Luft, die Natur, die wir sind, verfinsterte sich - denn wir hatten keinen Weg. Formel unsres Glücks: ein Ja, ein Nein, eine gerade Linie, ein Ziel ..."
(Friedrich Nietzsche, Anfangsworte der Schrift "Der Antichrist - Fluch auf das Christentum" von 1889) 

Dieser Mythos von den Hyperboreern, immer wieder wird man an ihn erinnert, wenn man sich mit der Urheimat, bzw. den Urheimaten der Indogermanen beschäftigt. Insofern sei dieses klassische Zitat von Friedrich Nietzsche auch einmal erneut an den Beginn des vorliegenden Aufsatzes gestellt. Es sagt genug über "uns", über uns Indogermanen. 

Abb. 2: Ein Kurgan als Beispiel (Wiki) - Im Oblast Odessa nahe des Dorfes Mykhailopil, fotografiert von Yuriy Kvach

Ethnogenesen scheinen sich während des Neolithikums in der Regel am Rande der jeweiligen zivilisierten, bäuerlichen, vollseßhaften Welt vollzogen zu haben. Die Ethnogenese der Bandkeramik im Wiener Becken fand etwa statt am damaligen Nordrand der bevölkerungsreichen Stracevo-Körös-Dorfkultur des Balkans. Die Ethnogenesen zahlreicher mittelneolithischer Kulturen fanden statt durch Vermischung von vormaligen Bandkeramikern mit von diesen zuvor marginalisierten, noch aus dem Mesolithikum stammenden, ursprünglicher in Europa einheimischen Randbevölkerungen aus abgelegenen Mittelgebirgsregionen.

Ethnogenesen am Rande der "zivilisierten" Welt

Und in vergleichbarer Weise fanden auch die Ethnogenesen der ersten und der zweiten Welle der indogermanischen Ausbreitung jeweils in nördlichen Randbereichen der damaligen "zivilisierten" Welt, sowie ihrer Königreiche und Herrschaftszentren statt. Von diesen Randbereichen aus eroberten dann jeweils neu entstandene, dynamische Völker ganze Königreiche. So findet sich die Genetik der ersten Welle der Ausbreitung der - vermutlich schon indogermanischen - Kurgan-Kultur spätestens ab 4.000 v. Ztr. auch in der reichen Cucuteni-Tripolje-Dorfkultur der Ukraine und in den Dorf-Kulturen an der Donau-Mündung. 

Aber die vielleicht bedeutendste Hervorbringung dieser ersten indogermanischen Ausbreitungsbewegung war die Maikop-Kultur (4000 bis 3000 v. Ztr.) (Wiki) nördlich und südlich des Kaukasus. Aus dieser ist dann südlich des Kaukasus die so weit verbreitete Kura-Araxes-Kultur hervor gegangen, deren Menschen nach neuester Erkenntnis auch kleine Anteile von indogermanischer Steppen-Genetik in sich trugen (1). Die Menschen der Vor-Maikop-Kultur breiteten sich ab etwa 4.000 v. Ztr. nach Don und Dnjepr aus und bildeten dort die Sredni-Stog- und die Jamnaja-Kultur. Ab 3.500 v. Ztr. setzte das Königreich der Maikop-Kultur zur Eroberung des - oder der - Königreiche der Cucuteni-Tripolje-Kultur in der Ukraine an (Stgen2022).

Soweit archäologisch übersehbar, haben sich die Menschen der Jamnaja-Kultur an diesem Eroberungszug nicht beteiligt, wurden von diesem aber auch nicht behelligt. Nachdem allerdings sowohl die Cucuteni-Tripolje-Kultur wie die Maikop-Kultur untergegangen waren, beerbten die Jamnja von Don und Dnjepr, unsere unmittelbaren indogermanischen Vorfahren, diese weiten Regionen und traten in der Folge ihren Siegeszug über die Welt hin an. Nachdem wir also im August 2019 titelten (Stgen2019):

"Es ist 'amtlich' - Das Urvolk der Indogermanen war die Chwalynsk-Kultur um 4.500 v. Ztr. an der Mittleren Wolga" 

haben wir nun Grund zu titeln:

"Das sind wir: Steppen-Maikop-Kultur vermischt sich erneut mit ukrainischen Jägern und Sammlern"

"Wir", so wissen wir heute, seit April 2024, entstanden durch Ausbreitung von - vorauszusetzenderweise indogermanisierten - Menschen der Chwalynsk-Kultur, bzw. der Vor-Maikop-Kultur aus der Kalmücken-Steppe (rund um den Fundort Remontnoye) an den Don und über den Don hinaus bis zu Fundorten wie (s. Abb. 3):

  • Vinogradnoe an der Molotschna, 
  • Igren am Djnepr und 
  • Oleksandria im Donez-Gebiet.

Dort lebten unsere unmittelbaren Vorfahren in genetischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht. Also in der einstigen Heimat der Don-Kosaken (Wiki, engl). "Jenseits des Eises, des Nordens, des Todes" - wie Nietzsche sagte. Aberseits der großen Zentren der damaligen "Zivilisation". 

Abb. 3: Die Jamnaja-Indogermanen entstanden durch Ausbreitung von Menschen der Chwalynsk-Kultur aus der Region rund um den Fundort Remontnoye in der Kalmücken-Steppe an den Don und über den Don hinaus bei zu Fundorten wie Vinogradnoe an der Molotschna, Igren am Djnepr und Oleksandria im Donez-Gebiet - Diese letztere Region zwischen Don und Dnjepr ist die Urheimat der zweiten Welle der Indogermanen ab dem 4. Jahrtausend v. Ztr.

"The Genetic Origin of the Indo-Europeans" heißt der neue Aufsatz aus dem Archäogenetik-Labor von David Reich, online gestellt am 18. April 2024 (1). Zwar enthält der Aufsatz grundlegend neue Erkenntnisse. Er ist aber von seiner Verständlichkeit her so grottenschlecht geschrieben wie selten ein archäogenetischer Aufsatz der letzten Jahre. Wir brauchten mehrere Wochen, um die für uns wesentlichsten Neuerkenntnisse und Zusammenhänge heraus zu destillieren. Erst durch einen Blick in den Anhang und durch gezielte Fragen in bestimmte Richtungen hin klärte sich uns das Bild.

Die Studie befaßt sich mit dem Modellieren von Herkunftspopulationen der Menschen der Jamnja-Kultur. Offenbar sind noch zu wenige Menschenfunde aus der Steppenregion und verschiedener Zeitstufen genetisch sequenziert worden, so daß aufwendige Überlegungen zu diesen Herkunftspopulationen im Aufsatz notwendig sind. Die Herkunft der Jamnaja weist nun aber nach derzeitigem Stand am ehesten zurück auf Menschenfunde in der Kalmücken-Steppe rund um den Fundort Remontnoye.

Abb. 4: Die erste Welle der der Indogermanen (der Chwalynsk-Kultur) ab 4.500 v. Ztr., abgelesen an der Verbreitung der Wildpferdekopf-Zeptern (nach Vladimir Dergacev, aus: Stgen2019)

Was uns an dieser Studie über Wochen am meisten verwirrte: Der osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunftsanteil (EHG-Herkunftsanteil) galt der Forschung bislang als der eindeutigste und unfehlbarste Hinweis auf "Steppengenetik", zumal im Vorderen Orient, wo der iranisch-neolithische Herkunftsanteil ja auch sonst auftritt und deshalb nicht zu gebrauchen ist, um Steppen-Genetik von Bauern-Genetik zu unterscheiden. Im Haupttext dieser Studie ist aber nun verzweifelt wenig - oder gar nicht - vom osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunftsanteil die Rede, etwa was die Herkunft der Menschen der Maikop-Kultur nördlich des Kaukasus betrifft ("Steppen-Maikop"), sowie von deren Vorläufern. Dieser Anteil ist auch in Grafiken des Haupttextes für die Maikop-Kultur - merkwürdigerweise - gar nicht dargestellt. Erst indem wir in den Text des Anhangs ("Supplement") blicken, finden wir ihn nach längerer Suche mit dem Suchwort "EHG" angemessen erwähnt. Dieses Zitat sei deshalb als erstes angeführt (1, Suppl, S. 151):

Es gab eindeutig Populationen mit erheblicher „EHG“-Abstammung am Fuße des Nordkaukasus (Piedmont) selbst (Wang et. al. 2019) und die Grenze - oder genauer gesagt, die Übergangszone - zwischen „südlichen“ und „nördlichen“ Populationen ist unbekannt und befand sich möglicherweise nicht in der Steppe selbst. Dieser Übergang könnte irgendwo entlang der geografischen Kluft zwischen den kaukasischen Jägern und Sammlern Georgiens (südlich des Kaukasus) und den Jägern und Sammlern der pontisch-kaspischen Steppe stattgefunden haben. (...) Wir können neu verfügbare Daten über (...) Jäger-Sammler und Herdenhalter Osteuropas nutzen, um besser zu verstehen, wie die Steppe vor der Entstehung der Jamnaja genetisch aussah und wie die Jamnaja selbst entstanden.
There were clearly populations of substantial “EHG” ancestry on the North Caucasus piedmont itself and the boundary—or more accurately, transition zone—between “south” and “north” populations remains unknown and may have not been on the steppe itself. This transition may have occurred somewhere along the geographical gap between the Caucasus hunter-gatherers of Georgia (south of the Caucasus) and the hunter-gatherers of the Pontic-Caspian steppe. (...) We can use newly available data on (...) hunter-gatherers and pastoralists of Eastern Europe to better understand what the steppe was like genetically before the emergence of the Yamnaya, and how the Yamnaya themselves appeared.

Die Vorgänger-Bevölkerung der Steppen-Maikop-Kultur entspricht grob auch jenen vier Fünfteln Herkunftsanteilen, die zur Ethnogenese der Jamnaja beigetragen haben - so die Studie. Deshalb ist diese Angabe so wesentlich. In der Literaturanmerkung zu diesem Text bezieht man sich auf die Wang et. al.-Studie von 2019, die wir andernorts ausgewertet hatten (Stgen2022). Aus dieser entnehmen wir die nachfolgende Grafik (Abb. 5). In ihr sind die Herkunftsverhältnisse innerhalb der Maikop-Kultur nördlich des Fußes des Kaukasus ("Steppen-Maikop") (oben) und südlich des nördlichen Fußes des Kaukasus (unten) dargestellt. 

Abb. 5: Das Steppen-Cluster oben, das Kaukasus-Cluster (Vorläufer der Maikop-Kultur, diese selbst, sowie Kura-Araxes-Kultur) unten, beide deutlich voneinander zu unterscheiden. Ebenso sind Vermischungen zwischen beiden in der Späten Majkop-Kultur zu erkennen (Wang 2019) - Herkunftsanteile: osteurop. Jäger-Sammler blau, anatol.-neolithisch orange, iranisch.neolithisch grün, Es wird vor allem die Jahrtausende lange genetische Grenze zwischen beiden Clustern deutlich

Nördlich des nördlichen Fußes des Kaukasus hatten die Menschen der dortigen Steppen-Maikop-Kultur etwa 30 % osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft, südlich davon zwischen 5 und 15 Prozent. (Das entspricht ungefähr auch den Verhältnissen des Anteils der Ausbreitung von Steppengenetik nach Griechenland oder nach Italien hinein ab 2.400 v. Ztr.. Allerdings eben dann innerhalb der zweiten indogermanischen Ausbreitungswelle aus vergleichsweise anderen genetischen Wurzeln heraus, die es im vorliegenden Aufsatz zu verstehen gilt.) 

Die Population zwischen Kaukasus und Unterer Wolga wird in der Studie "CLV-Population" genannt. Sie trug vier Fünftel zur Herkunft der Jamnaja bei, die Dnjepr-Jäger-Sammler trugen ein Fünftel der Herkunft bei. Die Dnjepr-Jäger-Sammler trugen etwa zur Hälfte osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik in sich, die CLV-Population trug osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft zu etwa 30 % in sich. Die CLV-Population trug außerdem zu 70 % iranisch-anatolische Genetik in sich. Bei den Jamnaja hat sich also die osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft durch die Vermischung mit den ukrainischen Jägern und Sammlern wieder etwas erhöht, grob auf etwa 35 %. Außerdem kam westeuropäische Jäger-Sammler-Genetik mit etwa 10 % hinzu.

Zur kulturellen Seite dieser Ethnogenese kann aktuell nichts anderes gesagt werden, als daß die Steppen-, bzw. Kurgan-Kultur der CLV-Population in der Jamnaja-Kultur ihre Fortsetzung gefunden hat. Es ist wohl naheliegend, beide als indogermanische Kulturen anzusprechen, wobei allerdings nun sehr viel deutlicher hervor tritt, daß die von der Sprachwissenschaft rekonstruierte urindogermanische Sprache vermutlich nicht von den Menschen der Chwalynsk-Kultur, sondern von den Menschen der Jamnaja-Kultur gesprochen wurde. 

Abb. 6: Die Ethnogenese der Jamnaja (Grafik von Razib Khan)

Es wäre nun noch einmal gesondert der Frage nachzugehen, welchen Beitrag, welche Komponente die ukrainischen Jäger und Sammler kulturell-sprachlich zur Ethnogenese der Jamnaja beigesteuert haben. Es müßte sich um eine Komponente handeln, die es zuvor bei der CLV-Population in der Kalmücken-Steppe nicht gegeben hat.

Ergänzung 18.5.24: Noch viel klarer werden die Forschungsergebnisse, wenn wir in die parallele zweite Forschungsstudie derselben Forschungsgruppe rund um David Reich hineinschauen, die die genetische Geschichte der Nordschwarzmeer-Region untersucht, soweit sie unter dem Einfluß der Bauern der Cucuteni-Tripolje-Kultur und ihrer Vorfahren stand (Biorxiv2024). Diese Studie werden wir in einem weiteren Blogartikel auswerten.

Abb. 6: Die Herkunftsanteile der Jamnaja und anderer Völker (Biorxiv2024) 

Allerdings finden wir hier in der Grafik in Abbildung 6 die Ergebnisse auch der parallelen Studie zur Ethnogenese der Jamjana übersichtlicher dargestellt als in dieser selbst. Im oberen Teil dieser Grafik sehen wir vor allem gelbe und rosa Herkunftsanteile. Das ist anatolisch-neolithische Herkunft (gelb) vermischt mit Kaukasus-neolithischer Herkunft (rosa), die sich beide innerhalb von Anatolien schon vergleichsweise früh miteinander vermischt haben. Im mittleren Teil sehen wir vor allem blaue und braune Herkunftsanteile. Das ist Balkan-Jäger-Sammler-Genetik (blau) vermischt mit osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik (braun). (Offensichtlich wird hier Balkan-Jäger-Sammler-Genetik mit westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik gleich gesetzt.) Wir sehen nun, daß in der Ukraine (in der Großsiedlung Deriivka) vergleichsweise früh kaukasisch-anatolische Genetik (vermutlich) aus der Kalmücken-Steppe nördlich des Kaukasus hinzu kommt (sowie auch schon früh vom Balkan her, indem sich von dort Jäger-Sammler, die schon diese Komponente in sich trugen, nach Osten ausbreiteten). 

Wir sehen, daß sich zugleich an der Mittleren Wolga zu gleichen Anteilen osteuropäische und Kaukasus-neolithische Genetik miteinander vermischen (braun und rosa) (Klopkhov Bugor, BPgroup und BV group), und sich bis an die Untere (Giurgilesti) und die ungarische Donau (Csonograd) ausbreiten.

In Remontnoye in der Kalmücken-Steppe sehen wir, wie sich dieser Herkunftsanteil des Urvolks der Indogermanen von der Mittleren Wolga mit der Kaukasus-anatolischen Genetik der Menschen der Kalmücken-Steppe mischt. Sie haben nun etwa 30 % osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik vom Chwalynsk-Urvolk und entsprechende weitere 30 % Kaukasus-neolithische Genetik von diesem. Sie haben weiterhin 20 % anatolisch-neolithische Genetik und 20 % Kaukasus-neolithische Genetik vom Volk der Kalmückensteppe. Die Herkunft setzt sich nun zusammen aus 60 % Chwalynsk-Urvolk-Genetik und 40 % Kaukasus-anatolischer Genetik der Kalmücken-Steppe. 

Diese Völkerschaften vermischen sich nun zusätzlich noch zu 20 % mit Jäger-Sammler-Genetik aus dem Don-Dnjepr-Gebiet - und wir haben das Urvolk der Jamnaja und ähnliche bronzezeitliche Völker der Nordschwarzmeer-Region, die nun alle etwa 45 % Jäger-Sammler-Genetik und 55 % anatolisch-kaukasisch-neolithische Genetik in sich tragen, wobei bei der Jäger-Sammler-Genetik beider Herkunftsanteile die osteuropäische mit etwa 35 % vorherrscht (vermischt mit 10 % westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik), während bei der Bauern-Genetik beider Herkunftsanteile die kaukasisch-neolithische mit etwa 35 % vorherrscht, vermischt mit etwa 20 % anatolisch-neolithischer Genetik. Das sind alle Völker des untersten Teils der Grafik. (Ende Einschub)

Die Jamnaja formten sich zu einer Zeit, als in der Steppe nördlich des Kaukasus sich die Maikop-Kultur formte. Letztere bewahrte dabei die genetische Kontinuität zu den Menschen der vorangehenden Chwalynsk-Kultur. Ohne alle Einzelheiten zu den genannten genetischen Gruppen und Untergruppen erläutern zu wollen, wollen wir hier nur wenige Auszüge aus dem Haupttext der Studie auf uns wirken lassen (1):

Die Jamnaja liegen am Rande des genetischen Dnjepr-Gradienten und haben weniger den ukrainischen Jägern und Sammlern nahestehende Vorfahren als andere Populationen; daher können sie nicht allein anhand dieser Abstammung modelliert werden, sondern müssen über eine zweite Abstammungsquelle verfügt haben. Wir fanden heraus, daß das einzige konsistent passende (p=0,67) Zwei-Wege-Modell für die Kern-Jamnaja 73,7 % ± 3,4 % SShi-Untergruppe der Sredni-Stog-Population und 26,3 % +/- 3,4 % einer Population umfaßte, die durch eine Stichprobe von zwei Personen repräsentiert wird aus äneolithischen Grabstätten in Sukhaya Termista I (I28682) und Ulan IV (I28683), datiert auf 4152-3637 v. Ztr. in der Nähe des Dorfes Remontnoye, nördlich der Manych-Senke an der Wasserscheide zwischen dem Unteren Don und dem Kaspischen Meer. Die Remontnoye-Population befindet sich weder auf dem Wolga- noch auf dem Dnjepr-Gradienten und ist ihnen weder genetisch nahe, noch bildet sie einen Gradienten (p<1e-10) mit einer anderen einzelnen Vorfahrengruppe. Wir stellten fest, daß es mindestens zwei Quellen gab: eine südliche aus dem Kaukasus - entweder Nachkommen des Aknaschen-Neolithikums in Armenien oder Vorfahren von Menschen der bronzezeitlichen Maikop-Kultur - und eine nördliche aus einer Bevölkerung aus dem unteren EHG Ende des Wolga-Gradienten wie die BP-Gruppe. Die Kaukasus-Komponente beträgt etwa die Hälfte, wenn entweder Aknashen (44,6 ± 2,7 %; p = 0,66) oder Maikop (48,1 ± 2,9 %; p = 0,44) als Ersatz für die südliche Quelle verwendet werden.
The Yamnaya are on the edge of the Dnipro cline, having less UNHG/GK2-related ancestry than other cline populations; thus, they cannot be modeled in terms of them alone (Fig. 1), but must have possessed more of a second source of ancestry. We found that the only consistently fitting (p=0.67) two-way model for the Core Yamnaya involved 73.7±3.4% of the SShi subset of the Serednii Stih population and 26.3 +/-3.4% from a population represented by a sample of two individuals from Eneolithic burial sites at Sukhaya Termista I (I28682) and Ulan IV (I28683), dated 4152-3637 BCE near the village of Remontnoye, north of the Manych Depression on the watershed between the Lower Don and Caspian. The Remontnoye population is on neither the Volga nor Dnipro clines and is neither genetically close (Fig. 1) nor forms a clade (p<1e-10) to any other single sampled population. We determined that it had at least two sources: a southern one from the Caucasus—either descendants of the Aknashen Neolithic in Armenia, or ancestors of people of the Bronze Age Maikop culture—and a northern one from a population from the low-EHG end of the Volga Cline such as the BPgroup. The Caucasus component is about half when using either Aknashen (44.6±2.7%; p=0.66) or Maikop (48.1±2.9%; p=0.44) as the proxy for the southern source.

Das heißt: Schon vor 4.000 v. Ztr. hatten sich Menschen der Vor-Steppen-Maikop-Kultur mit ukrainischen Jägern und Sammlern an Don und Dnjepr vermischt, allerdings nicht durchgängig, da es auch noch unvermischte Jäger-Sammler-Populationen gab. Um 4.000 v. Ztr. lebte nun in der Region um Remontnoye eine Population, die sich von dort in die Region am Unteren Don und darüber hinaus ausbreitete und durch diese Ausbreitung und durch die Vermischung mit Menschen der Sredni-Stog-Kultur das Volk der Jamnaja bildete. 

Abb. 7: Fundorte rund um Remontnoye in der Kalmückensteppe nördlich der Flußsenke des Manytsch - Die russische Archäologin Natalia Shishlina vermutet saisonale Wanderungen den Manytsch hinab zum Unterlauf des Don (aus Shishlina et. al. 2018, entnommen aus: Suppl.)

Im Anhang der Studie findet sich eine Grafik der russischen Archäologin Natalia Shishlina, die sich auch in einem Youtube-Vortrag von ihr findet (Yt1, Yt2), und in der jährliche Wanderungsbewegungen von der Kalmücken-Steppe entlang des Manych-Flusses bis zum Don dargestellt werden (Abb. 7), also ungefähr der Weg, den unsere Vorfahren bei ihrer Ausbreitungsbewegung Richtung Don mit ihren Herden gegangen sein können. Die Ausbreitung der Menschen von Remontnoye erfolgte vor der Ausbildung der Maikop-Kultur (1):

Siedlungen in Meshoko und Svobodnoe aus der Zeit zwischen 4466 und 3810 v. Ztr. stellen eine zeitlich, geografisch und archäologisch plausible Quelle dar, da sie den Austausch von exotischem Stein, Kupfer und steinernen Streitkolbenköpfen mit Fundorten vom Wolga-Gradienten aufweisen und den Kontext für die Expansion von Aknashen-ähnlicher Abstammung nach Norden und Berezhnovka-ähnlicher Abstammung nach Süden bilden. Diese Siedlungen liegen zeitlich früher als Maikop und später als zwei Siedlungen aus dem äneolithischen Unakozovskaya (4607-4450 v. Ztr.) im Nordkaukasus. (...) Somit gab es im Äneolithikum im Nordkaukasus drei Elemente der Abstammung: (i) Die mit Aknashen in Verbindung stehende Abstammung war vorherrschend und repräsentierte die Ausbreitung des Neolithikums von Süden über den Kaukasus hinweg; (ii) es gab einige Unterschiede in der CHG-bezogenen Abstammung, wie der Maikop-Unakozovskaya-Kontrast nahelegt; und (iii) es gab auch einen kleinen Anteil der nördlichen Unterwolga-Abstammung von durchschnittlich etwa einem Siebtel im Maikop. So lebten im Nordkaukasus sowohl Menschen „hoher Steppen“-Abstammung, die genetisch der Berezhnovka-Bevölkerung der Unteren Wolga nahe standen (Individuen bei Progress-2 und Vonyuchka-1), als auch Menschen „niedriger Steppen“-Abstammung Seite an Seite wobei die Abstammung der Unteren Wolga durch den größeren Beitrag des (mit Aknashen zusammenhängenden) Kaukasus-Neolithikums verwässert worden war.
Settlements at Meshoko and Svobodnoe, dated 4466-3810 BCE, provide a temporally, geographically, and archaeologically plausible source, as they exhibit exchanges of exotic stone, copper, and stone mace heads with Volga Cline sites, setting the context for the expansion of Aknashen-like ancestry northward and Berezhnovka-like ancestry southward. These settlements are temporally earlier than Maikop and later than two individuals from Eneolithic Unakozovskaya (4607-4450 BCE, and this study) in the North Caucasus. (...) Thus, there were three elements of ancestry in the North Caucasus in the Eneolithic: (i) Aknashen-related ancestry was dominant, representing the spread of the Neolithic from the south across the Caucasus mountains; (ii) there was some variation in CHG-related ancestry as suggested by the Maikop-Unakozovskaya contrast; and (iii) there was also a small component of northern Lower Volga ancestry of about one seventh in the Maikop on average. Thus, in the north Caucasus there lived, side by side, both “high steppe” ancestry people genetically close to the Lower Volga Berezhnovka population (individuals at Progress-2 and Vonyuchka-1), as well as “low steppe” ancestry people in which the Lower Volga ancestry had been diluted by the greater contribution of the (Aknashen-related) Caucasus Neolithic.

Auch dieses Zitat scheint uns wieder mißverständlich zu sein. Wir hoffen jedenfalls die Studie richtig gedeutet zu haben, wenn wir sagen, daß die Menschen der Vor-Steppen-Maikop-Kultur etwa 30 % osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik in sich trugen. Dieser Umstand ist in diesem Zitat jedenfalls nicht klar heraus gestellt.

Abb. 8: Ethnogenese der Indogermanen - Grafik von David W. Anthony (Herkunft: Twitter)

Weiter lesen wir (1):

Die Remontnoye- und Berezhnovka-Leute wurden wie die Maikop-Leute in Kurganen begraben. Somit war der Kurgan-Bestattungsritus zwischen 5000 und 3000 v. Ztr. unter Menschen unterschiedlicher Abstammung sowohl an den Rändern als auch in der Mitte der CLV-Gradienten weit verbreitet, was darauf hindeutet, daß er - unabhängig von seinem endgültigen Ursprung und ob er kulturell übernommen oder durch Migration verbreitet wurde - weit verbreitet war unter den Menschen der CLV-Region. Im Gegensatz dazu war eine besondere Position des Körpers auf dem Rücken mit angehobenen Knien und einem mit rotem Ocker bedeckten Boden der Grabgrube eine Gemeinsamkeit aller Steppengruppen einschließlich Sredni-Stog, Gruppen des Wolga-Gradienten und Remontnoye, während die Maikop-Bestattung-Haltung nach einer Seite zusammen gezogen war. So verbanden einige Bestattungsbräuche Maikop mit der Steppe, andere trennten sie.
The Remontnoye and Berezhnovka people, like the Maikop people, were buried in kurgans. Thus, the kurgan burial rite was widespread 5000-3000 BCE among people of diverse ancestry from both the edges and middle of the CLV Cline, suggesting that—regardless of its ultimate origin and whether it was culturally adopted or spread by migration—it was common among the people of the CLV region. In contrast, a distinctive position of the body on the back with knees raised and the floor of the burial pit covered with red ochre was shared by all the steppe groups including Serednii Stih, groups on the Volga Cline, and Remontnoye, while the Maikop burial position was contracted on one side. Thus, some funeral customs united Maikop with the steppes and others separated them.

Man wird zunächst voraussetzen können, daß sich in diesen Umständen eine gemeinsame Kultur und damit wohl doch auch Sprache widerspiegelt. Wir lesen weiter (1):

Die Entdeckung des CLV-Gradienten ermöglicht eine Lösung der Frage nach dem Ursprung des Dnjepr-Gradienten und damit der genetischen Ursprünge der Jamnaja. Die meisten ihrer Vorfahren waren Menschen des CLV-Gradienten, ähnlich wie die untersuchten Remontnoye-Individuen. Diese CLV-Vorfahren wurden in die Dnjepr-Don-Region gezogen und vermischten sich mit dortigen lokalen Gruppen, um das Volk der Sredni-Stog und schließlich der Jamnaja zu bilden. Es muß betont werden, daß die CLV- und Dnjepr-Don-Quellen nicht unbedingt mit den untersuchten Remontnoje- und SShi-Populationen identisch sein müssen oder in der Nähe der Fundorte dieser beiden Populationen gelebt haben müssen. Der Dnipro-Gradient kann durch ein 3-Wege-Modell angepaßt werden, in dem sich die GK2 mit Gruppen gemischter Aknashen- und Berezhnovka-Abstammung vermischt. (...) Eine vollständige Untersuchung von 3-Wege-Modellen (Ergänzende Informationen, Abschnitt 2) zeigt, daß die Jamnaja aus verschiedenen (aber ähnlichen) entfernten Ursprungspopulationen entstanden sein könnten, zu denen Populationen (i) des Neolithikums oder Chalkolithikums aus Armenien und Aserbaidschan gehören, die das „Kaukasus-Neolithikum“ darstellen, (ii) GK2, UNHG oder Sredni Stog, die das Dnjepr-Don-Gebiet repräsentieren, und (iii) die BP- oder PV-Gruppe, die das Untere Wolga-Nordkaukasus-Eneolithikum repräsentieren. Was in der Klasse der 2- und 3-Wege-Modelle für die Kern-Jamnaja unveränderlich ist, ist, daß sie davon ausgehen, daß sie von Menschen des CLV-Gradienten (den restlichen vier Fünfteln ihrer Abstammung) abstammen, die sich mit Dnjepr-Don-Menschen mit erheblicher UNHG-Abstammung vermischten.
The discovery of the CLV Cline suggests a solution to the question of the origin of the Dnipro Cline and thus the genetic origins of the Yamnaya. Most of their ancestors were people of the CLV Cline, similar to the sampled Remontnoye individuals. These CLV ancestors were drawn into the Dnipro-Don region and mixed with local groups to form Serednii Stih people and eventually the Yamnaya. It must be emphasized that the CLV and Dnipro-Don sources need not have been identical to the sampled Remontnoye and SShi populations or have lived close to the sampling locations of these two populations. The Dnipro Cline can be fit (Fig. 2e) by a 3-way model in which the GK2 admixed with groups of mixed Aknashen and Berezhnovka ancestry. We note the aforementioned caveat that either of GK2 or UNHG could be contributing to the Dnipro Cline, but chose GK2 in Fig. 2e as this model has a higher p-value (p=0.93) for the Core Yamnaya than the alternative with UNHG as the source (p=0.04); however, we do not take this as evidence that the GK2 population was a better source than the UNHG as we have far better data for UNHG (n=35 individuals) than GK2 (n=1), which provides more power to detect slight but qualitatively unimportant oversimplifications in models. Note also, that GK2 is itself ~2/3 UNHG in ancestry, and that the proportion of either GK2 (22.5 ±1.8%) or UNHG (17.7 ±1.3%) is similar, and about one fifth. A full exploration of 3-way models (Supplementary Information section 2) reveals that the Yamnaya could have been formed from diverse (but similar) distal sources which include populations of (i) Neolithic or Chalcolithic age from Armenia and Azerbaijan representing the “Caucasus Neolithic”, (ii) GK2, UNHG, or Serednii Stih representing the Dnipro-Don area, and (iii) BPgroup or PVgroup representing the Lower Volga north Caucasus Eneolithic. What is invariant among the class of 2- and 3-way models for the Core Yamnaya is that they posit their descent from people of the CLV Cline (the remaining four fifths of their ancestry) who admixed with Dnipro-Don people of substantial UNHG ancestry.

Man sieht, daß sich der Haupttext auch für informierte Laien schwer liest. Es wird weiter ausgeführt (1):

Von der Archäologie her wissen wir, daß im späten 5. Jahrtausend v. Ztr. Kupfer vom Balkan über die Steppen zu bäuerlichen Siedlungen im Nordkaukasus (Svobodnoe) und an die Wolga (Chwalynsk) gehandelt wurde, während neolithische Keramik wie die aus Svobodnoe in Steppen-Fundorten an Dnjepr und Don auftauchten, die in Verbindung stehen mit der Sredni-Stog-Kultur (Novodanilovka). Dies bezeugt eine Periode aktiven kulturellen Austauschs, die den Kontext für die Ausbreitung von Gruppen gemischter BP-/Aknashen-bezogener Abstammung in die Dnjepr-Don-Steppen bildete.
Archaeological evidence shows that Balkan copper was traded during the late 5th millennium BCE across the steppes to North Caucasus farmer sites (Svobodnoe) and to the Volga (Khvalynsk), while Neolithic pots like those from Svobodnoe appeared in Dnipro-Don steppe sites connected with the Seredni Stih culture (Novodanilovka), documenting an active period of cultural exchange that was the context for the movement of groups of mixed BPgroup/Aknashen-related ancestry into the Dnipro-Don steppes.

Der hier erwähnte Fundort Svobodnoe (russ) wird zur Darkveti-Meshoko (Wiki) (Abb. 9), bzw. zur "Pricked Pearls Pottery culture" ("Kultur der gestochenen Perlenkeramik") (russ) gezählt. Diese wird auch "Vor-Maikop-Kultur" genannt.

Abb. 9: Die Ausbreitung der Darkveti-Meshoko-Kultur nordwestlich des Kaukasus (aus 3) (Resg

Hier sei auch eingefügt, daß in der Studie die Entdeckung gemacht wird, daß sich Steppengenetik des Wolga-Volkes ("CLV cline people") vor 4.000 v. Ztr. nicht nur an die Südhänge des Kaukasus ausgebreitet hat, sondern noch viel weiter nach Westen nach Anatolien hinein (1):

Wir schlagen daher die folgende Hypothese vor: daß CLV-Gradienten-Menschen sich um 4.400 v. Ztr nach Süden ausbreiteten also etwa ein Jahrtausend vor dem dortigen Auftreten der Jamnaja (wobei sie sich entlang der Ausbreitungsbewegung mit verschiedenen Substratpopulationen vermischte) und dann nach Westen, bevor sie schließlich Zentralanatolien erreichte. Die genetische Heterogenität der Sredni-Stog-Kultur kontrastiert zur Homogenität der Kern-Jamnaja-Kultur (Abb. 1).
We thus propose the following hypothesis: that CLV cline people migrated southwards ca. 4400 BCE, or about a millennium before the appearance of the Yamnaya, (admixing with different substratum populations along the way) and then westwards before finally reaching Central Anatolia. The genetic heterogeneity of the Serednii Stih contrasts with the homogeneity of the Core Yamnaya (Fig. 1).

Nicht erwähnt wird hier, daß diese Ausbreitung von Steppengenetik nach Zentralanatolien hinein vor allem anhand von kleinen Anteilen osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik erkannt werden kann. 

Zu den Vorfahren der Vor-Steppen-Maikop-Kultur werden auch Menschen des russischen Dorfes Seroglazovka (Seroglasovo/Seroglazovo) gezählt. Es liegt am linken Ufer der Unteren Wolga hundert Kilometer nördlich von Astrachan (GMaps) und damit hundert Kilometer nördlich des Wolga-Deltas. (Ihm gegenüber liegt das russische Dorf Seroglazka.) Nach diesem Dorf ist die Seroglazovka-Kultur (englrussukr) benannt, die auf 6.200 v. Ztr. datiert wird und die schon Keramik nutzte. Die Menschen jagten Wildpferde und -esel (letzterer wird Kulan genannt, Asiatischer Wildesel). Von Seiten der Archäongenetik werden die Menschen dieser Kultur dem "Berezhnovka-2-Progress-2-Cluster" (auch "BPGroup") zugerechnet, einer Untergruppe der Jäger und Sammler des Kaukasus. Denn von der Genetik her gesehen erstreckte sich dieses Cluster bis nach Berezhnovka an der Mittleren Wolga. 

Offenbar hatte sich aber in Menschen dieser Kultur noch nicht osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik eingemischt. Diese gelangt erst ab 4.400 v. Ztr. an die untere Wolga und in die Kalmücken-Steppe. Über die Kurgane von Remontnoye erfahren wir (Suppl, S. 40):

Zwei äneolithische Gräber aus der Zeit zwischen 4152 und 3637 v. Ztr. (I28682, I28683) wurden in der Nähe des jetzigen Dorfes Remontnoye an der Wasserscheide zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer nördlich der Manytsch-Senke entdeckt. (...) Gräber aus dem Steppenneolithikum wurden meist unter kleinen Erdhügeln angelegt. Diese meist einzeln stehenden Hügel waren die frühesten Bestattungen in den Steppen nördlich des Nordkaukasus und waren vom unteren Kuban bis zum Kaspischen Tiefland verbreitet. (...) Zu Gegenständen des Grabinventars gehören typischerweise Sprungbeine der Saiga-Antilope, Knochenstäbe und Keramikgefäße, die denen der Sredni-Stog-Kultur ähneln.
Two Eneolithic graves dated between 4152-3637 BCE (I28682, I28683) were discovered near the modern village Remontnoye on the watershed between the Black and Caspian Seas north of the Manych Depression. (...) Graves from the steppe Eneolithic are usually were placed under small mounds. These mounds, usually solitary, were the earliest burials in the steppes north of the North Caucasus, and were distributed from the lower Kuban to the Caspian Depression. (...) Inventory items typically include saiga astragali, bone rods, and pottery vessels similar to Serednii Stih. 

Insgesamt tritt hier also nun die Kalmückensteppe (Wiki) in den Vordergrund der Ethnogenese der Jamnaja an Don und Dnjepr. Sie scheint eine Schlüsselregion zu sein, wenn es darum geht zu verstehen, warum sich eine typisch indogermanische Lebenshaltung - und ggfs. auch Genetik - vom Wolga-Volk der Chwalynsk-Kultur und der Vor-Steppen-Maikop-Kultur des 5. Jahrtausends v. Ztr. Richtung Don und Dnjepr ausgebreitet hat und dort dazu beitrug, das Volk der Jamnaja-Kultur des 4. Jahrtausends v. Ztr. zu bilden. Die Kalmücken-Steppe zieht sich über 500 Kilometer hinweg vom Nordwestufer des Kaspischen Meeres bis hinauf nach Wolgograd (vormals Stalingrad) und wird im Nordenosten vom Unterlauf der Wolga, im Südwesten von dem Fluß Manytsch (Wiki) und der zugehörigen Manytsch-Senke, bzw. -Niederung (Wiki) begrenzt. Der Manytsch fließt Richtung Nordwesten und mündet kurz vor Rostow am Don in den Don und fließt mit diesem Zusammen dann ins Asowsche Meer. Wir lesen (Wiki):

Der Kurgan-Hypothese zufolge waren die Hochlandregionen des heutigen Kalmückien Teil der Wiege der indogermanischen Kultur. Hunderte von Kurganen finden sich in diesen Gebieten, die als indogermanische Urheimat bekannt sind (Samara-Kultur, Sredny-Stog-Kultur, Jamna-Kultur).
According to the Kurgan hypothesis, the upland regions of modern-day Kalmykia formed part of the cradle of Indo-European culture. Hundreds of kurgans can be seen in these areas, known as the Indo-European Urheimat (Samara culture, Sredny Stog culture, Yamna culture).

Remontnoje (Wiki) liegt 70 Kilometer nördlich des Manytsch, 280 Kilometer südlich von Wolgograd.

Abb. 10: Die Ethnogenese der Indogermanen an Dnjepr und Don - 25 % osteuropäische Jäger und Sammler, etwa 10 % westeuropäische Jäger und Sammler, 65 % iranisch-anatolisch-neolithische Bauern-Herkunft

In der Zusammenfassung der Studie lesen wir (1):

Als CLV-Leute, die sowohl Abstammung aus der Jungsteinzeit des Kaukasus als auch von der Unteren Wolga in sich trugen, sich nach Westen ausbreiteten und sich mit der Abstammung der ukrainischen neolithischen Jäger und Sammler (UNHG) vermischten, um die Bevölkerung der Sredny-Stog-Kultur (auch "Serednii-Stih-Kultur") hervorzubringen, entstand ein "Dnjepr-Gradient". Aus diesem gingen schließlich um 4000 v. Ztr. die direkten Vorfahren der Jamnaja selbst hervor.
A “Dnipro Cline” was formed as CLV people bearing both Caucasus Neolithic and Lower Volga ancestry moved west and acquired Ukraine Neolithic hunter-gatherer (UNHG) ancestry to establish the population of the Serednii Stih culture from which the direct ancestors of the Yamnaya themselves were formed around 4000BCE.

Über die hier genannte Sredny-Stog-Kultur (4.500-3.500 v. Ztr.) (Wiki, engl) lesen wir (Wiki):

Die Verstorbenen liegen auf dem Rücken mit angezogenen Beinen und sind manchmal mit Ocker bestreut. Kurgane, schnurverzierte Tonware und Steinaxtformen, die möglicherweise mit den Indogermanen nach Westen gelangen, treten in der Endphase auf.

Auf dem englischen Wikipedia heißt über sie (Wiki):

Sie stand in Kontakt mit den Bauern der Cucuteni-Tripolje-Kultur im Westen (...) und lebte zeitlich parallel zur Chwalynsk-Kultur im Nordosten. (...) Ein berühmter Fundort ist Deriivka (ukrainisch: Деріївка, russisch: Дериевка) am rechten Ufer des Omelnik, eines Nebenflusses des Dnjepr. Dieser stellte mit etwa 100.000 Einwohnern auf 2.000 Quadratmeter Fläche die größte Ortschaft innerhalb der Sredny Stog-Kultur dar. (...) Im Rahmen der modifizierten Kurgan-Hypothese von Marija Gimbutas könnte diese archäologische Vor-Kurgan-Kultur die Urheimat der proto-indogermanischen Sprache dargestellt haben, die andere mit der späteren Jamnaja-Kultur in Verbindung bringen.

Über die wesentlichsten Vorgänge während des 4. Jahrtausends v. Ztr. rund um die Sredni-Stog-Kultur am Dnjepr lesen wir dann in der Zusammenfassung der neuen Studie (1):

Diese Bevölkerung wuchs nach 3750-3350 v. Chr. rasch an und beschleunigte die Ausbreitung der Menschen der Jamnaja-Kultur, die die früheren Gruppen an der Wolga und weiter östlich völlig verdrängten, während sie sich im Westen mit seßhafteren Gruppen vermischten.
This population grew rapidly after 3750-3350BCE, precipitating the expansion of people of the Yamnaya culture who totally displaced previous groups on the Volga and further east, while admixing with more sedentary groups in the west. 

Das war in der Zeit, als die Jamnaja das Erbe der Maikop-Kultur antraten, die zuvor das Reich der Cucuteni-Tripolje-Kultur erobert hatte. Wir lesen weiter in der Zusammenfassung der neuen Studie (1):

CLV-Gradienten mit Abstammung von der Unteren Wolga trugen vier Fünftel zur Abstammung der Jamnaja bei, aber auch die Einwanderer, die sich von Osten nach Anatolien ausbreiteten, trugen mindestens ein Zehntel zur Abstammung der bronzezeitlichen Zentralanatolier bei, wo die hethitische Sprache, die mit den Indo-Europäischen Sprachen verwandt ist, durch die Jamnaja verbreitet wurden. Wir schlagen daher vor, daß das endgültige Urvolk der Sprecher der "Proto-Indo-Anatolischen" Sprache sowohl der anatolischen als auch der indoeuropäischen Sprachen auf CLV-Gradienten-Menschen zurückgeführt werden kann, die irgendwann zwischen 4400 und 4000 v. Ztr. lebten.
CLV cline people with Lower Volga ancestry contributed four fifths of the ancestry of the Yamnaya, but also, entering Anatolia from the east, contributed at least a tenth of the ancestry of Bronze Age Central Anatolians, where the Hittite language, related to the Indo-European languages spread by the Yamnaya, was spoken. We thus propose that the final unity of the speakers of the “Proto-Indo-Anatolian” ancestral language of both Anatolian and Indo-European languages can be traced to CLV cline people sometime between 4400-4000 BCE.

Nachzutragen ist dazu: Am Ende des Mesolithikums oder am Anfang des Neolithikums breitete sich westeuropäische Jäger-Sammler-Genetik bis in die Ukraine hinein aus und bis in die Mündungsgegend des Kama-Flusses in die Wolga an der Oberen Wolga (also in Nordrußland). Weiter östlich blieb die osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik unvermischt.

Zur Datierung der Ethnogenese der Jamnaja und der Schnurkeramik

Im Anhang lesen wir zu den Datierungsfragen weiter (1, Suppl, S. 177):

Die Vermischung in der Abstammung der Jamnaja wurde mithilfe von DATES auf ~4100 v. Ztr. und ~4555 v. Ztr. datiert. Unter Verwendung des Kern-Jamnaja-Datensatzes (n=104), von dem eine große Anzahl (n=61) Radiokarbondaten mit einem Mittelwert von 2877 v. Ztr. aufweisen, wiederholen wir diese Berechnung und schätzen, daß westasiatisch(n=125)-europäische Jäger und Sammler (n=215)-Vermischung 41,5 ± 1,7 Generationen vor diesem Zeitpunkt stattfand. Unter der Annahme einer Generationszeit von 28 Jahren ergibt sich eine Schätzung von 4038 ± 48 Jahren v. Ztr.. Das Vermischungs-LD weist also auf einen Vermischungszeitpunkt zwischen dem 5. und 4. Jahrtausend v. Ztr. hin. Da diese Vermischung möglicherweise nicht nur während eines kurzen Zeitraumes erfolgte, erstreckte sie sich möglicherweise vom 5. Jahrtausend v. Ztr. bis zum Beginn der Bronzezeit im 4. Jahrtausend v. Ztr..
The admixture in the ancestry of the Yamnaya has been dated using DATES to ~4100BCE and ~4555BCE. Using the core Yamnaya set (n=104) of which a large number (n=61) have radiocarbon dates with a mean of 2877BCE, we repeat this computation and estimate that West Asian (n=125)-European hunter-gatherer (n=215) admixture took place 41.5±1.7 generations before that time. Assuming a generation time of 28 years34 yields an estimate of 4038±48 years BCE. Thus, admixture LD points to an admixture date between the 5th and 4th millennium BCE. As this admixture may not have been instantaneous it may have stretched from the 5th millennium BCE to the dawn of the Bronze Age in the 4th millennium BCE. 

Über die Ethnogenese der Schnurkeramiker heißt es wenig später (1, Suppl):

Schließlich haben wir auch die (ursprüngliche) Vermischung im Schnurkeramik-Komplex datiert, von der angenommen wird, daß ihr Jamnaja-Herkunftsanteil etwa 3/4 beträgt. Kürzlich ist festgestellt worden, daß diese Bevölkerungsgruppe eine hohe Rate von IBD-Segmenten mit Menschen der Kugelamphoren-Kultur aufweist, die möglicherweise für das verbleibende ~1/4 der (nicht Steppen-)Abstammung verantwortlich waren. In verschiedenen Schnurkeramik-Populationen wird diese Vermischung auf einen engen Zeitraum zwischen etwa 3000 und 2900 v. Ztr. geschätzt.  
Finally, we also dated the admixture in the Corded Ware complex, a population estimated to have ~3/4 of Yamnaya-related ancestry. It has recently been discovered that this population shares a high rate of IBD segments with the people of the Globular Amphora farming culture who may thus have been responsible for the remaining ~1/4 of (non-steppe) ancestry. It has been estimated that admixture in diverse Corded Ware populations occurred in a narrow date of ~3000-2900BCE.

In den weiteren Ausführungen wird diese Datierung dann bekräftigt.

Einordnung in den größeren geschichtlichen Rahmen

Viele Fragen der weiteren weltgeschichtlichen Einordnung schließen sich an: Warum war es gerade dieses Volk zwischen Don und Dnjepr, das einen so großen Einfluß auf die Weltgeschichte genommen hat? Warum hatte es gerade eine solche Entstehungsgeschichte? Warum hat sich die Kurgan-Kultur zunächst an der Wolga gebildet, ist dann aber von einem Volk zwischen Don und Dnjepr kulturell (und z.T. auch genetisch) weiter getragen worden?

Nach derzeitigem Kenntnisstand befand sich die Urheimat der Indogermanen jedenfalls irgendwo in einer Region, die durch die Fundorte Vinogradnoe an der Molotschna, Igren am Djnepr und Oleksandria im Donezgebiet gekennzeichnet werden kann (Abb. 3). Die Molotschna mündet - wie der Don in das Asowsche Meer. 

Diese Region hat - bekanntlich - auch in den letzten 150 Jahren viel erlebt und erlebt gerade in den gegenwärtigen Jahren wieder Unerträgliches. Ursprünglich war sie die Heimat der Saporoger Kosaken. Im Frühjahr 1918 wurde sie als Kornkammer besetzt durch die Deutschen. Nach ihrem Rückzug wurde diese Region die Ausgangsregion des Kosaken-Armeen im Krieg gegen die Bolschewisten (im russischen Bürgerkrieg 1919/20). Aufgrund mangelnder Unterstützung durch die westlichen Demokratien siegten in diesem Krieg die Bolschewisten. 

In den Jahren 1930 bis 1932 verübten genau diese in genau dieser Region den Hunger-Genozid gegen die Ukrainer und Kosaken, einen der größten Völkermorde der Weltgeschichte. 

Die Jahre 1941 bis 1943 sahen einerseits die Befreiung vom bolschewistischen Joch, andererseits die Massenerschießung von Juden durch deutsche Einsatzkommandos, aufgestellt von Schreibtischtätern wie Werner Best, der bis 1989 in Deutschland lebte, ohne jemals verurteilt worden zu sein. 

Das Jahr 1990 sah die ukrainische Unabhängigkeit - nach so unendlich schweren Jahren. Seit 2014 erlebt diese Region erneut einen Krieg - merkwürdigerweise zwischen Rußland und der Ukraine, zwei Brüdervölkern. Und seit Februar 2022 bildet sie - noch schlimmer - eine Kernregion des Russisch-Ukrainischen Krieges (Wiki), dessen Andauern den Ausbruch des israelisch-palästinensischen Krieges seit 2023 "normaler" aussehen läßt als er sonst vermutlich aussehen würde. 

Der südliche Teil des ukrainisches Kriegsgebietes - mit Vinogradnoe - ist zur Zeit russisch besetzt, der nördliche Teil ukrainisch. Deutsche Waffen und deutsches Geld morden weiterhin mit in aller Welt - so auch gegenwärtig besonders "tapfer" in der Nordschwarzmeerregion, in unserer Urheimat, die uns eigentlich heilig sein müßte. Politiker von Parteien, die einstmals ausdrücklich als "Friedensparteien" gegründet worden waren, drücken Männern, die das Land nicht verlassen dürfen, Waffen in die Hand.

Wenn wir von der relativ einfachen Ethnogenese des (genetisch vermutlich weitgehend ausgestorbenen) Urvolkes der Indogermanen an der Mittleren Wolga, des Volkes der Chwalynsk- und der Vor-Maikop-Kultur hinüber blicken zu der Ethnogenese unserer eigenen indogermanischen Vorfahren, die genetisch am meisten in Nordeuropa weiter leben und kulturell-sprachlich in ganz Europa, dann blicken wir von einem vergleichsweise einfachen Vermischungsprozeß an der Mittleren Wolga zu einem deutlich komplexeren Vermischungsprozeß nordwestlich des Don. Aber beide fanden in Randregionen und Rückzugsräumen der damaligen "zivilisierten" Welt dar.

Erwähnt sei auch: In früheren Blogartikeln waren wir mit der Forschung noch davon ausgegangen, daß die Afanassiewo-Kultur in der Dsungarei am Nordrand Chinas von den Menschen der Chwalynsk-Kultur an der Mittleren Wolga abstammen könnte. Zweifel daran gab es aber schon spätestens 2022 und es wurde die Möglichkeit erörtert, daß sie viel eher von der Jamnaja-Kultur zwischen Don und Dnjepr abstammen könnte (Studgen2022) - so wie das auch die Archäologen vorwiegend vermutet haben (Wiki). In der vorliegenden Studie wird letztere Annahme stillschweigend schon als die richtige vorausgesetzt, Jamnaja und Afanassiewo werden genetisch als deckungsgleich, identisch behandelt (z.B Table S1, S. 155). Der Hauptautor der Studie ist der griechische Archäogenetiker Iosif Lazaridis (Tw).

Hatten die Menschen der Chwalnsk-Kultur, von denen ja offenbar auch die Menschen der Steppen-Maikop-Kultur abstammten, ein "Extrem" dargestellt, das in dieser Form keine genetische und kulturelle Fortsetzung gefunden hat, sondern dann - in nur leicht abgemilderter Form - als Jamnaja-Kultur fortgesetzt worden ist? Es wäre zu sagen, daß das Urvolk der zweiten Welle der Indogermanen am Dnjepr gelebt hat und in gewisser "Bescheidenheit" seine weltgeschichtliche Stunde "abgewartet" hat, nämlich bis sich die östlichen Nachbarn von der Wolga weltgeschichtlich auch westlich von Don und Dnjepr "ausgetobt" hatten und bis sie schließlich - als letzter Ausgriff der Maikop-Kultur Richtung Westen - die Cucuteni-Tripolje-Kultur unterworfen hatten und sich dabei "verbraucht" hatten. Nun konnten schließlich die Jamnaja, die bislang eher für sich am Dnjepr gelebt hatten, in das Geschehen eingreifen. Die Jamnaja-Kultur war im übrigen auch schon von Marija Gimbutas als das Urvolk der Indogermanen angesprochen worden. 

In der Grafik von Dergacev (Abb. 4) sehen wir, daß die erste Welle der Ausbreitung der Wildepferdekopfszepter die Region des Don - sozusagen - "übersprungen" hat und gleich im Kaukasus auftritt und am Dnjepr. Das könnte ein Hinweis darauf sein, daß sich am Don längere Zeit ursprünglichere Populationen erhalten haben - wie sich ja nun auch in der Genetik zeigt.

Erwähnt sei noch: Die Ausgrabungen der Kurgane nahe dem erwähnten Dorf Vinogradnoe am rechten Ufer der Molotschna, wo Menschen begraben wurden, die dem Urvolk von uns Indogermanen der zweiten Welle räumlich und zeitlich am nächsten standen, wurden durch den ukrainischen Archäologen Jurij (bzw. Yuri) Rassamakin (AcadResg) 1988, 1990 und 1991 vorgenommen (2). Im Kurgan 24 fanden sich 34 Gräber (2). Die Archäologen unterschieden drei Gräber aus dem Eneolithikum, 16 Gräber aus der Zeitstufe der Jamnaja-Kultur, sechs Gräber aus der Zeitstufe der Frühen Katakombengrab-Kultur, sechs aus der Zeitstufe der späten Katakombengrab-Kultur und einige wenige aus späteren Zeitstufen (z.B. der Zeitstufe der Kimmerer), außerdem einige undatierbare (2). 

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Anhang: Ergänzend einige erste Bemerkungen zu den Schwarzmeer-Deutschen

Während wir vor fünf Jahren in der Urheimat der ersten Ausbreitungswelle der Kurgan-Kultur an der Mittleren Wolga auf die Wolga-Deutschen gestoßen waren, stoßen wir nun in der Urheimat der zweiten Ausbreitungswelle der Kurgan-Kultur auf die "Schwarzmeer-Deutschen" (Wiki). Unter ihnen zum Beispiel auf die deutsche Mennoniten-Kolonie Molotschna (Wiki). Denn mitten in dieser Kolonie lag der eben erwähnte Kurgan von Vinogradnoe an der Molotschna. 

Abb. 11: Kolonien der Schwarzmeerdeutschen in der Urheimat der Indogermanen - Die Mennonitenkolonie Molotschna erstreckt sich rund um Halbstadt - Halbstadt liegt gegenüber von Vinogradnoe, zu Deutsch Alt-Nassau

Die deutsche Kolonie Molotschna lag beiderseits des Flüßchens Molotschna (Wiki), das 65 Kilometer weiter südlich, hinter Melitopol ins Asowsche Meer mündet.*) Links des Flüßchens lag der Hauptort der Kolonie Halbstadt (heute Molotschna), rechts gegenüber lagen unter anderem die Dörfer Hoffental, Alt-Monthal und Alt-Nassau (seit 1945 Vinogradnoe, bzw. Wynohradne) (Wiki) (GMaps). In der Nähe dieser Dörfer ist ab 1988 ein Kurgan ausgegraben worden, der von Angehörigen des Urvolkes der Indogermanen angelegt worden war, also von unseren Vorfahren (1, 2).**)

Woher kommt der Ortsname Alt-Nassau?

(Ergänzung 5.10.24) Woher kommt der ungewöhnliche Ortsname Alt-Nassau? Dieser Name führt immer wieder leicht zu Verwechselungen (z.B. mit "Dessau"). Da dieses Dorf aber durch die archäogenetische Forschung eine so überraschende, neue "weltgeschichtliche" Bedeutung erlangt hat, sei auf die verschlungenen Wege der deutschen Geschichte bezüglich dieses Dorfnamens kurz eingegangen: Die Stadt Nassau an der Lahn (Wiki) mit der Burg Nassau liegen zwischen Limburg und Koblenz im Hessischen. Die Burg Nassau bildete die Stammburg des Grafengeschlechts der "Nassauer", die wiederum über lange Jahrhunderte im Besitz der Grafschaft Nassau-Siegen (Wiki) waren. Und nun war dieses Grafengeschlecht auch noch ein fromm-katholisches (Gumb.):

In Nassau-Siegen hatte am Ende des 17. Jahrhunderts die Gegenreformation heftig eingesetzt. In ihrer Not wandten sich die reformierten Siegener an den mächtigsten reformierten Fürsten, den König von Preußen: „Weil wir diese unsere Noht für niemandt ausschütten können, auch in der Christenheit nirgends eine Errettung zu hoffen ist, bitten wir arme betrengte Leute nicht gar Hülffloß zu laßen.“ In den Jahren 1712, 1714, 1715, 1720 und 1721 sowie 1732-1740 sind kleinere Gruppen von Nassauern nach Ostpreußen gekommen; die Jahre 1722 und 1723 bedeuten den Höhepunkt der nassauischen Einwanderung. Sehr zahlreich haben die Nassauer im Kreise Gumbinnen gesiedelt.

Es gab also nicht nur eine Auswanderung der Salzburger Protestanten nach Ostpreußen, sondern auch der Nassauer Protestanten. Aber nicht nur religiöse Gründe, auch Übervölkerung trug zu der Auswanderung bei (Breitsch). Wir erfahren weiterhin (Vffow): 

Größtenteils kamen sie aus dem rechtslahnischen Gebiet (Oranien), dem Westerwald, aber auch aus dem südlich liegenden Taunus.

Es scheint in Ostpreußen kein Dorf mit dem Namen Nassau gegeben zu haben. Doch die ostpreußischen Nassauer haben offensichtlich in Ostpreußen über die folgenden hundert Jahre hauptsächlich untereinander geheiratet und ihr Herkunftsbewußtsein bewahrt. Denn wir lesen über Alt-Nassau an der Molotschna (Wiki):

Das Dorf Alt-Nassau wurde 1804 von 60 Einwandererfamilien aus Polnisch-Preußen (aus der Provinz Nassau-Usingen) gegründet

Sie kamen wohl zumeist aus der Provinz Südpreußen (Wiki). Diese Provinz war mit der zweiten polnischen Teilung 1793 an Preußen gekommen und wurde 1807 im Tilsiter Frieden von Napoleon dem neu gebildeten Herzogtum Warschau. Einwohner der ersten Generation von Alt-Nassau waren etwa geboren im "Dorf Gursch in Südpreußen" oder in "Sabotki in Preußen" (Wolgadt). Somit liegt das Dorf Alt-Nassau zwar nahe am Zentrum der Mennoniten-Kolonie Molotschna. Es scheint aber nicht von Mennoniten, sondern Lutheranern gegründet und bewohnt gewesen zu sein. 

Abb. 12: Die deutsche Mennoniten-Kolonie Molotschna

Dieser Aufsatz enthält vielfältigste Anknüpfungspunkte, um den dargestellten geschichtlichen Zusammenhängen im Großen und im Kleinen weiter nachzugehen. Ggfs. werden wir dies demnächst hier auf dem Blog auch tun. Unter anderem gilt es, ein noch umfassenderes Bild von der so bedeutenden Maikop-Kultur zu gewinnen. Siehe dazu eine wissenschaftliche Konferenz von 2019 mit dem Titel "At the Northern Frontier of Near Eastern Archaeology" (Yt). 

Nachbemerkung (16.5.24): Vielleicht wird man eines Tages auch einfach nur sagen: Der Lebensraum Steppe prägte den dort lebenden Menschen eine neue Kultur auf in der Zeit des Übergangs zur seßhaften Lebensweise. Nämlich als Menschen begannen, den Unterschied zwischen der Enge der bäuerlichen Zivilisation und ihrer Dorfkultur einerseits und der Weite des Horizontes in der Steppe und der Möglichkeiten seiner Herdenhalter deutlicher zu spüren. Und als man begann, diesen Gegensatz auch kulturell deutlicher durchzugestalten und ihn - zu leben. 

Kann man sagen: Hier in der Steppe nahm der Geist der Freiheit in der Menschheitsgeschichte seinen Anfang? Jener Geist, der sich seither immer wieder gegen den Geist der Despotie und der Knechtschaft durchzusetzen hat? Begann damals der Aufstand gegen die moderne Welt?

______________

*) Es gehörte bis 2020 zum Rajon Tokmak (Wiki) (3). Es finden sich zu ihm auch die Schreibarten: Wynohradne (Виноградне), Виноградное (Winogradnoje), Wynohradne  (Wiki). 
**) Seit 1804 siedelten hier an der Molotschna deutsche Mennoniten aus Westpreußen. Grob wird man sie als die "Amish-People" des 19. Jahrhunderts kennzeichnen dürfen (Wiki): 

Die russische Regierung wollte weitere Gruppen der als Musterlandwirte geltenden Mennoniten ansiedeln. 1800 erließ der russische Zar Paul I. ein Privileg an die Mennoniten, in dem sie „auf ewige Zeiten“ vom Wehrdienst befreit sein sollten. In Westpreußen erschwerte der preußische König Friedrich Wilhelm III. den Landerwerb für Mennoniten, die keinen Wehrdienst leisten wollten.

Die Kolonie dieser Weizenbauern wuchs auf 57 Dörfer an. 1941 bewahrte der Einmarsch der deutschen Truppen die Mennoniten, die schon in die Züge verladen worden waren, vor ihrer Deportation nach Sibirien. 1943 wurde die Kolonie im Zuge der Rücknahme der deutschen Front in den Warthegau evakuiert. Von dort wurden die Mennoniten dann nach dem Einmarsch der Roten Armee doch noch nach Sibirien und Kasachstan umgesiedelt. Wenige konnten sich nach Westdeutschland retten. Wir werden sicher noch einmal ausführlicher auf die Geschichte der Schwarzmeer-Deutschen zurück kommen.
Die deutsch-amerikanische Schriftstellerin Ingrid Rimland (1936-2017) (Wiki), die nachmalige Ehefrau des deutsch-kanadischen Geschichtsrevisionisten Ernst Zündel, war 1936 in Halbstadt (Molotschansk) geboren worden. In Videos berichtet sie bewegend über ihr eigenes Schicksal, das Schicksal ihrer Familie und das der Mennoniten allgemein (Yt). Ihre Veröffentlichungen stellten die deutschen Soldaten von 1941 sehr positiv dar. Sie waren den Mennoniten, die bis dahin nur die Bibel gelesen hatten, wie die rettenden Engel vom Himmel erschienen.
Ihre eigene Familie hatte der Deportation durch die Russen nach Sibirien 1945 entgehen können, weil sie rechtzeitig nach Detmold flüchten konnte. Von dort war sie dann nach Paraguay ausgewandert (Wiki):

In ihrer ersten Novelle "The Wanderers", die 1977 erschien, beschrieb Rimland den Exodus und die Flucht der deutschen Mennonitengemeinden aus der Ukraine. 1998 veröffentlichte sie schließlich die Trilogie "Lebensraum"; in ihrem Roman erzählte sie unter anderem auch von ihren eigenen Erlebnissen während des Zweiten Weltkriegs und schilderte die Geschichte der Rußlanddeutschen und deren Vertreibung durch Stalin.

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  1. The Genetic Origin of the Indo-Europeans. By Iosif Lazaridis, Nick Patterson, David Anthony, Leonid Vyazov, Romain Fournier, Harald Ringbauer, Iñigo Olalde (...)  Anna Szécsényi-Nagy, Pier Francesco Palamara, Swapan Mallick, Nadin Rohland, Ron Pinhasi and David Reich (bioRxiv 18 April 2024) (bioRxiv)
  2. Wang, CC., Reinhold, S., Kalmykov, A. et al. Ancient human genome-wide data from a 3000-year interval in the Caucasus corresponds with eco-geographic regions. Nat Commun 10, 590 (2019), online 4.2.2019 ( Nat Commun )
  3. Görsdorf, J; Rassamakin, Y.; Häusler, A.: C14 Dating of Mound 24 of the Kurgan group near Vinogradnoe village, Ukraine. In: Radiocarbon and Archaeology. International Symposium, Oxford 2002, edited 2005 (Acad)
  4. Viktor A.Trifonov, Egor B. Prokhorchuk & Kristina V. Zhur: Entwined relationships: genetic and cultural diversity in the Caucasus and the adjacent steppe sin the Eneolithic–Bronze Age period. Festschrift für Heydt 2023 (Resg
  5. Khan, Razib: Little Steppe earthquakes: upheavals both demographic and scholarly (27/4/2024)
  6. Rimland, Ingrid: The Wanderers. The Saga of Three Women Who Survived. Concordia, 1977 (Wiki)
  7. Rimland, Ingrid: Lebensraum. A passion for Land and Peace. A Novel. 1998 (Archive)
  8. Rimland-Zündel, Ingrid: My Life. Filmaufnahme eines Vortrages, 1998 (Archive)
  9. A genomic history of the North Pontic Region from the Neolithic to the Bronze Age. Autoren: Alexey G. Nikitin, Iosif Lazaridis, Nick Patterson, Svitlana Ivanova, Mykhailo Videiko, Valentin Dergachev (...) David Reich, 18. April 2024 (Biorxiv2024

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