Sonntag, 31. Oktober 2021

Tod und Untergang eines Volkes - Die Daker in Siebenbürgen

- Ein Bildbericht aus dem Jahr 112 n. Ztr.

In einer neuen Veröffentlichung wird die Bildabfolge auf der Trajanssäule in Rom aus dem Jahr 112 n. Ztr. eindrucksvoll dokumentiert (1). Vielleicht deutlich wie nie kann hier studiert werden, wie die Gestik und Mimik von sich Unterwerfenden und von Verlierern eines Krieges in jenen Zeiten aussah. In den Gesichtern zeichnen sich Leere, Ratlosigkeit, Verzweiflung ab. Es kommt zu Selbstmorden. Ergreifende bildliche, szenische Darstellungen des Verlaufs und Ergebnisses des Ersten und des Zweiten Dakischen Krieges.

Zu den Heldentaten "großer Römer" gehörte es, Völker zu unterwerfen. Das heißt, sie wurden als Volk vernichtet und als eine neue römische Provinz in das Römische Weltreich eingegliedert. Religion, Sprache und Kultur des unterworfenen Volkes überlebten diesen Unterwerfungs-Prozeß nicht. Ein solcher - vermeintlich "großer" - Römer war der Kaiser Trajan (53-117 n. Ztr.) (Wiki). In seinem Fall war das von ihm "heldenhaft" unterworfene und vernichtete Volk das Volk der Daker.

Abb.: Ein Daker - Statue im Kapitol-Museum in Rom (Wiki)

Die Daker lebten in Siebenbürgen und im heutigen Rumänien. Sie lebten in Wohlstand und im Frieden mit vielen angrenzenden Völkern. Sie lebten in Städten und Dörfern, pflegte ihre Religion, ihre überlieferten Gesänge. Die Daker waren sprachlich und kulturell verwandt mit den benachbart lebenden Geten und Thrakern. Diese Völker waren weder keltischer noch germanischer Herkunft. Vermutlich sind die Daker als Volk schon vor oder während der Bronzezeit entstanden - genauso wie die italischen Stämme in Italien oder wie die Griechen und Makedonen, nämlich durch Zuwanderung von Indogermanen und durch Vermischung der Indogermanen mit den zuvor in Siebenbürgen und im Donauraum wohnhaften Völker anatolisch-neolithischer Herkunft. In auffällig guten Beziehungen standen die Thraker zu den "Hyperboräern", sprich, zu germanischen Völkern im Ostseeraum (Wiki):

Die Thraker pflegten friedliche Beziehungen zu verschiedenen Stämmen der Germanen, Sarmaten, sowie zu den Pannoniern, Illyrern und Epiroten. Überliefert ist, daß u. a. ein Stamm des Hohen Nordens - der jedoch nur als Hyperborea bekannt ist - regelmäßig Opfergaben an Heiligtümer im Gebiet des Epirus und ins Apoll-Heiligtum der Daker sandte. Es wird angenommen, daß es sich dabei um eine sehr alte Route zwischen der Ostsee und den Thrakern handelt, die über die Ostgermanischen Stämme führte. Auch eine baltische und an der Oder beginnende Bernsteinstraße führte nach Thrakien und wurde jahrhundertelang intensiv genutzt.

Somit muß es nicht völlig unmöglich sein, daß auch Teile der Daker, Geten und Thraker ursprünglich im Ostseeraum gelebt haben. Der Sänger Orpheus war ein Thraker. Die Berichte über Orpheus und seine Dichtungen genossen in der antik-griechischen Kultur ein Ansehen, das dem Ansehen des eine Generation später lebenden Homer gleichrangig war. (Zu Orpheus und der religiösen Richtung, die von ihm ausging, soll noch ein eigener Artikel hier auf dem Blog erscheinen. Denn in diesem Jahr sind neue Textreste dieser orphischen Gesänge bekannt geworden.)

Abb. 1: Erster Dakischer Krieg - Schlachtszene auf der Trajanssäule in Rom - Die zumeist bärtigen Daker rechts gegen die bartlosen Römer links (aus: 1)

Von den Dakern haben sich viele bildliche Darstellungen erhalten (Wiki). Die eindrucksvollsten aber befinden sich auf der Trajanssäule (112/113 n. Ztr.) (Wiki) in Rom. Diese wurde zu Ehren des "großen" Kaisers Trajan nach seinem Tod aufgestellt. Im Sockel dieser Säule wurde auch die Urne der Asche von Trajan niedergelegt.

In einer Bildfolge von 155 Szenen wird auf dieser Trajanssäule ausgesprochen detailliert über den Ersten und den Zweiten Dakischen Krieg berichtet, über die Waffentaten und zivilisatorischen Taten der römischen Legionäre und der römischen Hilfsvölker aber auch über den heldenhaften Widerstand, die tapferen Bemühungen der Daker und ihrer Verbündeten, germanischer und sarmatischer Stämme, die Unterwerfung von sich abzuwenden. Es werden Erfolge der Daker dargestellt, Verhandlungen mit ihnen, schließlich häufen sich Mißerfolge und am Ende kommt der Untergang: Es wird dargestellt wie sich viele führende Daker dem Kaiser unterwerfen, wie viele andere führende Daker in Gefangenschaft geraten (darunter wohl die Söhne des Königs) und wie sich viele andere Daker hinwiederum selbst töten, wie sie ihre eigene Stadt anzünden, wie sie sich von Kameraden erschlagen lassen.

Abb. 2: Die Römer zünden dakische Holzhäuser, Speicher, Vorratshäuser und Befestigungen an (aus: 1)

Es ist dies ein einzigartiger Bildbericht über eine sehr ähnliche Völkerwelt, wie sie von dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus auch sonst in seinen Werken dargestellt worden ist. Die Völkerschaften sind jeweils durch spezifische Eigenarten gekennzeichnet: Die Römer werden in der Regel als bartlos dargestellt, die Daker tragen oft einen Vollbart. Die Sarmaten tragen einen Schuppenpanzer, der den ganzen Körper bedeckt, die Mauren, nordafrikanische Hilfstruppen der Römer auf Pferden haben das typische nordafrikanische strähnige Haar.

Ein ähnlicher Untergang wie den Dakern war hundert Jahre zuvor den rechtsrheinischen und den Elb-Germanen zugedacht worden. Dieser Untergang konnte damals durch die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Ztr. abgewendet werden. Die Daker hundert Jahre später waren nicht so glücklich.

Abb. 3: Eine mit Mauerwerk befestigte Siedlung der Daker, dahinter aufgespießte Schädel, womöglich getötete Römer aus dem vorhergenden Kriegszug des Domitian gegen die Daker, im Vordergrund aber Daker, deren Mimik zeigt, daß sie ihre Zuversicht verloren haben (Szene 25) (aus: 1)

Wenn man den Bildbericht Szene für Szene durchgeht (1-3), spürt man die Dramatik eines solchen Feldzuges vielleicht stärker, als es jeder schriftliche Bericht könnte. Es wird deutlich, daß viel Unvorhergesehenes, Überraschendes geschehen konnte, das "Gefahr" in der Luft lag - auch für die Römer. Zur authentischen Darstellung wird aber auch gebracht die Psychologie der Besiegten, die oft beklommenen, betroffenen Gesichter, die nach und nach immer mehr Zuversicht verlieren.

Abb. 4: Mit dem Mut der Verzweiflung berennen Daker eine römische Befestigung (aus: 1)

Zu dieser Trajansäule ist im letzten Jahr eine außerordentlich eindrucksvolle Buchveröffentlichung erschienen (1). In ihr sind Fotografien von Gipsabgüssen dokumentiert, die 1861 in Rom von der Säule abgenommen worden waren und nach Paris verbracht wurden, die sich aber bis heute - im Gegensatz zu anderen Gipsabgüssen - nicht erhalten haben (2):

Der häufig beschworene Charakter des Frieses der Traianssäule als "Kriegsbericht in Bildern" wird hierbei einmal mehr greifbar; die einzelnen Handlungssequenzen erscheinen als Kapitel einer fortlaufenden historischen Erzählung, die für die verlorenen commentarii Kaiser Traians inhaltlich einstehen kann.

Dargestellt ist die Unterwerfung der Daker im heutigen Rumänien bis nach Siebenbürgen, also die Gebiete nördlich des Donaulimes in mehr als 30 Jahren in den Jahrzehnten um 100 n. Ztr. (Wiki) herum.

Abb. 5: Ein unterwürfiger Daker vor Kaiser Trajan und seinen Offizieren

Die Abwehrkämpfe der Daker, ihre Leiden, die militärischen "Leistungen" der Römer und ihrer Hilfsvölker, die Leistungen im Ausbau der Provinz werden auf den Reliefen in vielen aufschlußreichen Details eindrucksvoll dargestellt. Die Daker wurden in ihren Abwehrkämpfen von germanischen und sarmatischen Stämmen (Roxolanen) unterstützt (Wiki):

Während der Kämpfe um Dakien waren die germanischen Stämme der Quaden und Markomannen ihren Verpflichtungen mit Rom nicht nachgekommen. Unter der Dakischen Allianz der Stämme befanden sich auch Roxolanen und die mit ihnen verbündeten germanischen Bastarnen, die seit Burebista in freundschaftlicher Koalition mit Dakern und Geten standen. Die Germanen aller Stämme unterstützten dadurch die Daker in der Hoffnung, die Römer endgültig loszuwerden.

Die Bildfolge und Bilderzählung auf der Trajansäule kann man sich auch im Internet ansehen auf dem "Monumentbrowser zur Trajansäule" (Suchworte auf Google). In den Abbildungen dieses Beitrages und im zugehörigen Text sollen nur einige eher willkürlich gewählte Ausschnitte daraus gegeben werden. Womöglich wird dieser Blogartikel künftig noch vervollständigt.

Der Erste Dakische Krieg (Szene 1 bis 77)

Dort lesen wir zu den einzelnen Szenen (3):

Zu Beginn der Erzählung ist das friedliche Donauufer mit Heuschobern, Holzstößen und Wachposten dargestellt. (...) Zwei Züge von Legionären ziehen aus einem steinernen Tor und marschieren über zwei Pontonbrücken zum gegenüberliegenden Donau-Ufer.

Auch Rituelles ist dieser Darstellung immer wieder wichtig, nämlich in der Szene des ersten Marschlages das ...

Trankopfer, das der Kaiser im Lager spendet, und der rituelle Zug der Teilnehmer für die suovetaurilia samt der Opfertiere um das Lager. 

In einer Ansprache an seine Legionäre nimmt der Kaiser das Land in Besitz.

Abb. 6: Darstellung gemauerter dakischer Häuser - oder Tempel? - im Berg- und Waldland, römische Legionäre schwärmen zwischen ihnen aus

Es wird dann ein erstes steinernes Lager errichtet. Im Wald schlagen die Legionäre Holz für die weiteren Festungsanlagen. Heu- und Strohschober werden angelegt. Dem Kaiser wird ein gefangener Daker vorgeführt. Es werden Verkehrswege angelegt. Erdarbeiten werden dargestellt, Arbeiten im Steinbruch. Berittene Hilfstruppen machen sich bereit und reiten aus dem Lager. 

Szene 24: An einem Waldrand kommt es zu einem ersten Angriff der Daker. Diese ziehen sich mit ihren Verwundeten in den Wald zurück. Römische Hilfstruppen präsentieren dem Kaiser erste abgeschlagene Köpfer der Daker.

Entlastungsangriff der Sarmaten südlich der Donau

Als Entlastungsangriff setzen Sarmaten und Roxolanen ohne Brücke und deshalb verlustreich über die Donau, um römisches Gebiet anzugreifen. Der Kaiser muß seinen Vormarsch abbrechen, zur Donau zurückmarschieren, die Soldaten einschiffen und ins Krisengebiet fahren, dort wieder ausschiffen. Die Sarmaten werden besiegt und flüchten. 

Abb. 7: Beim Ritt ins Land hinein zu Beginn des Zweiten Dakischen Krieges wird der Kaiser von unterworfenen Bevölkerungsteilen gegrüßt

Der Kaiser kann seinen Kriegszug nördlich der Donau fortsetzen (3, Szene 59):

Tatenlos sehen die Daker zum einen den Kaiser in der vorigen Szene nahen, zum anderen, wie römische Auxiliare eine Siedlung im Vordergrund niederbrennen.

Zwei Daker verhandeln mit dem Kaiser (Szene 66). Zugleich aber werden von den Römern umfangreiche Vorbereitungen zur Schlacht getätigt. Die Daker bereiten sich ebenfalls auf eine Belagerung vor und schlagen Holz ein.

Wiederum sind die Römer erfolgreich (Szene 75):

In einem langen Zug nähern sich unterworfene und unterwürfige Daker dem thronenden Kaiser. Hinter diesem versammeln sich die römischen Truppen. Im Hintergrund zieht sich eine große Folge verschiedener Lagerbauten hin.

Nach ihrer Unterwerfung schleifen die Daker ihre Festungen. Voller Unruhue und Hast verlassen dakische Familien ihre Heimat (Szene 76). Mit der Huldigung der römischen Legionäre vor ihrem Kaiser schließt die Bildfolge zur Darstellung des Ersten Dakischen Krieges.

Abb. 8: Dakische Frauen und Kinder während der Kaiser das Trankopfer vollzieht - Die Mischung von Stolz und Unterwürfigkeit, das ungelenke Hineinfinden in das neue "Römisch-Sein" zeichnet sich auf den Gesichtern ab (Szene 91)

Der Zweite Dakische Krieg (Szene 78 bis 155)

Ab Szene 78 wird der Zweite Dakische Krieg dargestellt. Der Kaiser wird von unterworfenen Bevölkerungsteilen begrüßt (Abb. 7). Römer und Daker stehen gemeinsam dabei, während der Kaiser das Trankopfer vollzieht (Szene 91).

Die Daker fliehen aus einer von ihnen zuvor innegehabten Festung - offenbar noch vor Beginn von Kampfhandlungen (Szene 93).

Unruhige dakische Krieger, die diskutierend in einer großen Festung stehen (Szene 111). Offenbar wollen einige Widerstand leisten, andere nicht. Vor der Festung laufen andere Daker durcheinander und sehen sich nach verschiedenen Richtungen hin um.

Mehrere Daker setzen ihre eigene, belagerte Stadt in äußerster Verzweiflung in Brand (Szene 119). In der nächsten Szene (120) wird Geschrei und Wehklagen gezeigt, es wird gezeigt, wie in der an die Stadt angrenzenden Festung die dakischen Männer in den Freitod gehen. König Decebalus selbst teilt den Gifttrank für sie aus.

Aus dem rückseitigen Tor fliehen die dakischen Männer in wilder Auflösung und Verzweiflung. Andere dakische Männer wenden sich mit flehenden Gesten an den Kaiser, unterwerfen sich ihm, bitten um Gnade und Leben. Die besiegte Stadt wird schließlich von den Legionären geplündert.

Noch einmal sammeln sich dakische Männer, um ein befestigtes Lager römischer Hilfstruppen zu stürmen (Szene 133). Die Hilfstruppen wehren sich verzweifelt. Die Daker werden immer noch von König Decebalus geführt. Er leitet den Angriff. Der Angriff wird abgeschlagen. Daker fliehen. König Decebalus spricht zu den dakischen Männern (Szene 139). Daker wenden sich von Decebalus ab, um Selbstmord zu begehen. Ein Daker bittet einen anderen, ihn zu erschlagen. Die Daker übergeben unterwürfig eine Festung an den Kaiser (Szene 141).

Die römische Reiterei folgt den letzten fliehenden dakischen Berittenen in die unwegsamen Berge Siebenbürgens. Dort werden letztere von den Römern gestellt und umzingelt. Die Daker werden niedergemacht. Mitten unter ihnen begeht Decebalus Selbstmord (Szene 145). Über der Leiche des Decebalus nehmen die Römer seine jungen Söhne gefangen. Im gut bewachten Lager wird den Legionären der abgeschlagene Kopf des Decebalus präsentiert.

Weitere dakische Könige werden von den römischen Hilfstruppen aufgespürt und überwältigt. Viele gefangene Daker werden im Gebirge in ein Gefangenenlager abgeführt. Vor einer weiteren Stadt leisten Daker Widerstand und werden überwältigt. Die Stadt wird angezündet. Es kommt zu umfangreichen Umsiedlungen von dakischen Familien und ihrer Rinder.

"Gelungene Integration"

Ergänzung 9.1.22: Hartwin Brandt, seit 2002 Professor für Alte Geschichte an der Universität Bamberg, hat ein Buch über die Römische Kaiserzeit herausgebracht. In einer Rezension von Seiten des Mainzer Althistorikers Theodor Kissel lesen wir (4):

Der Historiker Hartwin Brandt beschreibt die römische Kaiserzeit als Erfolgsmodell für eine gelungene Integration. (...) Brandt zeigt auf, wie die Römer ihre Macht organisierten, und weist darauf hin, daß diese ihre Herrschaft nicht nur militärisch, sondern auch kulturell fundierten und vormals Unterworfene an der Macht und an den Vorteilen ihres Systems teilhaben ließen. Religiöse Toleranz, zurückhaltende Administration und die Durchlässigkeit des politischen Systems bildeten zusammen mit der "Pax Romana" den politischen Mehrwert, der die Provinzialen dazu ermunterte, aus freien Stücken Römer zu werden.

Dem Völkerfriedhof Römisches Reich wird hier also eine "gelungene Integration" zugesprochen. Die Provinzialen wären "aus freien Stücken" Römer geworden. Aber gegen die Einwohner welcher nachmaligen Provinzen war denn zuvor nicht erbarmungslos Krieg geführt worden? Und was haben die Gallier an kultureller Eigenständigkeit mit hinüber gerettet in ihre nachmalige "gallorömische" Kultur? Ihre Sprache? Ihre religiösen Überlieferungen? In dem Buch würde aufgezeigt, "wie Großreiche Völker unterschiedlicher Nationalität, Religion und Mentalität integrieren können, ohne daran zu zerbrechen". Das dürfte ja auch sehr wichtig sein, daß Großreiche nicht daran zerbrechen, wenn sie sich an hunderten von Völker, Sprachen, religiösen und kulturellen Überlieferungen überfressen. Auch für Gegenwart und Zukunft.

Zufälligerweise hatten wir das in dem vorliegenden Beitrag ausgewertete Werk (1) in der Seminarbibliothek für Geschichte der Universität Bamberg entdeckt. Man wird also davon ausgehen können, daß der Rezensent etwas gar zu einseitig einen einzigen Aspekt herausgegriffen hat, der in dieser neuen Darstellung zum Römischen Kaiserreich heraus gearbeitet worden ist. Es wird sicherlich nicht der einzige sein.

"Reetablierung des Rumänischen zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert"

Nachtrag [26.6.2022]: In der einstigen Heimat der Daker leben heute Rumänen. Diese sprechen - auffälliger Weise - eine romanische Sprache, und zwar im Gegensatz zu den umliegenden Völkern, die slawische Sprachen sprechen. Sie haben sich selbst auch immer als "Römer" bezeichnet, was noch in dem Volksnamen "Rumäne" steckt. Germanische Stämme und die Deutschen haben romanisierte Völker mit der Sammelbezeichnung "Welsche" benannt (abgeleitet vermutlich von dem keltischen Stamm der "Volker", der ebenfalls romanisiert worden sein mag). Während auch romanisierte germanische Stämme im Westen und Süden "Welsche" benannt wurden, wurden die Romanisch-Sprachigen in Siebenbürgen als "Walachen" (Wiki) bezeichnet.

Wie sich nun die lateinische, bzw. romanische Sprache in Rumänien - über das Mittelalter hinweg - unter den dortigen "Römern", bzw. "Walachen" (Wiki) hat halten und ausbreiten können, ist noch nicht gut von der Sprachgeschichte verstanden. Aus Sicht der Ausbreitung des Dialektkontinuums der slawischen Sprachen zwischen Ostalpen und Schwarzem Meer wird gesprochen von einem "Reetablierung des Rumänischen zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert" (Wiki), das sich zwischen dieses slawische Dialektkontinuum geschoben hätte. Wir lesen (Wiki):

Das Rumänische ist die östlichste romanische Sprache. Es ist aus dem Lateinischen hervorgegangen, das in den römischen Provinzen Dakien und Moesien gesprochen wurde, d. h. nördlich bzw. südlich der Donau. Die kurze Zeit der römischen Herrschaft in Dakien von 107 bis 271 n. Chr. genügt nicht, um die Herausbildung des Rumänischen in diesem Raum zu erklären. Es müssen die stärker romanisierten Gebiete südlich der Donau, die weiterhin unter römischer Herrschaft verblieben waren, (...) (mit) in Betracht gezogen werden.

Vielleicht haben auch die Goten, die in Siebenbürgen fortbestanden haben (Stgen2021), zunächst ein provinzialrömisches Latein übernommen und dieses als solches auch beibehalten, anstatt eine slawische Sprache zu übernehmen.

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  1. Alexandre Simon Stefan: Die Trajanssäule. Dargestellt anhand der 1862 für Napoleon III. gefertigten Fotografien. Mit einem Beitrag von Hélène Chew. Zusammenstellung der Tafeln von Alexandre Simon Stefan. Aus dem Französischen übersetzt von Birgit Lamerz-Beckschäfer, Dieter Hornig sowie Fritz Mitthof und Julian Gabriel Schneider. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Philipp von Zabern, Darmstadt 2020 (EA Französisch 2015) (Academia)
  2. Reinhardt, Arne: Rezension von 1, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/gfa/article/view/83872/78202
  3. Monumentbrowser zur Trajanssäule, Universität zu Köln, Archäologisches Institut, 2021, https://arachne.uni-koeln.de/browser/?view[layout]=Trajan_item&relief_nr=01
  4. Kissel, Theodor: Rezension zu "Das Kaiserreich" von Hartwin Brandt (2021), 4.1.2022, https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-die-kaiserzeit/1952356 

1 Kommentar:

  1. Hartwin Brandt, seit 2002 Professor für Alte Geschichte an der Universität Bamberg, hat ein Buch über die Römische Kaiserzeit herausgebracht. In einer Rezension von Seiten des Mainzer Althistorikers Theodor Kissel lesen wir (4):

    >>Der Historiker Hartwin Brandt beschreibt die römische Kaiserzeit als Erfolgsmodell für eine gelungene Integration. (...) Brandt zeigt auf, wie die Römer ihre Macht organisierten, und weist darauf hin, daß diese ihre Herrschaft nicht nur militärisch, sondern auch kulturell fundierten und vormals Unterworfene an der Macht und an den Vorteilen ihres Systems teilhaben ließen. Religiöse Toleranz, zurückhaltende Administration und die Durchlässigkeit des politischen Systems bildeten zusammen mit der "Pax Romana" den politischen Mehrwert, der die Provinzialen dazu ermunterte, aus freien Stücken Römer zu werden.<<

    Dem Völkerfriedhof Römisches Reich wird hier die Fähigkeit zu einer "gelungenen Integration" zugesprochen. Die Provinzialen wären "aus freien Stücken" Römer geworden. Aber gegen die Einwohner welcher nachmaligen Provinzen war denn zuvor nicht erbarmungslos Krieg geführt worden? Und was haben die Gallier an kultureller Eigenständigkeit mit hinüber gerettet in ihre nachmalige "provinzialrömische" Kultur? Ihre Sprache? Ihre religiösen Überlieferungen? In dem Buch würde aufgezeigt, "wie Großreiche Völker unterschiedlicher Nationalität, Religion und Mentalität integrieren können, ohne daran zu zerbrechen". Das dürfte ja auch sehr wichtig sein, daß Großreiche nicht daran zerbrechen, wenn sie sich an hunderten von Völkern, Sprachen, religiösen und kulturellen Überlieferungen überfressen. Auch für Gegenwart und Zukunft.

    Zufälligerweise hatten wir das in dem vorliegenden Beitrag ausgewertete Werk (1) in der Seminarbibliothek für Geschichte der Universität Bamberg entdeckt. Man wird also davon ausgehen können, daß der Rezensent etwas gar zu einseitig einen einzigen Aspekt herausgegriffen hat, der in dieser neuen Darstellung zum Römischen Kaiserreich heraus gearbeitet worden ist. Es wird sicherlich nicht der einzige sein.

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