Dienstag, 4. März 2008

Vorstudien zu einer "Vergleichenden Religionsdemographie" (Teil 1)

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen war der oft von Religionskritikern geäußerte Einwand und Vorwurf gegen die Deutung derzeitiger religionsdemographischer Befunde: Wie kann es sein, daß es ausgerechnet und vor allem "Priesterherrschaft" wäre - heute und seit tausend Jahren -, die bei monotheistisch Gläubigen die hohen Geburtenzahlen hervorbringen? Sind das nicht ganz unmoralische Verhältnisse - zumindest aus heutiger Sicht? Da werden die Frauen und Männer mehr oder weniger "gezwungen", hohe Kinderzahlen zu haben. Oder ihnen wird durch Sündenbewußtsein und ähnliche Dinge von männlichen Beichtvätern und Pfarrern eingeflößt, die eigenen Kinderzahlen nicht zu beschränken, treu in der Ehe zu sein, treue Familienmütter und -väter zu sein. Und das immer auch mit dem Hinweis auf eine "himmlische" Belohnung oder "höllische" Bestrafung für das jeweilige Verhalten in einem jenseitigen Weiterleben.

Bei nur flüchtigem Überdenken dessen, was zu einem solchen Einwand alles zu sagen wäre, sowohl an Zustimmendem als auch an zu Differenzierendem, und beim Überlegen, in welchen Argumentationsrahmen man das am günstigsten stellen könnte, kam mir der Gedanke, daß die Zeit längst überfällig ist für die Gründung einer neuen Wissenschafts-Disziplin, die da benannt werden sollte: "Vergleichende Religionsdemographie". (Suchwort "Vergleichende Religionsdemographie" bringt derzeit nur Ergebnisse beim "Fischblogger" und bei "Studium generale" [Google, Yahoo] ;-) - Und auch nicht genau in dieser Kombination bisher. Es handelt sich also um einen ganz neuen Begriff .)

Meine eigenen Vorstudien vor mehr als zehn Jahren

Ich selbst habe schon vor mehr als zehn Jahren als Vorstudien zu meiner damals geplanten Doktorarbeit zur "Soziobiologie arbeitsteiliger Gesellschaften" eine ganz vorläufige Zusammenstellung von "Erfolgsmodellen der (Human-)Evolution" unternommen. Ich werde sie als nächstfolgenden Beitrag hier auf dem Blog erstmals veröffentlichen. (1) Schon damals, vor zehn Jahren, war mir bewußt, daß die jeweiligen "Erfolgsmodelle der Evolution" sehr häufig auch davon beeinflußt gewesen zu sein scheinen, daß dieselben etwas mit Religion und Religiosität zu tun gehaben haben - neben anderen wichtigen Merkmalen (siehe dort). Aber damals gab es die Forschungen von Michael Blume, Richard Sosis, Dean Hamer und so vielen anderen Forschern ja noch gar nicht. (2 - 5) Man macht sich selten bewußt, was sich alles allein in den letzten zehn Jahren auf diesen Erkenntnisgebieten verändert hat. Auch war vor zehn Jahren Demographie an sich noch längst nicht ein Thema, das in der Öffentlichkeit so präsent war wie es das heute ist.

Deshalb hingen meine Überlegungen damals noch ziemlich im "luftleeren" Raum. Und ich fand in meiner damaligen akademischen und privaten Umgebung auch nur wenig Unterstützung beim Weiterverfolgen meiner Gedanken. Heute jedoch sieht man schon gut, wie sich meine damaligen Überlegungen fast nahtlos einordnen in eine sich wahrscheinlich bald formierende Disziplin der "Vergleichenden Religionsdemographie". Und eine solche Einordnung ist auch notwendig, wie ich sehe, um widerspruchslos und erkenntniserweiternd argumentieren zu können.

Anschluß an die allgemeine Historische Demographie an sich

Eine solche "Vergleichende Religionsdemographie" wird sich auch bald erweitern, bzw. Anschluß finden an die noch viel allgemeinere "Bevölkerungslehre" des Bevölkerungswissenschaftlers (und Historischen Demographen) Gerhard Mackenroth. (6) Der Grundgedanke dieser "Bevölkerungslehre" des bedeutendsten deutschen Bevölkerungswissenschaftlers des 20. Jahrhunderts (7) war der von der "Bevölkerungsweise". Dies ist die Art und Weise, wie die Demographie einer Bevölkerung in der jeweiligen Gesellschaft und Epoche durch die vorherrschenden Ideologien und Wirtschaftsweisen gesteuert wird und wie umgekehrt die Demographie auf die anderen Bereiche zurückwirkt (ein typischer Rückkopplungs-Prozeß). Man kann für den Begriff "Bevölkerungsweise" auch die Begriffe verwenden: "demographisches (oder reproduktives) Regime" oder im weiteren Sinne: "gruppenevolutionäre Strategien". (8)

Soweit nur die Vorbemerkungen zu dem folgenden Beitrag. (1) Es folgen danach noch Nachbetrachtungen.
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Literatur:

1. Bading, Ingo: Erfolgsmodelle der Evolution. Reproduktionserfolge in ausgewählten Populationen. Manuskript (entstanden im Dezember 1996), Erstveröffentlichung auf Wissenschaftsblog "Studium generale", 4.3.2008
2. Wilson, David Sloan: Darwin's Cathedral. Evolution, Religion, and the Nature of Society. University of Chicago Press 2002
3. Sosis, Richard (2000 - 2008) (deutschsprachiger Beitrag in "Gehirn & Geist", 2006)
4. Blume, Michael (2006 - 2007) (deutschsprachige Beiträge ---> hier)
5. Hamer, Dean: Das Gottes-Gen. 2006
6. Mackenroth, Gerhard: Bevölkerungslehre. Berlin 1953
7. Bading, Ingo: Ein deutscher Sozialreformer unter Konrad Adenauer - Gerhard Mackenroth (1903 - 1955) und die deutsche Bevölkerungssoziologie.
Auf: Wissenschaftsblog "Studium generale, 29.5.2007, 30.5.2007, 14.8.2007 (und andere Beiträge)
8. Bading, Ingo: Der "anthroposophische Lebensstil" als demographischer Faktor. Vorläufiger Entwurf eines Forschungsartikels. Auf Wissenschaftsblog "Studium generale", 26.2.2008

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