Freitag, 2. November 2007

Hayek, Wilson und Wilson (Edward O. und David Sloan) über Gruppenselektion und Altruismus

Die neueste Ausgabe des "New Scientist" bringt einen Artikel von einem sehr prominenten Autoren-Paar: David Sloan Wilson und Edward O. Wilson, Titel: "Evolution - Survival of the selfless". (New Scientist) - Leider kostenpflichtig! Auf der Suche nach seinem etwaigen Inhalt stieß ich auf einen weiteren - oder den gleichen? - Artikel desselben Autoren-Paares "Rethinking the Theoretical Foundation of Sociobiology" (pdf.). In der Zusammenfassung heißt es:
Multilevel selection needs to become the theoretical foundation of sociobiology, despite the widespread rejection of group selection since the 1960s.
Oder:
Group selection has become both theoretically plausible and empirically well supported.
Edward O. Wilson hatte schon vor einigen Jahren (zusammen mit Bert Hölldobler) daraufhingewiesen, daß man den Altruismus in Insektenstaaten nach den neuesten empirischen Ergebnissen nicht mehr durchgängig widerspruchsfrei mit Verwandten-Altruismus erklären kann, und daß höchstwahrscheinlich das Konzept der Gruppen-Selektion hinzugezogen werden muß. Hier scheint er sich nun mit dem langjährigen prominentesten Vertreter der Gruppen-Selektion zusammen getan zu haben, um das Konzept neu zu diskutieren.

Zufälligerweise finde ich dabei auch eine Rezension aus dem Jahr 2000 zum Buch "Unto others" von David Sloan Wilson mit dem Titel: “Was Hayek Right About Group Selection After All?” Review Essay of Unto Others. (pdf.) Da Religionswissenschaftler Michael Blume ein so großer Fan von Friedrich von Hayek ist, denke ich, wird es ihn freuen zu erfahren, daß auch schon andere Evolutionspsychologen auf Hayek aufmerksam geworden sind.

Um es zu wiederholen: Für mich - ebenso wie für David Sloan Wilson und seinen Freund Kevin MacDonald - zählen die Geschichte des aschkenasischen Judentums in den letzten tausend Jahren ebenso wie die Geschichte anderer religiöser und ethnischer Gruppierungen weltweit zu den besten Beispielen für Gruppenselektion und dabei auch für die (Weiter-)Evolution von Religiosität.

Wahrscheinlich ordnet sich überhaupt jede Form von neu entdeckter "lokaler Humanevolution" in dieses Konzept von Gruppenselektion ein. Sicherlich ist auch in jeder Menschengruppe die Neigung zu Altruismus in etwas anderer Weise evoluiert. So sind Menschen, die von ihrer Veranlagung her eher zu "Kollektivismus" neigen, in anderer Weise altruistisch, als Menschen, die eher zu "Individualismus" neigen. So kann auch zum Beispiel schon schlicht gesagt werden, daß intelligentere Menschen in bestimmten Umwelten auf andere Weise (oft effizientere Weise) altruistisch sein können, als weniger intelligente Menschen. Das erhöht aber nicht den "Wert" ihres Altruismus, macht sie also nicht irgendwie "auserwählt" oder zur "Herrenrasse", sondern erhöht nur ihre Verantwortung ...

Es muß völlig neu über die ethische Beurteilung menschlichen Handelns nachgedacht werden, dabei insbesondere darüber, ob jemand, der weniger effizient altruistisch handeln kann, deshalb per se weniger altruistisch ist. Ich glaube nicht, daß man zu einem solchen Ergebnis kommen wird. Das marxistische Paradigma des "Jedem nach seinen Bedürfnissen und jeder nach seinen Fähigkeiten" muß völlig neu durchdacht werden.

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