Sonntag, 17. Juni 2007

Stammesorientierte Religiosität

Michael Blume wirft eine neue Thematik auf, die mich auch sehr interessiert: stammesorientierte Religiosität. (Religionswissenschaft) Viele Anzeichen in der modernen Humangenetik deuten darauf hin, daß sich die meiste Zeit in der menschlichen Evolution Ethnizität und Religiosität sehr stark überschnitten haben, gemeinsam evoluiert sind. Noch in den letzten tausend Jahren hat genau dieser Umstand offenbar den heute höchsten, durchschnittlichen Intelligenz-Quotienten eines Volkes weltweit, nämlich des aschkenasischen Judentums hervorgebracht.

Die eigentlichen "großen" Weltreligionen, die diese enge Verflechtung von Religiosität und Ethnizität aufgehoben haben, sind ja weltgeschichtlich gesehen nicht besonders alt. Und sie sind meist selbst aus einer stammesorientierten Religiosität hervorgegangen. So das Christentum und der Islam aus der - auch heute oft noch sehr stark stammesorientierten - jüdischen Religion. Es muß also eine solche Aufgabe von stammesbezogener Religiosität durch Annahme, Bekehrung zu Weltreligionen nicht das letzte Wort der Weltgeschichte und der Humanevolution gewesen sein.

Gerade in Zeiten "globaler" Krisen beginnen sich Menschen häufig wieder auf das Naheliegendere, Lokale, Heimatliche zu besinnen und es durchaus auch religiös oder quasi-religiös zu werten. So lautet etwa auch der Vorschlag von Martin Walser in seinem Text "Ich vertraue" von 1998, dem ich sehr viel abgewinnen kann.

Das "smaragdene Halsband Indiens"

Immer mehr Hinweise sammeln sich dafür an, daß Humanevolution insbesondere in Stämmen und Völkern stattfindet und durch sie. Und bekanntermaßen "arbeitet" Evolution - nicht nur in Bezug auf den Menschen - am besten mit Vielfalt - offenbar auch auf Gruppen-Ebene. Was diese Themen betrifft, geschieht derzeit in der Humangenetik und Soziobiologie sehr viel. Und auch in anderen Forschungsbereichen. Hier liegt ja für "Studium generale" derzeit auch ein Schwerpunkt. Denn es ist abzusehen, daß man da für die nächsten Jahre und Jahrzehnte noch manche rasanteren Fortschritte erwarten kann, die zu größeren Umbrüchen in unserem Denken und Handeln führen können. Der bekannte Sprachforscher Steven Pinker sprach ja diesbezüglich von der "gefährlichsten Idee der nächsten zehn Jahre".

Der Humangenetiker Armand Leroi führte vor einigen Jahren in einem vielbeachteten und -diskutierten NYT-Artikel zu der Thematik, daß Evolution in Rassen und Völkern unterschiedlich abgelaufen sein könnte, ein wunderschönes Zitat aus der "Indian Times" an, das gesprochen hatte von dem "smaragdenen Halsband Indiens". Dieses Wort bezieht sich auf all die menschheitsgeschichtlich uralten Volksgruppen und Minderheiten, die in Indien leben und die auch den Kernbesiedlungsraum Indiens umgeben. Es bezog sich vor allem auch auf die weit draußen im Indischen Ozean gelegenenen Andamanen-Inseln, deren Bewohner noch heute sehr direkte und isoliert bis heute lebende Nachfahren der ersten aus Afrika ausgewanderten Menschengruppen zu sein scheinen. (Nach den neueren genetischen Forschungen.)

Armand Leroi legt also den Schwerpunkt der Argumentation darauf, die kulturelle und biologische Vielfalt der menschlichen Rassen, Völker und Stämme als einen unersetzlichen Wert der Menschheit anzusehen - und nicht in erster Linie als eine Gefahrenquelle, die Kriege und Völkermorde hervorrufen kann. Wahrscheinlich wird dies die richtige Herangehensweise an all diese Fragen sein, die im 20. Jahrhundert zu so unendlich viel unheilvollem, politischen Mißbrauch und Leid geführt haben.

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