Sonntag, 17. Juni 2007

Multikulturelle Gesellschaften vergrößern menschliches Mißtrauen

Die multikulturelle Gesellschaft - vergrößert sie das Vertrauen der Menschen, Ethnien und Rassen untereinander oder verringert sie es? Diese Frage stellt die "New York Times" (NYT, über Gene Expression). Der Artikel fragt nicht nur, ob Vertrauen zwischen ethnischen Gruppen vergrößert oder verringert wird, er geht weiter und fragt - zunächst rhetorisch -, ob überhaupt das Vertrauen zwischen Menschen - auch innerhalb der eigenen ethnischen Gruppierung - dadurch vergrößert oder eher doch verringert wird:
... But what if diversity had an even more complex and pervasive effect? What if, at least in the short term, living in a highly diverse city or town led residents to distrust pretty much everybody, even people who looked like them? What if it made people withdraw into themselves, form fewer close friendships, feel unhappy and powerless and stay home watching television in the evening instead of attending a neighborhood barbecue or joining a community project?

This is the unsettling picture that emerges from a huge nationwide telephone survey by the famed Harvard political scientist Robert Putnam and his colleagues. “Diversity seems to trigger not in-group/out-group division, but anomie or social isolation,” Putnam writes in the June issue of the journal Scandinavian Political Studies. “In colloquial language, people living in ethnically diverse settings appear to ‘hunker down’ — that is, to pull in like a turtle.”

In highly diverse cities and towns like Los Angeles, Houston and Yakima, Wash., the survey found, the residents were about half as likely to trust people of other races as in homogenous places like Fremont, Mich., or rural South Dakota, where, Putnam noted, “diversity means inviting a few Norwegians to the annual Swedish picnic.”
Das sind erstaunliche Ergebnisse.
More significant, they were also half as likely to trust people of their own race. They claimed fewer close friends. They were more apt to agree that “television is my most important form of entertainment.” They had less confidence in local government and less confidence in their own ability to exert political influence. They were more likely to join protest marches but less likely to register to vote. They rated their happiness as generally lower. And this diversity effect continued to show up even when a community’s population density, average income, crime levels, rates of home ownership and a host of other factors were taken into account. ...
Tun einem Parallel-Gesellschaften besser?

Auch an anderer Stelle ist darüber - zum Teil noch ausführlicher - berichtet worden (The Boston Globe, 5.8.07). Der Forscher Robert Putnam gilt als einer der führenden Erforscher des "sozialen Kapitals" einer Gesellschaft und hat darüber schon im Jahr 2001 das vielbeachtete Buch "Bowling alone" herausgebracht.

Im Grunde hatten schon frühere Forschungen darauf hingewiesen (Welt), daß Menschen das subjektiv zu empfinden scheinen, daß es ihnen besser tut, in räumlich aufgegliederten "Parallel-Gesellschaften" zu leben, und daß sie sich deshalb ethnisch und räumlich entmischen auch in multikulturellen Gesellschaften wie den USA.

Andere Forschungsergebnisse haben auch aufgezeigt, daß selbst solche Menschen, die bewußt intellektuell von sich denken, sie würden keinerlei "Vorurteile" und sonstige "andere" emotionale Reaktionen gegenüber andersethnischen und -rassischen Menschen haben, als gegenüber solchen der eigenen Ethnie, bei Gehirnmessungen eben doch zeigen, daß sie auf diese anders reagieren als auf Menschen, die einer ähnlichen Ethnie und Rasse angehören wie sie selbst. Das paßt auch zu den Konzepten genetischer Verwandten-Erkennung in der Soziobiologie und dem Einfluß derselben auf kooperatives Verhalten.

Ein verantwortungsbewußter Umgang mit sozialen Problemen in unserer heutigen Gesellschaft sollte also solche Erkenntnisse berücksichtigen. Eine humanere Gesellschaft könnte - offenbar - auch dadurch möglich werden, daß man sie - - - "entmischt".

"Was ist für Götter und Menschen Glück?"

Das Gedicht "Die Fähre", das die berühmte Dichterin Ostpreußens, Agnes Miegel, 1920 anläßlich der Abtretung des Memellandes, das zuvor zu Deutschland gehörte, an Litauen an einem sonnigen Urlaubstag am Südufer der Memel dichtete, scheint dieses Forschungsergebnis schon sehr treffend vorweggenommen zu haben. Sie sah - was damals alle Deutschen sahen -, daß diese Gebietsabtretungen an Litauen und Polen nur der erste Auftakt für weitere sein würden (siehe 1945), und daß sie mit dem Verlust von Heimat verbunden sein würden (schon 1920). Insbesondere aber ist es die Zeile "Wege geh'n, wo jeder uns / wie Kind und Bruder ähnlich sieht", die einen aufhorchen läßt, und in der Agnes Miegel scheinbar schon vor 80 Jahren intuitiv etwas vorweggenommen hat, was jetzt allmählich auch die Forschung zu begreifen beginnt.
...

Was ist für Götter und Menschen Glück?
Das Glück, dem keines gleicht?
O das ist: den eigenen Boden sehn
soweit das Auge reicht!
Und Gruß und Rede hören
wie altvertrautes Wiegenlied
Und Wege gehn, wo jeder uns
wie Kind und Bruder ähnlich sieht!

Und was ist allerschwerste Last?
was ist ewige Pein?
Was ist den Kindern der Ebne verhaßt
und wird es immer sein?
Von der Heimat gehn ist schwerste Last,
die Götter und Menschen beugt,
und unstet schweifen ist allem verhaßt,
das die grüne Ebne gezeugt.

...

Agnes Miegel

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