Donnerstag, 21. Januar 2021

Mensch, merk dir: Du bist Morast ....

Sterne - Leben - Astrobiologie

/ Vierter Beitrag in unserer Aufsatz-Reihe "Wir sind Sternenstaub" / 

An der Grenze zwischen Sein und Nichtsein

Ist es nich ein geradezu erstaunlicher Umstand, daß der Tod im Leben der Sterne die aller größte Bedeutung hat? Erst der Tod gebar - sogar bei den Sternen - das "Leben". Schon in der Sternenwelt gilt das Gebot: Sterbt und ihr werdet wieder geboren. Aber: Sterbt. So sprechen die Sterne. Und sie schaffen dabei den Stoff, "aus dem wir sind", wir sterblichen Menschen, wir Wesen aus Sternenstaub.

Ein Stern wird "alt" und "grämlich". Er sinkt in sich zusammen. Er gehorcht nur noch den Gesetzen der Schwerkraft. Aber dieses In-sich-Zusammen-Fallen, dieses In-sich-Zusammen-Sinken, dieses Dahinwelken, sie bewirken ein noch stärkeres Verbacken von chemischen Elementen im Innern eines solchen Sterns zu noch schwereren Elementen. Und daraus entspringt - später, viel, viel später - sprudelnde Lebendigkeit. Hier auf unserer Erde. Und womöglich anderswo im Kosmos.

Ist das die Lehre der Sterne: Laßt euch auf das Sterben ein, sinkt in euch zusammen? Laßt euch fallen - ihr werdet wieder geboren - ? Gehorcht den Gesetzen der Schwerkraft, des Sterbens?

Sind sie womöglich voller Philosophie, die Sterne? Haben sie womöglich - mehr "Leben" als wir, wir Menschen hier unten auf Erden?

Menschen, Philosophen, die sich Anfang der 1940er Jahre mit einer philosophischen Schau, mit einer philosophischen Deutung und Einordnung des damaligen Kenntnisstandes in der Physik beschäftigten, mit einer philosophisch geschauten "Schöpfungsgeschichte" - sie wußten ja noch gar nicht, daß der Tod im Leben der Sterne geradezu die größte Bedeutung hat für die Entstehung der chemischen Elemente, für die Entstehung eben jenes "Stoffes", aus dem wir sind. Wie wesentlich wäre so manchem von ihnen gerade auch diese Erkenntnis gewesen. Wo doch schon so mancher unter ihnen der Einführung des Alterstodes in der Organismenwelt eine so ungeheuer Leben erweckende Kraft zugesprochen hatte, eine Kraft, die sogar für die Höherentwicklung in der Organismenwelt vor allem verantwortlich gewesen sein soll, so der Grundgedanke: Der Alterstod als Widersacher des Lebens, der durch diesen "Stachel" "höheres" Leben hervor bringt. Und genau dieselben Grundzüge nun auch in der Sternenwelt?!

Welche immense - geradezu philosophische - Bedeutung erhält durch diesen Umstand nun die geradezu "einfachste" Universalkraft des Universums zugesprochen, die Schwerkraft, die Gravitation. Ist sie nicht zugleich auch jene Kraft, die einerseits sowohl das Entstehen der chemischen Elemente ermöglicht, die dabei aber in ihrer Kraft so groß werden kann, daß sie Sein in Nichts umwandeln kann, Materie in Neutronensterne oder in Schwarze Löcher, denen nichts mehr entkommen kann, Materie in Weiße und Rote Zwerge, die sich wie "erstarrte Sternenevolution" darstellen - denn sie werden sich niemals mehr während der gesamten Dauer des Universums noch verändern. In der Schwerkraft steckt so viel Tod, so viel Tendenz zum Nichts, zum Nichtsein. Und dennoch: In dieser Tendenz zum Nichtsein "gebiert" sich - im Widerspiel mit den atomaren Kernkräften der chemischen Elemente, mit der Entzündung ihres Feuers - der Aufstieg zu höherer chemischer Komplexität in diesem Weltall.

Welche ungeheure, doppelte Wirkung geht von dieser Schwerkraft aus. Sie schenkt "Leben". Sie schenkt Tod. Sie repräsentiert "Dasein" ja geradezu als jene Kraft, die von "Dasein" schlechthin, von Materie ausgeht. Und sie repräsentiert den Tod, den Schlund, in den alles hinein gezogen wird, in dem alles erstarrt, in dem alle weitere Entwicklung ein Ende hat. Die Schwerkraft steht also ebenso an der Wiege des Seins (der chemischen Elemente) wie am Totenbett des Seins (an allem Ende allen materiellen Seins). Die Materie birgt - durch die Schwerkraft, die sie ausübt, auch auf sich selbst - ihren eigenen Tod in sich. 

Was für ein aufrüttelnder Zusammenhang. Das Sein an sich scheint sich auf einem schmalen Grat zwischen Sein und Nichtseins entlang zu bewegen. Das Sein schafft - aus sich selbst heraus - alles Sein. Und es schafft - aus sich selbst heraus - alles Nichtsein.

"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage," mag sich das Sein schon ganz am Anfang seines Seins gefagt haben ... Aber: Wie nobel, wie edel muß Sein sein, wenn es sein eigenes Dasein - so ohne weiteres und ohne alle Umschweife - sogleich auch wieder so stark infrage stellen kann, in Nichtsein umwandeln kann. Wozu Sein? Um möglichst schnell zurück zu kehren zum Nichtsein - ? Um möglichst schnell zurück zu kehren zum Ursprung? So würden es Hölderlin - und vor ihm schon Sophokles benennen.*)

Womöglich hätte das Sein nur einen schmalen Tritt vom Wege abgehen müssen - und es hätte sich sogleich wieder zum Nichtsein umgewandelt. Daß sich das Nichtsein überhaupt - gegen die Kräfte der Schwerkraft - zum Sein "aufschaukeln" konnte (in einem von den Physiker seit 1981 "inflationär" genannten Prozeß) (Wiki) - es wird das als ein aufwühlendes Geschehen erachtet werden können. Bevor die Schwerkraft das Sein wieder "verschlucken" konnte, hatte sich das Sein gegenüber ihr, der Schwerkraft schon behauptet, durchgesetzt, entwickelt und aus sich heraus Veränderungsmöglichkeiten geschöpft. Aber wer weiß, für wie lang. An vielen Stellen im Kosmos (in Neutronensternen und Schwarzen Löchern, in Roten und Weißen Zwergen) ist das Sein schon wieder erstarrt, hat das Nichtsein oder die Tendenz zum Nichtsein, zur Erstattung schon wieder die Führung übernommen und gibt das Schritttempo an hinüber in die Welt des Nichtseins.

Die Schlüsselrolle des Elements Kohlenstoff

Die Periodentafel der Elemente - sie kennen wir alle noch aus der Schule. Es gibt aber eine vielleicht noch viel spannendere Abwandlung dieser Periodentafel der Elemente, in der der Ursprung der jeweiligen Elemente innerhalb des Kosmos zur Darstellung kommt (Abb. 1).

Abb. 1: Ursprung der Elemente im Ksomos (Universität von Ohio)

Diese Periodentafel erläutert den Ursprung all der auf ihr verzeichneten chemischen Elemente unseres Sonnensystems, unseres Seins, indem sie aufzeigt, wo und wann die unterschiedlichen Grundbausteine allen Seins, die chemischen Elemente jeweils entstanden sind.**) 

Diese neue Form der Periodentafel der Elemente kann dem philosophisch Denkenden allerhand zu denken geben. Wir müssen uns aber die Tatsachen zum Verständnis dieser Tafel erst zusammen suchen. Es kommt hier zunächst zur Darstellung, daß aller Wasserstoff in unserem Universum und der allergrößte Teil des Heliums in ihm gleich nach dem Urknall entstanden sind (siehe dunkelblau: "Big Bang Fusion"). Die Elemente Beryllium (Be) und Bor (B) sind dann aber wiederum erst durch die Atomkernspaltung durch Kosmische Strahlung oberhalb der Erdatmosphäre entstanden (siehe lila: "cosmic ray fission"). Sie sind deshalb keine sehr alten Elemente in unserem Universum, in unserer Galaxis, in unserem Sonnensystem, sondern vergleichsweise jungen Datums. Zu dem chemischen Element "Bor" lesen wir (Wiki):

Wie die beiden im Periodensystem vorangehenden Elemente Lithium und Beryllium ist auch Bor ein im Sonnensystem auffallend seltenes Element. Die Seltenheit dieser drei Elemente erklärt sich daraus, daß sie keine Produkte der stellaren Kernfusionen sind, die zur Elemententstehung (Nukleosynthese) führen. Das Wasserstoffbrennen führt zu Heliumatomen, das darauffolgende Heliumbrennen (der Drei-Alpha-Prozeß) schon zu Kohlenstoffatomen. Bor entsteht ausschließlich bei der Spallation (Spaltung) schwerer Atomkerne durch kosmische Strahlung.

Erstaunlicherweise ist der so lebenselementare Kohlenstoff also schon das dritte Element, das im Universum überhaupt gebildet worden ist. Dabei ist er zugleich das erste Element, das nicht im Universum insgesamt entstanden ist, sondern in Sternen "gebrannt", zusammen gebacken wurde. Daß auf diesen Umstand in Artikeln auf Wikipedia so wenig Augenmerk gerichtet ist und geradezu nur wie "nebenbei" mitgeteilt wird, zeigt, daß die Wissenschafts-Interessierten, die sich mit diesen Themen auf Wikipedia - und anderwärts - beschäftigen, die von ihnen erforschten Tatsachen nicht gerade besonders eifrig von grundlegenderen philosophischen Gesichtspunkten her zu ordnen bemüht sind.

Daß die Schlüsselrolle des Elementes Kohlenstoff, die für die Entstehung des Lebens in diesem Universum längst erkannt ist, nicht in ebensolcher Weise für die Entstehung aller Elemente schwerer als Helium in den Mittelpunkt von Betrachtungen gestellt wird irgendwo, dieser Umstand darf schon als sehr bemerkenswert erachtet werden und darf als ein Zeichen erachtet werden dafür, wie wenig heutige Naturwissenschafts-Interessierte das Bedürfnis haben, die von ihnen erforschten Tatsachen von einem höher gelegenen philosophischen Standpunkt aus nun noch einmal besonders zu betrachten und zu ordnen. Sie sind dafür offenbar zu tief in der Erforschung der Details des Seins verstrickt und verlieren den Überblick im Großen, den Zusammenhang aus den Augen.

Wohl uns also, daß es neben Naturwissenschafts-Interessierten auch noch naturwissenschaftsnahe Philosophen und Philosophie-Interessierte gibt. 

Die Geburt unserer Welt

Jedenfalls: Die Entstehung des Elementes Kohlenstoff geschah - und geschieht - in dem eben genannten "Drei-Alpha-Prozeß" (Wiki):

Durch den Drei-Alpha-Prozeß (3α-Prozeß) werden im Inneren von Sternen drei Helium-Kerne (α-Teilchen) durch Kernfusionsreaktionen in Kohlenstoff umgewandelt und senden dabei Gammastrahlung aus. Dies wird auch als Heliumbrennen oder, nach seinem Entdecker Edwin Salpeter, als Salpeter-Prozeß bezeichnet.

Das Heliumbrennen. Es ist das eigentlich ein mehr als nur banal klingender Name. Was aber ist mit ihm alles benannt. Was verdanken wir ihm? Nichts geringeres als unsere Existenz. Dieses "Heliumbrennen" gehört zu den vielen "Geburtsstunden" innerhalb unseres Kosmos dazu, denen wir allen - nacheinander - unsere Existenz zu verdanken haben, ohne die wir nicht wären. Wäre diese Kette von Wiedergeburten und Neugeburten (der Entstehung des Universums selbst, der Entstehung der chemischen Elemente, der Entstehung von Galaxien, Sternen und Planeten, der Entstehung von Leben, der Entstehung von Vielzellern, der Entstehung sozialer Komplexität, der Entstehung von Wissenschaft) nur an einer Stelle ihrer langen Reihe unterbrochen - es gäbe uns nicht in der Form, in der es uns heute gibt.

"Heliumbrennen" ist auf den ersten Blick also ein geradezu nichtssagender, nüchterner wissenschaftlicher Begriff. Aber handelt es sich nicht um viel mehr? Vollzieht sich in dem hier Benannten nicht eigentlich so ungeheuer viel mehr als in diesem Begriff enthalten zu sein scheint? In ihm entsteht eine ganze Welt. Während des Heliumbrennens vollzieht sich tatsächlich: die Geburt unserer Welt. Zumindest jener Welt wie wir sie kennen. Es vollzieht sich in ihm die Geburt eines neuen Zeitalters. Des Zeitalters der schwereren chemischen Elemente und alles dessen, was aus ihnen an molekularer Komplexität entstehen kann.

Der Entdecker des Heliumbrennens, der schon genannte Edwin Salpeter (1924-2008) (Wiki, engl) stammte aus einer Familie jüdischer Herkunft in Wien. Mit dieser wanderte er 1939 - nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich - nach Australien aus. Dort studierte er Physik, diese so außerordentlich edle wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem womöglich Erhabensten beschäftigt, das es gibt: nämlich mit unserem Sein. Was lesen wir da (Wiki):

1951 schlug Salpeter vor, daß Sterne Helium-4 mit dem Drei-Alpha-Prozeß in Kohlenstoff-12 brennen können, alledings durch ein wenig stabiles Zwischenstadium von Beryllium-8, was die Kohlenstoff-Produktion in Sternen erklären half.
In 1951 Salpeter suggested that stars could burn helium-4 into carbon-12 with the Triple-alpha process not directly, but through an intermediate metastable state of beryllium-8, which helped to explain the carbon production in stars.

Und weiter (Wiki):

Der Drei-Alpha-Prozeß kann nur bei Temperaturen über 100 Millionen Kelvin ablaufen und setzt das reiche Vorhandensein von Helium voraus. Daher tritt er normalerweise nur in den Zentren von Sternen in späten Phasen ihrer Entwicklung auf, in denen ein höherer Druck und höhere Temperaturen als momentan in der Sonne herrschen und bereits ausreichend Helium durch Proton-Proton-Reaktionen oder den Bethe-Weizsäcker-Zyklus (CNO-Zyklus) erzeugt wurde. Bei den notwendigen Temperaturen sind alle beteiligten Atomkerne vollständig ionisiert, d. h. ohne Elektronenhülle.  Die Sonne wird erst beim Eintritt in die letzte Phase ihres Lebenszyklus, in etwa 4 Milliarden Jahren, in der Lage sein, das so genannte Heliumbrennen („Verbrennen“ von Helium) zu starten, nachdem in ihrem Kernbereich der ganze Wasserstoff durch das Wasserstoffbrennen zu Helium fusioniert wurde. Der erhöhte Strahlungsdruck während des Heliumbrennens führt zu einem Aufblähen der äußeren Sonnenschichten, die sich nun wegen der größeren Oberfläche abkühlen, woraufhin sich das Strahlungsspektrum der Photosphäre der Sonne zu längeren Wellenlängen verschiebt. Ein Stern in diesem Zustand wird darum als roter Riese bezeichnet.

"Vollständig ionisiert, d. h. ohne Elektronenhülle" - damit ist gesagt: Selbst Atome müssen erst wieder zu "Kindern" wieder, in den ursprünglichsten, ihnen möglichen Zustand zurück kehren, um "bedeutender" zu werden, um komplexer zu werden. Alles Notwendige, Große, Wesentliche wurzelt eben im Kindlichen, im Einfachen oder auch Einfachsten, in Atomkernen, die ihrer Elektronenhülle entblößt sind. 

Mensch, merk dir: Du bist Morast

Unsere Welt "wie wir sie kennen" ist also das Produkt alter Sterne, sie ist sozusagen der Überrest "alter Sterne". So wie Leben aus Morast geboren wird, aus verrotteten, alten Pflanzenteilen im Boden, zerfressen und verdaut von Würmern, so entstand und entsteht "Sein wie wir es kennen" aus "verrotteten", alten Sternen. Wir sind Morast. Wir sind "Abfall". Merke es Dir, du Mensch. Und überhebe dich nicht. Du bist - wie dein Heimatplanet - ein wilder Fleckenteppich von Überresten ausgebrannter Sterne. Bilde dir nur nichts ein. Leuchten, mein lieber Mensch, wirkliches Leuchten sieht anders aus. Dir gelingt es höchstens noch, "Funken aus der Asche" zu schlagen.  Aber mit einer Temperatur von 100 Millionen Kelvin zu leuchten, das gelingt dir nicht. Oh, wie arm du bist, Mensch. Die jungen, lebenskräftigen Sterne oben am Himmel, sie lachen dich alle aus, du Mensch aus Moder, Asche, Staub und Morast. Du Häufchen erkalteter Asche, die die Begeisterung der Sterne, die das Lodern hell jauchzender Sterne zurück gelassen hat.

Wir Menschen sind Asche, wir sind "Spätlinge".

Damit wären also nun die "dying low mass stars" erläutert aus Abbildung 1 (gelb). Sie lassen den in ihnen entstandenen Kohlenstoff in den sogenannten "Planetaren Nebeln" zurück. In ihnen wabert - quasi als Asche - der Kohlenstoff und Stickstoff, der sich dann auch bei der Entstehung unserer Erde mit in das Gemenge mischte. Aber nicht nur das. Dieser Kohlenstoff war sogar Voraussetzung dafür, daß alle weiteren Elemente in diesem Universum überhaupt entstehen konnten. Der Kohlenstoff - was für ein geniales chemisches Element. Er spielt eine Schlüsselrolle nicht nur für die Entstehung des Lebens in diesem Universum, sondern viel früher schon auch für die Entstehung der Elemente in ihm. Was wären wir ohne ihn? Für alle "nachfolgenden" Fusionsreaktionen, insbesondere auch für den schon 1937/39 entdeckten Bethe-Weizsäcker-Zyklus bildet er, sein Vorhandensein, bildet das Vorhandensein von Kohlenstoff die Voraussetzung (Wiki):

Da nach gegenwärtiger Meinung beim Urknall kein Kohlenstoff entstehen konnte, war es den Sternen der ersten Generation (Population III) unmöglich, Energie auf diese Art (des Bethe-Weizsäcker-Zyklus) zu erzeugen. In den Spätphasen der Sternentwicklung entsteht jedoch in den Sternen Kohlenstoff durch den Drei-Alpha-Prozeß (...), der danach zum einen als Katalysator zur Verfügung steht, zum anderen durch Supernovae an das interstellare Medium abgegeben wird, aus dem sich neue Sterne bilden.  Sterne späterer Generationen enthalten daher bereits am Anfang ihrer Entwicklung Kohlenstoff.

Der Bethe-Weizsäcker-Zyklus ist dann die dominante Fusionsreaktion in allen Sternen, die mehr als 1,3-mal größer sind als die Sonne (Wiki) und die der Sternenpopulationen (Sternengenerationen) II und I angehören.

Abb. 2: Schalenbrennen (Wiki)
 

Die weiteren Stadien der Entstehung schwerer Elemente werden dann durch das sogenannte "Schalenbrennen" beschrieben (Wiki). Auch hier wird wieder deutlich, daß die Welt "wie wir sie kennen", erst entstand, als die wirkliche Begeisterung, verkörpert in jungen, jubelnden, hell leuchtenden Sternen schon wieder dahin war, als Sterne alt und träge, müde und matt wurden. Mensch, erkennst du dein Wesen? Merkst Du, aus welchem "Stoff" du bist? Ja, merke auf (Wiki):

Als Schalenbrennen bezeichnet man einen Vorgang in einem alternden Stern. Die Energieerzeugung durch Wasserstoffbrennen verlagert sich vom innersten Volumen in die Peripherie, während im Kern zunächst Helium zu Kohlenstoff und später dann ggf. noch weitere schwerere Elemente fusioniert werden.

Es ist wie im Herbst der Natur, wenn alle Pflanzen noch einmal in aller Leuchtkraft erstrahlen, wenn in diesem Strahlen aber schon ihre Mattheit, ihre Ermattung zu spüren und zu erspüren ist. Und weshalb all ihr Leuchten zugleich auch schon mit so viel Trauer verbunden ist. Frühling, Aufblühen ist etwas anderes als jener Prozeß, der uns hervorbrachte, als der Prozeß, der jenen "Stoff" hervorbrachte, aus dem wir sind. Merkst du etwas, Mensch? Du bist ein "Spätling". Verstehst du nun, woher all deine Müdigkeit kommt? Sie kommt daher, daß du eben nicht Stern bist in der Blüte seiner Jahre. Daß du auch nicht Stoff von Sternen bist in der Blüte ihrer Jahre.

Denn in der Blüte von Sternen, da gibt es ja nur Wasserstoffbrennen, das heilige Feuer des Ursprungs, das heiligste, reinste Feuer des Universums. An so heiligem Feuer hast Du keinen Anteil, du Mensch - es sei denn, du blickst hinauf zur Sonne, zu Helios, wie er in erhabener Majestät die Planeten um sich herum ziehen läßt - und auf einem derselben uns Winzlinge beleuchtet, erwärmt, erfreut - mit diesem Feuer. In seiner großen Freigibigkeit. Ja, blicke auf: Da ist Jugend, da ist Frische, da ist Blüte. Dort glüht der Stoff der Jugend. Aber nicht du, Mensch. Der Stoff der Jugend, der Sternen-Jugend ist nicht der Stoff, aus dem du gemacht bist.

Diese von uns gewählten Worte mögen leicht exaltiert und gar zu pathetisch klingen. Aber im Nachhinein erhalten wir Unterstützung in unserer pathetischen Haltung durch niemand geringeren als den Begründer der Urknall-Theorie, nämlich durch Georges Lemaître (1894-1966), der schon 1950 schrieb (zit. n. S. 82):

"Wir stehen auf einem Haufen ausgekühlter Asche, sehen den verblassenden Glanz der Sterne und versuchen, die vergangene Herrlichkeit aus der Anfangszeit des Universums zu rekonstruieren."
Auch er also spricht von der ... "vergangenen Herrlichkeit aus der Anfangszeit des Universums". Das ist eine Perspektive, die uns weiterführend erscheint, die uns philosophisch zu sein scheint.

Der tiefste Brand unseres Seins

Die Jugend und Blüte eines Sterns manifestieren sich in seinem Strahlungsdruck und in seinem Gasdruck, die von innen heraus jener Schwerkraft, die den Stern zum In-sich-Zusammen-Sinken bringen will, zum Erlöschen bringen will, entgegen wirken. Leben, die Lebenskraft von Sternen steht hier gegen den Tod, gegen die Gravitation, die, hervorgerufen von der großen Masse des Sterns, auf diesen selbst zurückwirkt. Wie verrückt das ist: Sein eigenes Sein wirkt für ihn selbst als lebensbedrohend. Um so größer er ist, um so größer die Gefahr, an der eigenen Größe zugrunde zu gehen. Oh, die Sterne sind voller Philosophie. Man muß nur einmal anfangen, die Gedanken etwas loser am Zügel laufen zu lassen ....

Leben und Tod halten sich über viele Jahrmillionen oder Jahrmilliarden Jahre des Bestehens eines Sterns die Waage. Dem Sternentod setzt er mit seinen Fusionsreaktionen im Innern das Leben entgegen. Er leuchtet und brennt und leuchtet und brennt konstant.

Wenn er aber - nach Jahrmillionen langem Leuchten, Strahlen und Brennen - "ausgebrannt" ist, wirken Strahlungsdruck und Gaskraft der Schwerkraft nicht mehr in dem Maße entgegen. Die Schwerkraft bewirkt, daß der Stern in sich zusammen sinkt. Dabei steigen Temperatur und Dichte innerhalb des Sterns erneut an. Diese sind nun sogar so stark, daß statt des Wasserstoffbrennens das Heliumbrennen einsetzt (wenn denn der Stern genügend Masse besitzt, wenn also die Schwerkraft groß genug ist). Diese Kernfusionsreaktionen des Heliumbrennens im Kern des Sterns bewirken eine Erhöhung der Temperatur auch in seiner äußeren Hülle, wo nun ebenfalls Heliumbrennen einsetzt. 

Auch diese Fusionsreaktion gelangt an ihr Ende, wiederum übernimmt die Schwerkraft die Regie der Lebensgesetze im Stern und noch einmal wird das Innerste des Sterns durch sein "In-sich-Zusammen-Sinken" stärker zusammen gebacken. Ein grandioses Bild: Ein Greis sackt in sich zusammen und dieses Zusammensacken ist von einer solchen elementaren Heftigkeit, daß in ihm Neues, neue chemische Elemente entstehen. Die erlöschende Lebensenergie des Greises reicht immer noch aus oder gerade sie weist erst die Fähigkeit auf, so viel Neues zu schaffen. Dort im Innern beginnt nun das Kohlenstoffbrennen (und zwar wenn der Stern mehr als 9 Sonnenmassen groß ist). Hierbei entstehen die Elemente Sauerstoff, Magnesium (Mg) und Neon (Ne).

Noch einmal: Der Stern wird "alt" und "grämlich". Er sinkt in sich zusammen. Er gehorcht nur noch den Gesetzen der Schwerkraft. Aber dieses In-sich-Zusammen-Sinken bewirkt ein noch stärkeres Verbacken von chemischen Elementen in ihm zu noch schwereren. Aber auch das Kohlenstoffbrennen gelangt nach einigen tausend Jahren zum Erliegen. Es folgen - je nach Größe des Ausgangssterns - noch Neonbrennen, Sauerstoffbrennen und - als letzte Stufe - das Siliciumbrennen. Was für ein Geschehen, dem wir unsere Existenz verdanken: Sterne werden alt und grämlich, sinken in sich zusammen und erschaffen eine neue Welt (Wiki):

Das Siliciumbrennen stellt das Ende der Fusionsprozesse dar. Der Vorrat an Kernbrennstoff im Inneren wird beim Siliciumbrennen je nach Masse des Sterns in wenigen Stunden bis zu wenigen Tagen aufgebraucht, und dem Gravitationskollaps folgt die Explosion des Sterns in einer Supernova.

Alle Elemente die so schwer oder schwerer sind als Sauerstoff, sind in massereichen Sternen entstanden und haben sich durch ihre Explosion verbreitet.

Wir sehen auch oben in Abbildung 1: Die Elemente schwerer als Silicium (Si) stammen aus explodierenden Weißen Zwergen. Weiße Zwerge (Wiki) ...

sind die heißen Kerne Roter Riesen, die übrig bleiben, wenn jene ihre äußere Hülle abstoßen.

Jene Weißen Zwerge, die explodieren, sind also die Überreste von Sternen, die vielfache Sonnenmasse hatten und deshalb so viele schwere Elemente - durch ihr Schalenbrennen - erzeugen konnten. Kohlenstoff und Stickstoff hingegen sind vor allem entstanden in langsam sterbenden Sternen von der Masse der Sonne oder wenig größer.

In Minute 9'30 zeigt Matthias Steinmetz, wie klein der Ausschnitt der Sternregion in der Milchstraße ist, den wir am Nachthimmel mit bloßem Auge sehen können (8). Vor allem aber erklärt er im zweiten Teil seines Vortrages, wie der Forschungssatellit Gaia (Wiki), der 2013 ins All geschossen wurde, schon heute die Erforschung der Geschichte der Milchstraße revolutioniert hat (8).

Abb. 3: Künstlerische Darstellung der Entwicklung eines Sternes von der Größe der Sonne von links nach rechts - Aus einer Gaswolke heraus langsam Wasserstoff zu Helium verbrennend, über Milliarden Jahre recht konstant leuchtend, um sich dann vom "Unterriesen" zum "Roten Riesen" aufzublähen, bis die äußere Hülle abgeworfen wird und zu einem "Planetarischen Nebel" wird, während der Stern selbst als Weißer Zwerg endet. Und zurück läßt er "den Staub, aus dem wir sind" (Geschaffen von: ESO/S. Steinhöfel) (Wiki)

Rote Zwerge - Keiner von ihnen ist jemals gestorben

Schon im ersten Beitrag dieser Reihe war erwähnt worden, daß die meisten Sterne unserer Galaxie und in unserer näheren Umgebung mit dem Auge unsichtbare "Rote Zwerge" sind, die höchstens 60 % der Sonnenmasse aufweisen. Diese Roten Zwerge scheinen für die Entstehung der chemischen Elemente in diesem Universum überhaupt keine Rolle zu spielen (Wiki):

Es wurde noch kein sterbender Roter Zwerg entdeckt, da das Universum erst 13,7 Milliarden Jahre alt ist. Ein Rätsel, das bis heute noch nicht gelöst ist, ist das Fehlen von roten Sternen, die keine Metalle enthalten (andere Elemente als Wasserstoff und Helium). Die erste Generation von Sternen dürfte nach der Urknall-Theorie nur aus Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium bestehen. Entstanden zu dieser Zeit Rote Zwerge, müßten sie heute noch existieren. Jedoch wurde kein Roter Zwerg gefunden, der nur aus den genannten Elementen besteht. Die bevorzugte Erklärung dafür ist, daß ohne schwere Elemente nur große und bis heute unbeobachtete Sterne der Sternpopulation III entstehen konnten, die ihren Energievorrat schnell aufbrauchten. Dabei hinterließen sie Elemente, aus denen sich Rote Zwerge bilden konnten. Eine andere Möglichkeit wäre, daß Rote Zwerge ohne Metalle dunkel und selten seien. Da dies dem Evolutionsmodell von Sternen widerspricht, wird diese Theorie als unwahrscheinlich betrachtet.

Zu derselben Frage lesen wir auf dem englischen Wikipedia (Wiki):

Alle beobachteten Roten Zwerge enthalten "Metalle", also Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium. Aus dem Urknall-Modell ist abzuleiten, daß die erste Generation der Sterne nur Wasserstoff und Helium enthalten, sowie kleine Mengen von Lithium und daß sie deshalb sehr niedrige Metallizität aufweisen. Mit ihrer extrem langen Lebensdauer sollte jeder Rote Zwerg, der Teil der ersten Sternengeneration (der Population III-Sterne) war, heute immer noch existieren. Rote Zwerge mit niedriger Metallizität sind aber sehr selten. Das heute akzeptierte Modell für die chemische Evolution des Universums stellt diese Seltenheit von Metall-armen Roten Zwergen in Rechnung, indem angenommen wird, daß in der Metall-armen Umwelt des frühen Universums nur Riesensterne entstanden sind. Da Riesensterne ihr kurzes Leben in Supernova-Explosionen beenden, verbreiteten sie jene schwereren Elemente, die für die Entstehung kleinerer Sterne benötigt werden. Während die grundlegende Seltenheit von alten, Metall-armen Roten Zwergen von Seiten der Theorie her erwartet wird, können die empirischen Beobachtungen sogar noch weniger feststellen als von der Theorie her erwartbar wäre. Es wird angenommen, daß es an der bloßen Schwierigkeit liegt, Objekte so schwach leuchtender Art zu entdecken wie Rote Zwerge, die für diese Diskrepanz verantwortlich sind. Aber auch verbesserte Beobachtungsmethoden haben diese Diskrepanz bislang nur bestätigen können.
All observed red dwarfs contain "metals", which in astronomy are elements heavier than hydrogen and helium. The Big Bang model predicts that the first generation of stars should have only hydrogen, helium, and trace amounts of lithium, and hence would be of low metallicity. With their extreme lifespans, any red dwarfs that were a part of that first generation (population III stars) should still exist today. Low-metallicity red dwarfs, however, are rare. The accepted model for the chemical evolution of the universe anticipates such a scarcity of metal-poor dwarf stars because only giant stars are thought to have formed in the metal-poor environment of the early universe. As giant stars end their short lives in supernova explosions, they spew out the heavier elements needed to form smaller stars. Therefore, dwarfs became more common as the universe aged and became enriched in metals. While the basic scarcity of ancient metal-poor red dwarfs is expected, observations have detected even fewer than predicted. The sheer difficulty of detecting objects as dim as red dwarfs was thought to account for this discrepancy, but improved detection methods have only confirmed the discrepancy.

Wir haben es also mit einer Frage zu tun, die von der Forschung bislang nicht abschließend hat geklärt werden können. Viel wichtiger ist aber für uns festzuhalten, daß die Roten Zwerge aufgrund ihrer langen Lebensdauer überhaupt nichts zur Evolution der chemischen Elemente in Galaxien beitragen. Zu dieser Evolution der chemischen Elemente in Galaxien tragen also nur Sterne von der Größe unserer Sonne und größer bei. 

Ein vielleicht nicht uninteressanter Umstand. Damit blicken wir nun aber mit um so erhöhter Aufmerksamkeit zu den "Roten Riesen".

Manchen Fragen dazu wollen wir künftig noch weiter nachgehen: Haben alle Spiralgalaxien eine ähnliche Häufigkeitszusammensetzung von Riesensternen, normalen Sternen und Zwergsternen? Oder unterscheiden sich die Spiralgalaxien auch in diesem Merkmal? Welche Faktoren sorgen dafür, ob mehr Riesensterne, mehr normale Sterne und mehr Zwergsterne entstehen? Welche Abfolge von Sterngenerationen innerhalb einer Galaxie ist überhaupt notwendig, um die Metallizität unseres Sonnensystems zu erzeugen? Bedarf es dazu einer ganzen Galaxie oder reicht es, wenn dazu "regional" in einzelnen Spiralarmen die günstigsten Bedingungen vorherrschen, die günstigste Abfolge von Sterngenerationen entstehen? Wie gut wird überhaupt der in Supernova-Explosionen und durch Sternenwinde ausgebreitete "Sternenstaub" innerhalb einer Galaxie miteinander vermischt? Vermischen zum Beispiel unterschiedliche Spiralarme den in ihnen entstandenen Sternenstaub mit dem in anderen Spiralarmen entstandenen Sternenstaub? Fragen über Fragen. Vorerst wissen wir nicht, ob die Wissenschaft zu ihnen allen schon gute Antworten weiß. Vermutlich ist sie dann aber wenigstens derzeit auf gutem Wege, solche Antworten bald zu finden. Denn durch die Auswertung der durch den Forschungssatelliten Gaia gesammelten Daten werden ja viele neue Einsichten in näherer Zukunft noch erwartet.

Zur Entstehung erdähnlicher Planeten ist zu viel Metallizität auch nicht gut

Nun kommt aber zunächst noch einmal ein sehr zentral erscheinender Gedanke. Zu viel Metallizität in einer Milchstraße scheint nämlich auch nicht gut zu sein für die Entstehung erdähnlicher Planeten. Darauf hatten wir schon im vorhergehenden Beitrag vergestreut hingewiesen. Der dort auch schon zitierte Astro-Blogger vom Blog "Alpha Cephei" schreibt dazu (Wiss.de 2019):

Sterne in offenen Sternhaufen, den Kinderstuben der Sterne, liegen mit -0,6 bis 0,2 im Bereich zwischen 0,25- und 1,6-facher Metallizität der Sonne (d.h. die Metallizität des Gases in der Milchstraße ist seit der Entstehung der Sonne nur noch wenig angestiegen, davor jedoch enorm, was auf eine heftige Sternentstehung in der jungen Milchstraße hindeutet [...]).  Daraus folgt, daß die Milchstraße einst aus sehr metallarmem Wasserstoff-Helium-Gas entstand und mit der Zeit immer mehr Metalle hinzu kamen. Man geht davon aus, daß es zu Beginn noch metallärmere Sterne einer Population III gegeben haben muß, die so rein waren, daß sie riesengroß werden konnten.

"Die Metallizität des Gases in der Milchstraße ist seit der Entstehung der Sonne nur noch wenig angestiegen" - was für ein wichtiger, entscheidender Satz. Spiralgalaxien können also Jahrmilliarden lang existieren, ohne daß die in ihnen statthabende Sternentstehung noch besonders viel zum ansteigen des Anteils der schweren Elemente beiträgt. Damit wird einmal erneut deutlich, wie abwechslungsreich das "Leben", die Entwicklung von Galaxien ist, welche sehr unterschiedlichen "Lebensphasen" sie zu durchlaufen scheinen. Darüber würde man gerne auch noch mehr und Genaueres wissen.

Der letzte Satz des Zitates heißt im Umkehrschluß auch: Entstehen Sterne aus Gasen mit hoher Metallizität, brauchen sie weniger groß zu sein, Masse zu besitzen, um noch mehr Metallizität im Laufe ihres Lebens hervorbringen zu können. Auch diesem Umstand möchte man gerne noch genauer nachgehen.

Jedenfalls nimmt tatsächlich auch der Blogger von "Alpha Cephei" an, daß es in der jungen Milchstraße durch Kollisionen zu einer Vervielfachung der Sternentstehung gekommen war, also einer solchen, der damit dann vermutlich auch wir selbst unser Dasein verdanken. Weil durch die damalige vervielfachte Sternentstehungsrate die Metallizität in unserer Milchstraße viel schneller ansteigen konnte als sie das seither getan zu haben scheint.

Ein Forschungsergebnis des Jahres 2014 besagt aber nun, daß auch eine gar zu hohe Metallizität keineswegs besonders günstig sein muß für die Entstehung erdähnlicher Planeten (5). Die Astronomen beobachten nämlich ein häufigeres Auftreten so genannter "heißer Jupiter" bei Sternen mit einem hohen Anteil an schweren Elementen (5). Und bekanntlich ist der Jupiter nicht "erdähnlich", sondern ein Gasplanet. Die Forscher selbst schreiben (6):

Hier berichten wir von der Metallizität (...) von mehr als 400 Sternen, die von 600 angenommenen Exoplaneten-Kandidaten umgeben sind. Wir finden, daß die Exoplaneten kategorisiert werden können in drei Populationen definiert nach unterschiedlichen Metallizitäts-Regionen. Wir interpretieren diese Regionen als solche mit den Entstehungsregimen von erdähnlichen Planeten (mit Radien unter 1,7 Erdradien), Gasplaneten mit steinernen Kernen (Radien größer als 3,9 Erdradien) und Eis- oder Gas-Riesenplaneten (Radien größer als 3,9 Erdradien). Diese Unterschiede korrespondieren gut mit solchen, die von dynamischen Masseeinschätzungen abgeleitet werden können, was nahelegt, daß die Metallizität des Sterns mit Planeten, die eine Annäherung ist an das ursprüngliche feste Inventar in der protoplanetaren Scheibe, eine Schlüssel-Zusammensetzung darstellt, das die Struktur der Planetensysteme reguliert.
Originaltext: Here we report the metallicities (that is, the abundances of elements heavier than hydrogen and helium) of more than 400 stars hosting 600 exoplanet candidates, and find that the exoplanets can be categorized into three populations defined by statistically distinct (∼4.5σ) metallicity regions. We interpret these regions as reflecting the formation regimes of terrestrial-like planets (radii less than 1.7 Earth radii), gas dwarf planets with rocky cores and hydrogen–helium envelopes (radii between 1.7 and 3.9 Earth radii) and ice or gas giant planets (radii greater than 3.9 Earth radii). These transitions correspond well with those inferred from dynamical mass estimates, implying that host star metallicity, which is a proxy for the initial solids inventory of the protoplanetary disk, is a key ingredient regulating the structure of planetary systems.

In der Einleitung heißt es dann (6):

Die gut bekannte Tendenz, daß heiße Jupiter häufiger um Metall-reiche Sterne kreisen, ist durch zahlreiche Studien bestätigt worden. Obwohl jüngst gezeigt worden ist, daß kleine Planeten aus einem weiten Bereich von Metallizitäten von Sternen hervorgehen können, sind die Metallizitäten von Sternen mit kleinen Planeten im Durchschnitt niedriger als die von Gasriesen. Dieser Umstand legt nahe, daß es subtile Unterschiede in den Metallizitäten von Sternen geben könnte, die von kleinen Exoplaneten umgeben sind, und dieser Umstand könnte weiterhin in Verbindung gebracht werden mit bestimmten physikalischen Eigenschaften der dem zugrunde liegenden Planeten-Populationen.
Originaltext: The well-established tendency for hot Jupiters to be more frequently found orbiting metal-rich stars has been confirmed by a number of studies. Although it has recently been shown that small planets form for a wide range of host star metallicities, he metallicities of stars with small planets are on average lower than those of gas giants. This suggests that subtle differences may exist in the metallicities of the host stars of small exoplanets, and this, in turn, may be linked to distinct physical properties of the underlying planet populations.

Daraus würde folgen: Sollte die Metallizität künftig innerhalb der Spiralgalaxien noch steigen, würde dabei die Wahrscheintlichkeit, daß erdähnliche Planeten entstehen können, sinken. Was dann eben in Bezug gesetzt werden kann zur Zeitdauer der habitablen Epoche innerhalb des Bestehens unseres Universums.

Im letzten Beitrag hatten wir gelernt, wie sich durch das Zusammentreffen von Galaxien die Sterngeburtenrate um das bis zu 33-Fache erhöhen kann und wie dadurch der Anteil der schweren Elemente in diesen Galaxien besonders leicht und schnell anwachsen kann. 

Wir wollen nun dem Zusammenhang zwischen dem Anteil schwerer Elemente und der Entstehung von Leben in einer Galaxie oder in einem Galaxie-Bereich, in einer galaktischen habitablen Zone noch genauer nachgehen.

Zunächst einmal: Über den Weg unseres Sonnensystems und unserer Erde durch unsere Galaxie in den letzten fünf Milliarden Jahren kann die Forschung, soweit erkennbar, bislang noch vergleichsweise wenig sagen (1). 1999 haben deutsche Forscher - umstrittene - Hinweise darauf veröffentlicht, daß geringe Überreste einer Supernova, die sich vor vielen Millionen Jahren ereignet haben könnte, den Weg zu unserer Erde gefunden haben könnten (2). In einer Art Jux-Wissenschaftsvideo wurden kürzlich "Theorien" vorgestellt, wie man unser ganzes Sonnensystems "wegschieben" könnte, wenn es bei seiner Wanderung durch die Spiralarme der Milchstraße in die Nähe eines gefährlichen Supernova-Ausbruchs geraten sollte (12). Immerhin macht es die Frage bewußt, wie unser Sonnensystems dies eigentlich in den letzten 4,5 Milliarden Jahren vermieden hat. War das nur ein großer Glücksfall? Oder war es sowieso eher unwahrscheinlich in die Nähe einer Supernova zu geraten, da es eben heute so viel weniger Sternentstehungs-Aktivität in unserer Milchstraße gibt?

Wir wollen uns nun aber vor allem auch vor Augen halten, daß Habitabilität in einer Galaxie nicht in aller erster Linie durch die so wichtigen Supernova-Ereignisse entsteht, die die Metallizität in einer Galaxie erhöhen, sondern durch das Ausbrennen von Roten Riesen, die einstmals Sterne waren von der Größe der Sonne oder etwas größer (3):

Der größte Teil der schweren Elemente, vor allem Kohlenstoff stammt vornehmlich von nuklearen Prozessen in Sternen, die nicht größer sind als wenige Sonnenmassen, die sich relativ langsam entwickeln, und die ihre Produkte eher in dem Sternenwind eines Roten Riesen und in Planetarischen Nebeln verbreiten als in Supernova-Ereignissen.
The bulk of the heavy elements, and notably much of the carbon, come primarily from nuclear processes in stars of no more than a few solar masses, which evolve relatively slowly and release their products in red-giant winds and planetary nebulae rather than in supernova events.

Hier lernen wir also, daß Rote Riesen und ihre Produkte, Planetarische Nebel noch bedeutsamer sind für das Anwachsen des Anteils schwerer Elemente in einer Galaxie als Supernova-Ereignisse. Insgesamt scheint es da tatsächlich doch einer bunten Vielfalt von Sterntypen und Stern-Entwicklungsgeschichten zu bedürfen, um jene Metallizität hervorzubringen, die wir heute in unserer Milchstraße und in unserem Sonnensystem beobachten.

Um an dieser Stelle noch Mißverständnisse zu vermeiden: Planetarische Nebel (Wiki) haben nichts mit Planeten zu tun. Es handelt sich bei diesem Begriff um eine rein historische Bezeichnung. Ein "Planetarischer Nebel" ist vielmehr der übrig gebliebenen Nebel eines zunächst sich aufblähenden und dann in sich zusammen sinkenden Sterns von einer oder mehreren Sonnenmassen, also eines Sterns, der sich zuvor zu einem Roten Riesen aufgebläht hatte (Wiki):

Planetarische Nebel spielen eine entscheidende Rolle in der chemischen Evolution der Galaxis, da das abgestoßene Material die interstellare Materie mit schweren Elementen wie Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Calcium und anderen Reaktionsprodukten der stellaren Kernfusion anreichert. In anderen Galaxien sind planetarische Nebel manchmal die einzigen beobachtbaren Objekte, die genug Information liefern, um etwas über die chemische Zusammensetzung zu erfahren. (...) Planetarische Nebel bestehen zu nennenswerten Teilen auch aus Elementen wie Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, mit denen sie das interstellare Medium anreichern.
Abb. 4: Die Zunahme der schweren Elemente (der "Metallizität") während der Geschichte einer Galaxie

Und weiter (3):

Sterne im Halo (Zentrum) einer Galaxie und vermutlich ebenso Sterne im dickeren Teil der Galaxienscheibe haben vermutlich nicht ausreichend schwere Elemente in ihren protostellaren Hüllen, um aus ihnen erdähnliche Planeten hervorgehen lassen zu können. Einen sicheren Weg zu verstehen, welche Anreicherung an schweren Elementen ausreichend ist, um genügend Wahrscheinlichkeit zu schaffen für die Entstehung eines erdähnlichen Planeten in einer protoplanetaren Scheibe, besitzen wir derzeit noch nicht. Zumindest 50 % der Menge schwerer Elemente, die die Sonne besitzt, scheint dafür nicht unrealistisch zu sein und soll hier angenommen werden. Wenn diese Annahme korrekt ist, dann wären dafür nur wenige Sterne qualifiziert, bevor die Galaxie die Hälfte ihres gegenwärtigen Alters erreicht hätte, also etwa vor 7 Milliarden Jahren.
Halo stars, and perhaps also the thick disk stars, may have had insufficient metals in their protostellar envelopes to make Earth-like planets. We have no sure way of knowing what level of metal enrichment is necessary to load the dice in favour of terrestrial planet formation in a protoplanetary disk; a figure of at least 50% of solar seems not unreasonable and will be assumed here. If this is correct, then few if any stars would have qualified until the Galaxy was about half its present age, i.e. until roughly 7 Gyr ago.

Und weiter (3):

Eine bemerkenswerte Tatsache ist hinsichtlich unseres eigenen Sonnensystems in Rechnung zu stellen. Unser Sonnensystem ist überreich an schweren Elementen verglichen mit den durchschnittlichen interstellaren Anteilen zur Zeit seiner Entstehung vor 4,6 Milliarden Jahren. Tatsächlich ist der Anteil an schweren Elementen der Sonne vergleichbar mit heutigen interstellaren Anteilen. Das Zustandekommen dieser Anomalie ist noch nicht sehr gut verstanden (....). Auf jeden Fall haben diese Umstände zu einem vielfältigen Angebot an Rohmaterial geführt in jener Sonnen-Wolke, von der die Erde und seine Biosphäre gebildet worden sind.
When we consider our own Solar System, a remarkable fact has to be taken into account. The Solar System is substantially over-abundant in metals compared with average interstellar abundances at the time of its formation 4.6 Gyr ago. Indeed, solar abundances are similar to present interstellar abundances. The origin of this anomaly is not well understood (...). In any case, this circumstance must have resulted in a plentiful supply of raw materials in the solar nebula from which to form the Earth and its biosphere.

Wir merken, daß wir uns hier in Bereichen bewegen, die von der Forschung noch nicht abschließend haben geklärt werden können. Die Erklärung des hier umsonnenen Umstandes, daß die Metallizität der Sonne der Metallizität unserer Milchstraße ähnelt, obwohl in unserer Milchstraße nach der Entstehung des Sonnensystems sich doch durch Sternentstehung noch mehr Metallizität hätte ansammeln können, scheint noch nicht widerspruchsfrei zu gelingen. Aber vielleicht hat ja der oben zitierte Astroblogger Alpha Cephei recht, wenn er meint, daß das daran liegt, daß die heutige Sternentstehungsrate in unserer Galaxie vernachlässigbar wäre zu jener, die es in der Frühgeschichte unserer Galaxie gegeben hat. Sollte das von den Astrophysikern noch nicht berechnet worden sein? Welche Erhöhung der Metallizität in einer Galaxie eine 33-fach erhöhte Sternentstehungsrate mit sich bringt? Und ob sich die Metallizität einer Galaxie über Jahrmilliarden noch großartig ändern kann, wenn nur noch eine 33-fach niedrigere Sternentstehungsrate vorliegt?

"Rare Earth"-Hypothese

All das sind Fragen, die nicht zuletzt in den Themenbereich der Astrobiologie (Wiki) fallen, die aber besonders intensiv rund um die sogenannte "Rare Earth-"Hypothese erörtert werden, die im Jahr 2000 aufgestellt worden ist. Einer ihrer Gedankengänge lautet (Wiki):

Ein bewohnbares Planetensystem muß seine begünstigte Position (innerhalb ihres Galaxienarmes, ihrer Galaxie) lange genug beibehalten, damit dort komplexes Leben evolvieren kann. Ein Stern mit einer exzentrischen (elliptischen oder hyperbolischen) galaktischen Umlaufbahn wird sich durch einige Spiralarme hindurch bewegen, die (für Leben) ungünstige Regionen mit hoher Sternendichte darstellen; deshalb muß ein Leben-tragender Stern eine galaktische Umlaufbahn aufweisen, die fast kreisrund ist, zusammen mit einer engen Synchronisation zwischen der galaktischen Umlaufgeschwindigkeit des Sternes selbst und seines Spiralarms.
A habitable planetary system must maintain its favorable location long enough for complex life to evolve. A star with an eccentric (elliptic or hyperbolic) galactic orbit will pass through some spiral arms, unfavorable regions of high star density; thus a life-bearing star must have a galactic orbit that is nearly circular, with a close synchronization between the orbital velocity of the star and of the spiral arms.

Womit doch gesagt wäre: Er muß in seinem eigenen Spiralarm bleiben. (Wobei noch zu klären wäre, wie sich Spiralarme überhaupt im Verlauf der Geschichte einer Galaxie verändern.) Das sind jedenfalls Gedanken, die von der Faktenlage her - wie wir oben sahen - noch wenig geklärt sind, die aber natürlich zunächst recht viel Plausibilität für sich haben. Wir lesen aber nun weiter (Wiki):

Die Umlaufbahn der Sonne um das Zentrum der Milchstraße ist tatsächlich fast perfekt kreisrund mit einer Periode von 226 Millionen Jahren, womit sie genauso lange braucht wie die Galaxie selbst für einen Umlauf. Die Mehrheit der Sterne in Balkenspiralgalaxien [Wiki] befinden sich aber sowieso eher in den Spiralarmen als im Halo (Zentrum) und bewegen sich auf Umlaufbahnen, die durch die Gravitation aufeinander abgestimmt ist, so daß die Umlaufbahn der Sonne keineswegs ungewöhnlich ist. (...) Die Astronomin Karen Masters hat aber im Gegensatz dazu berechnet, daß die Umlaufbahn der Sonne sie ungefähr alle 100 Millionen Jahre durch durch einen (neuen) Spiralarm führt. Einige Forscher vermuten, daß einige Massenaussterbeereignisse auf der Erde mit dem früheren Durchlauf durch Spiralarme korrespondieren.
The orbit of the Sun around the center of the Milky Way is indeed almost perfectly circular, with a period of 226 Ma (million years), closely matching the rotational period of the galaxy. However, the majority of stars in barred spiral galaxies populate the spiral arms rather than the halo and tend to move in gravitationally aligned orbits, so there is little that is unusual about the Sun's orbit. (...) Astronomer Karen Masters has calculated that the orbit of the Sun takes it through a major spiral arm approximately every 100 million years. Some researchers have suggested that several mass extinctions do correspond with previous crossings of the spiral arms.

Masters bezieht sich dabei aber auf eine Arbeit aus dem Jahr 1978. Sie macht klar, was für unterschiedliche Sichtweisen es heute noch zu dem Weg unseres Sonnensystems durch unsere Galaxie geben kann (4):

Ungefähr alle 100 Millionen Jahre durchlaufen wir einen Spiralarm, wobei wir zehn Millionen Jahre brauchen, um einen zu durchwandern. Während des Durchlaufs dürfte es eine höhere Rate an "nahegelegenen" Supernova-Ereignissen geben oder womöglich anderen sogenannten "Umwelt-Beeinträchtigungen", die das Klima hier auf der Erde beeinflussen könnten. Es gibt einen interessanten Review-Artikel darüber (und andere äußere Einflüsse auf das Klima der Erde mit Bezug zu möglichen Ursachen für das Aussterben der Dinosaurier), von dem ich die meisten meiner Zahlenangaben beziehe. Er stammt von Russell und ist 1978 im "Annual Review of Earth and Planetary Science" erschienen.
We pass through a major spiral arm about every 100 million years, taking about 10 million years to go through. During the transit, there would be a higher rate of 'nearby' supernova and possibly other so called 'environmental stresses' which could alter the climate of the Earth. There is an interesting review of this (and other external influences on the climate of the Earth with reference to possible causes of the extinction of the dinosaurs) from which I get most of my figures. It's Russell, 1978 in the Annual Review of Earth and Planetary Science.

Wir wollen an dieser Stelle nicht zu klären versuchen, wie viel Spekulation und wie viel gesichertes Wissen sich hinter diesen Worten verbirgt. Vermutlich verbirgt sich hinter ihnen wesentlich mehr Spekulation denn gesicherten Wissens, denn wie wir hörten, kommen andere Astronomen bezüglich der Umlaufbahn unserer Sonne um das galaktische Zentrum zu anderen Einschätzungen. Es wäre an dieser Stelle zu fragen, wie gut erforscht es eigentlich ist, welche unterschiedlichen Umlaufbahnen Sterne um das Zentrum einer Spiralgalaxie haben können und wie häufig es vorkommt, daß Sterne ihren eigenen Spiralarm während der normalen Existenz einer Galaxie verlassen. Zu all dem wird wohl die Auswertung der durch den Forschungssatelliten Gaia gesammelten Daten in näherer Zukunft neue Einsichten vermitteln.

Daß die Umlaufbahnen von Sternen in einer Galaxie durch die Begegnung oder den Zusammenstoß mit einer anderen Galaxien "durcheinander" gewirbelt werden können, steht ja außer Frage. Deshalb wird man auch von dieser Sichtweise her sagen dürfen, daß Begegnungen mit anderen Galaxien besser lange vor der Entstehung von Leben oder lange nach dem Verlöschen von Leben in einer Galaxie statthaben "sollten", damit eine Galaxie genügend Konstanz für die Evolution von Leben auf einem oder mehreren von Planeten aufrecht erhalten kann, die jene ihrer Sterne umkreisen, die eine vergleichsweise konstante Lebendauer aufweisen (so wie unsere heiß geliebte Sonne).

Noch ein weiteres wichtiges Faktum zu solchen Fragen. Sehr spannend ist nämlich auch die folgende Überlegung (Wiki):

Ungefähr 77 % der beobachteten Galaxien weisen Spiralstruktur auf,  zwei Drittel von all diesen Spiralgalaxien weisen eine Balkenstruktur [Wiki] auf und mehr als die Hälfte von ihnen weisen - wie die Milchstraße - zahlreiche Spiralarme auf. Unsere eigene Galaxie ist nach der "Rare Earth"-Hypothese ungewöhnlich ruhig und dämmrig, wodurch sie nur 7 % ihrer Art repräsentiert. Aber selbst damit würde sie immer noch mehr als 200 Milliarden Galaxien im bekannten Universum repräsentieren.
Approximately 77% of observed galaxies are spiral, two-thirds of all spiral galaxies are barred, and more than half, like the Milky Way, exhibit multiple arms. According to Rare Earth, our own galaxy is unusually quiet and dim (see below), representing just 7% of its kind. Even so, this would still represent more than 200 billion galaxies in the known universe.  

Das soll wohl heißen: Wenn wir denn nach weiterem Leben in diesem Universum suchen, dann sollten wir in diesen 200 Milliarden Galaxien suchen, die "ungewöhnlich ruhig und dämmrig" sind. Denn solche, so wird hier - plausibel - postuliert, ist besonders geeignet, Leben in sich bergen zu können, das, wie wir von unserem Planeten wissen, gerne einmal 3 Milliarden Jahre lang Anlaufzeit benötigt, um Fahrt aufzunehmen, und um "höheres Leben" zu entwickeln.

Supernova, Neutronenstern ...

Um so mehr man sich mit dem heutigen Stand der astrophysikalischen Forschung beschäftigt, um so mehr wird einem deutlich, was man alles noch wissen sollte, um wirklich einen gründlichen "Überblick" über diesen zu besitzen. Deshalb werden weitere Beiträge als Fortsetzung dieser Reihe "Wir sind Sternenstaub" folgen. In diesen werden wir uns unter anderem mit Supernava-Ereignissen noch genauer beschäftigen. Große Sterne sterben in Pracht und Herrlichkeit - als Supernova (13). Jedes Jahr werden heute von den Astronomen weltweit über tausend Supernova-Ereignisse im Weltall festgestellt (Wiki):

Wie oft Supernovae in einer Galaxie auftreten, hängt davon ab, wie viele Sterne in ihr neu entstehen. Denn sehr massereiche Sterne, die in Supernovae enden, haben eine nach astronomischen Zeitmaßstäben nur kurze Lebensdauer von einigen zehn Millionen Jahren. Für die Milchstraße werden etwa 20 ± 8 Supernovae pro Jahrtausend geschätzt, wovon im letzten Jahrtausend sechs beobachtet wurden. Etwa zwei Drittel der galaktischen Supernovae blieben durch die Extinktion (Lichtabsorption) der galaktischen Scheibe verborgen.

Wie unsere Erde und unser Sonnensystem bloß drei Milliarden Jahre lang es geschafft haben, keiner Supernova-Explosion gar zu nahe zu kommen? Auch diese Frage ist - wie wir oben sahen - noch keineswegs annähernd geklärt. - Einen herrlichen Nebel hinterläßt eine solche Supernova als "Supernovaüberrest". In einem solchen Nebel - wie etwa dem Krebsnebel - verbergen sich dann gerne einmal ziemlich "unheimliche" blitzartig pulsierende Neutronensterne, Pulsare (14). ...

Wie unheimlich unser Weltall doch ist.

Die Schilderung eines solchen Pulsars (14, S. 15-20) kann einem deutlich machen, daß "Habitabilität" - Bewohnbarkeit durch Lebewesen - bei weitem nicht das einzige Merkmal ist, durch das sich unser Weltall charakterisieren läßt. Das extreme - und außerordentlich exzentrische Gegenteil solcher Habilität - ist ebenso verwirklicht. Der Eingang zur Hölle - er findet sich etwa, wenn wir das Zentrum des Krebsnebels erforschen (14). Und der Übergang vom Sein zum Nichtsein, von "aufgefalteter", sich herrlich entfaltender Materie hin zu extrem zusammen geballter Materie (Neutronenstern) scheint sich ebenso herrlich und vielfältig zu vollziehen, wie der Übergang vom Nichtsein zum Sein. Womit wir zum Ausgangsgedanken dieses Beitrags zurückgekehrt sind. Wer sich eine annäherungsweise Anschauung dessen verschafft hat, was ein "Neutronenstern" ist (14), der wird - vielleicht - auch eine noch bessere Ahnung dessen gewinnen können, was die weitere Steigerung von Nichtsein in unserem Weltall angeht, nämlich eine Ahnung dessen, was "Schwarze Löcher" eigentlich sind, diese unheimlichen Schwerkraft-Monster, die alles verschlucken.

Das Drama des menschlichen Lebens mit all seiner Herrlichkeit und all seinen "Abgründen", dieses Drama findet sich am Sternenhimmel wieder in "konvergenten" "Entsprechungen" wie sie sich kein menschliches Hirn hätte ausdenken können, von denen wir aber sofort erahnen können, daß Dante oder Shakespeare keine Probleme gehabt hätten, zu sagen: Die Astrophysiker des 21. Jahrhunderts haben recht. Nichts entspricht Dasein an sich mehr als jene Dramatik, als jene unendlich vielfältigen Dramen, die wir am Sternenhimmel beobachten können.***) Wir hatten recht und werden immer recht behalten:

"Sein oder Nichtsein - das ist hier die Frage!"

 

// Dies ist der vierte Beitrag in unserer 
Blogartikel-Serie "Wir sind Sternenstaub"
 Die anderen Beiträge:

 

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*) Um das Zitat im Wortlaut zu bringen:
Nie geboren zu sein:
Höheres denkt kein Geist.
Doch das Zweite ist dies:
Schnell zu kehren zum Ursprung.
So der griechische Dichter Sophokles in der Tragödie "Ödipus auf Kolonos". Friedrich Hölderlin wählte dieses Wort als Vorspruch des zweiten Bandes seines Romans "Hyperion".
**) Dem Astrophysikers Matthias Steinmetz - Göttingen - ist für den Hinweis auf diese Tafel in einem interessanten Vortrag aus dem letzten Jahr (8), und zwar dort in Minute 19'10 zu danken.
***) Schön übrigens auch wie der Astrophyisker Joseph Gassner jüngst einen seiner Vorträge abschloß (11): "Aus Staub wurdest du, zu Staub wirst du wieder werden." (1. Mose 3, 19) Ja, die moderne Astrophysik lehrt wieder den Respekt vor den alten religiösen und kulturellen Überlieferungen, sie lehrt uns wieder, was groß ist - und was zu klein und läppisch ist, um überhaupt irgendein Wort darüber zu verlieren.

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  1. Battersby, Stephen: Earth's wild ride: Our voyage through the Milky Way. New Scientist, 30 November 2011, https://www.newscientist.com/article/mg21228411-500-earths-wild-ride-our-voyage-through-the-milky-way/.
  2. Indication for Supernova Produced 60Fe Activity on Earth. K. Knie, G. Korschinek, T. Faestermann, C. Wallner, J. Scholten, and W. Hillebrandt. In: Phys. Rev. Lett. 83, 18, Published 5 July 1999, https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.83.18
  3. Doug Whittet: Galactic metallicity and the origin of planets (and life). Astronomy & Geophysics, October/November 1997 Vol 38 Issue 5, Seite 8, https://academic.oup.com/astrogeo/article/38/5/8/213061.
  4. Masters, Karin: How often does the Sun pass through a spiral arm in the Milky Way?, April 2016, http://curious.astro.cornell.edu/physics/55-our-solar-system/the-sun/the-sun-in-the-milky-way/207-how-often-does-the-sun-pass-through-a-spiral-arm-in-the-milky-way-intermediate
  5. Rainer Kayser: Häufigkeit schwerer Elemente entscheidet über Planetenradien, 28.05.2014, https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/news/2014/schwere-elemente-planetenentstehung/.
  6. L. A. Buchhave et al.: Three regimes of extrasolar planet radius inferred from host star metallicities, Nature, 2014, https://www.nature.com/articles/nature13254, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4048851/.
  7. Gab es den Urknall wirklich? In 7 Teilen. Scienceblogs, 2019, https://scienceblogs.de/alpha-cephei/2019/03/27/gab-es-den-urknall-wirklich-uebersicht/.
  8. Matthias Steinmetz: Wie ist die Milchstraße entstanden? Galaktische Ausgrabungen. Live im Hörsaal, 27.10.2019, https://youtu.be/Mxdn6k2-cyM.
  9. Pockock, Peter (leitende Textredaktion): Der Kosmos. Reise durch das Universum. Time-Life Bücher, Amsterdam 1989 [engl. 1988]
  10. Urban, Karl: 1,8 Milliarden Sterne. AstroGeo Podcast, 18. Dez 2020, https://scilogs.spektrum.de/astrogeo/astrogeo-podcast-18-milliarden-sterne/
  11. Gaßner, Josef M.: Adlernebel • Säulen der Schöpfung • NGC6611 • IC4703 • M16 • Einblicke ins Weltall, 11.12.2020, https://youtu.be/ZLtnJtnehCM
  12. Laßt uns das Sonnensystem verschieben! - Der Stellarantrieb. In: Dinge Erklärt - Kurzgesagt (1,16 Mio. Abonnenten), 13.01.2021, https://youtu.be/dEesh2R0M94
  13. v. Buttlar, Johannes: Supernova. Die jüngsten kosmischen Entdeckungen. Die Geburt eines neuen Weltbildes. Herbig Verlagsbuchhandlung, München, Berlin 1988 
  14. Greenstein, George: Der gefrorene Stern. Pulsare, Schwarze Löcher und das Schicksal des Alls. dtv 1988 [englische Original: 1983; Econ Verlag, Düsseldorf 1985]

Dienstag, 19. Januar 2021

Die Generation Hoimar von Ditfurth

Ein wesentlicher Abschnitt der Wissenschaftsgeschichte

In einem Beitrag von vor einem Monat stellten wir die Wissenschaftsvermittlung durch den Fernsehmoderator und Buchautor Hoimar von Ditfurth (1921-1989) (Wiki, priv. Ditfurth-SeiteGoogle Scholar) als einen Orientierungspunkt dar in einer Gesellschaft, die immer mehr im "Delta der Beliebigkeit" (P. Sloterdijk) zu versumpfen scheint (1). Was sind eigentlich die Gründe dafür, daß diese so gut als Orientierungspunkt gelten kann? Dieser Wissenschaftvermittlung liegt, so wird uns bei etwas genauerer Beschäftigung mit seinem Leben noch einmal deutlich, eine fest umrissene wissenschaftlich-philosophische Grundhaltung zugrunde.

Und diese kann in letzter Instanz auf die Evolutionäre Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz zurück geführt werden. Dieser breite Horizont scheint fast allen Menschen, die im deutschsprachigen Raum Wissenschaftsvermittlung seither betrieben haben, mehr oder weniger zu fehlen, bzw. scheint er nicht deutlich genug in die Grundhaltung eingeflossen zu sein. Dieser Horizont selbst schon kann nur mit Ehrfurcht vor den Erkenntnismöglichkeiten des Menschen verbunden sein, ebenso mit Ehrfurcht vor den prinzipiellen Grenzen dieser Erkenntnismöglichkeiten.

 

Abb. 1: Hoimar von Ditfurth

Indem uns diese Gedanken einmal erneut klar werden, wird auch die Frage in uns wach, wie sich diese wissenschaftlich-philosophische Grundhaltung im Leben Hoimar von Ditfurths eigentlich geformt hat. Wenn man es genau betrachtet, eigentlich aus Enttäuschung über die wenigen beruflichen Möglichkeiten, die sich ihm angesichts der von ihm angestrebten Hochschullehrer-Laufbahn Ende der 1950er Jahre eröffneten.

Der Lebensweg des Hoimar von Ditfurth scheint deshalb keineswegs ein irgendwie geradliniger oder repräsentativer zu sein. Ursprünglich strebte von Ditfurth nämlich eine "ganz banale" Hochschullehrer-Laufbahn an einer Universitätsklinik an. Da er hier aber nicht weiter kam, wechselte er 1959 "in die Industrie". Und zwar als erkennbar wurde, daß in seinem Bereich - der Psychiatrie - für ihn so bald kein Lehrstuhl in Deutschland frei werden würde. In der Industrie, als leitender Angestellter bei Boehringer-Mannheim, kam er dann - eher durch Zufall oder weil die dort arbeitenden Menschen "wacher" waren als im akademischen Bereich - in persönliche Berührung mit dem berühmten Verhaltensforscher Konrad Lorenz.

Wie Hoimar von Ditfurth für eine gar zu "banale" Hochschullehrer-Laufbahn verloren ging

von Ditfurth arbeitete nämlich an der Entwicklung von Medikamenten gegen Schizophrenie, an sogenannten "Neuroleptika". 1961 war man auf der Suche nach geeigneten Versuchstieren, um von den Chemikern neu entwickelte Stoffe an ihnen auszuprobieren. von Ditfurth schreibt (2, S. 328):

Professor Johann-Daniel Achelis, der ideenreiche Leiter unserer Forschungsabteilung, hatte noch einen anderen höchst interessanten Einfall. Das Neuartige der Neuroleptika bestehe offenbar doch, so erklärte er mir eines Tages, in der Tatsache, daß diese Stoffgruppe im Unterschied zu allen dahin bekannten Narkotika nicht zuerst an der Hirnrinde angreife (worauf deren bewußtseinstrübende Wirkung zurückzuführen sei), sondern daß sie, gleichsam "unter Umgehung der Hirnrinde", direkt auf die daruntergelegenen, tieferen Zentren des Hirnstammes wirkten. ...

Nebenbei bemerkt, ist hier einer der Grundgedanken seines späteren Buches "Der Geist fiel nicht vom Himmel" angesprochen. Weiter im Zitat (2, S. 328):

... Und da gebe es nun im Max-Planck-Institut Seewiesen, in der Nähe des Starnberger Sees, einen gewissen Professor Lorenz, Konrad mit Vornamen, der die neue Forschungsdisziplin der "tierischen Verhaltensphysiologie" begründet habe. Ich hatte davon 1961 noch nie etwas gehört. (...) Diese angeborenen Verhaltens- oder Instinktprogramme, so fuhr er fort, seien allem Anschein nach im Stammhirn lokalisiert. Daher denke er, Achelis, an die Möglichkeit, daß sich die neuroleptische Wirkung chemischer Substanzen bei Tieren dadurch zu erkennen geben könnte, daß sie die von den Seewiesener Wissenschaftlern genau beschriebenen Verhaltensweisen unterdrückten oder beeinflußten, ohne die Tiere zu narkotisieren. Jetzt war ich fasziniert. Der Einfall erscheint mir noch heute hervorragend.

Über Telefon wurde der Kontakt mit Konrad Lorenz hergestellt, der von Ditfurth zum persönlichen Besuch in Seewiesen einlud (2, S. 328):

Der persönliche Kontakt zu dem von mir verehrten Lorenz und mehreren seiner Mitarbeiter blieb über die Zeit des dienstlichen Anlasses hinaus bestehen. (...) Mein seit dieser Zeit nie mehr erlahmtes Interesse für Evolutionsforschung und Evolutionstheorie geht auf den persönlichen Kontakt mit Lorenz zurück und die verschwenderische Fülle von Anregungen, die ich diesem geistvollen und liebenswerten Mann verdanke.

Was für schöne Worte. Nach so manchen menschlichen Enttäuschungen im akademischen Bereich, von denen von Ditfurth zuvor berichtet hatte, muß das Erlebnis mit Konrad Lorenz um so hervorstechender gewirkt haben.

Als Jahrgang 1921 gehörte von Ditfurth zu jenen Jahrgängen, die während des Zweiten Weltkrieges unter den Männern die höchsten Verluste aufzuweisen hatte. von Ditfurth hatte nach seinem Abitur im Jahr 1939 in Potsdam Medizin an der Universität Berlin studiert. Von August 1941 bis Februar 1942 war er dann nach der vorschriftsmäßigen Ableistung des Arbeitsdienstes und der militärischen Grundausbildung für ein halbes Jahr auf "Frontbewährung" als Soldat an den Nordabschnitt der Ostfront geschickt worden. Auch er hatte dabei die damalige Erfahrung seiner Generation von mangelnder Winterbekleidung gemacht, beißender Kälte, der unberechenbaren Gefahr russischer Scharfschützen und vieler ähnlicher Dinge mehr. Nach einem als "unendlich" erlebten halben Jahr wurde er abgelöst. Er arbeitete dann als Sanitätssoldat in mehreren Lazaretten.

Ab Anfang 1943 wurde er dann von der Wehrmacht für das weitere Medizin-Studium an der Universität Hamburg freigestellt. Für die damals noch erwarteten, neuen deutschen Kolonien, so schreibt von Ditfurth, wollte man ausgebildete Ärzte in Bereitschaft haben. Deshalb sei er vom Kriegsdienst für das Studium freigestellt worden, in Hamburg auch noch in den Endtagen des Krieges, während die zeitgleichen Berliner Medizinstudenten in den dortigen Endkämpfen noch zum Einsatz kamen und hohe Verluste hatten. 1946 promovierte von Ditfurth dann in Hamburg zum Doktor der Medizin.*)

Von 1948 bis 1960, also vom 27. bis zum 39. Lebensjahr war er dann als Assistenzarzt an der Universitätsklinik Würzburg tätig, insbesondere in der dortigen Nervenklinik. 1949 heiratete er (2, S. 278). Vier Kinder gingen aus der Ehe hervor. In Würzburg verbrachte er eine wissenschaftlich anregende Zeit, so schreibt er. Aber sein eigentliches Leben hätte doch erst viel später begonnen.

Immerhin, schon in dieser Zeit hat er vereinzelt Aufsätze allgemeineren Charakters veröffentlicht, etwa in der Zeitschrift "Deutsche Rundschau" von 1947 den Aufsatz "Vom Ebenbild Gottes zum Homo sapiens - Wandlungen menschlichen Selbstverständnisses". Oder im Wochenmagazin "Zeit" 1950 den Aufsatz "Liebe, Haß und Hunger ferngesteuert - Die Entdeckung biologischer Grundlagen freien Verhaltens" (Dith.). Schon hier also war die Tendenz erkennbar, den Tunnelblick des Fachwissenschaftlers zu vermeiden und die Augen weit über eine breitere Landschaft des Wissens wandern zu lassen.

1958 wurde er Facharzt für Nerven- und Geisteskrankheiten, 1959 habilitierte er sich. Dann war er - wie schon gesagt aufgrund der Aussichtslosigkeit, in Deutschland bald einen Lehrstuhl bekommen zu können - in die Industrie gegangen.

1961 - Die Zeitschrift "Naturwissenschaft und Medizin" wird begründet

1960 wurde er Leiter des pharmako-psychiatrischen Forschungslaboratoriums des Pharmakonzerns Boehringer in Mannheim. Und wie schon geschildert, hat er in diesen beruflichen Zusammenhängen Konrad Lorenz persönlich kennenlernen können. Es ist doch kaum zu bezweifeln, daß es dieser Anregung durch Konrad Lorenz bedurfte, daß aber dann mehr auch nicht mehr nötig war, um die entscheidende Wende in seinem Leben einzuleiten: Da sich bald herausstellte, daß in der Entwicklung von Neuroleptika keine großen Fortschritte mehr zu erwarten waren, schaute sich von Ditfurth nach neuen Wirkungsmöglichkeiten um. Und nun kam er auf die Idee, die seinem Begabungsspektrum am nächsten kam, er schlug seinem Konzern vor, eine moderne wissenschaftliche Zeitschrift zu begründen. Diese Idee kam an. 1961 wurde die Zweimonats-Zeitschrift "Naturwissenschaft und Medizin (n+m)" gegründet, eine Zeitschrift für Ärzte des Pharmakonzerns Boehringer. Sehr bald machte sie sich einen Namen bis weit in den akademischen Bereich hinein. Sie (Wiki) ...

... war eine „grundsätzlich neuartige Zeitschrift“, die dem Arzt neben medizinischen Themen auch grundlegende oder aktuelle Themen aus allen Gebieten der Naturwissenschaft „in allgemeinverständlicher Form“ nahe bringen wollte. (...) Die Zeitschrift veröffentlichte Originalartikel von anerkannten wissenschaftlichen Autoren aus dem In- und Ausland. Im ersten Heft schrieb der Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz „Über die Wahrheit der Abstammungslehre“, in Heft 2.1964 schrieb der US-amerikanische Chemiker, Biochemiker und Nobelpreisträger Melvin Calvin „Über die Entstehung des Lebens auf der Erde“. Jedes Heft enthielt auch einen medizinischen Beitrag für Allgemeinmediziner mit Fortbildungscharakter.

Von Ditfurth erläutert (2, S. 333):

Es half sehr, daß Konrad Lorenz für das erste Heft (ich konnte den Autoren für diese Ausgabe ja noch kein sichtbares Beispiel präsentieren!) auf meinen Wunsch einen brillanten Aufsatz "Über die Wahrheit des Abstammungslehre" beisteuerte, der in den folgenden Jahren von den verschiedensten Verlagen (und unter den verschiedensten Titeln) mehrfach nachgedruckt wurde. 

In den Folgejahren kamen nach und nach weitere namhafte Autoren dazu (2, S. 333):

Das Eis war gebrochen. Die Auflage der Hefte mußte wegen zahlreicher Nachfragen laufend erhöht werden. Schon nach kurzer Zeit wurde "n+m" nicht nur von den Ärzten gelesen, sondern auch von Chemikern, Biologen und anderen Naturwissenschaftlern an vielen Universitäten und Instituten. Boehringer konnte mit der Resonanz zufrieden sein. Für meine berufliche Entwicklung sind die Jahre der redaktionellen Arbeit an dieser Zeitschrift von entscheidender Bedeutung gewesen.

Ein angefragter Beitrag über die Relativitätstheorie mußte nicht nur übersetzt, sondern um der Verständlichkeit willen auch gründlich umgearbeitet werden, wozu sich von Ditfurth Hilfe von fachwissenschaftlicher Seite holte:

Seitdem weiß ich, was es mit der Relativitätstheorie auf sich hat!

Das etwa zeitgleiche Angebot, Mitglied der Geschäftsführung in der Firma Boehringer zu werden, schlug er - nach einem Jahr Probe - trotz eines damit verbundenen, ansehnlichen Gehaltes aus (2, S. 336):

Es ist der glücklichste Entschluß, den ich in meinem Leben, wenn auch unter Bangen, getroffen habe. (...) Jetzt begann für mich mein eigentliches Leben, relativ spät - ich war schon fast fünfzig Jahre alt -, nach langen Lehr- und Wanderjahren.

Von 1963 bis 1967 hielt Hoimar von Ditfurth viele Rundfunk-Vorträge, vornehmlich für den WDR. Diese wiesen schon die ganze Breite der Themen auf, die für Hoimar von Ditfurth so kennzeichnend ist, nämlich von der Astrophysik über die biologischen Wissenschaften bis hin zur Psychiatrie und bis zur Kultur- und Technikgeschichte (Rundfunk). Dieselbe thematische Breite findet sich in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift wieder. 1964 kam in dieser einer der wichtigsten Schüler von Konrad Lorenz zu Wort, nämlich Wolfgang Wickler.

1964 fand auf Einladung der Forschungsabteilung der Firma Boehringer Mannheim (also Hoimar von Ditfurths) im Rahmen der "Starnberger Gespräche" eine Tagung statt, die dem Thema Angst gewidmet war. Das Schlußwort dieser Tagung sprach damals übrigens, man höre und staune: Jürgen Habermas (Dith.). 1968 leitete von Ditfurth im Rahmen der "Starnberger Gespräche" eine zweite solche Tagung, auf der unter anderem auch der Lorenz-Schüler Klaus E. Großmann, heute Regensburg. Er ist Ehemann von Karin Großmann. Dieses Ehepaar hat der Autor dieser Zeilen selbst noch in Seewiesen auf einer Soziobiologie-Tagung kennen und schätzen gelernt.

In der Zeitschrift kam 1968 ein weiterer Lorenz-Schüler, nämlich Otto Koenig zu Wort. Und so kamen eben auch andere bedeutende Forscher aus allen Bereichen der Naturwissenschaft mit Beiträgen zur Geltung.

1970 schrieb er über die Blindheit nur geisteswissenschaftlich gebildeter Menschen im Wochenmagazin "Der Spiegel" (3). (Der Aufsatz ist in dem Sammelband "Unbegreifliche Realität" von 1987 enthalten.) Im Jahr 1970 kam bei Hoffmann und Campe in Hamburg auch sein erstes Buch heraus "Kinder des Weltalls", das, wie von Ditfurth schreibt, einen unerwartet großen Erfolg hatte.

1971 - Die Sendereihe "Querschnitt" wird begründet

Wichtig war es aber auch, im Fernsehen ein zweites wirtschaftliches Standbein zu haben (Dith.):

Seit 1964 produzierte Hoimar von Ditfurth beim WDR-Fernsehen in größeren Abständen einige populärwissenschaftliche Sendungen, die - wie er selber sagte - "in den Sendehäusern und bei den Zuschauern ganz gut angekommen waren". Trotzdem wurden ihm beim WDR die von ihm vorgeschlagenen sechs Sendungen pro Jahr nicht eingeräumt. Deshalb nahm Hoimar von Ditfurth Kontakt mit dem ZDF auf und bekam innerhalb kurzer Zeit einen Vertrag für eine zweimonatlich auszustrahlende wissenschaftliche Sendereihe. So konzipierte und moderierte Hoimar von Ditfurth von 1971 bis 1983 die populärwissenschaftliche Sendereihe Querschnitte, eine der bekanntesten Wissenschaftssendungen des deutschen Fernsehens überhaupt (bis zu 10 Millionen Zuschauer). Anfangs hieß die Sendung Querschnitt (Singular) wurde aber später in Querschnitte (Plural) umbenannt.

Die erste und die elfte Folge dieser Sendereihe sind derzeit frei im Internet zugänglich (4, 5) und heute noch so sehenswert und begeisternd wie damals (1). Mit wie einfachen Mitteln hat Hoimar von Ditfurth einen Millionenpublikum wesentliche wissenschaftliche Zusammenhänge nahe gebracht. Das geht einem emotional sehr nahe. Denn es wird erkennbar: Es bedarf keines umfangreichen Bombastes von - mit neuester Technik hergestellten  -"Animationen", um für Wissenschaft zu begeistern. Dafür sind ganz andere Zutaten notwendig. Und diese sind hier vorhanden: Kein langes Palaver, gleich mitten in die Sache hinein. Auch gar nicht lange bei einzelnen Themen verweilen, stringent weiter gehen. Und ähnliche Dinge mehr.

Im November 1971 handelte eine Folge "Über die Entstehung eines Sterns". Das war ja auch der Themenbereich seines ersten Buches gewesen. Zwei Wochen später hieß eine Folge "Urmeer in unseren Adern". In dieser wurde dem gleichen Gedanken Ausdruck verliehen, den der Delbrück-Schüler Gerold Adam in Konstanz in seiner Antrittsvorlesung zu jener Zeit zum Ausdruck brachte, nämlich daß Blut letztlich verdünntes Meerwasser ist (6). 

1972 - Das "Mannheimer Forum" wird begründet

Zeitlich parallel dazu wurde ab 1972 die herausgegebene wissenschaftliche Konzern-Zeitschrift in das ebenso bedeutende Jahrbuch "Mannheimer Forum" (Wiki) umgewandelt. von Ditfurth war nun längst nicht mehr leitender Angestellter des Konzerns. Auch dieses Jahrbuch begann wieder mit einem Beitrag von Konrad Lorenz ("Wissenschaft, Ideologie und das Selbstverständnis unserer Gesellschaft. Kritische Anmerkungen zur "empty organism"-Doktrin der behavioristischen Schule"). Im selben Jahrbuch findet sich ein Beitrag des Lorenz-Schülers Bernhard Hassenstein und einer des Begründers der Biophysik, nämlich von Max Delbrück. Außerdem findet sich ein Beitrag des bedeutenden britischen Archäologen James Mellaart. Wie begeisternd es doch ist, die Treffsicherheit des Hoimar von Ditfurth zu beobachten darin, einige der wirklich bedeutendsten damaligen Vertreter der  jeweiligen Fachbereiche für Beiträge auszuwählen.

Im nächsten Jahr kommt im Jahrbuch Manfred Eigen zu Wort. Im darauffolgenden der Psychologe Hans Jürgen Eysenck. Im darauffolgenden Jahr Karl R. Popper. 

Im September 1973 geht Hoimar von Ditfurth in einer Folge der Sendereihe "Querschnitte" der Frage nach "Wie wahrscheinlich ist außerirdisches Leben?". (Antwort damals vermutlich: sehr wahrscheinlich.) Ein Jahr später erscheinen die Sendungen in Buchform. Im Inhaltsverzeichnis erhalten wir einen Überblick zu dem Inhalt dieser letztgenannten Sendung (Dith.):

Planet auf Bahn - Kanäle auf dem Mars - Überraschende Funkbilder - Das neue Marsrätsel - Höllische Zustände auf der Venus - Rahmenbedingungen für das Leben - Wie wahrscheinlich war irdisches Leben? - Automatische Lebenssuche - Ein Dorf in der Milchstraße.

Zu diesem Thema gibt es natürlich heute schon wieder einen ganz anderen Kenntnisstand. Im selben Buch findet sich das tief philosophische Kapitel (Dith.):

Mimikry: Verstand ohne Gehirn - Die älteste Methode, sich unsichtbar zu machen - Anpassungskünstler auf dem Meeresboden - Auffallen um jeden Preis - Wer blufft, braucht keinen Stachel - Wie entsteht Mimikry? - Der rettende Augenblick - Wölfe im Schafspelz - Mimikry in der Werbung.

Die Frage, wie Mimikry entsteht, ist bis heute nicht wirklich klar (7). Ein weiteres Kapitel behandelt die damalige Intelligenzforschung (Dith.):

Gedanken über Intelligenz - Intelligenztests bei Kindern - Schulzeugnis und Intelligenz - Lese- und Rechtschreibschwäche - Hirnströme als Intelligenzmesser - Intelligenztests bei Erwachsenen - Der Intelligenzquotient - Künstliche Intelligenz - Ererbt oder anerzogen? - Affen in der Schule - Intelligenzunterschiede schon bei Geburt? - 1,3-Liter-Denkmaschine.

Ob auch hier schon jene berühmte Minnesota-Studie zur Zwillingsforschung des Forschers Bouchard behandelt ist, auf die der Autor dieser Zeilen erstmals hingewiesen wurde durch eine begeisternde Querschnitt-Sendung (siehe unten), stehe dahin. Mit aktuellerem Interesse (Stichwort: sogenanntes "False-Memory-Syndrom") wird man vielleicht auch noch einmal gerne in das Kapitel hineinschauen (Dith.):

Künstliche Erinnerungen - Angeborene Erfahrungen - Die Grundlagen der Instinkte - Erworbene Erfahrungen - Erinnerungen aus der Spritze - Dunkelangst - chemisch geschrieben - Sprachkurse durch Injektion? - Gedächtnis und Erfahrung.

1975 erschien der Aufsatzband "Evolution", in dem viele wertvolle Aufsätze aus der Zeitschrift (unter anderem von Lorenz, Wickler, Dobzhansky, König) einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. von Ditfurth schreibt in der Einleitung zu diesem Buch (Dith.):

Den Anfang macht Konrad Lorenz mit einem seinerzeit stark beachteten Aufsatz "Über die Wahrheit der Abstammungslehre", der wahrscheinlich besten und umfassendsten Darstellung dessen, was "Darwinismus" eigentlich ist, die es heute in deutscher Sprache gibt. Den Autor, der durch zahlreiche, auch populäre, Veröffentlichungen bekannt wurde und für seine verhaltensphysiologischen Untersuchungen 1973 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, braucht man kaum vorzustellen.

Immerhin, 15 Jahre zuvor hatte Hoimar von Ditfurth diesen Autor noch gar nicht gekannt, obwohl er damals Hochschullehrer für Psychiatrie werden wollte ... Und zu dem Dobzhansky-Aufsatz schreibt er:

"Sind alle Menschen gleich erschaffen?" Mit dieser Frage stellt sich der Verfasser, international renommierter Genetiker an der University of California, dem provozierenden Widerspruch zwischen der moralischen Forderung nach der Gleichberechtigung aller Bewohner dieses Planeten und der unbestreitbaren Tatsache ihrer genetischen Verschiedenheit.

1976 erschien dann das so außerordentlich wichtige Buch "Der Geist fiel nicht vom Himmel", ein Buch, das der Autor dieser Zeilen einstmals 1995 im Doktoranten-Seminar des weltoffenen Professors August Nitschke (1926-2019) (Wiki) in Stuttgart vorgestellt hat. Der Autor dieser Zeilen suchte damals einen Weg aus der Zeitgeschichtsforschung, in der er seine Magisterarbeit erarbeitet hatte, hinüber in den Bereich der "Historischen Anthropologie", der er - auch mit diesem Referat - ein naturwissenschaftliches Fundament zu geben bestrebt war, ein Unterfangen allerdings, das noch heute, 25 Jahre später, keine gar zu auffallenden Fortschritte gemacht hat.

Fortschritte in diesem Bereich würden auch ein umfangreicheres emotionales Engagement erfordern, da unsere Gesellschaft noch heute nicht wirklich auf solche Fundamente hin ausgerichtet ist. Sondern - wie eingangs betont - im "Delta der Beliebigkeit" zu versinken geradezu bestrebt ist. Ja, der Autor dieser Zeilen muß sich das in Erinnerung rufen. Deshalb schreibt er diesen Beitrag. Die "Generation Hoimar von Ditfurth" hat ein Erbe hinterlassen, dem gerecht zu werden als echte Herausforderung angesehen werden kann. Die Errungenschaften der "Generation Hoimar von Ditfurth" wirken auf vielfältigen Wegen hinein in das Leben und Schicksal der auf ihr folgenden Wissenschaftler-Generation, ob letztere nun gewillt ist, sich das bewußt zu machen oder ob sie eher gewillt ist, das Wissen darum zu verdrängen und zu ignorieren.

Es sind vor allem die von der vorhergehenden Generation erarbeiteten Erkenntnismöglichkeiten, die so stark nach zweierlei Richtung hin wirken. -

Im Januar 1977 behandelt eine Folge der Sendereihe "Querschnitte" das Thema "Vom Ursprung des Denkens". Womöglich wurden hier Grundgedanken der Evolutionären Erkenntnistheorie nach Konrad Lorenz behandelt, also des grundlegendsten Selbstverständnisses der Wissenschaftsvermittlung durch Hoimar von Ditfurth.

1978 - Die Sendung über Zwillingsforschung wird ausgestrahlt

Am 1. Februar 1978, einem Mittwoch, wird im ZDF in der Sendereihe "Querschnitte" die Folge 41 ausgesendet mit dem Titel "Diktatur der Gene". Damals war der Autor dieser Zeilen 12 Jahre alt und er kann sich sehr gut an den starken Eindruck erinnern, den diese Sendung, die im Familienkreis angesehen wurde, auf ihn gemacht hat. Es wurde über getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge berichtet, die im Rahmen der Minnesota-Zwillingsstudie von Professor Bouchard erforscht wurden. Und es wurden hier eindrucksvollste Beispiele angeführt. Es wäre schön, wenn diese Sendung der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stünde. Sie enthält Erkenntnisse, die auch heute noch "umstürzend" genannt werden können.

Im selben Jahr kam ein zweiter Buchband mit den Inhalten der Querschnitt-Sendungen auf den Markt. Ein Kapitel darin ist wiederum mit einem bis heute hoch aktuellen Thema befaßt (Dith.):

Unsterblichkeit wird nicht geboten. Probleme der Alternsforschung - Wie alt wurden die Römer? - Leben die Großen länger? - Das Hayflick-Phänomen - Unsterblichkeit ist tödlich - Biochemischer Müll - Fehler oder Programm - Eingriff in die Teilungsuhr - Teure Altersbremsen - Tiefgekühlte Abwehrzellen - Im Falle der Unsterblichkeit.

Hoimar von Ditfurth hat sich in diesen Jahren nicht nur mit Erich von Däniken angelegt - in seiner Sendung über die Pyramiden, in der er ihn sogar ausführlicher zu Wort kommen läßt (8) - sondern auch mit den Astrologen. Im Zusammenhang damit kam es sogar zu Gerichtsverfahren. Es ist übrigens immer herrlich, wenn man sieht, wie von Ditfurth über all die Psi- und "Parawissenschaften" spricht. In seiner Generation war diesbezüglich die Welt noch einigermaßen in Ordnung und versandete noch nicht im Delta der Beliebigkeit, sondern bewahrte sich klare Urteile.

1978 erschien ein weiterer Aufsatzband, in dem nicht nur der bedeutende Schweizer Biologe Adolf Portmann zu Wort kam, sondern auch - neuerlich - Wolfgang Wickler, Konrad Lorenz, sowie - zum ersten mal - I. Eibl-Eibesfeldt, Georg G. Simpson und andere bedeutende Evolutionsforscher (Dith.). Auch der Botaniker Karl Mägdefrau kam zu Wort mit dem Aufsatz "Die Geschichte der Pflanzen". Es war das das Thema der mündlichen Prüfung im Fach Botanik im Ersten Staatsexamen gewesen, das sich der Autor dieser Zeilen dafür wählte, weil er damals - und bis heute - unglaublich fasziniert war von diesem Thema, insbesondere schon damals von den auffälligen "Konvergenten Evolutionen" zwischen Pflanzen und Tieren im Bereich der Fortpflanzung, die zu erwähnen selbst Simon Conway Morris bislang nicht wagte (unseres Wissens nach).

1979 bricht Hoimar von Ditfurth im "Spiegel" eine Lanze für die Evolutionäre Erkenntnistheorie (10).

1978/79 kommt im "Mannheimer Forum" der Paläontologe Heinrich K. Erben zu Wort. 1980/81 der Chemiker und Nobelpreisträger Ilya Prigogine, der Erforscher Komplexer Systeme (Chaostheorie). Im Jahrbuch von 1983/84 kam dann der schon erwähnte, so wichtige US-amerikanische Zwillingsforscher Thomas J. Bouchard auch in Schriftform im "Mannheimer Forum" zu Wort ("Genetische Aspekte menschlicher Individualität", über dessen Minnesota-Projekt Hoimar von Ditfurth ja schon 1978 eine Querschnitt-Sendung gemacht hatte. Im gleichen Heft kommen der britische Astrophysiker Paul C. Davies und der deutsche Ägyptologe Jan Assmann zu Wort. Kann man mehr "klingende" Namen, die für ein breiteres Spektrum wissenschaftlicher Themen stehen, an einem Ort zusammen bringen als es Hoimar von Ditfurth damals tat? Wohl kaum. Dieses Jahrbuch "Mannheimer Forum" steht noch heute einzigartig da in der Wissenschaftslandschaft.

Im englischsprachigen Bereich gibt es bis heute "Science" und "Nature" und "Scientific American" und "New Scientist". Im deutschsprachigen Bereich gab es - einstmals - das "Mannheimer Forum". An dieses "Mannheimer Forum" reichen alle heutigen Veröffentlichungen von "Spektrum der Wissenschaft" oder "Bild der Wissenschaft" nicht wirklich heran, so wie die Sendungen des Harald Lesch niemals an die Sendungen des Hoimar von Ditfurth heranreichen werden. Es fehlt hier einfach immer die eingangs angesprochene angemessene wissenschaftlich-philosophische Grundhaltung. Die genannten deutschsprachigen Publikationen sind thematisch so aufgestellt, als würden sie zwar in der Regel Technik- und Wissenschafts-Interessierte befriedigen wollen, nur allzu selten aber Philosophie-Interessierte. - Dieser Umstand kann einem viel zu denken geben.

Im nächsten Jahrbuch antwortete dann der deutsche Humangenetiker Friedrich Vogel auf den Bochard-Artikel des Vorjahres. Damals gab es noch keine gar zu krassen halben oder Dreiviertel-Tabus gegenüber der modernen Erforschung angeborener Intelligenz- und Verhaltensunterschiede. 1985/86 kommt im Mannheimer Forum Max Delbrück sogar ein zweites mal zu Wort. Max Delbrück war übrigens von derselben wissenschaftlich-philosophischen Grundhaltung geprägt wie Hoimar von Ditfurth, wie Konrad Lorenz.

1981 - "Wir sind nicht nur von dieser Welt"

Auf Wikipedia wird dann über den Umgang Hoimar von Ditfurths mit den für die Wissenschaft nicht mehr zugänglichen Bereichen der Welt, also für die nicht vollständig rational erfaßbare Welt - unter Verweis auf das Ditfurth-Buch "Wir sind nicht nur von dieser Welt" (1981) - folgendes Wertvolle ausgeführt (Wiki):

Er sah sowohl im Kosmos selbst als auch in der Psyche gleichsam Hinweise auf eine nicht mehr wissenschaftlich zugängliche, sich „dahinter verbergende Wirklichkeit“, für die er den religiösen Begriff des „Jenseits“ benutzte. Ein weiterer Ausgangspunkt für diese Hypothese, die er als solche auch kennzeichnete, waren für ihn die Erkenntnisse der Relativitätstheorie und der Quantenphysik (...). Ditfurth ging davon aus, daß sich hinter unserer erkennbaren und erlebbaren Welt eine jenseitige, „transzendentale Wirklichkeit“ befinde, die (...) auf die erkennbare Wirklichkeit einwirken könne.

Das sind starke Sätze. Sie gelten auch für Konrad Lorenz und für viele andere, die neben wissenschaftlichen Interessen außerdem noch philosophische Interessen aufweisen. Eine ähnliche Grundhaltung findet sich dementsprechend dann auch in dem zwei Jahre später veröffentlichten Buch von Konrad Lorenz wieder, nämlich in "Der Abbau des Menschlichen". Die "Generation Hoimar von Ditfurth" - erst in ihr formte sich - einigermaßen abschließend - das Weltbild der Zukunft.

1984 - Sind wir doch allein im All?

1984 setzt sich Hoimar von Ditfurth im "Spiegel" mit der These des deutschen Paläontologen Heinrich K. Erben (1921-1997) auseinander, daß wir allein im All wären (10). Erben war zu einer gegensätzlichen Einschätzung diesbezüglich als von Ditfurth gelangt. Und bei dieser Gelegenheit sieht man zum ersten mal, daß Hoimar von Ditfurth auch ganz schön angefressen schreiben konnte. Die letzten Worte lauten hier (10):

"Die Antwort der Evolutionsbiologie", wie der Untertitel es verheißt? Wohl kaum. Eher die Antwort eines Mannes, der sich entsetzlich geärgert hat und dessen Argumente von den Spuren dieses Ärgers tiefer gezeichnet sind, als ihnen gut tut.

Womöglich schreibt Hoimar von Ditfurth hierbei aber auch über sich selbst? Schon zu Anfang dieser Buchbesprechung hatte er geschrieben (10):

Mein anfängliches Vergnügen wich nach wenigen Kapiteln indessen zunehmendem Verdruß. Nicht deshalb, weil ich das Pech habe, zu den vom Autor vehement attackierten Fürsprechern der "exobiologischen Hypothese" zu gehören. (...) Verdrießlich stimmte mich die Lektüre vielmehr wegen eines zentralen Widerspruchs der Argumentation und wegen einer das ganze Buch durchtränkenden polemischen Attitüde, die so überzogen ist, daß der Autor sich damit selbst im Wege steht. 

Womöglich hat Hoimar von Ditfurth sogar recht. Aber man sieht schon: Diese bis heute ungeklärte Frage hat da zwei Männer der Wissenschaft - gleichen Jahrgangs!!!! - ganz schön umgetrieben in "Ärger und Verdruß".

Aber wenn man die Aufsätze von Hoimar von Ditfurth im "Spiegel" insgesamt liest, wird einem erst bewußt, daß man Aufsätze von solchem Niveau im "Spiegel" eigentlich zu keinem Zeitpunkt in den letzten 40 Jahren bewußt gelebten Lebens erwartet hatte, weil man sie - sonst - dort auch so gut wie nie erlebt hat. Was für ein riesiges, hohes Niveau im Vergleich zu dem sonstigen Schund, den man in solchen Zeitschriften in der Regel antrifft für - sogenanntes - "Bildungsbürgertum".

Die Generation Hoimar von Ditfurth

Fassen wir zusammen: Die Generation von "Hoimar von Ditfurth" wollte noch das für sich klären, was damals zu klären war. Nämlich die grundlegende Verhältnisse, wie menschliche Erkenntnis zustande kommt, und wie das Zustandekommen zu deuten ist, die Frage, ob es eine real existierende Außenwelt gibt und in welchem Verhältnis das innere Erleben des Menschen zu dieser real existierenden Außenwelt steht. Mit der "Generation von Hoimar von Ditfurth" waren diese Fragen dann eigentlich geklärt.

Heute wird - soweit übersehbar - in der Philosophie nur noch selten bestritten, daß es eine real existierende Außenwelt gibt.

Die nachfolgenden Generationen tun nun aber so, als hätten sie keine großen Rätselfragen mehr an die Natur oder an das Wesen der menschlichen Erkenntnis zu richten. Hoimar von Ditfurth suchte noch die Auseinandersetzung mit der Evolutionären Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz und war in höchstem Maße erstaunt über das damit verbundene Weltbild. Heute wird es in Nebensätzen so nebenhin abgetan, daß diese Fragen einigermaßen abschließend "geklärt" wären.

Ein Zweig, der heute von Philosophen als besonders wichtig angesehen und behandelt wird, ist die "Philosophie des Geistes" (Wiki), die Frage nach der Natur des menschlichen Bewußtseins und des menschlichen, geistigen Lebens in seinem Verhältnis zur körperlichen, materiellen Welt. Es fragt sich, ob hier nicht im Wesentlichen Scheinprobleme erörtert werden. Dasselbe gilt für all die sprachanalytischen Ansätze, deren Zielrichtung man schon in den Schriften von Werner Heisenberg klar kritisiert findet. Denn schon Werner Heisenberg hat darauf hingewiesen, daß ein naturwissenschaftlicher Sachverhalt, der mathematisch klar ist, deshalb noch lange nicht in der menschlichen Sprache ebenso klar "zur Sprache" gebracht werden kann.

Viele in diesem Beitrag angerissenen Gedankengänge sollen in künftigen Beiträgen fortgesetzt und vertieft werden. Ja, das kann gesagt werden, daß dieser Blog es als seine Aufgabe ansieht, den Geist der "Generation Ditfurth" lebendig zu erhalten, damit aus ihm heraus neue Höhen wissenschaftlicher und philosophischer Erkenntnisse gewonnen werden können.

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*) Sein Erinnerungs-Buch (2) enthält übrigens eine Fülle von Beobachtungen und moralischen Bewertungen zu Fragen von Politik und Zeitgeschichte rund um das Dritte Reich und seine Folgen. Diese Teile des Buches scheinen selbst schon wieder vom Zeitgeist des Jahres 1989 angehaucht zu sein und deshalb heute in vielen Aspekten auch schon wieder überholt zu sein. Um ihrer willen ist das Buch jedenfalls gewiß nicht sonderlich lesenswert, enthalten sie doch nur die üblichen Allgemeinplätze, die man als anpassungswilliger und anpassungsbereiter Deutscher seiner Generation äußern sollte, wenn man berufliche Nachteile vermeiden wollte. Nur selten wird an diesem Lack gekratzt, etwa wenn von Ditfurth das "Erbe des Neandertalers" anhand der angeborenen Emotionen der Gruppensolidarität erörtert, die bezüglich des gesellschaftlichen Ansehens des Soldaten im Kampfeinsatz während des Zweiten Weltkrieges natürlich auch in Deutschland und in seiner eigenen Familie abrufbar waren, und die dafür sorgten, daß er als Student in dieser Zeit immer ein wenig das Gefühl eines schlechten Gewissens zurück behielt dafür, daß er studierte statt an der Front zu stehen. Darüber Rechenschaft abzulegen, ist immerhin redlich. Ob er als wissenschaftlich gebildeter US-Amerikaner, Brite oder Russe diese Emotionen der Gruppensolidarität aber mehr oder weniger abwertend als "Erbe des Neandertalers" charakterisiert hätte, wird doch stark infrage gestellt werden dürfen.

/ Begonnen: 10.12.2020 /

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  1. Bading, Ingo: Überlegungen zur Glaubwürdigkeitskrise der modernen Wissernschaft - "911 aus der Sicht der Physik" und "Covid 19 aus der Sicht der Medizin"  Was haben beide miteinander zu tun?, 2.12.2020, https://studgenpol.blogspot.com/2020/12/911-aus-der-sicht-der-physik-und-covid.html.
  2. Ditfurth, Hoimar von: Innenansichten eines Artgenossen. Meine Bilanz. dtv München 1989 
  3. Ditfurth, Hoimar von: Amoklauf eines Einäugigen - Besprechung des Buchs "Adam und der Affe" von Peter Bamm. In: Der SPIEGEL Nr. 05, 1970, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45226360.html.
  4. Ditfurth, Hoimar von: Eine Reise in die Vergangenheit. 1. Folge der Sendereihe "Querschnitt durch die Wissenschaft", eine Produktion des ZDF, Erstausstrahlung 18.1.1971, https://youtu.be/j6EfZseJIfk, https://youtu.be/MY9KeM5B1MA, https://youtu.be/m9QgnbLZHpI, https://youtu.be/dbhwCTX0xz8.
  5. Ditfurth, Hoimar von: Pflanzen - die heimlichen Herrscher, 11. Folge der Sendereihe "Querschnitt durch die Wissenschaft", ZDF, Erstausstrahlung 6.11.1972, https://youtu.be/Q2krQTBnCcg.
  6. Adam, Gerold: Die Steuerung des Ionentransportes durch die Zellmembran. Druckerei u. Verlagsanst. Konstanz Universitätsverl. Konstanz 1970
  7. Bading, Ingo: "Epigenetik und die Evolution der Instinkte", 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/10/sind-instinkte-durch-punktmutationen.html
  8. Ditfurth, Hoimar von: Das Geheimnis der Pyramiden. Sendereihe "Querschnitte", 1976, https://youtu.be/t_t7tTZuJGc.
  9. Ditfurth, Hoimar von: An der Grenze zwischen Geist und Biologie - Besprechung des Buchs "Biologie der Erkenntnis" von Rupert J. Riedl. In: Der SPIEGEL Nr. 40, 1979, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39868836.html.
  10. Ditfurth, Hoimar von: Der Mensch - einzig denkendes Wesen im All? - Besprechung des Buchs "Intelligenz im Kosmos?" von Heinrich K. Erben. In: Der SPIEGEL Nr. 27, 1984, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13508110.html.