Mittwoch, 30. August 2017

Die Usbeken sind Nachkommen der indogermanischen Sogder

Obwohl sie sprachlich türkisch sind

In Usbekistan leben heute 22 Millionen Usbeken, mehrere Millionen Usbeken leben in angrenzenden Ländern, insbesondere in Afghanistan.

In einer neuen Studie (1) wurde der genauere Umfang der genetischen und sprachlichen Unterschiede zwischen 11 turksprachigen und 10 indo-iranisch-sprachigen Lokalstämmen in Usbekistan, Tadjikistan und Kirgistan untersucht. Zu den untersuchten Turkvölkern gehörten mehrere Lokalstämme der Kasachen, der Kirgisen, der Karakalpaken und der Usbeken ("UZA"), insgesamt 11. Zu den untersuchten indo-iranischen Völkern gehörten mehrere Lokalstämme der Tadschiken und der Bewohner des abgelegenen Yagnob-Tales ("TJY"), insgesamt 10.

Abb. 1: Usbeken; aus: Erich Zugmayer's "Eine Reise durch Vorderasien im Jahre 1904" (Wien: Verlag Dietrich Reimer, 1905) (Herkunft: Wiki)


Interessanterweise ergibt sich nun als erstes Ergebnis, daß die indo-iranischen Lokalstämme dieses Raumes - also vor allem die Tadschiken - deutlich größere genetische Unterschiede untereinander aufweisen als die genannten turksprachigen Lokalstämme dieses Raumes untereinander (1):
"As shown in previous studies, the Indo-Iranian speaking populations had higher genetic differentiation levels than the Turkic speaking populations. Indeed, 47 pairwise FST values out of 55 were significantly different from zero for the 10 IndoIranian speaking populations, while it was the case for only 14 pairwise FST out of 45 for the nine Turkic speaking populations."
Der Grund dafür wird zunächst darin gesucht werden können, daß die genetische Aufspaltung der indo-iranischen Stämme viele hundert, wenn nicht tausend Jahre älter sein kann als die Aufspaltung der genannten Turkstämme, die ja nicht älter als 2000 Jahre alt sein wird. Aber für diesen Umstand kann es natürlich auch noch viele andere Gründe geben, die man womöglich erst kennt, wenn man sich mit der Kulturgeschichte dieses Raumes intensiver beschäftigt hat.

Sprachlich waren nun natürlich alle Turkvölker mehr miteinander verwandt als mit den indo-iranischen Sprachen. Genetisch aber steht - vielleicht überraschend - das Turkvolk er Usbeken ("UZA") näher zu den indo-iranischen Stämmen als zu den sprachlich verwandteren Turkvölkern. Und das, obwohl die Usbeken sogar das zweitgrößte Turkvolk überhaupt in der Welt bilden (!) (1):
"The Turkic linguistic variety UZA was found closer to other Turkic varieties than to Indo-Iranian varieties, but the UZA population was genetically closer to Indo-Iranian speaking populations than to other Turkic speaking populations."
Es handelt sich also bei den Usbeken zu nicht geringen Teilen um Nachkommen des indogermanischen Volkes der Sogder - so wie es sich bei den Uiguren in den Oasenstädten der Seidenstraße genetisch etwa zur Hälfte um Nachkommen des indogermanischen Volkes der Tocharer handelt.

Den Sogdern und Tocharern und ihrem Kamel-Fernhandel bis ins kaiserliche China der Tang-Zeit hinein sind hier auf dem Blog in früheren Jahren ja schon viele Blogbeiträge gewidmet worden (siehe Schlagwort "Sogder"). Die Sogder fanden als auffällige europäische Menschentypen in der Tang-Zeit viele Darstellungen in der chinesischen Kunst und sie stiegen dort bis in den Ministerrang auf. Die Bewohner des abgelegenen Yagnob-Tales hingegen weisen laut der neuen Studie weder sprachlich noch genetisch besonders große Nähe zu einer der beiden großen Sprachgruppen auf:
"The TJY population seemed both linguistically and genetically distant from the other Indo-Iranian speaking populations (...) and even more distant from the Turkic speaking populations."
Sie werden also auch nicht so schlicht als Nachkommen der Sogder angesprochen werden können wie es heute noch auf dem englischsprachigen Wikipedia zu ihnen geschieht (2).

Eine Studie aus dem Februar 2019 zu den Jagnoben


Neuerdings ist im Jahr 2019 zu ihnen eine eigene Studie erschienen. In dieser heißt es zusammenfassend (3):
"Our analyses highlighted that the Yaghnobi genetic diversity could be thus considered as a cross-section of a genetic background widespread in a large area of Eurasia before that a series of historical demographic events substantially reshuffled the genetic structure of human populations residing in this region."
Und (3):
"Admixture, outgroup- f3 , and D-statistics computed on autosomal variation corroborated Y-chromosome evidence, pointing respectively to low Anatolian Neolithic and high Steppe ancestry proportions in Yaghnobis, and to their closer affinity with Tajiks than to Iranians."
Sie haben also über die väterliche Herkunft einen höheren Anteil indogermanischer Herkunft ("Steppe ancestry") und sind enger mit den Tadschiken als mit den Iranern verwandt. Weiter schreiben sie (3):
"In the light of the new advances in the field of paleogenomics, a fundamental and advocated contribute to the understanding of the genetic history of Yaghnobis will be represented by the possibility to analyze ancient specimens from that area and in particular from Sogdian settlements."
Ja, auf diese darf man sehr gespannt sein. - - - Die Autoren der 2017er-Studie schrieben zusammenfassend über die Usbeken, bzw. über ihre Vorfahren, die Sogder (1):
"The recent Turkic speaking population invasions probably led to a linguistic shift. This shift seems to have resulted from an admixture between the Indo-Iranian and Turkic vocabularies, strongly biased towards the latter, rather than a complete linguistic replacement as previously proposed. Conversely, the estimated proportions of genes inherited from each group appeared to be similar."
 Insgesamt wird es sich bei den Usbeken also genetisch tatsächlich um ein ähnliches Mischungsverhältnis handeln wie bei den heutigen Tocharern. Vielleicht leben also noch heute unter den Usbeken Nachkommen der Verwandten jener berühmten sogdischen Prinzessin Roxane, die Alexander der Große nach der Einnahme von Samarkand (sogdisch "Marakanda") geheiratet hat.

Merkwürdig ist, daß die Usbeken heute nur noch wenig Bewußtsein zu haben scheinen davon, daß sie Nachkommen der Sogder sind. Der Islam hat hier - wie in Uigurien - wohl zu einem völligen Traditionsbruch geführt, vermutlich ähnlich wie sich die Christen in Europa Jahrhunderte lang kaum noch daran erinnerten, daß sie heidnische Vorfahren hatten und wer diese waren.

Zuerst auf
Google-Plus, 30.8.2017;
ergänzt mit (3) 27.2.2019

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  1. Thouzeau V, Mennecier P, Verdu P, Austerlitz F. 2017 Genetic and linguistic histories in Central Asia inferred using approximate Bayesian computations. Proc. R. Soc. B 284: 20170706. http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1861/20170706
  2. https://en.wikipedia.org/wiki/Yaghnob_Valley
  3. The genetic legacy of the Yaghnobis: A witness of an ancient Eurasian ancestry in the historically reshuffled central Asian gene pool. Autoren: Elisabetta Cilli Stefania Sarno Guido Alberto Gnecchi Ruscone Patrizia Serventi Sara De Fanti Paolo Delaini Paolo Ognibene Gian Pietro Basello Gloria Ravegnini Sabrina Angelini Gianmarco Ferri Davide Gentilini Anna Maria Di Blasio Susi Pelotti Davide Pettener Marco Sazzini Antonio Panaino Donata Luiselli Giorgio Gruppioni. American Journal of Physical Anthropology, First published: 29 January 2019 https://doi.org/10.1002/ajpa.23789

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