In Deutschland ist die traditionell arbeitende Physische Anthropologie (früher auch "Rassenkunde") im Wesentlichen aus der sogenannten "Mainzer Schule" um die deutsche Anthropologin Ilse Schwidetzky (1907-1997) (Wiki) hervorgegangen. Wie in früheren Beiträgen hier auf dem Blog gezeigt (5, 6), schält sich derzeit durch die rasanten Fortschritte in der ancient-DNA-Forschung ein ganz neues und nun sicheres und definitives Bild vom Werden der europäischen Völker heraus. Und damit kann man jetzt zu einer einigermaßen abschließenden Bewertung dessen kommen, was die traditonell arbeitende Physische Anthropologie in Deutschland geleistet hat, was von ihren Ergebnissen bestätigt wurde, in welchen Bereichen ihre Ergebnisse nun auf wesentlich solideren Füßen stehen, in welchen Bereichen ihre Ergebnisse deutlich korrigiert werden müssen und in welchen Bereichen die Ergebnisse der physischen Anthropologie die Ergebnisse der ancient-DNA-Forschung ergänzen. Darüber sollen im folgenden Beitrag einige erste wesentlichere Anhaltspunkte zusammen getragen werden anhand einiger weniger repräsentativerer Darstellungen der Physischen Anthropologie der letzten Jahrzehnte (1-4).
Zunächst einmal ist natürlich zu sagen: Gegenwärtig beantwortet die ancient-DNA-Forschung all jene Fragen, die die Physischen Anthropologen viele Jahrzehnte lang mühsam anhand weniger, spärlicher Daten zu beantworten suchte, geradezu "im Fluge" und dann auch gleich noch viel vollständiger, umfassender und definitiver. Die gegenwärtige Entwicklung ist so typisch für viele Phasen der Wissenschaftsgeschichte: Jahrzehnte lang sind Erkenntnisse unglaublich stark "umstritten", werden gar "tabuisiert" und dann "über Nacht" ist der ganze Erkenntnisbereich selbstverständlichstes Grundlagenwissen der Evolutionären Anthropologie und Humangenetik. Diese rasante Entwicklung erleben wir gerade. Und es muß fast nirgendwo mehr "Überzeugungsarbeit" geleistet werden.
Abb. 1: Der europäische Menschentypus - Dargestellt in der antik-griechischer Kunst (eigenes Foto, Pergamon-Museum Berlin, 2009) (weitere Beispiele: 6, 7) |
Aber schauen wir uns jetzt einmal an, was da an mühsamer Arbeit Jahrzehnte lang von den Physischen Anthropologen geleistet wurde.
Zur Herkunft der Bandkeramiker
1979 schrieb Ilse Schwidetzky zur Herkunft der frühesten europäischen Bauern, der Bandkeramiker (1, S. 49, 51; Hervorhebung nicht im Original):
Nachdem schon Heberer (1939) die mitteldeutschen Bandkeramiker als im Kern mediterranid klassifiziert hatte, wies vor allem Gebhardt (1953, 1978) auf die auffällige Grazilität einiger bandkeramischer Skelette hin. Er nimmt daher Zuwanderung einer neuen Bevölkerung an, die sich auch anthropologisch deutlich von der mesolithischen Vorbevölkerung absetzt. Aber die Variationsbreite innerhalb der Bevölkerung des donauländischen Kulturkreises ist offenbar groß. Es treten daneben auch unter den deutschen Funden mehr oder minder knochenrobuste Individuen auf, die sich gut an die älteren Bevölkerungen Mitteleuropas anschließen lassen.
Hätte sie einmal hiermit ihre Ausführungen abgeschlossen! Aber man sieht, wie unsicher die Physische Anthropologie zu jenem Zeitpunkt noch war, schreibt sie doch weiter:
Und nach statistischen Vergleichen schließen sich die mitteldeutschen Bandkeramiker nicht so eng an südosteuropäische Bevölkerungen des Donauländischen Kulturkreises an und unterscheiden sich andererseits nicht so deutlich von späteren neolithischen Bevölkerungen, daß zwingend mit der Kulturausbreitung auch ein Bevölkerungswechsel angenommen werden müßte (Bernhard 1978).
Diese Aussage hat sich durch ancient DNA nicht bewahrheitet. Im abschließenden Satz weicht Schwidetzky dann sogar noch deutlicher von der heute als gültig erkannten Grundeinsicht von 1939 und 1953/1978 ab (1, S. 51f):
Was in den spärlichen Gräberfunden anthropologisch greifbar wird, wäre dann das Ergebnis von kulturellen und bevölkerungsbiologischen Assimilationsprozessen, bei denen die Eingewanderten die Kulturentwicklung prägten, im Genpool der Bevölkerung aber nur durch relativ wenige Erblinien vertreten sind.
Nun, das sehen wir heute mit den Ergebnissen der ancientDNA-Forschung deutlich anders. Diese bestätigt viel eher die genannten Forschungsergebnisse von Heberer und Gebhardt. Der Schwidetzky-Schüler Andreas Vonderach hielt dazu 2008 geradezu in "weiser Voraussicht" fest (4):
Schwer wiegt, daß der erfahrene Diagnostiker Kurt Gerhardt, der nicht nur metrisch-statistisch arbeitete, sondern auch feine Form- und Stileigentümlichkeiten genau beobachtete, den Leittypus der Bandkeramik auf Einwanderung zurückführte.
Vonderach spricht sich mit diesen Worten in dieser Frage entschiedener für die Einwanderung der Bandkeramiker aus als das seine Lehrerin Ilse Schwidetzky getan hatte.
Zur Herkunft der mittelneolithischen Kulturen (Rössen, Michelsberg, Trichterbecher etc.)
Schwidetzky sagte zur nachfolgenden Rössener Kultur (mit ihren im Grundriß trapezoidförmigen Langhäusern), sie würde - wie die Bandkeramik - eine größere anthropologische Vielfalt aufzeigen und derselben verwandtschaftlich auch relativ nahe stehen. Das hat sich mit ancient DNA bestätigt.
Zu der anthropologischen Stellung der Trichterbecherleute macht Schwidetzky zunächst keine Aussage. Interessant ist aber, daß sie zu der vorhergenden Rössener Kultur auch noch sagt (1, S. 52):
Allerdings ergeben sich auch einige Beziehungen zu Bevölkerungen der Trichterbecherkultur.
Auch das ist seit März dieses Jahres durch die ancient-DNA-Forschung bestätigt.
Interessant ist weiterhin, daß sie für die Menschen der hessischen Steinkistengräber des 3. Jahrtausends ebenso eine neuerliche "Mesolithisierung" sieht, wie sich das derzeit auch in der ancient-DNA-Forschung andeutet. Und hierbei werden nun auch die Trichterbecherleute genauer eingeordnet (1, S. 57):
Typologisch wurde bei den Steinkistenfunden ebenso wie für die Funde der Trichterbecherkultur immer wieder eine starke Annäherung an den Cromagnontypus festgestellt. Für die Träger der Michelsberger Kultur stellte Knussmann (1978) heraus, daß sie im Vergleich mit den älteren Rössenern keineswegs evoluiertere Formen zeigen, sondern sich eher einem derberen, archaischen Typus nähern.
Es wird also deutlich, daß die traditionelle Physische Anthropologie schon vieles von dem recht gut voraus "ahnte", was sich heute als sicheres Wissen herausstellt, daß sie aber selten definitive Aussagen zu irgendeinem Sachverhalt und Herkunftszusammenhang machen konnte so wie das heute mit der ancient-DNA-Forschung möglich ist. Außerdem konnte sie aufgrund des unsicheren Wissensstandes gerne auch einmal eklatanter daneben greifen wie sich schon bei manchen Urteilen andeutete und wie wir gleich noch deutlicher sehen werden. Das ist alles sehr spannend und interessant zu beobachten zumal für jemanden wie den Autor dieser Zeilen, der mit Andreas Vonderach seit seiner Mainzer Studienzeit im Austausch über all diese Dinge gestanden hat und sich schon vor vielen Jahren über all das viele Gedanken gemacht hatte!
Zur Herkunft der Schnurkeramiker/Indogermanen
Über die Schnurkeramiker schreibt Ilse Schwidetzky nun (1, S. 53):
Die Schnurkeramiker heben sich von den übrigen neolithischen und äneolithischen Bevölkerungen Deutschlands vor allem durch den langen, hohen und schmalen Hirnschädel bei kräftigem Knochenrelief ab. In diesen Merkmalen unterscheiden sich die älteren Schnurkeramiker noch deutlicher von den früheren Bevölkerungen Mitteldeutschlands, etwa den Trägern der Bandkeramik und Rössener Kultur.
Sie nimmt also wie die ancient-DNA-Forschung eine Bevölkerungszuwanderung an. Die jüngere Schnurkeramik würde aber ein Bild der Vermischung mit der Vorbevölkerung aufzeigen. Die Herkunft der Schnurkeramiker aus Südrußland diskutiert sie nun zwar, sie will sich aber nicht abschließend auf diese festlegen. Ihr Schüler Andreas Vonderach hingegen wies eine Herkunft aus der Ukraine 2008 (4) sogar noch entschiedener zurück als seine Lehrerin Schwidetzky. Hier sind wir mit der ancient-DNA-Forschung nun gewaltige Schritte weiter. Daß die Glockenbecher-Leute genetisch Indogermanen sind so wie die Schnurkeramiker, hat die traditionelle Physische Anthropologie so nun offenbar gar nicht gesehen (übrigens auch nicht die Archäologie). Sie wies ihnen eine anthropologische Sonderform zu, den sogenannten "planoccipetalen Steilkopf", der sich allerdings auch in Südrußland finden würde. Ob die ancient-DNA-Forschung noch subtilere genetische Unterschiede zwischen Schnurkeramikern und Glockenbechern finden wird, die diese Unterscheidung der traditionellen Anthropologie bestätigen würde, wird die Zukunft zeigen. Festzuhalten ist: Die enge genetische Verwandtschaft zwischen Schnurkeramikern und Glockenbecherleuten hat die traditionelle Anthropologie nicht erkannt.
Andreas Vonderach hielt aber 2008 auch noch folgende interessante Beobachtung über die Ukraine fest, die unter dem Wissen, daß dort tatsächlich die Indogermanen entstanden sind, eine ganz neue Bedeutung bekommt (4):
In der Ukraine zeigt sich mit der wahrscheinlich aus östlicheren Gebieten eingewanderten Kurgan-Bevölkerung ein völliger Bruch zur Vorbevölkerung der Dnepr-Donez-Kultur, die durch extreme Größenmaße und Robustizität, lange Schädel, breite Gesichter und Nasen und noch niedrigere Orbitae (Augenhöhlen) charakterisiert war. Der extreme, eher jungpaläolithische oder mesolithisch anmutende Typus der Dnepr-Donez-Kultur verschwindet gegen Ende des Neolithikums ohne erkennbare Spuren zu hinterlassen.
Die hier genannte Dnjepr-Donez-Kultur (Wiki) (5.000-4.200 v. Ztr.) wird von der östlicheren Yamna-Kultur (Wiki) (4.000-2.300 v. Ztr.) abgelöst, die heute allgemein den Indogermanen zugesprochen wird, und die aus der Samara-Kultur (5.200-4.400 v. Ztr.) (Wiki) an der mittleren Wolga und der parallelen Khvalynsk-Kultur (5.000-4.500 v. Ztr.) (Wiki) hervorgegangen ist. (Die frühe Yamna-Keramik läßt sich von der späten Khavalynsk-Keramik kaum unterscheiden.) Das westliche Drittel ihres Verbreitungsgebietes befindet sich nun auf dem Gebiet der vorhergehenden Dnjepr-Donez-Kultur. Bei der Entstehung der Indogermanen hat also auch schon ein Grazilisierungsprozeß stattgefunden, der durch Zuwanderung von Bevölkerung aus südlicheren Regionen (Pakistan, Iran, Kaukasus oder Levanteraum) zustande gekommen sein wird.
Abb. 2: "Ilse Schwidetzky zum 75. Geburtstag gewidmet" (1986) |
Die berühmte Aunjetitzer Kultur Mitteldeutschlands (aus der die Himmelsscheibe von Nebra hervorgegangen ist) schließt anthropologisch an die Schnurkeramik an (1, S. 58).
Interessant dürfte weiterhin sein, daß Ilse Schwidetzky mit ihrer These von der Grazilisierung im Knochbau seit dem Neolithikum bis heute und ebenso mit ihrer These von der "Brachykephalisation" in Süddeutschland - also der Erscheinung, daß dort die Gesichter über die Jahrhunderte hin breiter werden als vormals - einiges von dem vorweg nimmt, was sich ebenfalls durch die ancient-DNA-Forschung andeutet, nämlich daß sich - nachdem sich das bis heute forbestehende Substrat der mittel- und nordeuropäischen Bevölkerungen am Beginn der Bronzezeit mit der Zuwanderung der Indogermanen gebildet hatte -, dennoch noch viel weitere Selektion stattgefunden haben kann. Sie wird sich keineswegs nur auf diese beiden Phänomene beschränken, viel mehr werden wir sicher künftig hier noch bezüglich vieler anderer Eigenschaften interessante Einsichten erlangen.
Zunächst einmal ein Zwischenergebnis zu einigen behandelten Fragen hinsichtlich der Herkunft der europäischen Völker:
- Die mediterrane Herkunft der Bandkeramiker wurde eigentlich schon ab 1939 von der Physischen Anthropologie ganz richtig erkannt, es zeigen sich in der Beurteilung derselben aber auch große Unsicherheiten, zumal bei späteren Bearbeitern (bei Schwidetzky ebenso wie bei Bernhardt).
- Daß die mittelneolithischen Kulturen in der Bandkeramik wurzeln, wurde im wesentlichen schon richtig erkannt.
- Die Herkunft der Schnurkeramiker und Glockenbecherleute (außerhalb Spaniens) aus dem Nordschwarzmeer-Raum wurde gerade erst in den letzten Jahrzehnten von Ilse Schwidetzky und auch von Andreas Vonderach sehr entschieden verworfen, obwohl sie nun durch die ancient-DNA-Forschung bestens gesichert ist.
Auffällig erscheint, daß die "multivariate statistische Methode" in Bezug auf Schädelmaße, auf die sich die Mainzer Schule etwa seit den 1980er Jahren so viel zu Gute gehalten hat, zur Frage der Entstehung der europäischen Völker in zwei Fällen (Bandkeramiker und Schnurkeramiker) eher eklantantere Fehleinschätzungen mit sich brachte, als daß sie die bis dahin vorhandene Sicherheit in der richtigen Beurteilung erhöht hätte. (Dies ist zwar ein laienhafter Eindruck des Autors dieser Zeilen, aber man würde gerne etwas aus der Schüler- und Enkelgeneration von Ilse Schwidetzky zu diesem Eindruck hören. Womöglich aber wäre das sowieso eine veraltete Forschungsdiskussion, denn diese Methode wird wohl kaum noch künftig angewandt, nachdem alles durch ancient DNA so viel besser geklärt werden kann.)
Zur Herkunft der Völker des Vorderen Orients
Unter diesen Umständen ist es nun auch interessant, was der Schwidetzky-Schüler Wolfram Bernhard (bei dem ich selbst 1995/96 studiert habe) zu den entsprechenden Herkunftsverhältnissen im Vorderen Orient und im Levanteraum sagt. Er unterscheidet einleitend zwei Haupttypen (2, S. 16), nämlich den "mediterranen Typus", von dem wir schon bei Ilse Schwidetzky hörten, und der den Ackerbau auch nach Mitteleuropa (5.500 v. Ztr.) und nach Skandinavien (4.100 v. Ztr.) brachte. Diesem Typus stellt er gegenüber einen "eurafrikanischen Typus". Letzterer, so schreibt Bernhardt,
wird meist als robustere Variante des klassischen Mediterranen aufgefaßt. Er ist gekennzeichnet durch größere absolute Schädelmaße, eine derbere Knochenstruktur und insgesamt stärker hervortretende gerontomorphe Züge, eine größere Körperhöhe und eine stärkere Robustizität des postkranialen Skeletts.
("Gerontomorphe Züge" werden "pädomorphen Zügen" gegenüber gestellt und es soll damit gesagt sein, daß manche anthropologische Typen eher weiche, kindliche Merkmale beibehalten, während andere Typen ausgeprägtere, kantigere, knochigere Erwachsenen-Merkmale aufzeigen.)
Es dürfte nun sehr naheliegend sein, daß die heutigen Türken weniger dem mediterranen Typus als dem eurafrikanischen Typus zugehören werden (der auch "afghanischer" oder "proto-iranischer" Typ genannt wird), jenem Typus, der auch als erster in der Weltgeschichte ab 12.000 v. Ztr. in der Südtürkei und später auch im Zagros-Gebirge im Iran den Übergang zum Ackerbau vollzogen hat (die rechte "Milchstraße" in der Grafik der, auf die sich die beiden früheren Beiträge [5, 6] bezogen). Etwa ab 6.500 v. Ztr. breitete sich der Ackerbau rund um das Mittelmeer aus und schon diese Ausbreitungsbewegung dürfte wohl vorwiegend von dem mediterranen Typus getragen gewesen sein.
Die Natufier (vorbäuerliche Erntevölker) im Levanteraum zeigen nach Bernhard das anthropologische Bild von kleinwüchsigen, breitgesichtigen Menschen mit einer gewissen Robustizität (2, S. 30). Sie weisen also weniger in Richtung des mediterranen Typus.
Dann berichtet Bernhard interessanterweise über die Reste von vier Individuen von der Südküste des Kaspischen Meeres aus der Zeit um 7.400 v. Ztr. (gefunden in der Hotu-Höhle). Immerhin haben wir es hier mit jener mesolithischen Bevölkerungsgruppe zu tun, die nicht weit von der Ursprungsregion der Indogermanen lebte. Es dürfte sich um Angehörige der von uns schon angesprochenen (5) Kelteminar-Kultur handeln, die die Keramik, Hirse und Hausmaus von Osten nach Westen zu den Proto-Indogermanen weitergegeben haben könnten. Bernhard sagt zu diesen jedenfalls (2, S. 31):
Sie sind groß und massiv, Gesicht und Orbitae sind relativ niedrig und verleihen in Verbindung mit dem breiten Unterkiefer dem Schädel ein cromagnides Aussehen.
Nach einer von Bernhard durchgeführten multivariaten statistischen Analyse sollen die Natufier des Levanteraumes zeitgleichen mesolithischen Mitteleuropäern nahe stehen. Hier zeigt sich - wie oben schon - daß diese multivariate statistische Analyse, wenn sie nun mit ancient-DNA-Daten auf ihre Werthaftigkeit überprüft werden kann, sich womöglich als weitaus weniger treffsicher herausstellt, als die Analysen der Forschergeneration davor. Denn auch dieses Ergebnis hat sich ja nun keineswegs bewahrheitet!
Eine von uns schon erwähnte (6) ungeklärte Frage ist ja auch noch, wann der frühest-bäuerliche, eher mediterrane Typus in Kleinasien (der sich ab 6.500 v. Ztr. ausbreitete), abgelöst wurde durch den heute in der Türkei vorherrschenden Kurzkopf-Typus, über den Bernhard berichtet. Bernhard schreibt dazu (2, S. 134):
Die in der vorliegenden Untersuchung erstmals vorgenommene statistische Analyse sämtlicher verfügbarer Daten aus Kleinasien spricht für die Annahme einiger Autoren, wonach die Zunahme der Kurzköpfigkeit in Anatolien (...) mit der Einwanderung und Verbreitung der Hethiter in Zusammenhang steht.
Die Hethiter waren doch aber Indogermanen, die hinwiederum langköpfig gewesen sein sollen. Nun, diesen Dingen können wir hier einstweilen nicht in extenso nachgehen. Auch soll sich in der Eisenzeit mit der Zuwanderung der Seevölker erneut Langköpfigkeit in Kleinasien ausgebreitet haben (2, S. 135). Auch hier werden sicherlich in Bälde anient-DNA-Forschungsergebnisse definitivere Aussagen machen. Aber es kann natürlich sein, daß durch die Zuwanderung neuer Oberschichten (die spätestens am Ende der Spätantike im Mittelmeerraum ausstarben), sich auch für jene Unterschichten neue Selektionsregime ergeben haben, deren Nachkommen heute noch in dieser Region leben. All das muß einstweilen noch als ungeklärt gelten.
Als Eindruck insgesamt darf festgehalten werden: Viele Einsichten der tradtionellen Anthropologie haben sich bestätigt, einige stellen sich als eklatante Fehlbeurteilungen heraus. Wie schön, daß es heute die ancient-DNA-Forschung gibt. Man kann einmal wieder wie Ulrich von Hutten in seinem Brief an Willibald Pirckheimer ausrufen: „O Jahrhundert! O Wissenschaften! Es ist eine Lust zu leben, wenn man sich auch noch nicht ausruhen darf, mein Willibald!"
Ergänzung, 19.7.2020: Vielleicht haben viele Unschärfen der traditionellen Physischen Anthropologie etwas mit dem zu tun, was - auf der Grundlage von (8) - folgendermaßen ausgeführt wird (9):
Three physical anthropologists used a clustering technique in 2009 to test its ability to classify individuals into groups based on skull measurements. They were able to classify correctly African American males versus American white males 97 percent of the time. They also reported 96 percent accuracy in classifying American white males born between 1840 and 1890 versus American white males born 1930 to 1980 - nearly as good as the Black-White classification. They point out that these latter two groups are distinguished only by time, but would appear to qualify as different races using this statistical clustering technique.
Sollte dieses Ergebnis Substanz haben, würde vielleicht vieles erklärt werden können, was zuvor nicht hatte erklärt werden können, etwa die große Variabilität der Schädelmerkmale unter den Ureinwohnern Amerikas über die Zeiten hinweg, obwohl sie genetisch immer gleich geblieben sind.
Auch Carleton Coon lag gar nicht so falsch
Ergänzung 2.3.22: Auch der US-amerikanische Anthropologe Carleton S. Coon (1904-1981) führte die europäische Jungsteinzeit auf Einwanderungen aus dem Mittelmeerraum zurück (Wiki):
Die Mediterranen Typen seien während der Jungsteinzeit in großer Zahl nach Europa eingewandert.
Interessanterweise ist von ihm auch schon die Herkunft der Indogermanen gar nicht einmal so ganz falsch charakterisiert worden (Wiki):
Die kaukasische Rasse sei doppelter Herkunft, bestünde nämlich aus Typen einer Altsteinzeit-Population, die ihrerseits eine Mischung aus Homo sapiens und Neandertaler darstelle, sowie Mediterran-Typen, die nur aus Homo sapiens bestanden habe.
Die heutige Forschung sieht an Stelle der hier genannten "Mediterran-Typen" als Vorfahrengruppe der Indogermanen nur - sozusagen - "Iran-Typen". Auch lag er nicht falsch mit der Annahme (Wiki):
Die heutige europäische Bevölkerung könne als eine Mischung aus Überlebenden der Altsteinzeit-Populationen und der mediterranen Homo sapiens erklärt werden.
Und auch hiermit hat er recht behalten (Wiki):
Die Bereiche der größten Konzentration der „Mediterranen Rassen“ sind genau jene, wo die ältesten Zivilisation entstanden. Dies sei zu erwarten gewesen, da sie es waren, die diese Zivilisationen schufen, und letztere, in einem gewissen Sinne, auch sie erschufen.
Hier wird offenbar sogar schon eine Gen-Kultur-Koevolution angenommen.
- Schwidetzky, Ilse: Rassengeschichte von Deutschland. In: diess. (Hg.): Rassengeschichte der Menschheit, Bd. V: Europa. R. Oldenbourg Verlag, München, Wien 1979, S. 45-101
- Bernhard, Wolfram: Anthropologie von Südwestasien. In: Schwidetzky, I. (Hg.): Rassengeschichte der Menschheit, Bd. IV: Südwestasien. R. Oldenbourg Verlag, München 1993
- Bernhard, Wolfram; Palsson-Kandler, Anneliese (Hrsg.): Ethnogenese europäischer Völker. Aus der Sicht der Anthropologie und Vor- und Frühgeschichte. Ilse Schwidetzky zum 75. Geburtstag gewidmet. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York 1986
- Vonderach, Andreas: Anthropologie Europas. Völker, Typen und Gene vom Neandertaler bis zur Gegenwart. Ares-Verlag, Graz 2008
- Bading, Ingo: Neue Forschungen zur Entstehung der Indogermanen Wie entstanden die modernen europäischen Völker? Auf: Studium generale, 2.7.2017, http://studgendeutsch.blogspot.de/2017/07/neue-forschungen-zur-entstehung-der.html
- Bading, Ingo: Was macht uns Europäer genetisch so einzigartig? Die ancient-DNA-Forschung entwirft ein völlig neues und unerwartetes Bild vom Werden der europäischen Völker. Auf: Studium generale, 10.7.2017, http://studgendeutsch.blogspot.de/2017/07/die-trichterbecher-leute-standen.html
- Bading, Ingo: Berlin praßt und wuchert ... - mit antik-griechischen Kunstwerken. Auf: GA-j!, 5. November 2009, Teil 1, http://studgenpol.blogspot.de/2009/11/berlin-prat-und-wuchert-teil-1.html, Teil 2, http://studgenpol.blogspot.de/2009/11/berlin-prat-und-wuchert-teil-2.html
- Stephen Ousley, Richard Jantz, and Donna Freid, “Understanding Race and Human Variation: Why Forensic Anthropologists Are Good at Identifying Race,” American Journal of Physical Anthropology 139, no. 1 (2009)
- James R. Bindon: Race in the wake of the Human Genome Project. June 2020 (Researchgate)
Interessanter Beitrag. Mal ein paar Anmerkungen:
AntwortenLöschen1. Allgemein muss man natürlich sagen, dass die ganze Mainer/Breslauer Schule, aber auch die sonstigen Schulen zwar Darwins Evolutionstheorie/Mendel anerkannt haben, aber nicht konsequent in ihre Denkweise einbezogen haben. Von daher ging man ja immer irgendwie davon aus, dass diese Rassen eines Tages entstanden sind und alle Abweichungen davon nur Mischtypen oder umweltmodifiziert (aber nicht auf genetischer Basis, nur in phänotypischer Ausprägung). Die "neue Synthese" ging dann an der alten Garde komplett vorbei Angeblich hat Carleton Coon auch mal zugegeben, dass er diesen Genetik-Kram nicht versteht - wobei die frühen Genetiker mit ihren Menscheneinteilungen auf Blutgruppenbasis etc. auch wirklich einen Unsinn getrieben haben, die klassischen Anthropologen aber wohl zu "eingeschüchtert" waren, sich dagegenzustellen (klar, Genforschung wirkt ja auch "geheimnisvoller" und elitärer als Schauverfahren, allerdings bis vor ein paar Jahrzehnten eigentlich fast nutzloser). Coon hat damals gegen Kritik an seinen Werken auch mal - treffend - gegenüber den quantitativen Populationsgenetikern bemerkt, dass Menschen keine Fruchtfliegen sind. Ilse Schwidetzky hat dann ja später die "neue Synthese" eingebaut, aber nur halbgar. Wenn man mal in "Rassengeschichte der Menschheit" reinsieht, gibt es da immer am Ende jedes Aufsatzes immer noch so einen Abschnitt "Anzeichen für selektive Prozesse", aber das war immer eine sehr beschränkte Sicht der Dinge.
2. v.Eickstedt schreibt 1934, dass die Bandkeramiker "Nordide" waren, 1952 aber "Mediterranide". Auch interessant: Kurt Gerhardt schreibt im "Anthropologie Handbuch" (nur in der 1. Auflage), dass die Bandkeramiker die ersten klar "Grazil Mediterraniden" waren, während die anderen mediterraniden Gruppen noch deutlich robuster sind. Letztendlich scheint ja die kohlenhydratreiche Ernährung mit der "Grazilisierung" zusammenzuhängen, schließlich zeigen die Bandkeramiker auch deutliche Knochenwachstumsschäden.
3. Die Natufier wurden von den alten Anthropologen grundsätzlich als Mediterranide, wenn auch sehr primitive, angesehen. Die multivariate Analyse war schon immer mehr Schein als Sein, zumindest wenn man sie auf engverwandte Gruppen anwendet (außerdem hat man damals zu wenig Variablen genutzt, außerdem sind die statistischen Methoden einfach nur veraltet). Aber i.d.R. wird dadurch ja nur die morphologische Ähnlichkeit geprüft - Nordeuropide und Südeuropide haben ja, wie v.Eickstedt immer wieder klarstellt, keine größeren osteologischen Unterschiede, von daher ist eine morphologische Ähnlichkeit von mesolithischen Mitteleuropäern und Natufiern keine große Überraschung. Genetisch waren sie natürlich lang getrennt.
4. "Eurafrikanid" ist ja eigentlich nur ein großer Sammelbegriff für relativ unterschiedliche, langschädlige, raue Typen, die irgendwo zwischen primitiven Cromagniden und Combe Capelle/Brunn-Typen stehen (das trifft aber auch die nördlich/europäischen Gruppen auch zu, daher auch die vielen Ähnlichkeiten), aber noch nicht ganz modern aussehen. Das ist eigentlich nur ein "generalisierter" europider Typus, aus dessen Gruppen sich wohl ihrerseits wieder viele andere Typen entwickelt haben (vielleicht auch die Alpinen und die Dinariden).
AntwortenLöschen5. Die Glockenbecherschädel sehen schon sehr anders aus, von daher glaube ich fast, dass in der Kurgan/Schnurkeramiker/Glockenbecher-Debate noch nicht alles gesagt ist...
6. Hethiter ist wirklich nur so eine "Oberschichtsherrschaft"-Geschichte. Glaube nicht, dass das Fußvolk viel mit den genetischen Indogermanen zu tun hat.
7. Bis heute interessiert mich immer noch die angebliche nordid-blond-blauäugige Natur der Indogermanen, wenn auch Bertil Lundman schreibt, dass die Indogermanen eine nordide nördliche Gruppe haben und eine "ostmediterranide" südliche. Anhand der genetischen Untersuchungen sollen doch aber die Indogermanen NICHT blond gewesen sein, oder sehe ich das falsch? Wenn man aber die Berichte von den frühen Griechen sieht, oder die Bilder der Chinesen über die "rothaarigen", wahrscheinlich-Indogermanen, scheint es da ja einen Widerspruch zu geben. Letztendlich glaube ich da mehr den "Augenzeugenberichten" der damaligen Zeit (allen Relativierungsversuchen ala "Wörter für Farben sind immer sehr Kultur-abhängig" etc.). Jedenfalls scheinen aber die hellen Farben keine Selektion gewesen sein, die sich auf Nord-(West/Ost)-Europa beschränkt hat...
8. Die Natur der "Ancient Northeurasians" interessiert mich dann doch brennend. Diese sind ja auch in den amerikanischen Indianern enthalten, was sich durchaus mit der alten Annahme deckt, dass es eine Verbindung von Europiden und "Indianiden" gibt (und auch von gewissen Legenden, dass das Land dort vorher von "roten Riesen" bewohnt war). Aber in der alten physischen Anthropologie finde ich jetzt keine Gruppe/Typus, den man mit diesen ANEs in Verbindung bringen kann (vielleicht sind deren Skelette irgendwo in Sibirien eingefroren und warten auf die Klimaerwärmung ;) ALLERDINGS hat man den Nordeuropäern auch oft eine "eurasiatische" Komponente unterstellt.
Irgendwelche Gedanken zu den Punkten?
Ja, ich sehe die GLEICHEN Probleme, die Du siehst. Wie können aus dunkelhäutigen "Spaniern", als die die Ur-Indogermanen von ancientDNA beschrieben werden, zu Blonden, Blauäugigen werden? Die sind im heutigen Spanien äußerst selten! Und sie sind auch auf Sardinien äußerst selten, wo die nächsten entfernteren Verwandten der ausgestorbenen Bandkeramiker leben.
AntwortenLöschenVielleicht spielen doch die langen Zeiträume eine Rolle. Die ersten Indogermanen lebten um 5.300 v. Ztr.. Erst tausend Jahre später begründen sie in Varna in Bulgarien die erste Hochkultur. Innerhalb von tausend Jahren kann bekanntlich viel passieren. Das soll jetzt mal meine vorläufige Arbeitshypothese sein. Aber das wird sicher bald alles definitiver geklärt und dargestellt, das ist ja nur noch eine Frage der Zeit. Die Labore und Sequenziermaschinen laufen doch alle auf Hochtouren.
Interessant, was Du über die Glockenbecher schreibst. Das scheint eine irre Gruppierung gewesen zu sein. Die kulturelle Beschreibung dieses Volkes durch Vonderach in "Anthropologie Europas" will mir aber nicht zusagen (umherziehendes "Händlervolk" mit Bogenschützen). Vielleicht haben sich da zwei indogermanische Völker früh voneinander abgespalten und unterschiedliche Selektionsregime gebildet, bzw. sind aus Flaschenhalspopulationen unterschiedlich hervorgegangen.
(Tendenziell vielleicht ein bisschen zu harsch finde ich Deine Beurteilung der Nichtberücksichtigung selektiver Prozesse durch die Mainzer Schule. Da war die Mainzer Schule im GEGENTEIL schon weiter als etwa ein Konrad Lorenz und seine ganze Schule, mußt Du berücksichtigen. Der sonst immer so fortschrittliche Lorenz ging bis zum Lebensende immer vom genetischen "Mammutjäger in der Metro" aus, ein völlig überholtes Bild heute, übrigens auch noch sein Schüler Eibl-Eibesfeldt. Im Vergleich zu denen war Schwidetzky doch schon - ein BISSCHEN - weiter. Aber MEHR zu unterstellen, wäre schon arg kühne Hypothese gewesen. Daß so VIEL "jüngste Humanevolution" möglich ist, davon hat uns erst die Humangenetik seit etwa 2005 überzeugt und davon überzeugt sie uns mit jedem Tag weiterer ancient-DNA-Forschung nun noch MEHR.)
Nein, mehr weiß ich dazu erst einmal auch nicht zu sagen, außer daß ich mit großem Interesse lese, was Du schreibst. Weil es so unglaublich wenige gibt, die über dieses Thema AHNUNG haben und sich dazu einigermaßen kenntnisreich äußern können.
Übrigens hat das "American Journal of Physical Anthropology" schon im August 2016 (Vol. 160 Issue 4) ein "Special Issue" herausgebracht zum Thema "Thinking Anthropologically About Genetics". In ihm finden sich Tagungsbeiträge über das Verhältnis von Physischer Anthropologie und Ancient DNA aus dem Jahr 2015. (Natürlich wieder einmal unter völliger Nichtberücksichtigung der deutschsprachigen anthropologischen Forschung.)
AntwortenLöschenhttp://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ajpa.v160.4/issuetoc
(Ich habe Zugriff auf die Vollversionen der Aufsätze - falls jemand daran Interesse hat ...)
Soweit ich sehe, ist der Aufsatz "Random genetic drift, natural selection, and noise in human cranial evolution" einer, der noch am meisten Aufmerksamkeit verdient. Sein Ergebnis ist daß traditionelle Schädelmaße-Vergleiche nicht besonders hilfreich sind, um sinnvoller Abstammungsstammbäume von menschlichen Populationen zu erstellen. Dafür hat man ja jetzt auch viel bessere Daten. In seiner Zusammenfassung heißt es:
"Models from population genomics are much better fits to cranial variation than are traditional models from comparative human biology. There is not enough evolutionary information in the cranium to reconstruct much of recent human evolution but the influence of population history on cranial variation is strong enough to cause comparative studies of adaptation serious difficulties. Deviations from a model of random genetic drift along a tree-like population history show the importance of environmental effects, gene flow, and/or natural selection on human cranial variation. Moreover, there is a strong signal of the effect of natural selection or an environmental factor on a group of humans from Siberia."
In der Einleitung der Sonderausgabe wird ihr Inhalt folgendermaßen zusammen gefaßt ("Better together: Thinking anthropologically about genetics (pages 557–560)":
"First, Hunley, Cabana, and Long (in press), Norton et al. (in press), and Roseman (in press) make use of genetic data itself to directly test classic anthropological hypotheses on evolution, selection, and population differentiation.
Second, equally as crucial to the raw use of genotypes are the ways in which statistical methods native to genetics can be adapted for use on other kinds of anthropological data, as in the work by Roseman (in press), Katz, Grote, and Weaver (in press), and AlgeeHewitt (in press) which offer new approaches to craniometric information.
Finally, several papers in this issue also highlight the role of genetic anthropology, as a new and dynamic interdisciplinary field, in translational work and in bridging genetic, anthropological, and forensic literature—exemplified here by Algee-Hewitt (in press), Norton et al. (in press), and Fournier and Ross (in press)."
Ok, vielleicht war ich zu hart zur Mainzer Schule. Die Populationsgenetiker waren ja bis in die 90er eher "Clowns", deren fehlende Allgemeinbildung schon erschreckend war. Aber das trifft auch heute noch zu, im Gegensatz zu den alten Anthropologen, die ja gleichzeitig auch noch Geschichtskenner waren, etc., wo es sich doch bei Genetikern eher um "Handwerker" handelt.
AntwortenLöschenAber noch mal zur "jüngsten Humanevolution". Da haben wir doch ein gutes Beispiel, direkt hier in Deutschland. Eben die Verrundung der Kopfform innerhalb weniger Jahrhunderte (was jetzt wieder rückläufig ist), da kann man doch auf enorme Verschiebungen der Allel-Frequenzen denken, was sicherlich auch mit psychologischen Veränderungen einhergeht. Auch schätze ich mal, dass wir Deutschen vor 1000 Jahren noch den Skandinaviern genetisch ähnlicher waren, als heute. Und das ist nicht mehr so. Nicht nur wegen Zuwanderung (größtenteils wohl der Assimilation von Slawen), sondern wegen Verschiebungen innerhalb Deutschland. Im 1. und 2. Weltkrieg werden bestimmt auch überdurchschnittlich viele "kriegerisch"-veranlagte Menschen gestorben sein. Würde mich nicht wundern, wenn wir diese Effekte heute in unserem Land sehen. Oder man denke an das Aufbrechen der "Klassenschranken" in Europa, seit der Renaissance, in dem sich plötzlich die (meist germanisch-stämmige) Oberschicht sich mit dem Fußvolk zu vermischen begann.
Das ist das EIGENTLICH INTERESSANTE für mich, nicht unbedingt was vor 6.000 Jahren geschah. Aber Studien dieser Art sind mit Sicherheit "politisch inkorrekt". Aber man sieht was eben auch innerhalb eines sehr großen VOLKS vonstatten gehen kann(!), in kleinen Stämmen kann das noch schneller gehen.
Naja, ich für meinen Teil werde ja den Verdacht nicht los, daß Veränderungen der Kopfform nicht nur rein genetischer Natur sind.
AntwortenLöschenWenn man sich zum Beispiel Menschen rein deutscher Herkunft ansieht, die selbst und deren Vorfahren seit 200 Jahren in Rußland gelebt haben: die sehen - auch von der Kopfform her - russischer aus.
Sprache, Muttersprache z.B. muß doch nicht nur das Gesicht (also die Weichteile) formen.
Hm, oder ist das doch schon sicher belegt, daß die Kopfform rein genetisch ist? Auf die Körpergröße gibt es doch auch einen gewissen Umwelteinfluß.
Gegenüber der "demographischen Krise" auf der Nordhalbkugel der Gegenwart übrigens sind alle sonstigen Selektionsereignisse der letzten 6000 Jahre Pippifax, wenn Du mich fragst. Aber natürlich, die müssen wir jetzt alle gut kennen lernen. In einer Studie letztes Jahr auf Island wurde ja herausgearbeitet, daß es einen Rückgang im IQ gäbe in den letzten Jahrzehnten, wenn ich nicht irre aufgrund von Demographie.
http://www.pnas.org/content/114/5/E727
https://www.welt.de/kmpkt/article161299529/Warum-Intelligenz-vom-Aussterben-bedroht-ist.html
Von DeCodeGenetics von Kari Stefansson, Mann, die sind fleißig:
https://www.decode.com/publications/
(Naja, so weit ich sehe, werden eine Fülle von IQ-Genen untersucht und ihr zahlenmäßiger Rückgang. Aber sie können nur 3.7% der angeborenen Intelligenzunterschiede erklären!!!! :) )
https://earth-chronicles.com/science/highly-intelligent-people-are-doomed-to-extinction.html
Den aus Russland oder Kasachstan nach 200 Jahren"rückgewanderten",genetisch REINEN DEUTSCHSTÄMMIGEN mußt Du mir erstmal zeigen, lieber Ingo. Hier in der Siedlung in Marienfelde, wo jedes zweite Klingelschild einen russischen Namen trägt, gibt es diesen Typus augenscheinlich nicht. Die Kopfformwandlung innerhalb der letzten 200 Jahre geht wohl eher auf ein Glas Wodka zuviel im Kuhstall zwischen Frau Mayer aus der Pfalz und Iwan aus der Steppe zurück, obwohl Frau Mayer gern erzählt: "Seit mir im siebzigschte Johr aus de Palz noch Russland kimme sind (gemeint ist 1770), sin mir immer rein deitsch bliebe...!"
LöschenUnd hier nun - wie ja schon erwartet - gleich der neueste Stoff zur Diskussion:
AntwortenLöschenhttps://plus.google.com/+IngoBading/posts/Uk2xs6EGihW
Die indogermanischen Mykener sollen ebenso dunkeläugig und dunkelhaarig gewesen sein wie die Menschen auf den minoischen Wandmalereien. Wenn das mal keine Auskunft ist!!!!
Das hieße, daß es tatsächlich - wie schon von mir vermutet - auch noch nach der Seßhaftwerdung indogermanischer Völker - wohin sie kamen - innerhalb derselben viel Selektion stattgefunden haben könnte hin zu mehr Blondheit und Helläugigkeit.
ODER es heißt, daß der große Anteil Blonder in der klassischen griechischen Antike erst durch die DORISCHE WANDERUNG erreicht wurde.
Bei den Minoern ist das ja eigentlich jetzt keine Sensation.
AntwortenLöschenSo wie ich das sehe, kommen die mykenischen Einwanderer eher aus dem Gebiet der Schnurkeramiker und nicht direkt aus dem Kurgan-Gebiet (deckt sich auch mit Archäologie)? Ich glaube es wurde ja auch nur ein(!) Grab der Oberschicht getestet. Vielleicht findet man da r1b, r1a oder sogar I1. Stutzig macht mich die "Dunkelheit" trotzdem, widerspricht ja u.a. der Iliad, den Beschreibungen der griechen Götter (gut, Mythen, und bezieht sich auf Einzelpersonen) und wiederum das Problem: Warum sollten viele indoeuropäische Stämme auf einmal alle als hellhaarig beschrieben werden? Warum sollte da ebenfalls Selektion stattfinden, überall die gleiche?! Wenn die dorischen Spartaner dann auch "dunkel" enden, laut den genetischen Analysen (und iwie glaube ich es fast), wird's seltsam, man denke nur an die Beschreibungen der blonden, spartanischen Frauen oder deren Athleten.
Ich verweise auf diesen Blog-Eintrag: https://genetiker.wordpress.com/2017/08/04/phenotype-snps-for-minoans-and-mycenaeans/
Warum bist Du so pessimistisch was die Dorische Wanderung betrifft :)
AntwortenLöschenAber: Es ist es nicht verrückt, daß laut dieser Genetiker-Tabelle keinerlei Fähigkeit zur Rohmilch-Verdauung dabei war? Das heißt doch, daß auch diesbezüglich mit der dorischen Wanderung noch viel ins Land gekommen sein muß oder aufgrund von Selektion SEIT 1200 v. Ztr..
Ein paar Rothaarige gab es ja sogar unter den Minoern laut dieser Tabelle, wenn ich es recht sehe.
Hmmm. Bin jedenfalls mal gespannt auf die Dorer. Mich würden auch die Etrusker und die Italiker sehr interessieren. Aber gut, eigentlich alles interessant.
AntwortenLöschenJa, dann kann man die alte These von den milchtrinkenden Hirten-Eroberern in die Tonne kloppen (siehe auch "10,000 Year Explosion").
Zur Info physische Anthropologie: A racial analysis of the ancient Greeks: An essay on the use of morphological types von Lawrence Angel... Falls du Zugriff hast
AntwortenLöschenLasse das mal hier:
AntwortenLöschenhttps://www.pic-upload.de/view-33689139/la_uebersicht.png.html
https://www.pic-upload.de/view-33689140/la_typen.png.html
https://www.pic-upload.de/view-33689141/lg_types2.png.html
Man sieht also, dass in der mykenischen Zeit die "Iranian-Nordic"-Typen sowieso auf einem Tief sind. Er gibt da umfassende Beschreibungen ab, also nicht nur "langschädlig-schmalgesichtig" etc. Die Ähnlichkeit zu den Reihengräbern und Angelsächsischen Schädeln ist schon bemerkenswert, aber ob da auch eine "genetische Verbindung" vorliegt?
John Lawrence Angel (1915–1986) - den kannte ich bisher nicht. Der Aufsatz ist von 1944,
AntwortenLöschenhttp://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ajpa.1330020402/abstract
der wird also auch von Hans F. K. Günther in seiner "Lebensgeschichte des hellenischen Volkes" ausgewertet worden sein. Ich kann mich da grade in eine tiefere Debatte nicht einlassen, würde aber gerne hören, was Andreas Vonderach dazu sagt.
Danke für den Literaturhinweis. Mach doch mal einen Blogartikel darüber!
Der Aufsatz ist laut Google Scholar 52 mal zitiert worden, auch noch in Publikationen der letzten Jahre. Da steht sicher auch sonst noch viel Interessantes drin.
Übrigens Dienekes Anthropology Blog (http://dienekes.blogspot.de/), den ich sehr schätze, der ja selbst stolzer Grieche ist, und von dem ich als aller erstes einen Artikel über all das erwartet hatte, der scheint nun so geschockt zu sein, daß er seit Anfang Juli völlig verstummt ist!!! Hoffentlich löst sich die Schockstarre bald wieder.
Nicht nur bei ihm, sondern auch bei Andreas. Gerade jetzt wo es spannender wird als es jemals war.
Warum soll denn Herr Vonderach wegen dieser Ergebnisse in Schockstarre sein?
AntwortenLöschenAls ein echter Konservativer (auch vom angeborenen Naturell her) hat sich Andreas sehr lange außerordentlich skeptisch über die ancient-DNA-Forschung geäußert. Ich glaube, da hat er jetzt Anlaß zu vielen, sehr grundlegenden Neubewertungen dieser Forschungsrichtung.
AntwortenLöschenDienekes hat sich nur vergleichsweise kurz zu der neuen Studie geäußert:
AntwortenLöschenhttp://dienekes.blogspot.de/2017/08/minoans-and-mycenaeans.html
Und überraschenderweise gibt es keinerlei Kommentare zu dem Beitrag, obwohl man in früheren Jahren von den regen Kommentarschreibern auf seinem Blog doch manches lernen konnte.
Hast du schon diese "Schlammschlacht" zwischen Vonderach und Weiss gesehen?
AntwortenLöschenhttps://tinyurl.com/y9uy5v7s
Vonderach wird da ja ziemlich persönlich...
Was hältst du denn davon?
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenIch empfinde das als keine Schlammschlacht. Da muß man nicht so zimperlich sein. Ich stehe, soweit ich das überblicke, völlig auf Seiten von Andreas, dem ja auch nur wenige gute Argumente entgegengesetzt werden (gibt es 12 oder nur 5 Kommentare? ich sehe nur 5).
AntwortenLöschen"Ziemlich persönlich" finde ich es nicht, wenn man auf die moralische Seite dessen schaut, die ein Mensch mit seinem wissenschaftlichen Forschen verbindet. Das ist oft geradezu notwendig.
Und diesbezüglich hat Volkmar Weiß im persönlichen Austausch auch schon bei mir nicht nur positive Gefühle geweckt.
Im Gegenteil, seit ich einen Blick in seinen Roman "Das Reich Artram" geworfen hatte schon vor vielen Jahren, war ich innerlich auf Abstand zu seinen menschlichen und moralischen Wertungen gegangen. Das habe ich ihm damals auch mitgeteilt (wenn ich mich erinnere, ziemlich empört).
Ich sehe Volkmar Weiß ganz so wie Andreas: Innerhalb seiner Kernkompetenzen ein hervorragender Gesprächspartner. Hell begeistert war ich vor vielen Jahren auch schon von seinen sozialgeschichtlichen Forschungen in Sachsen. Volkmar Weiß hat den sehr eingeschränkten Möglichkeiten, die er als Forscher in der DDR hatte, hervorragende Leistungen abgerungen.
Hoch rechne ich ihm auch an, daß er sich darum bemüht hat, daß er "The Bell Curve" von 1994 ins Deutsche übesetzen könne. Das scheiterte daran, daß man sich über die Übersetzungsrechte nicht einig werden konnte (... Nachtigall, ick hör dir trapsen) (der glorreiche Becker von Sothen vom Ares-Verlag hatte sich wohl um diese bemüht - und wenn ihm etwas nicht gelang, wird es wohl in katholisch-jesuitischen Interesse gelegen haben, DASS es nicht gelang ...).
Daraufhin erst schrieb V. Weiß sein Buch "IQ-Falle". Leider begriff ich anfangs nicht, daß dieses Buch als ERSATZ für "The Bell Curve" gedacht war, und daß man deshalb gleich zum Original greifen sollte.
Er wollte ein Buch übersetzen, an dem er viel zu viel zu kritisieren hatte (meines Erachtens größtenteils unbegründet) und schrieb dann ein Buch, das längst nicht so packend und eindeutig war in der Aussage wie "The Bell Curve". Naja, über all das kann man nächtelang diskutieren.
Volkmar Weiß hat ein schweres Lebensschicksal, so viel ich zuletzt mitbekommen habe, war er schon vor Jahren auf den Tod erkrankt, hat aber immer wieder Kraft zum Weiterleben.
(Ich habe schon lange nicht mehr mich intensiv mit Weiß beschäftigt oder ausgetauscht, was ich hier schreibe, entspricht nur grober Erinnerung. Ich müßte das in alten Emails erst alles wieder "verifizieren", um noch genaueres über alles sagen zu können.)
Worüber ich mich bei Weiß übrigens immer freue, ist, daß man ihn keinesfalls als einen bewußten Vertreter undeutscher gruppenevolutionärer Strategien erachten kann. Ganz im Gegenteil, oft durchschaut er das Spiel, das mit uns Deutschen getrieben wird. Ich glaube mich auch an Urteile zu erinnern, die ihn kritischeren Beurteiler gegenüber den "etablierten" ("guten") Rechtskonservativen wie Sezession, KHW und anderen erscheinen ließen als dies noch größtenteils Andreas zu sein scheint.
Ich möchte meinen Kommentar mit einer Art neuem Ceterum censeo abschließen: In den Boden mit der verräterischen "patriotischen" Partei AfD, die sich, wo immer sie sich äußert immer nur grundfalsch äußert - in dem zweierlei Sinne, die die deutsche Sprache dem Wort falsch zumißt.
Du kannst die Kommentare unten noch weiter ausklappen. Vonderach nennt darin u.a. den Poster "New Dawn" einen "Feigling", weiß gar nicht warum. Dazu meine ich eben die Sache mit der "albanischen Familie"... weiß nicht, ob man das öffentlich so breit schlagen sollte. Will hier kein Moralist sein, liegt mir fern!
AntwortenLöschenNun, ich sehe das auch mal so: Stand der Dinge hat Volkmar Weiss sich mit seinen "Hauptgenen" der Intelligenz gründlich getäuscht, auch wenn er jetzt mit dieser neuen Studie es "so ungefähr" hinbiegen will (das ist ein bisschen so wie bei Wolpoff und die multiregionale Hypothese), als hätte er doch Recht gehabt. Wobei manche seiner Einwände gegen die "vielen Intelligenzgene" durchaus einleuchtend sind...
Was war es denn in diesem Artram-Roman, dass dich auf Abstand gehen ließ?
Ganz nebenbei:
Wirklich Schade, dass sich diese Diskussionen im deutschsprachigen Raum nur vereinzelt und so verstreut entwickeln! Wer kommt denn auf die Idee, Amazon-Rezensionen nach interessanten Kommentaren abzusuchen?
So, jetzt hab ich die anderen - älteren - Kommentare auch noch gefunden, in denen Weiß ja genauer erläutert, wie das mit dem Betreffenden aus dem Kosovo zusammen hängt.
AntwortenLöschenDas möge jeder selbst beurteilen. Er mag es ja als eine Glanzleistung der Menschlichkeit betrachten. Und jeder Fluchthelfer und Gutmensch wird ihm darin zustimmen. Man mag darüber auch zu anderen Urteilen kommen.
Die Reisefreiheit und die Freiheit der Arbeitsaufnahme innerhalb der EU hat hunderttausende von Menschen aus den Balkanländern nach Deutschland gebracht. Das ging und geht zumeist ganz stillschweigend. Man hört nichts dagegen von Seiten der AfD und von sonstigen glorreichen "Patrioten".
Andreas wird schon seine Gründe haben, wenn er "New Dawn" einen Feigling nennt. Da "New Dawn" - soweit ich sehe - diesem Urteil nicht widersprochen hat, wird Andreas damit auch recht haben .... :) Vielleicht kennen die sich schon aus anderen Diskussionen, "New Dawn" schreibt ja auch Amazon-Rezensionen. Es treiben sich viele sonderbare Leute herum. Zumal unter Pseudonym. (Wobei ich nicht sagen, daß Pseudonym an sich verdächtig ist. Gerade wenn man noch jünger ist, mag es Sinn machen, sich unter Pseudonym erst mal "auszuprobieren".)
Bitte "Das Reich Artam" selbst lesen, ich habe grade keine Muse, meine alten Urteile und ihre Begründungen darüber herauszusuchen (ein Email-Konto hab ich schon durchsucht und es nicht gefunden). Am meisten bin ich von Literatur immer abgestoßen, wenn im Bereich der Geschlechtlichkeit oder im Bereich der Machtausübung/Imperialismus oder in ähnlichen Bereichen flappsiger Weise bodenlose Unmoral verbreitet wird. Irgendwo in diesen Bereichen fühlte ich mich wohl abgestoßen von dem Roman.
Mit solchen Dingen muß man jeder Zeit und überall rechnen. Wer ein sehr sachlich arbeitender Naturwissenschaftler ist, muß auf anderen Gebieten nicht zwangsläufig auf gleichem Niveau stehen.
Im übrigen will ich da nicht weiter herumstochern. Diskussionen über die Rasseunterschiede im angeborenen IQ sind für mich seit gut 10 Jahren geklärt. Wer es noch nicht kapiert hat, muß halt noch weiter diskutieren. Die Weltgeschichte und Geistesgeschichte ist längst weiter gegangen und es stehen andere Themen an.
Es ist auch Verdummung, von Dingen, die geklärt sind, noch so zu tun als wären sie ungeklärt oder "kontrovers". Die Frage, ob die Erblichkeit durch ein Hauptgen oder durch viele Gene bestimmt ist, ist demgegenüber ganz zweitrangig. Und auch daß Weiß daraus einen so großen Bohai macht zumindest im Titel seines neuen Buches, ist meines Erachtens unnötig.
Ich bin nur an Diskussionen interessiert, die an vorderster Front der Forschung die WESENTLICHSTEN Fragen betreffen, also Einfluß haben auf die Grundlagen unseres Menschenbildes und des Bildes von menschlichen Vergesellschaftungen (Völkern). Diesbezüglich bietet diese Diskussion so gut wie keine neuen Einsichten oder auch nur Anregungen. Bitte nicht so hoch hängen.
Ende September ist von Andreas Vonderach ein neues Buch herausgekommen, über 200 Seiten: "Gab es Germanen? Eine Spurensuche"
AntwortenLöschenAuf Amazon auch zu finden (allerdings nicht unter seinem Autorennamen):
https://www.amazon.de/Gab-es-Germanen-Eine-Spurensuche/dp/3944422988/ref=cm_cr-mr-title
Schon 4 Rezensionen. Ein "Ingo Bild" schreibt, was mir vielleicht am Wichtigsten an diesem Buch erscheint:
"Andreas Vonderah bricht in seinem Buch nicht nur eine Lanze für das antike Volk der Germanen, sondern für den Begriff 'Volk' überhaupt. Er macht plausibel, meiner Meinung nach gelingt im auch durchaus der Nachweis, daß zumindest die historisch gewachsenen Völker dieser Welt, wie etwa die europäischen oder die meisten Völker Asiens, nicht nur sprachlich und territorial gesehen Völker sind, sondern auch Völker im biologisch-genetischen Sinne. Und die gemischten Bevölkerungen in den typischen Einwanderungsländern, wie etwa Kanada oder Australien, dürften auf dem Weg hin zu biologisch-genetischen Völkern sein. Dem Autor gelingt der überzeugende Beweis, dass innerhalb relativ weniger Generationen auch aus zusammengewürfelten Bevölkerungen, wie etwa den Rehobothern in Südafrika (Niederländer und Khoi-Khoi), durch Endogamie, also durch das Heiraten innerhalb einer bestimmten abgegrenzten Gruppe, eine Abstammungsgemeinschaft wird, bei der jedes Individuum mit jedem in der Gruppe genetisch enger verwandt ist als mit gruppenfremden Individuen. So wird eine Abstammungsgemeinschaft herbeigeführt, die laut Andreas Vonderach die entscheidende Komponente eines Volkes ist, wobei natürlich zusätzlich noch in der Regel eine gemeinsame Sprache und ein Zusammengehörigkeitsbewusstsein kommen müssen."
Weitere Rezensionen:
https://arcadimagazin.de/gab-es-germanen-eine-spurensuche-von-andreas-vonderach/
https://sezession.de/57384/herkunft,-unverhandelbar
Übrigens noch ein hübscher Artikel aus der JF des Jahres 2012:
https://jungefreiheit.de/service/archiv?artikel=archiv12/201233081054.htm
Und - der Vollständigkeit halber - 2015 gab es dies von Vonderach in der JF:
https://phinau.de/jf-archiv/online-archiv/file.asp?Folder=15&File=201513032067.htm&STR1=andreas&STR2=vonderach&STR3=&STR4=
Ein guter Leserbrief:
https://phinau.de/jf-archiv/online-archiv/file.asp?Folder=15&File=201510022771.htm&STR1=andreas&STR2=vonderach&STR3=&STR4=
Und zu Frank Salter:
https://phinau.de/jf-archiv/online-archiv/file.asp?Folder=15&File=201508021312.htm&STR1=andreas&STR2=vonderach&STR3=&STR4=
Hier gibt es übrigens eine Doktorarbeit, die die physische Anthropologie in Europa und Nordamerika und deren Verbindungen untereinander aufarbeitet. Hab das vor Jahren mal überflogen, weiß nicht mehr ob das denunziatorisch war.
AntwortenLöschenhttp://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/6973/2007_06_%20McMahon.pdf?sequence=1
Weiteres zum Thema, interessant ist diese Studie:
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0191886910001364?via%3Dihub
Angeblich werden braun-äugige Männer für dominanter gehalten, als blau-äugige. Das liegt aber an den Gesichtszügen (derbere Kinnausbildung, längere Nasen bei den Dunkle; weiter außeinaderstehende Augen und schwächere Kinndbilung bei den Helläugigen).
Siehe dieses Bild:
http://4.bp.blogspot.com/_mlcDtA_ehB8/TB6XWMIlrKI/AAAAAAAAAR4/05hY3ZvrQWE/s1600/czech.faces.eye.color.jpg
Diese Studie scheint von Psychologen durchgeführt worden zu sein. Die Ergebnisse bestreite ich nicht, die Interpretation ist aber natürlich absurd, auch wenn man sie aufs europide Spektrum beschränkt. Dunkeläugige Südeuropäer (Grazil-Mediterranide etc.) haben definitiv schwächere Gesichtszüge als bläuaugige Norweger...
Die Studie fand an Tschechen statt, d.h. sie ist maximal nur dort gültig, da wir andere Merkmalskorrelationen in anderen Teilen Europa haben! Im Prinzip zeigt es aber, dass man aus jeder Population Typen "extrahieren" kann! In diesem Fall haben die Psychologen wohl einfach nur "alpine-osteuropäische Typen/Neo-Danubians" und einen Typ in der Richtung "dinarisch/derb-mediterran" entdeckt.
Ja, die Studie zu den Augenfarben zeigt also auch indirekt, daß bestimmte Augenfarben mit bestimmten Gesichtszügen korreliert sind. Da gibt es sicher auch schon allgemeinere Studien dazu.
AntwortenLöschenVon Wolfram Bernhard (Mainz) gibt es ja die Studie "Psychische Korrelate der Augen- und Haarfarbe und ihre Bedeutung für die Sozialanthopologie".
Schon mal was von den Sarakatsanen gehört?
AntwortenLöschenhttps://en.wikipedia.org/wiki/Sarakatsani
Angeblich morphologisch die "ältesten" Europäer und eventuell Nachfahren der Dorer oder thrakischer Stämme.
http://www.aee.gr/english/5sarakatsani/sarakatsani.html
Wenn wir uns da die erste Dame so ansehen, entdecke ich dann Ähnlichkeiten mit dieser Rekonstruktion aus der Dnieper-Donetz-Kultur:
http://i49.tinypic.com/302vpjk.jpg
Leider scheint es zu den Sarakatsanen keine genetischen Daten zu geben. Wie ist denn die genetische Kontinuität von Dnieper-Donetz und Yamna?
ne, noch nie was von gehört.
AntwortenLöschenDie Personenfotos auf dem zweiten Link kommen mir aber doch wie typische Neugriechen vor.
Ob DNA aus Knochenresten der Dniepr-Donez-Kultur schon sequenziert worden sind, weiß ich grade nicht, sollte aber herauszubekommen sein.
Ich werde erst jetzt auf eine AncientDNA-Studie aus dem letzten Sommer aufmerksam, die die hier erörterten Themen von einer ganz anderen Seite beleuchtet (1). Um 4500–3900/3800 v. Ztr. (Chalkolithikum = Kupferzeit) gab es in Nordisrael, in der Peqi’in-Höhle (2), Menschen mit blauen Augen und heller Haut, die Abkömmlinge waren zu unterschiedlichen Teilen von vorkeramisch-levantinischen Neolithikern, von anatolischen Neolithikern und iranischen Chalkolithikern, die aber positiver Selektion unterlegen sein sollen für bestimmte Gene (1), bzw. aus kleinen, homogenen Gründerpopulationen hervorgegangen sein könnten (1):
AntwortenLöschen"Our finding that the Levant_ChL population can be well-modeled as a three-way admixture between Levant_N (57%), Anatolia_N (26%), and Iran_ChL (17%), while the Levant_BA_South can be modeled as a mixture of Levant_N (58%) and Iran_ChL (42%), but has little if any additional Anatolia_N-related ancestry, can only be explained by multiple episodes of population movement."
Vielleicht handelt es sich um eine Expansion der Kulturen des nördlichen Mesopotamien nach Westen. Im nördlichen Mesopotamien geschah damals recht viel, hier waren jene fortschrittlichen Entwicklungen mit Städten, die dann um 3.200 v. Ztr. zur Entstehung des ersten Großstaates Ur im südlichen Mesopotamien führten mit erster Schrift usw..
_____________________________________
1. Ancient DNA from Chalcolithic Israel reveals the role of population mixture in cultural transformation. Autoren: Éadaoin Harney, Hila May, Dina Shalem, Nadin Rohland, Swapan Mallick, Iosif Lazaridis, Rachel Sarig, Kristin Stewardson, Susanne Nordenfelt, Nick Patterson, Israel Hershkovitz & David Reich, Nature Communications, August 2018, https://www.nature.com/articles/s41467-018-05649-9
2. https://en.wikipedia.org/wiki/Peki%27in
3. http://antropus.de/Die-Kupferzeit-Kultur-hat-sich-durch-Migration-ausgebreitet.artikel
4. https://www.livescience.com/63396-ancient-israel-immigration-turkey-iran.html
5. https://www.timesofisrael.com/anomalous-blue-eyed-people-came-to-israel-6500-years-ago-from-iran-dna-shows/
6. https://www.haaretz.com/archaeology/MAGAZINE-mysterious-6-500-year-old-culture-in-israel-brought-by-migrants-1.6389513
Mit den Entwicklungen in Nordmesopotamien in der Kupferzeit habe ich mich 2008 schon einmal in diesem Blogbeitrag beschäftigt:
AntwortenLöschenhttps://studgendeutsch.blogspot.com/2008/08/wie-entstehen-und-entwickeln-sich.html
Ich will hier noch einmal anmerken: Die wesentlichsten Fragen, die wir hier im Kommentarbereich 2017 noch nicht hatten lösen können, dürften heute, zwei Jahre später in den gröbsten Zügen als geklärt gelten, insbesondere seit jener Studie, die ich gestern hier behandelt habe:
AntwortenLöschenhttps://studgendeutsch.blogspot.com/2019/11/indogermanische-genetik-in-der.html
/Anonsten: Zu einer so schwer traumatsierten Volksgruppe wie der der Rußland-Deutschen lassen sich schwer abschließendere Urteile fällen, schon gar nicht vom bloßen Augenschein her./
Ergänzung, 19.7.2020: Vielleicht haben viele Unschärfen der traditionellen Physischen Anthropologie etwas mit dem zu tun, was - auf der Grundlage von (8) - folgendermaßen ausgeführt wird (9):
AntwortenLöschenThree physical anthropologists used a clustering technique in 2009 to test its ability to classify individuals into groups based on skull measurements. They were able to classify correctly African American males versus American white males 97 percent of the time. They also reported 96 percent accuracy in classifying American white males born between 1840 and 1890 versus American white males born 1930 to 1980 - nearly as good as the Black-White classification. They point out that these latter two groups are distinguished only by time, but would appear to qualify as different races using this statistical clustering technique.
Sollte dieses Ergebnis Substanz haben, würde vielleicht vieles erklärt werden können, was zuvor nicht hatte erklärt werden können, etwa die große Variabilität der Schädelmerkmale unter den Ureinwohnern Amerikas über die Zeiten hinweg, obwohl sie genetisch immer gleich geblieben sind.
___________________________________________________
8. Stephen Ousley, Richard Jantz, and Donna Freid, “Understanding Race and Human Variation: Why Forensic Anthropologists Are Good at Identifying Race,” American Journal of Physical Anthropology 139, no. 1 (2009)
9. James R. Bindon: Race in the wake of the Human Genome Project. June 2020 (Researchgate)
Aus rein sprachlichen Gründen (s. o. S. 7o!) scheinen die (Ur-) Indoeuropäer
AntwortenLöschen(I. E.) durch Mischung wenigstens zweier Volkselemente entstanden zu sein, verI IO
mutlich aus einem südlicheren und einem nördlicheren. Ist dies richtig, so dürfte
wohl in der — soweit man zurückblicken kann — am meisten südöstlich wohnenden
Gruppe der Indoeuropäer, den Indoiraniern, mehr von dem SO-Urelement erhalten sein und weniger in den weiter gegen NW wohnenden Gruppen. Nun scheinen,
nach antiken bildlichen und schriftlichen Darstellungen, die alten Indoiranier ziemlich wenig blonde Rassenelemente enthalten zu haben, dagegen die übrigen I. E.
vorwiegend blond gewesen zu sein. Letzteres gilt auch, und gerade dies ist wichtig,
für die nach Zentralasien ausgewanderten, aber ursprünglich offenbar einer westlichen Gruppe angehörenden Tokarer.
Nach alten Bildern und Schädeln, aber auch nach den jetzigen anthropologischen
Verhältnissen zu urteilen, muß das dunkle Element der alten I. E. vorwiegend aus
Ostmediterranen bestanden haben. — Das blonde, aus dem NW kommende Element muß nordrassisch gewesen sein, wenn wir diesen Begriff in seinem weiteren
Sinne fassen. Andererseits waren die ältesten sicheren Indoeuropäerschädel, die wir
kennen (aus der Stein-Kupfer-Zeit und der frühen Bronzezeit), von Mitteldeutschland nach Südosten, überall immer mehr oder weniger (lang-) hoch, und nicht
(lang-) niedrig, wie die Schädel der jetzigen (Skando-)Nordiden. Extrem lang und
hoch waren die Schädel der spät-neolithischen ostdeutschen Schnurkeramiker, die
ziemlich allgemein als (zumindest) ein wichtiger Teil des i. e. Kerns angesehen
werden.
Das sagt(e) Bertil Lundman in "Geographische Anthropologie" (1967).
Hallo Ferron,
AntwortenLöschendanke für das Zitat. Das ist sicherlich kein unwichtiges. Ich hätte es fast lieber gesehen, wenn Du es als Kommentar zu neueren Blogartikeln gesetzt hättest, die Du auch gelesen hast (wie ich anhand des Inhalts des Zitates annehme). 2017 als dieser Blogartikel geschrieben wurde und viele Kommentare (bis 2020) wußte man vieles noch nicht, was erst in den letzten Jahren geklärt worden ist. Und vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der letzten Jahren kommt einem das Zitat sicherlich in manchem vergleichsweise "weitblickend" vor. Zumal man auf Wikipedia zu Lundman die Aussage findet: "Charakteristisch für Lundmans anthropologische Werke war die sehr detaillierte Erfassung von diversen Übergangstypen (Phänotyp) zwischen den sogenannten 'Großrassen' der Menschheit (Geographische Anthropologie)."
Schon daß er annimmt, daß die Indogermanen aus einem südlichen und einem nördlichen Element entstanden seien, ist - überraschend. Ich weiß gerade nicht, ob das jemals irgend ein anderer Forscher so getan hat. Die Vermischung hat sich allerdings innerhalb weniger Jahrzehnte, vielleicht innerhalb von hundert Jahren vollzogen. Und mir scheint, daß das Ergebnis dann ziemlich homogen gewesen sein wird, sowohl sprachlich wie genetisch. Für die Zeit NACH der Vermischung noch sprachlich und genetisch Unterschiede feststellen zu wollen zwischen Süd und Nord, das hat sich meines Erachtens nicht bestätigt.
"Vorwiegend blond" dürfte vom Skandinavien der Gegenwart Lundman's aus geurteilt sein, schon die Wikinger waren weniger häufig blond und so abnehmend in früheren Jahrtausenden die Vorgänger-Kulturen (nach meinem letzten Stand der Forschungen).
Daß das dunkle Element aus Ostmediterranen bestanden hat, kann man cum grano salis so annehmen. Braune und dunkle Haarfarbe war aber auch vorherrschend bei den ursprünglichen Indogermanen.
Ich müßte selbst einmal in das Buch von Lundman reinschauen. Den kannte ich bisher gar nicht. Danke deshalb für den Hinweis.
Ach, auf Englisch ist er zugänglich: https://archive.org/details/1977-lundman
Und hier finden sich Zitate auf Deutsch: https://archive.org/details/H.Becker-DerUeberlebenskampfDesNordischenMenschen/page/n23/mode/2up?q=lundmann
Aha, er nahm Urheimat Mährische Pforte an! Na gut, insgesamt scheint Lundman einfach eine frühere Generation von Physischen Anthropologen zu repräsentieren. Deshalb glaube ich nicht, daß man das gebrachte Zitat zu hoch hängen darf.