Freitag, 22. August 2008

"Wahre Liebe wartet"

- Ein wesentlicher Grundsatz aller Human- und Intelligenzevolution?

Kamenin hat einen "Gag" aufgegriffen, der gerade wieder einmal vor allem durch die amerikanische Blogger-Szene geistert. (Begrenzte Wissenschaft) Und er stellt es unter den Titel "Durchbruch: Religion und Naturwissenschaft finden gemeinsame Basis".


Der Titel macht hellhörig. Aber man versteht auf den ersten Blick gar nicht, was er mit diesem Plakat (das übrigens wohl schon in den 1990er Jahren irgendwo in den USA an der Straße hing) zu tun hat.

Das forderte zu einem kleinen Disput mit Kamenin heraus:
Ingo B., am August 20th, 2008 um 8:00:

Übersehe ich das nur oder wird das wirklich nirgends in den Kommentaren bemerkt, daß dieses Plakat Stereotypen zu Rasseunterschieden bedient?

Und andererseits: Das machte doch neulich erst wieder die weite Runde im Netz und in der Presse, daß intelligentere Menschen tatsächlich länger “warten”.

Insofern kann man doch den Zusammenhängen zwischen Intelligenz, Sexualverhalten und Berufserfolg doch tatsächlich mal rein sachlich und wissenschaftlich nachgehen und dann daraus seine Schlußfolgerungen ziehen.

Und vielleicht wird dann sogar deutlich, daß das Plakat tatsächlich mehr ist als nur ein Witz. - ? Sonst hätte es sicherlich auch nicht eine solche Popularität derzeit im Netz …

kamenin, am August 20th, 2008 um 9:27:

Ich sehe die Stereotypen gar nicht so. Dem Anschein nach richtet sich das Plakat doch an junge Schwarze und es kann darum gut von einer schwarzen Kongregation stammen. Es würde wenig Sinn für eine weiße Glaubensgemeinschaft machen, mit Stereotypen über schwarze Teenager den eigenen Nachwuchs beschwatzen zu wollen.

Es gibt auch sicher eine ganze Menge individuelle und soziale Einwirkungen auf das Alter des ersten Geschlechtsverkehrs. Über, zum Beispiel, Berufsaussichten und Bildungsweg, Aufgeklärtheit und natürlich, sagen wir mal: andere Interessen spielt natürlich auch die Messgröße Intelligenz mit rein.

Wobei die Absicht des Plakates nun ja nicht ist, einen empirischen Zusammenhang darzustellen (Intelligenz wartet), sondern Sexualität als den großen Verderber und Lebensweg-Ruinierer darzustellen und kleinen Jungs Angst zu machen, anstatt sie aufzuklären.

Ingo B., am August 20th, 2008 um 20:56:

ja, ok, Kamenin, so sehe ich das auch alles. Dennoch wundert mich, daß niemand darüber spricht, daß es doch - zumindest (!) gegenwärtig (oder in den 1990er Jahren) aufgrund von sozialen Umständen - so ist, daß solche Plakate - und zumindest in den USA - vor allem an Farbige gerichtet werden.

Ich finde das doch einen bemerkenswerten Umstand. Wenn man davon ausgeht, daß IQ sehr stark durch Umwelt beeinflußt werden kann, und daß Selbstdisziplin ihn stark verbessern kann (beides halte ich nicht für sehr stimmig - aber sei’s drum), dann dürfte man doch dieses Plakat keineswegs so lachhaft finden, sondern müßte es als etwas sehr Berechtigtes, Ernsthaftes, ja, Verantwortungsvolles beurteilen.

Oder wollen wir nicht, daß sich die ökonomische Situation für Farbige weltweit verbessert? Und wollen wir nicht, daß sie das - möglichst - aus eigener Kraft schaffen? Und sind wir nicht doch der Meinung, daß frühes und überbordendes Ausleben von Sexualtiät - wie das nun einmal in Afrika und sicherlich auch bei den Farbigen der USA zumindest eher “Usus” ist als bei den Weißen - das nun - zumindest - nicht gerade fördern muß?

Weiter gedacht: Tatsächlich würde, “wenn Geschlechtlichkeit wartet”, automatisch auch die Geburtenrate sinken von jenen Menschen, die warten? Das heißt, es würde automatisch sich der Anteil der IQ-stärkeren in einer Population vergrößern, wenn der IQ starke erbliche Anteile hätte (worauf allerdings alles hindeutet).

Mithin würde durch ein solches Plakat nicht nur diesen Menschen sozial geholfen, sondern sogar - - - genetisch. (Dann natürlich längerfristig, generationenübergreifend.) Irre, oder?

Man kann sogar annehmen, daß eine solche Moral überhaupt zur IQ-Evolution in der Menschheitsgeschichte beigetragen hat, wie Monogamie (wo auch in der Regel mehr “gewartet” wird und aufeinander Rücksicht genommen wird) überhaupt zur Intelligenz-Evolution über weite Bereiche des Artenstammbaumes hinweg beigetragen hat, worauf Robin Dunbar in einer Studie letzten Herbst hingewiesen hat. (Siehe Beiträge dazu auf meinem Blog: 1, 2)

Also ja: In unserer “zynischen Kultur” ruft das Plakat im ersten Augenblick Lachreiz hervor. Aber das liegt auch nur, ich wiederhole nur an unserer “zynischen Kultur”, nicht daran, daß etwa verantwortungsbewußte Bürger die Dinge wirklich zu Ende denken würden.
Es könnte also auch aus atheistischer Sicht viele Gründe geben dafür, solche Kampagnen zu begrüßen. Wobei man sich sicherlich noch über die Einzelheiten wird unterhalten können. Sicherlich wirkt eine rein naturalistisch begründete und abgeleitete Kampagne heute wesentlich überzeugender, wesentlich überzeugender als eine - gefühlsduselig theologisch begründete.

Gospelmäßige, gefühlsduselig-theologische, geistig-moralische Erneuerung des Vaterlandes?

Ein deutsches Beispiel für gospelmäßig-gefühlsduselig-theologisch begründete Kampagnen findet sich auch (worauf man stößt, wenn man seinen Blogeintrag bebildern will): Wahreliebewartet.de . (Wikipedia). Sogar ein Hohenzollern-Prinz, Ururenkel vom alten Wilhelm, fühlt sich berufen, sich - offenbar - für eine christlich-konservative, geistig-moralische Erneuerung seines Vaterlandes einzusetzen. Wenn's nicht so gefühlsduselig wäre, müßte man ja vielleicht gar nichts dagegen haben. (Siehe Bild rechts: Prinz Philipp von Preußen, geb. 1968.)

Außerdem ist einem doch dieses Lebensgebiet, so es einem denn wirklich einigermaßen ernst damit ist, ein viel zu intimes, als daß man darüber sich und andere in gar zu plakativen Kampagnen "aufgeklärt" sehen möchte. Das hat man eben - offenbar - nötig (und ist wohl weitgehend auch erfolglos), wenn man nicht schlicht im Sinne naturalistischer Humanität aufklärt in diesen Fragen, sondern das bloß und im wesentlichen theologisch motiviert. Das werden in den nächsten Jahren sicherlich noch mehr Menschen merken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen