Mittwoch, 9. Januar 2008

Wir "Intelligenten" und "Gerissenen" - wozu benutzen wir unsere Intelligenz?

- Seht euch die Krähen an!

Eine der Wissenschafts-Meldungen, die mich im letzten Jahr am meisten in Erstaunen - oder besser in "Verzückung" - versetzt hatte, war ein Bericht über neue Forschungen zu der wahnsinnig gerissenen Intelligenz von Raben. (Stud. gen.) Es handelt sich um eine grundlegende Erkenntnis, daß nicht nur Schimpansen, Gorilla's und Orang-Utan's in die Zukunft voraus planen können, sondern auch Krähen-Vögel. Es wäre dies ein weiteres Beispiel für die vielen von Simon Conway Morris gesammelten Beispiele für konvergente Evolution.

Ein weiterer Beitag zu dieser Thematik fand sich im letzten Jahr in "Science". (Science, 2.2.07) Er berichtete über das vorausschauende Planen von einer britischen Eichelhäher-Art, dem "western scrub jay" (Aphelocoma coerulescens).

Im Experiment hatte ein Individuum dieser Vögel zwei Übernachtungsmöglichkeiten in seinem Käfig, von denen jeweils pro Nacht nur eine zugänglich war. Die eine - sagen wir das "linke Zimmer" - stellte immer ein "Hotelzimmer" "mit Frühstück", die andere - sagen wir das "rechte Zimmer" - stellte immer ein "Hotelzimmer" "ohne Frühstück" dar. Wurde den Vögeln nun die Möglichkeit gegeben, tagsüber Nahrung in beiden Hotelzimmern zu horten, so brachten sie die Nahrung "vorausschauend" und "alle Eventualitäten mitbedenkend" immer in das (rechte) Hotelzimmer "ohne Frühstück".

Jocko, der Hund und Jimmy, die Krähe

Zu dem Bericht über diese Forschungen, der noch andere Einzelheiten enthält, gab es noch einen wunderschönen Leserbrief. (Science, 4.5.07) In ihm wird ein Foto aus dem Jahr 1955 gebracht von einem Leser, dessen Vater damals Besitzer eines Fischmarktes in Zentral-Oregon gewesen war. Der Vater war Besitzer eines Labrador-Hundes ("Jocko") und Liebhaber einer intelligenten Krähe ("Jimmy"), die er regelmäßig fütterte. Die Krähe versteckte auf dem Hof dann immer noch Reste ihrer Mahlzeit so wie das von diesen Vögeln bekannt ist. Wenn nun der Hund auf dem Hof mit seiner feinen Nase auf der Suche nach weiterem begehrten Fressen war, blieb ihm die Krähe immer auf den Fersen.

Und wenn der Hund der versteckten Nahrung aufgrund seiner guten Nase zu nahe kam, flog die Krähe flugs zum Versteck, schnappte sich den Bissen wieder und brachte ihn zu einer anderen Stelle. Der Leserbrief-Autor schloß: "Die Krähe verließ sich auf ihr Gedächtnis bezüglich des versteckten Bissens und es gelang dem Hund fast nie, sich den gesuchten Bissen zu ergattern."

Hier das Foto von Jocko und und dem verflixt "gerissenen" Jimmy.

Zum Teufel noch mal! Warum fühlt man sich von solchen "Gaunereien" immer so angesprochen? Weil wir uns selbst oft genauso gerissen "hinter's Licht führen"? Dieser Verdacht könnte sich einem aufdrängen. ... Der Mensch - zumal heute - ist oft deshalb so belächelnswert, weil er - "in weiser Voraussicht", was ihm alles blühen könnte, wenn er nicht genug "gerissen" ist - sich über die Möglichkeit der Selbsttäuschung um den Sinn des Lebens bringt. Ja, so wird es sein. Denn gerade die Selbsttäuschung könnte es sein, die sicherstellt, daß der Mensch nicht zwangsläufig das Gute tut, nicht zwangsläufig das Wahre und Wahrhaftige erkennt im eigenen Verhalten und in dem Verhalte anderer.

Ach, arm sind die dran, die "noch" gerissener sein wollen und ihre eigene Selbsttäuschung "hinter's Licht führen" wollen, um zur Wahrheit und Weisheit an sich zu kommen. Ein solcher - mit Namen Sokrates - mußte schließlich den Schierlingsbecher trinken. Ein anderer - mit Namen Giordano Bruno - verreckte schließlich sogar auf dem Scheiterhaufen. Aber in die lächerlichen und allzu gerissenen Selbsttäuschungen ihrer Mitmenschen wollten sie sich nicht mehr verstricken lassen. Statt dessen gingen sie lieber in den Tod.

Da gibt es dann halt doch Unterschiede zwischen Mensch und Krähe ...

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Und hier noch mal der Originalbericht:


I read with interest the profile of Nicola Clayton and her work on cognition in birds ("Nicky and the jays," News Focus, V. Morell, 23 Feb., p. 1074). As an amusing aside to bird intelligence and food hiding, I contribute this photograph taken in 1955. My father owned a seafood market on the central Oregon coast and was very fond of crows as pets, which he valued highly for their intelligence. The attached picture represents a regular ritual of food hiding and searching between our labrador retriever and pet crow.

After the crow ate his fill, he would hide surplus food in the market's backyard, which afforded many niches under wood chips and other detritus. Our dog, Jocko, was always interested in an extral morsel and would scour the yard using his nose as his prime detector. The crow followed alongside him and when Jocko came too close to the concealed prize, Jimmy the crow would hop ahead of him, knock the wood chips aside, grab his food, and move it to another location. The crow relied on his memory of his stashed food to beat the dog to the prize nearly every time.

Arthur Straub
Reno, NV, USA

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