Mittwoch, 21. November 2007

Altruismus - die unbekannte menschliche Verhaltens-Komponente?

Sich über die Natur des Altruismus Gedanken zu machen und über die evolutionsbiologischen Bedingungen, die ihn bei Mensch und Tier ermöglicht haben, gehört immer noch zu den spannendsten Themen unserer Zeit. Dies wohl nicht zuletzt deshalb, weil Altruismus sicherlich zum Kernbestandteil unseres eigenen Selbstverständnisses gehört, zum Bild dessen, was wir unter einem "guten Menschen" verstehen, von dem wir zudem nicht nur sagen wollen, er habe es "gut gemeint".

Eine Schülerin von Richard Dawkins, Olivia Judson, die "Sex-Beraterin" diverser ausgefallener Tierarten (in einem früheren Buch), gibt neuerlich Anregung, sich über Altruismus Gedanken zu machen (Atlantic.om 1, 2):
It’s easy to see how evolution can account for the dark streaks in human nature — the violence, treachery, and cruelty. But how does it produce kindness, generosity, and heroism? (...) Humans often risk their lives for strangers—think of the firemen going into the World Trade Center — or for people they know but are not related to.

How does a propensity for self-sacrifice evolve? And what about the myriad lesser acts of daily kindness — helping a little old lady across the street, giving up a seat on the subway, returning a wallet that’s been lost? Are these impulses as primal as ferocity, lust, and greed? Or are they just a thin veneer over a savage nature?
So wie die Fragen gestellt sind, regen sie erneut zum Nachdenken an. Ihr Ausgangspunkt ist also vor allem die Beobachtung, daß es im Tierreich und beim Menschen mitunter auch vorkommt, daß sich Tiere/Menschen um Mitmenschen, bzw. ihren Nachwuchs kümmern, obwohl sie nicht direkt mit diesen verwandt sind.

Mein erster Gedanke dabei ist folgender und ähnelt - offenbar - zum Teil auch denen von Olivia Judson: Wenn eine Art über Verwandten-Altruismus (und/oder Gruppenselektion) schon stark vorherrschende altruistische Verhaltensweisen evoluiert hat und das auch über diesen Mechanismus im Großen und Ganzen evolutionsstabil halten kann, dann kann sie es sich möglicherweise mitunter auch leisten, in einer Art "Überschuß"-Verhalten es einmal mit der Abgleichung des altruistischen Verhaltens an den genetischen Verwandtschaftsgrad und an Gruppenmitgliedschaft nicht so genau zu nehmen.

Ihre Gedanken werden folgendermaßen wiedergegeben:
She describes curious platonic friendships between male and female baboons:
If a female is attacked or harassed, her friends will come bounding to the rescue; they will also protect her children, play with them, groom them, carry them, and sometimes share food with them. If the mother dies, they may even look after an infant in her place.

From a biological point of view, Judson points out, such altruistic acts are akin to suicide: they do nothing to ensure one’s own longevity or the survival of one’s genetic code. Yet examples of selflessness can be found throughout the animal kingdom, from the servile labor of the worker bee to the heroics of firemen charging into the crumbling World Trade Center.

Allerdings frage ich mich, ob Olivia Judson selbst Kinder hat und aufzieht, denn sie verbreitet ein so lgeradezu ächerliches Mißverständnis wie das folgende:
Helping your own children doesn’t count as altruism because you’re perpetuating your own genes. Helping a total stranger’s children does count as altruism, and so adopting a child counts as altruism.
Hier zeigt sich wieder, daß unter den Evolutionsbiologen noch keineswegs Einigkeit und Klarheit darüber besteht, was eigentlich mit dem Begriff Altruismus benannt werden soll und was nicht. Ich halte es für absurd, Eltern nicht für altruistisch zu halten, wenn es "nur" ihre eigenen Kinder sind, die sie aufziehen. Wer so etwas behauptet, bringt alle Begriffe durcheinander. Wenn ich sogenannte "egoistische" Gene habe, die altruistische Neigungen hervorrufen, dann ist die Motivation, die hier hervorgerufen wird, eine altruistische, keine egoistische. Und es handelt sich um Altruismus-Gene, nicht um Egoismus-Gene.

Die Bezeichnung "egoistisches Gen" ist doch nur ein Bild, eine Metapher, die aufzeigen soll, daß Gene entweder in der nächsten Generation fortexistieren oder nicht je nachdem, in welchem biologischen und kulturellen Setting sie was zuvor gesteuert haben. Gene selbst aber haben keinerlei Gefühle oder Neigungen oder Motivationen. Hier liegt auch die Ursache für das Mißverständnis etwa von Michael Schmidt-Salomon, der meint (siehe "Manifest des evolutionären Humanismus"), der Mensch wäre "von Natur aus" "egoistisch" (bzw. "hedonistisch"), da seine Gene "egoistisch" wären.

Also noch einmal: Der Mensch hat egoistische und altruistische Verhaltensneigungen, die beide von sogenannten "egoistischen" Genen (mit) hervorgerufen werden. Aus einer solchen Tatsache kann man keine Schlußfolgerung dahingehend ableiten, der Mensch wäre "von Natur aus" entweder besonders egoistisch oder "von Natur aus" besonders altruistisch. Er - der Mensch an sich - ist beides. Er kann sogar nicht nur egoistisch, sondern sogar höchst bösartig sein ...

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