Dienstag, 9. Oktober 2007

Koreanische Adoptivkinder in westlichen Ländern

Das Thema der koreanische Adoptivkinder, die in westlichen Ländern aufgewachsen sind (Wikip.) ist ein emotional oft aufwühlendes Thema, zudem aber auch ein Thema, das in der Wissenschaft eine nicht geringe Rolle spielt. Die Wissenschaft hat an diesen Kindern schon so manche allgemeineren Gesetzmäßigkeiten über die Entwicklungs-, Kultur- und Sprachpsychologie des Menschen erforschen können. In Frankreich gibt es etwa 11.000, in Deutschland etwa 2.000, in den USA sogar 100.000 koreanische Adoptivkinder. In den skandinavischen Ländern sind es insgesamt 25.000.

Da koreanische Adoptivkinder oft erst nach dem ersten Lebensjahr in westliche Länder kamen, wurde vor einigen Jahren von sprachwissenschaftlicher Seite untersucht, ob man noch "irgendwelche" Erscheinungen in ihrer heutige Sprache (als Erwachsene) erkennen würde, die sich darauf zurückführen lassen, daß sie muttersprachlich im ersten Jahr auf die koreanische Sprache geprägt worden sind. Denn es ist bekannt, daß die Prägung auf die Muttersprache - und vor allem auch die einzigartige, grundlegende Emotionalität, das Weltgefühl, ja, die Weltsicht, die mit einer jeweiligen Muttersprache verbunden sind - vornehmlich im ersten Lebensjahr erfolgt, also in einer Zeit, in der die Kinder selbst noch gar nicht sprechen, sondern höchsten lallen können.

Man hat nun rein sprachlich (bislang) von einer solchen Prägung nichts mehr finden können. Es ist, als hätten sie ihre Muttersprache tatsächlich vollständig "vergessen". Auch nicht "subtil" läßt sich irgend etwas nachweisen (bislang).

Identitätsbildung mit Schwierigkeiten behaftet

Bei "Wikipedia" heißt es:
"Identitätsbildung ist ein sehr wichtiger Prozess, der bei vielen Adoptierten verzögert wird und mit Schwierigkeiten behaftet ist. (...) Letztendlich kommt man als Adoptierter aus einem anderen Land, einer anderen Rasse und anderen Kultur. Wenn man mit weißen Eltern aufwächst, können diese einem nicht die Sprache des Herkunftlandes beibringen."
Ich bin gerade überrascht, was dort noch alles geschrieben wird, zumal man annehmen muß, daß an diesem Artikel insbesondere Betroffene selbst mitschreiben:
"Der Beginn jeder Adoption stellt auch den Verlust einer Familie dar, nämliche den Verlust der biologischen Familie für das Kind, das adoptiert wird. Das wird leider bei einer Adoption oft vergessen. Für Adoptiveltern ist eine Adoption eine 'schöne' Angelegenheit, weil sie so ihre Familie erweitern können. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man dem Kind, das man adoptiert, auch genügend Raum für die biologische Familie lässt. Das Kind soll auch den Verlust betrauern dürfen, bzw. den Verlust verbal oder nonverbal ausdrücken. Ein Verlust, den man verdrängt, wird sich früher oder später wieder an der Oberfläche zeigen. Je später man diesen Verlust verarbeitet, desto länger und schwieriger wird dieser Prozess.

Viele Adoptierte kämpfen auch mit dem Gefühl des 'Verlassenwordenseins'. Das kann sich später auch auf die Beziehungsfähigkeit ausdrücken. Zum Beispiel sucht eine Adoptierte, die dieses 'Verlassenwerden' nie verarbeitet hat, sich jeweils einen Partner, verlässt ihn aber, bevor er sie 'verlassen' könnte. Aus diesem Grund kann sie jeweils immer die Situation so kontrollieren, dass sie eben nie 'verlassen' wird. Jedoch ist dieses Schema an sich, wiederum nicht zufriedenstellend, so dass sie sich wieder einen neuen Partner sucht und das ganze Spiel sich wiederholt.

Je nach Situation vor der Adoption können Adoptierte auch anderweitig geschädigt worden sein. Bekannt sind viele Probleme wie FAS (Fetal Alcohol Syndrome), RAD (Reactive Attachment Disorder), PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), PI-Kinder (Postinstitutionalized-Kinder), welche auch unterschiedliche Therapieformen benötigen."
Gibt es ein Gen fürs Nasenjucken?

Auf das Thema kam ich eigentlich, weil bei "Books on Demand" der Erlebnisbericht des Stiefvaters eines Adoptivkindes angeboten wird. (Gerd Schinkel) Auch die betroffene Adoptivtochter selbst hat darüber ein Buch geschrieben. (Amaz.) Sie hatten inzwischen einige Fernsehauftritte in Korea und in Deutschland sowohl mit den leiblichen wie mit den Adoptiveltern. In einem Bericht heißt darüber es:
"Es ging um nichts anderes als um die Frage: Bin ich einem Menschen auf dieser Welt ähnlich? (...) Anneli Schinkel bewegte nur eine ganz schlichte Frage: Bin ich ihr (der leiblichen Mutter) ähnlich? Darauf bekam die 23-Jährige eine Antwort: Sie juckt sich in derselben Weise wie ihre Mutter, die sie noch keine Stunde ihres Lebens gesehen hatte, an der Nase. Es muss ein Gen fürs Nasejucken geben. Ihre Beine, die sie eigentlich schon immer zu kurz fand, hat sie aber von ihrem Vater geerbt. Den bekam sie bei ihrer Suche nach der Mutter gleich mitgeliefert. ..." (Gerd Schinkel)
Gerd Schinkel, der Adoptivvater (ein Liedermacher), der auch noch einen Jungen aus Korea adoptiert hat, wird mit den Worten zitiert:
"Im Nachhinein diese Erklärungen von den Kindern geschildert zu bekommen, dass sie darunter häufig gelitten haben, dass sie anders aussahen und wie sehr das für sie auch ne Belastung war, das bringt einen dann schon auch zum Nachdenken." (Gerd Schinkel)
In diesem Thema steckt viel drin. Hier sollte auf dasselbe nur hingewiesen werden und es sollten einige erste Eindrücke gegeben werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen