Samstag, 6. Oktober 2007

Gysi, die BRD und der "große Respekt vor den Kirchen"

Neue ideologische Grundlagen für die Bundesrepublik Deutschland?

Gregor Gysi hat es quasi beworben, das Buch. Da muß man doch mal hineinschauen, was ein Gregor Gysi für diskussionswürdig, für bewerbenswürdig hält. Manfred Lütz "Gott - Kleine Geschichte vom Größten". (Amaz.) Vorgestellt wurde das Buch in einer "Bundespressekonferenz" von "Spiegel"-Redakteur Matthias Mattusek. Diskutiert haben darüber mit dem Autor Gregor Gysi und Friedrich Merz. (Tagessp., Märk. Allg.) Alle waren sich irgendwie merkwürdig einig ...

Also eine Buchvorstellung, so darf man sagen, auf höchster (zumindest: national-) politischer Ebene. Sollen hier die neuen ideologischen Grundlagen für die Bundesrepublik Deutschland gelegt werden, nachdem die Frankfurter Schule ausgedient hat und sogar Jürgen Habermas ..., nun ja, sagen wir: zumindest kein ausgesprochener Papstkritiker mehr ist? Denn wir wissen ja: Jeder Staat braucht seine Staatsphilosophie. Preußen hatte seinen Hegel, die DDR hatte ihren Marx und die BRD hatte eben ihren Habermas. (Buchtitel wie "Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik Deutschland - Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule" [Amaz. 1, 2] sagen dazu eigentlich schon alles.) Und das neue Deutschland hat nun also seinen - - - ... ähm, ... Manfred Lütz? - Jedenfalls: So möchte man auch einmal in die Öffentlichkeit eingeführt werden als Autor.

"Großer Respekt vor den Kirchen"
... Friedrich Merz nennt das Buch einen „schlichten, zwischen zwei Buchdeckel passenden Gottesbeweis“. ...
Man kann das Buch ja mal durchblättern. Aber einige Leseproben genügen. Und so mancher wird sich gestatten zu lächeln bei dem Satz:
... Gysi referiert über Kant und Nietzsche, und über seinen Vater, der DDR-Staatssekretär für Kirchenfragen war. Er habe ihm großen Respekt vor den Kirchen mitgegeben, schließlich seien die Ideale des Sozialismus auf dem Boden der christlich-jüdischen Moral gewachsen. ...
Schade. Da scheint die Giordano Bruno-Stiftung auf die ausgesprochenere Unterstützung durch einen Gregor Gysi verzichten zu müssen. Schade. Da wird von einer totalitaristischen Tendenz hinüber zu einer anderen gekrochen. Wenn doch bloß die DDR-Vergangenheit nicht so nachwirken würde ... Aber lassen wir nun einmal die großen "Staatsinteressen" (! - ?) beiseite, und gehen zum Buch selbst.

Hier redet ein Theologe über - - - Gott.

Öha. Hier redet also jemand genau über das, über das ausgerechnet er am wenigsten Ahnung hat. Haben kann. Schon aus beruflichen Gründen ...

Hilfe, ein Theologe ...

Manfred Lütz hat zehn Semester katholische Theologie studiert und auch eine theologische Examensarbeit verfaßt. Damit sollte er eigentlich schon disqualifiziert sein. - Ja. So muß man sprechen nach all den Erfahrungen, die man immer wieder mit diesem merkwürdigsten aller Berufsstände macht, genannt "Theologen".

Es genügen wahrhaftig nur wenige Leseproben, um sich davon zu überzeugen, daß nur ein einziger Satz dieses Buches so einigermaßen wahrhaftig überhaupt gemeint sein kann, der da nämlich noch einmal so läppisch wie der ganze Rest des Buches lautet:
Ganz am Schluß beschleicht mich dann noch einmal die Sorge, daß man die unbestreitbaren Defizite dieses Buches zum Anlaß nehmen könnte, nun endgültig die Suche nach Gott aufzugeben.
Dieses Buch kann einen von vorne bis hinten ekeln. Genauso gut hätte man Harald Schmidt eine "Kleine Geschichte vom Größten" schreiben lassen können. Viel anzüglicher hätte er es auch nicht hinkriegen können.

Spaemann telefoniert mit Gott

Der Papstberater und katholische Philosoph Robert Spaemann wird beispielsweise damit zitiert, daß er an Wunder glaubt. Er habe in einer französischen Telefonzelle nur aus Versehen eine "Eins" gewählt und habe damit "wie durch ein Wunder" in Stuttgart jenen Priester erreicht, den er hatte erreichen wollen, um diesen zu fragen, ob er seiner Frau die Sterbesakramente reichen könne. Nun wird man einen Kritiker einer solchen Anekdote leicht der Ehrfurchtsloigkeit zeihen können, da ja immerhin Spaemann's Frau im Sterben lag und da er es selbst erlebt haben will. Na klar. Aber ist es nicht umgekehrt? Ist die Anekdoten selbst nicht ehrfurchtslos? - - -

So manchem jedenfalls reicht diese Anekdote (und natürlich der argumentative Zusammenhang, in der sie gebracht wird) völlig aus, um an der intellektuellen Seriösität dieses katholischen "Philosophen", dieses Robert Spaemann zu zweifeln - und zwar heftig. Und natürlich an dem Popularisierer dieser Anekdote, dem lieben Herrn Lütz. Von den Herren Gysi, Merz und Mattusek sowieso ganz zu schweigen. Monotheismus als Staatsreligion dient männlichem Machtwahn, das wird auch daran erkennbar, daß so wenig Frauen an der Diskussion beteiligt sind. Freilich, eines der letzten Kapitel, das über "Schönheit", ist der Jungfrau Maria gewidmet. Tizian und so, Venedig ...

Die durchgehend flappsige Schreibweise dieses Buches soll wohl ein Versuch sein, die Menschen, die man mit ernsthafterer theologischer Redeweise nicht mehr erreichen kann - "Des Herrn Zorn komme über Euch!" - mit flappsigem Geplapper zu erreichen. Nun, einige Herren hat Manfred Lütz ja schon erreicht und ihren "Respekt vor den Kirchen" - offenbar - aufs Neue bekräftigt. Da kann man ja Herrn Lütz nur gratulieren! Mit einer so einflußreichen Organisation im Rücken möchte einem das wohl allerdings auch gelingen.

Glaube24.de bewirbt das Buch mit folgendem Text: "Ihr Freund ist Atheist und keineswegs humorverstopft? Dann haben wir das richtige Buch für Ihn. ..." (Glaube24.de) Ulk, igs, igs, igs - selten so gelacht.

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