Er hat die Schnauze voll - Ein Nobelpreisträger
(Zu Englisch: "He is pissed off ...")
Vorbemerkung (7.2.2016): Das Wort von der "Lügenpresse" kam 2014 auf den Pegida-Demonstraionen in Dresden auf (Wiki). Dieser Beitrag zeigt, dass das Phänomen "Pinocchiopresse", bzw. "Lügenäther" (Peter Sloterdijk) in der Wissenschaft schon spätestens seit 2006 bekannt ist.
Die folgenden Ausführungen werden Wolf Biermann, der auch oft die Schnauze voll hat oder voll nimmt, nicht gefallen. Andererseits müssen nicht jedem die jüngsten, sehr undifferenzierten Äußerungen Wolf Biermanns zum palästinensisch-arabischen Konflikt besonders gefallen. Und man darf sich insbesondere fragen, ob sie im Sinne seiner früh verstorbenen Freunde Rudi Dutschke, Jürgen Fuchs oder Rudolf Bahro wären, die alle - wohl - in ähnlicher Weise gewissen Geheimdiensten unbequem waren, so wie neuerdings der russische Regime-Gegner Alexander Litwinenko.
Robert Trivers
Durch "Gene Expression" stößt man auf ganz neue, sehr direkt politische Implikationen der modernen Soziobiologie und des etwaig durch diese wiederbelebten "neuen Atheismus". - Robert Trivers (geboren 1943) ist nach William D. Hamilton (1936 - 2000) der zweite große theoretische Begründer der Soziobiologie. Er hat das Prinzip des Gegenseitigkeits-Altruismus formuliert in Ergänzung zu William D. Hamilton's Prinzip des Verwandten-Altruismus, also "des E = mc2 der Evolutionären Psychologie". Bis heute hat er viele wichtige, weitere Beiträge zur modernen Evolutionsbiologie geleistet, unter anderem zur Theorie von Täuschung und Selbsttäuschung. Auch ein dickes Lehrbuch hat er verfaßt.
Robert Trivers ist, wie viele wohl heute zum ersten mal erfahren, ein unerschrockener Kritiker politischer Mißstände, vielleicht noch ein viel unerschrockenerer, als sein Freund Bill Hamilton, der in seinen Erinnerungen "Narrow Roads of Gene Land" durchaus auch schon so mancherlei Kritisches und "Unkorrektes" zu äußern bereit war, so daß jedenfalls die Herausgeber mehrmals über der Frage zögerten, ob sie diese Aufzeichnungen vollständig veröffentlichen sollten. Wir haben es also im folgenden mit einem weiteren, neuen Stadium in der politisch unkorrekten Geschichte dieser mißliebigen Wissenschaftsrichtung zu tun: der Soziobiologie ...
Alan Dershowitz
Wohl weil Robert Trivers (amerikanisch-)jüdischer Abstammung ist, interessiert er sich auch sehr stark für den israelisch-arabischen Konflikt (- wie ja jüngst auch Wolf Biermann). Und wie man aus neuesten Berichten erfährt (chronologisch: Inside Higher Education 2005, Seed 2006, Inside Higher Education April 07, Inside Higher Education Mai 07, Frontpage Magazine, Gene Expression), hat er vor kurzem aus diesem Anlaß einen privaten Brief an Alan Dershowitz, den Herausgeber des einflußreichen "Wall Street Journal" und zugleich Professor an der Harvard-Universität, geschrieben, der unter anderem eine heftige Passage enthielt. Sie schlägt einen herausfordernden - oder vielleicht auch richtiger: zornigen - Ton an, wie man ihn in dieser Weise bisher noch niemals von irgend einem Soziobiologen zu politischen Fragen vernommen hat:
Norman G. Finkelstein
Trivers, so ist weiter zu erfahren, hatte diesen Brief geschrieben, um den Äußerungen von Dershowitz über Norman G. Finkelstein zu widersprechen, also um zugunsten des Kritikers der "Holocaust-Industrie" Partei zu ergreifen. - Neuerlich eine ziemlich brisante Sache ... Es geht noch weiter: Alan Dershowitz ist einer der prominentesten Vertreter der von Norman G. Finkelstein so apostrophierten und kritisierten "Holocaust-Industrie". Und er hat offenbar versucht, das Erscheinen des jüngsten Buches von Norman G. Finkelstein ("Beyond Chuzpah") zu verhindern. Alan Dershowitz scheint sich nach den Berichten unglaublich durch dieses Buch angegriffen zu fühlen. Das war 2005. - Wie man feststellen kann, ist das Internet voll mit Dershowitz-Kontroversen: Wikipedia.
Forschungsgelder
Dieses Jahr nun verweigerte der Dekan des Universitäts-Fachbereichs, an dem Israel Finkelstein arbeitet, die ihm vom Fachbereich selbst schon mehrheitlich gewährten Forschungsgelder. Es gehen Gerüchte um, daß Dershowitz daraufhin arbeitet, daß Finkelstein entlassen werden solle. Diese Umstände offenbar haben den Brief von Trivers ausgelöst. Aber weiterhin ist auch zu erfahren, daß zwei Schwestern von Trivers mit libanesischen Männern verheiratet sind. Seine Worte sind also aus direkter persönlicher Betroffenheit heraus geschrieben - man könnte auch sagen aus: Verwandten-Altruismus.
Täuschung und Selbsttäuschung
Robert Trivers hat vor allem auch die evolutionsbiologische Funktion von Täuschung und Selbsttäuschung auf der Ebene von Individuen und Gruppen erforscht. In einem Gespräch mit dem berühmten Sprachforscher und Kritiker einer zu Israel-freundlichen US-Außenpolitik, Noam Chomsky, im September letzten Jahres (Seed 2006) wurden daraus zahlreiche Nutzanwendungen für die gegenwärtigen Politik gezogen. So sagte Chomsky zum Beispiel (Hervorhebungen nicht im Original):
Ein ganzer "Schwarm von Lügen"
Ja, als Zeithistoriker kann man jedes einzelne dieser Worte bestätigen. Das 20. Jahrhundert war ein "Jahrhundert der Lügen". Und was diesen Aspekt der Geschichte betrifft, so scheint das 20. Jahrhundert noch heute nicht zu Ende zu sein. Trivers antwortete unter anderem:
Das Gespräch ist noch viel länger. Aber mit den gebrachten Auszügen ist zunächst genug von der Richtung des Denkens aufgezeigt worden, das hier verfolgt wird. Insofern der "neue Atheismus" dabei mithelfen sollte, "das Geweb der Arglist" zu zerreißen, wie das ja auch Richard Dawkins, James Watson und viele andere immer wieder tun, könnte man allerdings sehr viel von ihm erwarten:
(Zu Englisch: "He is pissed off ...")
Vorbemerkung (7.2.2016): Das Wort von der "Lügenpresse" kam 2014 auf den Pegida-Demonstraionen in Dresden auf (Wiki). Dieser Beitrag zeigt, dass das Phänomen "Pinocchiopresse", bzw. "Lügenäther" (Peter Sloterdijk) in der Wissenschaft schon spätestens seit 2006 bekannt ist.
Die folgenden Ausführungen werden Wolf Biermann, der auch oft die Schnauze voll hat oder voll nimmt, nicht gefallen. Andererseits müssen nicht jedem die jüngsten, sehr undifferenzierten Äußerungen Wolf Biermanns zum palästinensisch-arabischen Konflikt besonders gefallen. Und man darf sich insbesondere fragen, ob sie im Sinne seiner früh verstorbenen Freunde Rudi Dutschke, Jürgen Fuchs oder Rudolf Bahro wären, die alle - wohl - in ähnlicher Weise gewissen Geheimdiensten unbequem waren, so wie neuerdings der russische Regime-Gegner Alexander Litwinenko.
Robert Trivers
Durch "Gene Expression" stößt man auf ganz neue, sehr direkt politische Implikationen der modernen Soziobiologie und des etwaig durch diese wiederbelebten "neuen Atheismus". - Robert Trivers (geboren 1943) ist nach William D. Hamilton (1936 - 2000) der zweite große theoretische Begründer der Soziobiologie. Er hat das Prinzip des Gegenseitigkeits-Altruismus formuliert in Ergänzung zu William D. Hamilton's Prinzip des Verwandten-Altruismus, also "des E = mc2 der Evolutionären Psychologie". Bis heute hat er viele wichtige, weitere Beiträge zur modernen Evolutionsbiologie geleistet, unter anderem zur Theorie von Täuschung und Selbsttäuschung. Auch ein dickes Lehrbuch hat er verfaßt.
Robert Trivers ist, wie viele wohl heute zum ersten mal erfahren, ein unerschrockener Kritiker politischer Mißstände, vielleicht noch ein viel unerschrockenerer, als sein Freund Bill Hamilton, der in seinen Erinnerungen "Narrow Roads of Gene Land" durchaus auch schon so mancherlei Kritisches und "Unkorrektes" zu äußern bereit war, so daß jedenfalls die Herausgeber mehrmals über der Frage zögerten, ob sie diese Aufzeichnungen vollständig veröffentlichen sollten. Wir haben es also im folgenden mit einem weiteren, neuen Stadium in der politisch unkorrekten Geschichte dieser mißliebigen Wissenschaftsrichtung zu tun: der Soziobiologie ...
Alan Dershowitz
Wohl weil Robert Trivers (amerikanisch-)jüdischer Abstammung ist, interessiert er sich auch sehr stark für den israelisch-arabischen Konflikt (- wie ja jüngst auch Wolf Biermann). Und wie man aus neuesten Berichten erfährt (chronologisch: Inside Higher Education 2005, Seed 2006, Inside Higher Education April 07, Inside Higher Education Mai 07, Frontpage Magazine, Gene Expression), hat er vor kurzem aus diesem Anlaß einen privaten Brief an Alan Dershowitz, den Herausgeber des einflußreichen "Wall Street Journal" und zugleich Professor an der Harvard-Universität, geschrieben, der unter anderem eine heftige Passage enthielt. Sie schlägt einen herausfordernden - oder vielleicht auch richtiger: zornigen - Ton an, wie man ihn in dieser Weise bisher noch niemals von irgend einem Soziobiologen zu politischen Fragen vernommen hat:
“Regarding your rationalization of Israeli attacks on Lebanese civilians, let me just say that if there is a repeat of Israeli butchery toward Lebanon and if you decide once again to rationalize it publicly, look forward to a visit from me. Nazis — and Nazi-like apologists such as yourself — need to be confronted directly.”Auf Deutsch übersetzt:
"Lassen Sie mich in Hinsicht auf Ihr Entgegenbringen von Verständnis gegenüber den israelischen Angriffen auf libanesische Zivilisten sagen, daß wenn es eine Wiederholung von israelischer Schlächterei gegen den Libanon geben sollte und Sie entscheiden sollten, diesem noch einmal öffentlich Verständnis entgegen zu bringen, daß Sie dann mit einem persönlichen Besuch meinerseits rechnen können. Nazis - und Nazi-ähnlichen Apologeten wie Ihnen - muß man sich direkt in den Weg stellen."Nun. Recht unzweideutig. Wissenschaftsblogger Razib Khan fragt - rhetorisch -: "Bob Trivers - a bad ass?" Und ein Kommentator schreibt:
"Dershowitz hat wirklich ein schreckliches Maul, das mehr zum Nachteil der eigenen Sache hervorbringt, als er sich selbst vorstellen kann."Aufgrund dieses Briefes jedenfalls wurde Trivers, der letztes Jahr den "Nobelpreis für Biologie" erhalten hatte (das ist der "Crafoord-Preis für Biowissenschaften"), kurzfristig von einem Vortrag ausgeladen, den er an der Harvard-Universität halten sollte. Dies geschah, nachdem Alan Dershowitz den zitierten Brief ("routinemäßig", wie er sagt) an die Polizei-Abteilung von Harvard weitergegeben hatte.
Norman G. Finkelstein
Trivers, so ist weiter zu erfahren, hatte diesen Brief geschrieben, um den Äußerungen von Dershowitz über Norman G. Finkelstein zu widersprechen, also um zugunsten des Kritikers der "Holocaust-Industrie" Partei zu ergreifen. - Neuerlich eine ziemlich brisante Sache ... Es geht noch weiter: Alan Dershowitz ist einer der prominentesten Vertreter der von Norman G. Finkelstein so apostrophierten und kritisierten "Holocaust-Industrie". Und er hat offenbar versucht, das Erscheinen des jüngsten Buches von Norman G. Finkelstein ("Beyond Chuzpah") zu verhindern. Alan Dershowitz scheint sich nach den Berichten unglaublich durch dieses Buch angegriffen zu fühlen. Das war 2005. - Wie man feststellen kann, ist das Internet voll mit Dershowitz-Kontroversen: Wikipedia.
Forschungsgelder
Dieses Jahr nun verweigerte der Dekan des Universitäts-Fachbereichs, an dem Israel Finkelstein arbeitet, die ihm vom Fachbereich selbst schon mehrheitlich gewährten Forschungsgelder. Es gehen Gerüchte um, daß Dershowitz daraufhin arbeitet, daß Finkelstein entlassen werden solle. Diese Umstände offenbar haben den Brief von Trivers ausgelöst. Aber weiterhin ist auch zu erfahren, daß zwei Schwestern von Trivers mit libanesischen Männern verheiratet sind. Seine Worte sind also aus direkter persönlicher Betroffenheit heraus geschrieben - man könnte auch sagen aus: Verwandten-Altruismus.
Täuschung und Selbsttäuschung
Robert Trivers hat vor allem auch die evolutionsbiologische Funktion von Täuschung und Selbsttäuschung auf der Ebene von Individuen und Gruppen erforscht. In einem Gespräch mit dem berühmten Sprachforscher und Kritiker einer zu Israel-freundlichen US-Außenpolitik, Noam Chomsky, im September letzten Jahres (Seed 2006) wurden daraus zahlreiche Nutzanwendungen für die gegenwärtigen Politik gezogen. So sagte Chomsky zum Beispiel (Hervorhebungen nicht im Original):
"... we now have huge industries deceiving the public—and they're very conscious about it, the public relations industry . Interestingly, this developed in the freest countries—in Britain and the US—roughly around time of WWI, when it was recognized that enough freedom had been won that people could no longer be controlled by force. So modes of deception and manipulation had to be developed in order to keep them under control. And by now these are huge industries. They not only dominate marketing of commodities, but they also control the political system. As anyone who watches a US election knows, it's marketing. It's the same techniques that are used to market toothpaste. And, of course, there are power systems in place to facilitate this. (...) You have to reconstruct a picture of the world in order to be conducive to the interests and concerns of the educated classes, and this involves a lot of self-deceit."Zu deutsch:
"Wir haben nun riesige Industrien, die die Öffentlichkeit betrügen - sie sind sich dessen sehr bewußt, die Public relation-Industrie. Interessanterweise wurde sie in den freisten Ländern - in Großbritannien und den Vereinigten Staaten - ungefähr in der Zeit des Ersten Weltkrieges entwickelt, als erkannt worden war, daß genügend Freiheit gewonnen war, so daß Menschen nicht mehr länger durch Gewalt kontrolliert werden konnten. So wurden Wege der Täuschung und Manipulation entwickelt, um sie unter Kontrolle zu halten. Und nun sind es riesige Industrien. Sie dominieren nicht allein den Wirtschaftsbereich, sondern ebenso das politische System. Und jeder, der die US-Wahlen beobachtet, weiß, daß es Marketing ist. Es werden die gleichen Techniken benutzt wie die, mit denen Zahnpasta verkauft wird. Und natürlich gibt es da Machtsysteme, die das erleichtern. (...) Man muß ein Bild der Welt zeichnen, um die Interessen und Absichten der gebildeten Klassen zu fördern und dies schließt eine ganze Menge Selbsttäuschung mit ein."
Abb.: Pegida-Demonstration - Dresden, 21. April 2014 (Wiki) |
Ja, als Zeithistoriker kann man jedes einzelne dieser Worte bestätigen. Das 20. Jahrhundert war ein "Jahrhundert der Lügen". Und was diesen Aspekt der Geschichte betrifft, so scheint das 20. Jahrhundert noch heute nicht zu Ende zu sein. Trivers antwortete unter anderem:
"... So let me ask you, when you think about the leaders—let's say the present set of organisms that launched this dreadful Iraq misadventure—how important is their level of self-deception? We know they launched the whole thing in a swarm of lies, the evidence for which is too overwhelming to even need to be referred to now. My view is that their deception leads to self-deception very easily. ..."/ Ergänzung Febr. 2015: Soviel schon vor acht Jahren hier auf dem Blog zum Thema "Unwort des Jahres 2014", bzw. zu den Rufen auf den Dresdener Pegida-Demonstrationen "Lügenpresse - halt die Fresse". Chomsky und Trivers jedenfalls sagten schon vor vielen Jahren der Sache nach nichts anderes .../ Trivers sagt gegen Ende des Gespräches unter anderem:
"There is excellent work being done on deception in other creatures. To give you just one line of work that's of some interest: We find repeatedly now—in wasps, in birds and in monkeys—that when organisms realize they're being deceived, they get pissed off. And they often attack the deceiver. Especially if the deceiver is over-representing him or herself. If you're under-representing and showing yourself as having less dominance than you really have, you're not attacked. And the ones that do attack you are precisely those whose dominance status you are attempting to expropriate or mimic.
It's very interesting and it suggests some of the dynamic in which fear of being detected while deceiving can be a secondary signal, precisely because if you are detected, you may get your butt kicked or get chased out."
Zerreißen will ich das Geweb der Arglist,In der Tat kann das Verfolgen von Lobby-Interessen interpretiert werden als das Verfolgen von "gruppenevolutionären Strategien". Dazu hat der Evolutionäre Psychologe Kevin MacDonald aufschlussreiche Studien vorgelegt.
aufdecken will ich alles, was ich weiß!
/Abbildung hinzugefügt: 7.2.16/
Peinlich, wenn man Norman G. Finkelstein mit Israel Finkelstein verwechselt.
AntwortenLöschenSiehe Buch, "Beyond Chuzpah auf dieser Seite, Abschnitt Israel Finkelstein
Peinlicher noch, dass ich aus der Leserschaft heraus NEUN Jahre lang nicht auf diesen Fehler hingewiesen worden bin! Deshalb: DANKE.
AntwortenLöschen(Israel Finkelstein ist übrigens auch nicht schlecht. Er ist der Archäologe, der zum Beispiel das Buch "Keine Trompeten vor Jerichow" schrieb und mit der sogenannten Biblischen Archäologie kräftig aufgeräumt hat, mit der unter anderem der Imperialismus des Staates Israel gerechtfertigt wurde und wird.)