Freitag, 1. Juni 2007

Schrille Töne

Die katholische "Tagespost" schlägt harsche Töne an, weil sie ihre Gottesvorstellung durch Richard Dawkins angegriffen fühlt. (Tagespost) Wer mit so üblen Verleumdungen anfängt, wie der folgenden, der scheint sich schon sehr stark angegriffen zu fühlen. Sagt doch Autor Stefan Rehder über Richard Dawkins:

"Den Glauben hält der radikale Darwinist für eine „Art Geisteskrankheit“. Und weil im Darwinismus für die Kranken und Schwachen bekanntlich kein Platz ist, kann man sich an fünf Fingern abzählen, wie Dawkins wohl mit ihnen verfahren würde, wenn man ihn ließe." (!!!) "Doch auch mit den Waffen des Geistes ist Dawkins nicht ungefährlich."

Wer mit so bösartigen Unterstellungen arbeitet, meint es von vornherein nicht redlich. Denn so etwas rutscht einem doch nicht "gerade mal eben" so raus. Ich habe solche Unterstellungen bei seriöseren angelsächsischen Dawkins-Kritikern - ehrlich gesagt - auch noch nie gelesen. Sollte das jetzt die spezifisch deutsche Komponente der Debatte werden?

Natürlich kann man verstehen, wodurch sich die "Tagespost" verletzt fühlt:

Auf die Gefühle der Gläubigen oder auch nur auf guten Geschmack legen die Prediger des Atheismus dabei keinen Wert: „Der alttestamentarische Gott ist einer der unangenehmsten Charaktere der Literaturgeschichte“, pflegt Dawkins, der sich selbst für einen angenehmen Zeitgenossen hält" (- wieder eine hinterhältige Zwischenbemerkung!), "seine Lesungen zu beginnen. „Eifersüchtig und ungerecht, ein Rassist, Schwulenhasser und Kinderkiller, ein übler Korinthenkacker, Megalomane und ethischer Säuberer“, sei Gott, behauptet Dawkins und fügt hinzu: „Die Leute lieben das.“

Ja, da möchte man die "Tagespost" doch mal bitten zu sagen, ob das nicht stimmt, was Dawkins da sagt. Auch Peter Sloterdijk behandelt das Thema in seinem neuen Buch "Zorn und Zeit". Aber kein Wort hier darüber. Stattdessen üble Unterstellung. Dann heißt es kurz danach:

... Denn ihre Vordenker belassen es nicht dabei, vielbeachtete Bücher zu schreiben, in denen sie ihrem Hass auf alles Religiöse freien Lauf lassen ...

Auch das ist definitiv falsch. Richard Dawkins und Sam Harris sympathisieren beide sehr stark mit religiösen Nichtchristen wie etwa Albert Einstein und Dawkins spricht sie definitv in seinem vorletzten Buch "Ancestors Tale" auf den letzten Seiten an. Dawkins ist nicht gegen Religiosität. Er bezeichnet sich sogar selbst als religiös. Spricht von Ehrfurcht vor der Schöpfung, spricht von der "sublimen Erhabenheit der wirklichen Welt", nennt schon im Untertitel sein Buch eine "Wallfahrt zu den Anfängen des Lebens". Er ist gegen monotheistische Religiosität. Ja.

Aber hier erfahren wir ja spannende Sachen und scheinbar scheint das der Anlaß, daß in Deutschland ganz neuartige (- alte?, uralte?) Geschütze aufgefahren werden:

Am 12. Oktober wird Dawkins in Frankfurt den mit 10 000 Euro dotierten Deschner-Preis der Giordano Bruno Stiftung entgegennehmen ...

Und es heißt weiter:

... Wie aggressiv und intolerant die „neuen Atheisten“ sind kann nicht nur auf zahlreichen Internetseiten besichtigt werden (DT vom 5. Mai). So listet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe die „Zehn Gebote“ der neuen Atheisten auf, mit denen sie die Welt beglücken wollen. Darin heißt es zum Beispiel: „V. Du sollst Deine Kinder ehren und sie deshalb mit Gott in Frieden lassen“. Es gäbe, kann man dort lesen „keinen wesentlichen Unterschied zwischen Prügelstrafe, Missbrauch und den Schäden, der einer Kinderseele in Jesuitenschulen zugefügt wird.“ Man muss sich das politisch vorstellen: In dem Maße, in dem die „neuen Atheisten“ politische Macht gewännen, werden das Leben und die Werke gläubiger Menschen zunehmenden Einschränkungen unterliegen.

Diese Einschränkungen würden darin bestehen, daß man nicht dauernd in den Medien immerzu Bischöfe und Pfarrer zu allen möglichen Dingen fragen würde, zu denen man jeden beliebigen anderen Menschen auch fragen könnte. Daß religiöse Erziehung Kindesmißhandlung sein könnte, das allerdings könnte sich ebenfalls als eine Frage religiöser Freiheit und Toleranz herausstellen aber in der Hinsicht, ob monotheistisch-religiös erzogene Menschen noch wirklich religiös frei und tolerant sein können. - Das ist eine schwierige Frage, die nicht durch Polemik, sondern durch Experten geklärt werden sollte.

An anderer Stelle heißt es:

Wer vornehmlich mit dem Unterleib denkt, wird Dawkins Theorie des egoistischen Gens möglicherweise manches abgewinnen können.

Das sind - so mein Eindruck - gänzlich neue, ziemlich schrille Töne in einer bislang doch noch einigermaßen sachlich verlaufenen Debatte. Weitere - allerdings weitaus zurückhaltendere - Artikel zum neuesten "Spiegel" in der Süddeutschen, sowie im Factum-Magazin.

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