Samstag, 26. Mai 2007

Globalisierungsgegner vor 2000 Jahren

In den 1980er und 1990er Jahren horchte die archäologische Fachwissenschaft auf, als am südlichen Rand der norddeutschen Tiefebene im Bereich des heutigen Mittellandkanales bei dem Dorf Kalkriese das bis heute größte erforschte Schlachtfeld der Antike entdeckt wurde. Es ist zwölf Kilometer lang. Ein Schlachtfeld, das die Wissenschaft lange Jahrzehnte und Jahrhunderte lang unter großen Bemühungen vergeblich gesucht hatte, und um das sich seit "grauer Vorzeit her" nationale Mythen sammeln, denn es handelt sich um die berühmte Niederlage des römischen Feldherren Varus gegen den germanischen Stammesfürsten Arminius im Jahre 9 n. Ztr.. Sie setzte dem weiteren Vordringen des Römischen Weltreiches in den norddeutschen germanischen Raum hinein (die Elbe war das nächste Ziel) weltgeschichtlich gesehen einen Riegel vor und ermöglichte somit im weiteren Verlauf der Geschichte die Entfaltung der germanischen Völker zu jener kulturellen und geschichtlichen Bedeutung, aus denen heraus die westliche Welt noch heute lebt.

Es handelt sich also nicht nur um ein Ereignis von nationaler, sondern von europäischer Bedeutung. Diese Schlacht hinterließ sowohl in den römischen geschichtlichen Erinnerungen einen tiefen Eindruck wie auch in den germanischen Erinnerungen bis nach Skandinavien hinauf. Oft ist der "Drachentöter" Siegfried der Nibelungensage als ein Nachhall germanischer Erinnerungen an die geschichtliche Gestalt des Arminius empfunden und interpretiert worden. Natürlich flossen in diesen Sagenbestand noch zahlreiche andere Ereignisse der vielhundertjährigen römisch-germanischen Grenzbeziehungen an Rhein und Limes ein.

Die Erinnerung an die geschichtliche Bedeutung dieser Schlacht kann bewußt machen, daß nur Kulturen, die genügend (Sloterdijk'sche) "thymotische Energien" entfalten, auch langfristig in der Weltgeschichte ihre Geltung und ihr Dasein entfalten können und nicht von anderen Kulturen und Gesellschaften "niedergewalzt" und geschluckt werden, so wie dies das Schicksal der keltischen Völker im heutigen franzöischen Raum unter Gaius Julius Caesar war.

Natürlich entfalteten sich "thymotische Energien" vor 2000 Jahren noch oftmals ganz anders anders, als das von einer humaneren Gesellschaft in heutiger Zeit erwartet werden könnten und sollte. Aber wenn heute Kritiker zu Bedenken geben, "ob das «Abschlachten» von 20.000 Römern im germanischen Hinterhalt Anlass für ein Jubiläum sei" (Yahoo Nachrichten) - dieses steht nämlich in zwei Jahren an -, dann müßte man diese Kritiker wohl gleich mehrerlei fragen:

1. Wie glauben denn sie, wie sich heute Kulturen für ihre eigenen Selbstverteidigung und ihr eigenes Überleben einsetzen sollten?
2. Ob sie nicht auch glauben, daß heute mancherlei Widerstand gegen hemmungslose "Globalisierung" ganz ebenso ein Recht auf geschichtliche Geltung für sich in Anspruch nehmen kann wie damaliger Widerstand gegen "Globalisierung" und Eingliederung in eine "pax romana", die gewiß nicht jeder wünschte. Und
3. Ob sie nicht eher jene kritisieren sollten, die Soldaten des eigenen Landes (wie damals das Römische Weltreich) in ferne Länder schicken, die diese Soldaten eigentlich gar nichts angehen, als daß sie in erster Linie das Abschlachten dieser Soldaten kritisieren.

Auf dem Schlachtfeld bei Kalkriese jedenfalls wurden in einem Umfang allein nur römische Münzfunde gemacht, wie man sie bislang nur aus der Erforschung der 79 n. Ztr. durch einen Vulkanausbruch untergegangenen römischen Städte Pompeji und Herculaneum kannte. Aber nun eben nicht in irgendwelchen Kernräumen des Römischen Reiches, sondern in einem Außenbereich, der nur wenige Jahre überhaupt unter provisorischer römischer Herrschaft gestanden hat. Das hier geschlagene Heer war also allein von seinem mitgeführten Geldbesitz her im Durchschnitt nicht ärmer als die Einwohner der reichen, hochkultivierten Stadt Pompeji siebzig Jahre später. Längst hat die Erforschung dieses Schlachtfeldes zur Einrichtung eines Museums geführt, das mit großen Besucherzahlen alljährlich aufwarten kann.

Nun wird sich in zwei Jahren, im Jahre 2009, diese Varusschlacht zum 2.000 male jähren. Und da es sich um ein geschichtliches Ereignis von nationaler und europäischer Bedeutung handelt, hat die Bundeskanzlerin Angelika Merkel die Schirmherrschaft über die 2.000-Jahr-Feier, bzw. die dabei stattfindene Ausstellung übernommen. (Osnabrueck.de) Das Museum Kalkriese befindet sich nun nach Aussage des Museumsleiters Joseph Rottmann im "Arminius-Fieber". (Yahoo Nachrichten) Wir sind gespannt, ob die Ausstellung zu einer ähnlich machtvollen Demonstration anti-globalistischer Standpunkte führen wird wie dieses Jahr die Demonstrationen in Heiligendamm.

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