Samstag, 7. April 2007

Der Auerochse - Jagdwild in der Eiszeit, in Europa niemals domestiziert

Vor zwei Tagen wurde über die genetische Herkunft aller heutigen domestizierten europäischen Rinderrassen berichtet. (Studium generale) Nach den neuesten genetischen Studien stammen sie vollständig von Auerochsen (Wildrindern) ab, die in Anatolien und Syrien lebten, nicht von Auerochsen, die in Europa lebten.

Dazu sollen noch einige Ergänzungen gebracht werden. Es wurden in der Studie insgesamt 106 archäologisch gefundene Knochen auf DNS-Reste untersucht, die archäologisch zeitlich eingeordnet waren zwischen der Eiszeit und der Bronzezeit, und von denen 83 aufgrund archäo-zoologischer Kriterien wildlebenden Auerochsen und keinen domestizierten Rindern zugeordnet wurden (vor allem aufgrund der Größe und Robustheit der Knochen). Bei den restlichen Knochen war eine solche Sicherheit der Zuordnung (wildlebend oder domestiziert) nicht gegeben. Auf der folgenden Karte ist die geographische Verteilung dieser archäolgischen Funde zu ersehen:


Die Größe der Kreise gibt den zahlenmäßigen Umfang der jeweils untersuchten Knochenreste an. Obwohl das im Text nicht diskutiert wird, geht für mich aus dieser Karte hervor, daß offenbar (möglicherweise) im deutschen Mittelgebirge die wenigsten Rinderknochen gefunden wurden, die von den Archäo-Zoologen Auerochsen zugeordnet wurden, und die dann in der Untersuchung auch tatsächlich die Haplogruppe P aufwiesen, denen die europäischen Auerochsen zugeordnet werden. Man könnte daraus vielleicht schon auf die Häufigkeit der Verbreitung der Auerochsen im Neolithikum und in der Bronzezeit schließen. Danach würden sie nicht vor allem in den dichter bewaldeten Mittelgebirgen gelebt haben, sondern möglicherweise eher in "steppenartigen", weniger bewaldeten Landschaften Nordeuropas und Südosteuropas. Dies wäre vornehmlich an den Grenzen des bandkeramischen Verbreitungsgebietes gewesen, also des Lebensraumes des ersten mitteleuropäischen Bauernvolkes, das die damaligen Linden-Ur-Wälder Mitteleuropas rodete. (Linden, weil es damals etwas wärmer in Europa war als heute. Da fällt mir ein, daß das bezüglich des gegenwärtigen Klimawandels noch gar nicht zur Sprache kam: Demnach müßten nämlich auch künftig Linden überall dort besonders angepaßt sein, wo bisher Buchenwälder gewachsen sind.) Bekannt ist von den Bandkeramikern auch, daß sie ihre Nahrung nur auffallend und vergleichsweise gering durch die Jagd sicherstellten. Man findet in ihren Siedlungen ingesamt nur wenige Knochenfunde von Wildtieren.

Auch die neue Studie fand bei fünf oder sechs Rinder-Knochen, die domestizierten Rindern zugeordnet waren, den europäischen Auerochsen-Haplotypen, den es heute bei europäischen Rindern nicht mehr gibt. Aber bei allen diesen Knochen konnte die Zuordnung "domestiziert oder wildlebend", die vornehmlich anhand der Größe und Dicke der Knochen erfolgt, nicht eindeutig erfolgen. Die Forscher nehmen deshalb an, daß es sich auch bei diesen um Auerochsen-Knochen handelt.

In der Einleitung des Artikels wird Julius Cäsar zitiert, der in seinem "Gallischen Krieg" über die Auerochsen berichtet: "Sie sind nur wenig kleiner als der Elefant und haben die Erscheinung, die Farbe und das Aussehen eines Bullen. Ihre Stärke und Geschwindigkeit sind außerordentlich; sie verschonen weder den Menschen noch wilde Tiere, die sie entdeckt haben." Während der Eiszeit haben die Auerochsen eine besonders große Rolle gespielt im Leben unserer Vorfahren, wie aus der Fülle der Darstellungen in den Höhlenmalereien unserer Vorfahren hervorgeht.

Um so bemerkenswerter scheint es zu sein, daß sie diese Tiere nicht domestiziert haben, daß also noch andere Umstände hinzutreten mußten, damit es zur Domestikation kam. Das würde auch teilweise im Widerspruch stehen zu Thesen, die Jared Diamond in seinem lesenwerten Buch "Arm und reich" vertreten hat, nach der das Vorkommen einer Tier- oder Pflanzenart, die "domestizierbar" ist, auch früher oder später auch zu ihrer Domestikation geführt hätte. Zweifel blieben bei der kritischen Leserschaft von Anfang an - und verstärken sich nun zunehmend (obwohl es eine bestechende These war und ist).

Hier nun noch eine bunte Auswahl von Darstellungen in den Höhlenmalereien. Oft werden sie zusammen mit Wildpferden dargestellt. Tatsächlich auch kann man ja die hier dargestellten Tiere nicht so einfach harmlosere Hausrinder nennen. 1628 übrigens wurde der letzte Auerochse in einem polnischen Jagdgebiet von Wilderern zur Strecke gebracht und ist seither ausgestorben. Sogenannte "Nachzüchtungen", die man in verschiedenen deutschen Tierparks besichtigen kann, sind wohl höchstens dazu geeignet, vom Charakter und der Wesensart der eigentlichen, ausgestorbenen Auerochsen einen falschen Eindruck zu vermitteln.









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