Freitag, 16. März 2007

Wann willst du ein Kind? - fragt "Neon"

Die (neue) Lifestyle(?)-Zeitschrift für "junge Erwachsene", genannt "Neon", fragt: "Wann willst du ein Kind?" Nicht, daß sie zu dem Thema irgend etwas aufregend Neues zu sagen hätte (- wann wohl jemals hätte man so etwas von einer solchen Zeitschrift erwartet?) - aber es ist so ein bischen der "Ton", in dem über das Thema gesprochen wird, der - na, sagen wir ruhig - "neu" wirkt. Was genau ist daran neu? Hm. Irgendwie mehr Zurückhaltung? Irgendwie nicht mehr die aufklärerische "Sowieso-Besser-Wisser-Haltung"? - Eines jedenfalls ist sicher: Hier ist jenes Publikum angesprochen, um das alles in öffentlichen Diskussionen geht ... Möglicherweise ist es dieser Umstand, den man in früheren Jahren bewußt oder weniger bewußt verdrängt hat in solchen Zeitschriften. Aber wenn ich als Mann den folgenden Text lese, fühle ich mich nicht angesprochen und habe das Gefühl, daß hier nur Frauen angesprochen sind. Also, ist doch da wohl immer noch etwas falsch formuliert?

Im 5. Familienbericht der Bundesrepublik Deutschland von 1994 (erstellt unter Federführung von Prof. Rosemarie von Schweitzer) jedenfalls ist schon gefordert worden, daß solche Fragen regulär in der Schule behandelt werden müßten. Es sollten "Daseinskompetenzen" erlernt werden und nicht nur "Fachkompetenzen". Dieser Familienbericht ist in der öffentlichen Diskussion noch bis heute viel zu wenig beachtet worden, ich stelle aber gerade erfreut fest, daß er frei als pdf. herunterladbar ist inzwischen (hier). Eine allgemeine Orientierung religiöser oder nicht-religiöser Art, sowie eine stärkere Einbindung in eine feste soziale Gemeinschaft sollte bei solchen Entscheidungs-Findungen auch dienlich sein, wie wir inzwischen dazu gelernt haben.

Liebe Leserinnen und Leser,

das privateste Thema der Welt wird immer mehr auch ein politisches: das Kinderkriegen. Daran, dass sich die Generation NEON als »verantwortungsloses Pack« beschimpfen lassen muss, weil sie so wenig Kinder kriegt, hat sie sich gewöhnt – wie ungerecht die Vorwürfe im Einzelnen auch sind. In jüngster Zeit kam noch der fiese Begriff »Gebärmaschinen« ins Gespräch; es ging um junge Frauen und Familien, die sich selbst entscheiden wollen, wie schnell sie nach einer Geburt wieder ins Berufsleben einsteigen. Wahlfreiheit ist der zentrale Begriff in dieser verbissenen Diskussion, die junge Menschen zwar oft extrem nervt, aber auch stark betrifft. Wahlfreiheit wird gefordert oder bekämpft – Wahlfreiheit, nach der Geburt erst mal zu Hause zu bleiben oder schnell wieder arbeiten zu gehen, abgesichert durch eine spürbare Erhöhung der Anzahl der Krippenplätze und gesellschaftliches Wohlwollen.

Den meisten jungen Menschen kommt diese Auseinandersetzung mit zäher Ideologie der Fünfzigerjahre-Familie schon zu den Ohren raus. Doch selbst wer von alledem nichts mehr hören will, steht am Ende vor einer ganz einfachen Frage: Wann ist in meinem Leben wohl der beste Zeitpunkt für ein Kind? Hier wird die gesellschaftliche Debatte wieder privat, konkret und spannend. Denn jeder Einzelne muss für sich klären: Habe ich den richtigen Partner dafür? Will ich meine Ausbildung, meinen Beruf erst mal aufgeben? Wie wird das Kinderkriegen mich wohl selbst verändern? In unserer Titelgeschichte (ab Seite 50) hat sich NEON-Redakteurin Kerstin Kullmann mit diesen Lebensplänen, Sorgen und Glücksgefühlen beschäftigt. Interessant in diesem Zusammenhang: die Ergebnisse der NEON.de-Umfrage, in der mehr als zweitausend User berichten, was die wirklichen Gründe für ihre bisherige Kinderlosigkeit sind. Bei allem Druck und aller Kinderliebe ist nämlich eines auch völlig in Ordnung: zu sagen »Ich will (noch) keins, ich habe gerade andere Pläne.«

(Dies ist der Text ist aus dem Newsletter von "Neon".)

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