Donnerstag, 16. Dezember 2021

Monogamie und Schamhaftigkeit

Wenn Paare sich freier fühlen, wenn sie unter sich sind

In der ostafrikanischen Savanne lebt der Blaukopfastrild (engl. blue-capped cordon-bleu) (Wiki), eine sozial monogam lebende Vogelart. Wenn die Pärchen für sich sind, singen und tanzen die Partner füreinander (Abb. 1) (1).

Abb. 1: Tanzen und Singen von Blaukopfastrild-Pärchen (aus 1)

Wie schon Konrad Lorenz Anfang der 1970er Jahre vermutete und wie dann Robin Dunbar - ohne das Vorwissen der Lorenz'schen Vermutung - vor gut zehn Jahren eher durch Zufall heraus bekommen hat, sind monogam lebende Arten von Vögeln und Säugetieren intelligenter und haben ein höheres Gehirngewicht im Verhältnis zum Körpergewicht als nicht monogam lebenden Arten (2, 3).

Warum das so ist, ist noch nicht besonders gut verstanden. 

Aber Monogamie hat auch sonst eine immense Bedeutung für die Evolution in der Organismen-Welt überhaupt und auf vielen Komplexitäts-Stufen (4).


Womöglich kann deshalb auch dieser Blaukopfastrild in Ostafrika einige neue Hinweise geben zum Wesen der Monogamie ganz allgemein (1). 

Von paarweise lebenden Vogelarten kann ja eine unglaubliche Faszination ausgehen. Sie können sich gegebenenfalls auch dem Menschen gegenüber zutraulich und außerordentlich angenehm als "Begleiter" verhalten (5). So gibt es eine südwestafrikanische Zierpapageien-Art, die die "Unzertrennlichen" genannt werden (5).

Die Blaukopfastrild-Pärchen zeigen nun ein differenziertes Werbeverhalten untereinander. Nämlich nicht nur Singen, sondern gerne auch begleitet von Trippeln mit den Füßen, also Tanzen (6).

Das aktive Werbeverhalten findet in der Regel eine subtile Antwort beim anderen Partner - wie in der Grafik in Abbildung 1 sehr schön veranschaulicht ist: Der andere Partner zeigt seine Aufmerksamkeit durch Lautäußerung oder durch das Wedeln mit dem Schwanz. 

Abb. 2: Tanzen und Singen von Blaukopfastrild-Pärchen (aus: 1)

Besonders interessant darf man nun aber folgendes Forschungsergebnis erachten: Das genannte Tanz- und Singverhalten der Pärchen untereinander wird am häufigsten ausgeführt, wenn das Pärchen für sich ist (Abb. 2). Wenn ein drittes Tier als Zuhörer dabei ist, findet es viel seltener statt.

Das wäre vielleicht auch ein schöner Anlaß für den israelischen Verhaltensforscher Yitzchak Ben Mocha (Res.gate), seine Frage danach, warum Begattungsverhalten im Tierreich und beim Menschen verborgen oder "öffentlich" stattfindet (7) auf Werbeverhalten insgesamt zu erweitern. Auch hier scheint es ja - zumindest unter monogam lebenden Paaren - eine Neigung zu geben, dabei für sich zu bleiben.

Die Blaukopfastrild-Pärchen fühlen sich also freier und ungezwungener, wenn sie unter sich sind. Sie scheinen als Paar miteinander die meiste Erfüllung zu finden. Sie scheinen sich gegenseitig "genug" zu sein. 

Sie brauchen nicht "mehr" Publikum.

Sie brauchen nicht "mehr" Aufmerksamkeit. 

Ganz im Gegenteil.

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  1. Ota, N., & Gahr, M. (2022). Context-sensitive dance–vocal displays affect song patterns and partner responses in a socially monogamous songbird. Ethology, 128, 61- 69. 19.10.2021, https://doi.org/10.1111/eth.13240 
  2. 2008, https://studgendeutsch.blogspot.com/2008/08/ist-die-monogame-bindung-der-kern-aller.html
  3. 2008, https://studgendeutsch.blogspot.com/2008/08/stand-die-monogame-lebensweise-der.html
  4. 2018, https://studgendeutsch.blogspot.com/2018/01/lebenslange-hingabe-einen-einzigen.html
  5. Bading, Ingo: Das Rosenköpfchen. 2018, https://preussenlebt.blogspot.com/2018/09/der-entflogene-zierpapagei.html
  6. Tap dancing songbirds Blue-capped cordon-bleu, 19.11.2015, https://youtu.be/YkumbnYc8Ns.
  7. Why do human and non-human species conceal mating? The cooperation maintenance hypothesis. Proceedings of the Royal Society B, 2020 (Researchgate)

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