Der alte Kaufmann auf dem Markt in Islamabad. Seine Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Was hatte er gewollt? Hatte er etwa eine gerade erst ganz neu erschienene Studie zur Archäogenetik der indogermanischen Völker in Innerasien gelesen (1)? Womöglich funktionierte das Internet auch in Islamabad? ... Nachdem er sich aus dem wirbelnden Trubel des Marktgeschehens gelöst hatte und zu Hause angekommen war, begab er sich ans Studium (1, 2) ... Karakorum, Pamir, Taschkurgan ...
Ja, die genetische Geschichte der Tocharer in den Oasenstädten der
Seidenstraße, der "Sechsunddreißig Reiche der Westlichen Provinzen" und anderer Völker mit Steppen-, sprich indogermanischer
Herkunft daselbst ist insgesamt noch wenig ins Bewußtsein der Menschen im europäischen Westen getreten, auch deshalb, weil sie noch keineswegs besonders gut geklärt ist (siehe unsere
letzten Blogbeiträge dazu: 3-5) (Abb. 2).
Abb. 2: Regionen tocharischer Textfunde im Tarimbecken rund um die Taklamakan-Wüste im 5. bis 12. Jahrhundert n. Ztr., also entlang der Nord- und Südroute der Seidenstraße (Wiki), entlang der "Sechsunddreißig Reiche der Westlichen Provinzen" |
Wie war da auf Wikipedia über die "Westlichen Provinzen", insbesondere das Tarimbecken zu lesen (Wiki):
Vor dem Einsetzen der Ausbreitungsbewegungen der Turkvölker sprachen die Menschen dieser Region zwei Hauptgruppen der indoeuropäischen Sprachen. Die Menschen der Königreiche Khota und Kaschgar sprachen Sakisch, eine der ostiranischen Sprachen, während die Menschen von Kutscha, Turfan und Loulan tocharische Sprachen sprachen.Before the onset of Turkic migrations, the peoples of the region spoke two main groups of Indo-European languages. The peoples of oasis city-states of Khotan and Kashgar spoke Saka, one of the Eastern Iranian languages, whereas the people of Kucha, Turfan and Loulan spoke the Tocharian languages.
Ab wann die Sakische Sprache im Tarim-Becken gesprochen wurde, ist nicht ganz sicher, vielleicht "erst" ab dem 6. oder 2. Jahrhundert v. Ztr. (Wiki, engl). Dementsprechend muß es nicht unmöglich sein, daß im Südwesten des Tarimbeckens zuvor auch tocharische Sprachen gesprochen wurden (?). In der neuen Studie, auf die sich der Kaufmann auf dem Markt von Islamabad - wohl - bezogen haben wird, wird zunächst der derzeitige Forschungsstand folgendermaßen referiert (1):
... Weizen und Gerste haben sich schon 3.200 v. Ztr. bis in das Altai-Gebirge ausgebreitet. Ebenso sind domestizierte Schafe und Rinder in prähistorischen Kulturen Nordwest-Chinas festgestellt worden (z. B. in der Majiayao-Kulture, 3,550–2,850 v. Ztr; Qijia-Kultur, 2,450–1,650 BC). (...) Die Menschen des eisenzeitlichen Shirenzigou-Fundortes aus dem östlichen Tianshangebirge waren .... eher verwandt mit frühbronzezeitlichen Steppen-Herdenhaltern wie der Jamnaja- und/oder Afanasiewo-Kultur als mit den chronologisch jüngeren Sintashta- und Andronowo-Kulturen. ....A number of studies provided the evidence that the steppe cultures from western Eurasia had also integrated into the early Bronze Age cultures of western China. A recent archaeobotanical study showed that both wheat and barley had already spread to the Altai Mountains as early as 5,200 years ago (Zhou et al., 2020). Additionally, domesticated sheep and cattle were also observed in the prehistoric cultures of northwestern China (e.g., Majiayao culture, 3,550–2,850 BC; Qijia, 2,450–1,650 BC) (Fu et al., 2009). (...) A recent paleogenomic study on the Iron Age Shirenzigou individuals from the eastern Tianshan mountains further confirmed the previous observations and characterized that the West Eurasian ancestry was likely to be related to the Early Bronze Age steppe pastoralists such as Yamnaya and/or Afanasievo than the chronologically more recent Sintashta and Andronovo cultures (Ning et al., 2019). Wang W. et al. (2021) retrieved the whole mitochondrial genomes of ancient Xinjiang populations from the Bronze Age to Historic Era. Their results revealed that the Bronze Age Xinjiang populations had genetic affinities with Steppe-related and Northeastern Asian populations (Wang W. et al., 2021).
Die bisherigen archäogenetischen Studien bezogen sich nur auf die nördlichen und östlichen Teile und Ausläufer der Seidenstraßen-Region (Xingjang). In der neuen Studie kommt aber nun ein Fundort aus dem westlichen Teil dieser Region hinzu. Es werden die Ergebnisse der Sequenzierung der mitochondrialen DNA von 15 Skeletten des Xiabandi-Gräberfeldes mitgeteilt, das chinesische Archäologen 2003 und 2004 archäologisch erforscht haben (1).
Das Pamir-Gebirge
Um sich zunächst hinsichtlich der größeren geographischen Bezüge dieser Region zu orientieren, ist es sinnvoll, sich klar zu machen, daß das zentrale Gebirge dieser Region das Pamir-Gebirge (Wiki) ist (Abb. 3).
Abb. 3: Das Pamir-Gebirge verbindet den Hindukusch-Gebirgszug und den Karakorum-Gebirgszug im Süden mit dem Tienshan im Norden (Wiki) |
Der größte Teil dieses Gebirges entwässert nach Norden in den Amudarja, einen Fluß, der für mehrere vorgeschichtliche Völker und Kulturen von Bedeutung war. Der östliche Teil des Gebirges entwässert in das Tarim-Becken, darunter auch der Fluß Taschkurgan, von dessen Anwohnern im weiteren die Rede sein soll. Heute ist das Pamir-Gebirge größtenteils von Tadschiken bewohnt, die einstmals in wilden Bergdörfern gewohnt haben, die nur über schwer begehbare Bergsteige und durch wilde Flußtäler hindurch zu erreichen waren (8). Die ursprünglicheren Bewohner dieser Region scheinen aber Indogermanen der zweiten Ausbreitungsbewegung der indogermanischen Ostwanderungen (also der nachmals iranisch-sprachigen Andronowo-Kultur) gewesen sein. Wir erfahren (2):
Das Xiabandi-Gräberfeld befand sich bei den Dörfern Xindi und Xia Baldir, gehörend zur Stadt Baldir, gehörend zum Tadschikischen Autonomen Bezirk Taschkurgan, Xianjang.Xiabandi Cemetery was located in the Xindi and Xia Baldir Villages of Baldir Township, Taxkorgan Tajik Autonomous County, Xinjiang.
Über das Hineinkopieren der chinesischen Umschrift des Stadtnamens Baldir (Wiki) in Google Maps können wir den Ort genauer eingrenzen. Er liegt mitten im Pamir-Gebirge, und zwar zunächst grob 300 Kilometer südlich der Oasen-Stadt Kaschgar (Wiki) (G-Maps) und 50 Kilometer östlich der Bezirksstadt Taschkurgan (Wiki) (G-Maps) (Abb. 4).
Taschkurgan liegt - wie uns eingangs der Kaufmann auf dem Markt von Islamabad erzählte - an der Karakorum-Hochstraße (Wiki), die den Norden Pakistans quer durch das Pamir-Gebirge hindurch mit Kaschgar verbindet. Taschkurgan liegt auf 3.300 Meter Höhe. Es war vor 2000 Jahren die Hauptstadt eines der genannten Sechsundreißig Königreiche der Westlichen Provinzen. Die Menschen des erforschten Gräberfeldes werden also Einwohner dieses Königreiches oder eines benachbarten Königreiches gewesen sein. Die Gräberfelder wurden im Vorfeld des Baues der Xiabandi-Talsperre (Wiki) des Flußes Taschkurgan archäologisch erforscht.
Abb. 4: Der Weg von Taschkurgan flußabwärts bis zur Xiabandi-Talsperre und den dort in der Nähe gelegenen Xiabandi-Gräberfeldern (G-Maps) |
Der Fluß Taschkurgan kommt von Süden aus dem Karakorum und dem Hindukusch. Er durchfließt die Stadt Taschkurgan und biegt dann nördlich der Stadt Richtung Osten ab, eine Richtung, die er bis zur seiner Mündung in den Yarkant-Fluß, etwa 200 Kilometer weiter östlich beibehält. Um ihn zu erreichen, durfließt er die Xiabandi-Talsperre und schlängelt sich dann durch die hohen Berge des Pamir-Gebirges. Der Yarkant fließt dann nach Norden in das Tarimbecken, wo er sich mit dem Tarim-Fluß (Wiki) vereinigt, der weiter nach Osten fließt und im hinteren Teil der Tarim-Wüste verdunstet und versickert, die berühmten Pappeln dieser Flußlandschaft vertrocknen lassend. - Zunächst wird der bisherige Forschungsstand zur Archäologie der westlichsten Region Chinas, des Xinjang folgendermaßen referiert (1):
In den letzten Jahrzehnten sind viele kulturelle Hinterlassenschaften und archäologische Fundorte im westlichen Xinjang untersucht worden, die Merkmale der Mittleren und Späten Bronzezeit der eurasischen Steppen-Kulturen aufgeweisen (z.B. Sintashta und Andonowo). ... Weizen- und Hirse-Ernährung ... Studie der Schädel vom Liushui-Gräberfeld (950 v. Ztr.) zeigten, daß die Bevölkerung schon zwischen Ost und West vermischt war ....In recent decades, a number of cultural remains and archaeological sites in western Xinjiang, showing the traits that are characteristic of the middle and late Bronze Age Eurasian Steppe (Steppe_MLBA) cultures (e.g., Sintashta and Andronovo) (Shao and Zhang, 2019), were investigated. However, the stable isotope analysis of the Bronze Age Xiabandi (XBD) population provided direct evidence of wheat and millet consumption in the eastern part of the Pamir Plateau (Zhang et al., 2016), suggesting that the possible East-West cultural interactions and communications in westernmost Xinjiang can be dated to 1,500 BC. A craniometry study on individuals from the Liushui cemetery (∼2,950 BP) in western Xinjiang also showed that the population was already admixed between the East and West Eurasians but with the majority inherited from the former (Zhang et al., 2011).
Ob bei der Erwähnung der unterstellten Hirse-Nahrung schon in Rechnung gestellt ist, daß die C4-Signatur der Hirse auch von Pflanzen wie dem Amarant herrühren kann, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden (siehe letzter Blogbeitrag).
Abb. 5: Die Landschaft am Taschkurgan-Fluß in 3.300 Meter Höhe ist außerordentlich karg - Hier die Ufer am Xiabandi-Stausee (Wiki) |
Es heißt dann weiter (1):
... Die früheste Phase des Gräberfeldes wird auf die Bronzezeit datiert (1.500 bis 1.300 v. Ztr.). ... Die Funde ... legen nahe, daß die erste Phase des Xiabandi-Gräberfeldes zur Andronowo-Kultur gehörte. Das Gräberfeld enthielt 92 Gräber aus der Bronzezeit, es wurden aber nur 27 menschliche Skelette ausgegraben. ....The whole cemetery can be divided into three phases, the earliest of which was dated to the Bronze Age (3,500–3,300 BP), and the remaining two phages were dated to Han-Tang (∼2,200–1,300 BP) and Ming-Qing dynasties (∼600–300 BP) (Wu, 2012). The excavations of the jars with contracting neck, the bowls, the trumpet-shaped earrings, as well as the wide band-shaped bracelets in the first phase suggest that the XBD cemetery belongs to the Andronovo culture (Figure 1B; Wu, 2012). The cemetery contained 92 burials from the Bronze Age, but only 27 human skeletons were excavated. We selected 15 well-preserved skulls and sampled the intact and sound teeth for genetic research (Table 1; Supplementary Table 1A). The permission for the use of the 15 Bronze Age samples of the XBD cemetery was obtained from Xinjiang Cultural Relics and Archaeology Institute.
Es wurden nun nur die nur weiblich vererbten mitochondrialen Haplotypen sequenziert und untersucht. Zwei der 14 gefundenen Haplogruppen könnten eher "einheimischer" Herkunft sein. Die gefundene Haplogruppe U1a1c1 war zuvor schon in Individuen der Marghiana-Kultur ("Bactrial-Marghiana-Archaeological Complex" = BMAC), sowie im Iran gefunden worden. Sie könnte also, so wollen wir es etwas konkreter formulieren als in der Studie geschehen - ebenso wie die gefundene Haplogruppe HV14 - auf einen Herkunftsanteil zurückgehen, herstammend von der iranisch-neolithischen Herkunftsgruppe oder von mit ihr ursprünglicher vermischten Bevölkerungen hindeuten (die also von der Marghiana-Kultur oder verwandten Kulturen abstammen). In der Studie heißt es weiter (1):
Die übrigen 12 Haplogruppen .... sind jedoch in bronzezeitlichen Steppen-Herdenhaltern gefunden worden, in frühen Xinjiang-Gruppen und in prähistorischen Bevölkerungen Europas.The remaining 12 haplogroups (I4a, H6a1a, H5b, H11b, R1b, R1b1, T2a1b1, U2e1, U2e2a1d, U2e3, U4a1, U4c1), however, were detected in the Bronze Age steppe pastoralists, the ancient Xinjiang groups, and the prehistoric populations in Europe.
Damit haben wir es bei den bronzezeitlichen Menschen des Xiabandi-Gräberfeldes klar mit Indogermanen der zweiten indogermanischen Ostwanderung (Shintashta und Andronowo) zu tun. Drei Haplogruppen dieser Kategorie sind aber gleichzeitig auch in der Marghiana-Kultur festgestellt worden. Da die Indogermanen - ebenso wie die Marghinana-Kultur - einen iranisch-neolithischen Herkunftsanteil in sich tragen, muß dieses Ergebnis auf den ersten Blick nicht gar zu verwunderlich sein. Es macht auch bewußt, wie unscharf die Erkenntnis oft noch aufgrund alleiniger Auswertung von Haplogruppen bleiben muß.
In dieser Studie werden im Diskussionsteil die Tocharer - trotz dieser neuen Erkenntnisse - einmal erneut als Nachkommen der Afanasievo-Kultur angesprochen.*) Uns ist nicht klar, warum dies für wahrscheinlicher gehalten wird als daß die Tocharer Nachkommen von Menschen sind, die im Zusammenhang mit der zweiten indogermanischen Ostwanderung an die Seidenstraße gekommen sind. Muß denn nur ein "einziges" indogermanisches Volk angenommen werden, das in dieser Zeit gewandert ist? Können nicht auch gleichzeitig Völker mit Kentum- wie mit Satem-Sprache ostwärts gewandert sein? Diese Frage dürfte bis auf Weiteres ungeklärt bleiben.
Aber es erstaunt jedes mal aufs Neue, in welche abgelegenen Regionen dieser Erde es die Indogermanen getrieben hat, gerade auch im Inneren Asiens und hier bis auf 3.000 Meter Höhe des Karakorum-Gebirges. Schafhaltung spielt dort oben wie seit Jahrtausenden auch heute noch immer eine Rolle wie man diesem schönen kurzen, kleinen Film entnehmen kann (6):
Ergänzung (13.4.2022): Zwischen 770 v. Ztr. bis 70 n. Ztr. gab es eine befestigte städtische Siedlung Kuiyukexiehai'er (Koyuk Shahri) in der Region von Bülgür und Kucha im nördlichen Tarim-Becken (9), genauer südlich des südöstlichsten Teiles des Tianshan-Gebirges (Abb. 6).
Nach den Ausgrabungs-Funden war sie von der Chawuhu-Kultur (1000 bis 400 v. Ztr.) beeinflußt, benannt nach Gräbern, die bei Heijing (Wiki, engl) gefunden worden sind. Heijing liegt 300 Kilometer im Osten (Abb. 6) und ist heute zu 50% von Han-Chinesen, zu 28% von Uiguren und zu 17% von Mongolen bewohnt.
Abb.: Von Heijing nach Bülgür in der nordöstlichen "Ecke" des Tarim-Beckens |
Wie mit Abb. 2 schon erläutert, war in dieser Region bis ins 12. Jahrhundert hinein Tocharisch gesprochen worden, eine indogermanische Sprache.
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*) "The Tocharians may have moved eastward earlier than the Indo-Iranians. The Tocharians are likely to be closely associated with the Afanasievo culture in the Altai Mountains who were a successor of the Yamnaya culture in the Pontic–Caspian Steppe. The middle and late Bronze Age steppe pastoralists, such as the Sintashta, Andronovo, and Srubnaya, are believed to be associated with the dispersal of Indo-Iranian languages."
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- Ancient Mitochondrial Genomes Reveal Extensive Genetic Influence of the Steppe Pastoralists in Western Xinjiang. C Ning, HX Zheng, F Zhang, S Wu, C Li, ... Frontiers in Genetics, published: 22 September 2021 doi: 10.3389/fgene.2021.740167, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fgene.2021.740167/full
- Xiabandi Cemetery in Xinjiang, 2013, http://www.kaogu.cn/en/Publication/New_books/2013/1025/30108.html
- Bading, Ingo: 2/2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/02/tibeter-tocharer-japaner-chinesen.html
- Bading, Ingo: 11/2020, https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/11/die-altai-skythen-und-ihre-vorganger.html
- Bading, Ingo: 8/2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/08/die-indogermanen-der-nordgrenze-chinas.html
- Cameron Martus: Tashkorgan - An Introduction, 2016, https://youtu.be/Qq78OGt4Ax0.
- Wedding of the Eagle Ethnic Group, Tashkurgan, Xinjiang, 2016, https://youtu.be/mVVqatvlhXc.
- China's ethnic group Tajiks see life ascending on Pamir Plateau, 2020, https://youtu.be/fKpXrN3MHeA.
- Dang, Z., Li, C., Zhang, X., Xu, Y., Li, Y., Tian, D., & Zhang, C.
(2022). Early urban occupation in the Tarim Basin: Recent fieldwork
results from the fortified site of Kuiyukexiehai'er (Koyuk Shahri). Antiquity, 96(386), 463-470. doi:10.15184/aqy.2022.18 (Antiquity)
Sehr geehrter Herr Bading,
AntwortenLöschenda übertreibt der Kaufmann aus Islamabad ein klein wenig.
Bei meinem letzten Besauch betrug die Passhöhe am Kunjeran nur 4694m.
Mit freundlichen Grüßen
A.Mayr
Die Schreibfehler bitte ich zu entschuldigen, "Besuch" und "Kunjerab".
AntwortenLöschenJa, vielen Dank für das genaue Lesen! Ich habe es korrigiert.
AntwortenLöschen( Ich hätte nicht alles für bare Münze nehmen sollen, was mir da der Kaufmann aus Islamabad erzählte. Solche Leute neigen ja doch mitunter doch zu Übertreibungen ... )
Gefunden: https://www.nature.com/articles/s41586-021-04052-7 Kann man sich das mal ansehen?
AntwortenLöschenUnbedingt und hochgradig spannend!
AntwortenLöschenDsungarei übergehe ich, scheint nichts Neues zu sein. ABER:
"The EMBA individuals from the eastern Tarim sites of Xiaohe and Gumugou (Tarim_EMBA1) form a tight cluster close to pre-Bronze Age central steppe and Siberian individuals who share a high level of ancient North Eurasian (ANE) ancestry (for example, Botai_CA). A contemporaneous individual from the Beifang site (Tarim_EMBA2) in the southern Tarim Basin is slightly displaced from the Tarim_EMBA1 towards EBA individuals from the Baikal region."
Total revolutionär. Damit hatte ja niemand gerechnet.
Das hieße, die Wüstenmumien wären WEDER indogermanischer Herkunft NOCH auch iranisch-neolithischer Herkunft (Marghiana-Kultur), sondern stünden genetisch den sibirischen Jägern und Sammlern nahe. Über die erwähnte Botai-Kultur hatte ich letztes Jahr geschrieben:
"Die Angehörige der Botai-Kultur gehörten zu der Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler, hatten sich aber zu etwa einem Viertel mit den westsibirischen Jäger-Sammlern, die am Baikal-See gelebt haben, vermischt."
Und über die Chemurchek-Kultur (2.750-1.900 v. Ztr.) im Altai-Gebirge:
"Dieses Volk hatte zu 60 bis 80 % genetische Botai-Herkunft und zu 20 bis 40 % BMAC-Herkunft. Die einheimische Botai-Genetik hat im Norden des Altai 80 % betragen, im Süden des Altai 60 %."
Vielleicht hat die westsibirische Jäger-Sammler-Genetik auch zur Entstehung der Turkvölker beigetragen wie schon 2018 gemutmaßt werden konnte.
( https://studgendeutsch.blogspot.com/2018/07/sohne-der-sonne-die-indogermanen-asiens.html )
Nach Figure 2 stehen die Tarim-Wüstenmumien auf der Mitte zwischen (den blauen Kreisen) der osteuropäischen und (den dunkelblauen Quadraten) der westsibirischen Jäger-Sammler-Genetik und sind noch leicht verschoben in Richtung der Genetik der Ureinwohner Amerikas.
( https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/11/turkvolker-indogermanen-sarmaten-und.html )
Nach Figure 3 sind sie dann aber sogar die "reinsten" Vertreter der westsibirischen Jäger-Sammler-Genetik OHNE Einmischung osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik, während die Botai-Kultur zu 3/4 diese "Tarim-Genetik" hat, aber 1/4 osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik. Und DAS ist das eigentliche Ergebnis.
Weiter heißt es: "The Tarim_EMBA1 and Tarim_EMBA2 groups, although geographically separated by over 600 km of desert, form a homogeneous population that had undergone a substantial population bottleneck, as suggested by their high genetic affinity without close kinship, as well as by the limited diversity in their uniparental haplogroups."
AntwortenLöschenUnd:
"We modelled the Tarim Basin individuals as a mixture of two ancient autochthonous Asian genetic groups: the ANE, represented by an Upper Palaeolithic individual from the Afontova Gora site in the upper Yenisei River region of Siberia (AG3) (about 72%), and ancient Northeast Asians, represented by Baikal_EBA (about 28%)."
Die osteuropäischen Sammler stammen ja auch von Afontova Gora ab, wo man als ältestes blonde Haarfarbe entdeckte. Aber es kam dann noch die archaische nordostasiatische Devil's Cave-Genetik-Komponente bei der Ethnogenese des Tarim-Volkes hinzu.
Außerordentlich spannend.
Weiter heißt es, dass das Tarim-Volk schon vor etwa 10.000 Jahren - also als Jäger und Sammler - entstanden ist. Die Genetiker scheinen nun sogar dieses Tarim-Volk als die eigentlichen Vertreter der westsibirischen Jäger-Sammler-Genetik anzusprechen, die anderwärts (Baikal, Botai etc.) nur in Anteilen zu finden war, hier aber in ursprünglicher "reiner" Form vorzuliegen scheint. Sie sprechen von einer "isolierten Population". Und sie schreiben:
"The Tarim mummy genomes thus provide a critical reference point for genetically modelling Holocene-era populations and reconstructing the population history of Asia."
Obwohl es sich also um ein völlig einheimisches Volk zu handeln scheint, scheint es die Haltung domestizierter Tiere (Schafe, Ziegen, Rinder) und damit einhergehende Käse-Herstellung, sowie den Anbau von Getreide (Weizen, Hirse, Gerste) von außen angenommen zu haben. (Angeborene Rohmilchverdauung liegt aber nicht vor.)
Damit ist WEITERHIN ungeklärt, wie eine westindogermanische Sprache bis an den Ostrand des Ausbreitungsgebietes der Indogermanen gelangen konnte. Es bleibt weiter spannend. Vielmehr: Es wird immer spannender!
Die Forscher schreiben: "Studies of the sites and periods where first millennium ad Tocharian texts have been recovered—are necessary to understand the later population history of the Tarim Basin."
Als nächstverwandte Sprachen zum Tocharischen werden oft Hethitisch, Luwisch und Lykisch genannt (die indogermanischen Sprachen in Anatolien) (https://de.wikipedia.org/wiki/Tocharische_Sprachen).
AntwortenLöschenDas würde heißen, daß sich die Tocharer von den Vorfahren dieser drei Völker, die womöglich nördlich des Kaukasus lebten, abgespalten haben und gen Osten gewandert sind grob um 2.000 v. Ztr..
Man könnte mutmaßen, daß die Sintashta-Kultur das Muttervolk aller Satem-Sprachen ist, und daß die südlicher existierende Poltavka-Kultur das Muttervolk von Hethitisch, Luwisch und Lykisch ist. Dabei wäre zu mutmaßen, daß die Glockenbecher-Kultur und die Schnurkeramik-Kultur im Westen sprachlich der Poltavka-Kultur näher gestanden hätten, da sie ja wie Tocharisch, Hethitisch, Luwisch und Lykisch Kentum-Sprachen blieben.
Wilde Spekulation, ja!
Aber jetzt, wo deutlich wird, daß die Zuwanderung der Tocharisch-Sprachigen in spätere Jahrhunderte fallen könnte als 1.700 v. Ztr., dürften solche Gedankengänge womöglich neu zu erörtern sein.
Vielen, vielen Dank für Ihre Analyse!
LöschenHier habe ich noch einen Quora-Beitrag gefunden, der auch die Quelle hat, die ich bereits oben angegeben habe: https://www.quora.com/What-is-the-latest-research-on-the-Tarim-Basin-mummies/answer/Alexei-Muraki?ch=17&oid=316712763&share=3fc17072&srid=uXxZgE&target_type=answer
Ja, toller Beitrag!
AntwortenLöschenDer Archäogenetiker Lazaridis sagt auf Twitter zu der neuen Studie:
"This is a very interesting study! It would have been nice if phenotypic information on the studied individuals and predicted phenotypes were available, to see the correspondence -if any- with the mummies popularized in the West by V. Mair and others."
https://twitter.com/iosif_lazaridis/status/1453432216894128131
Auch Spencer Wells tut sich schwer, die neue Faktenlage zu akzeptieren:
"Can’t stop thinking about those Ancestral North Eurasians chilling in the Tarim basin for thousands of years, completely isolated, then suddenly deciding ‘why yes, we will adopt your steppe culture in its entirety - but no fraternizing.’"
https://twitter.com/spwells/status/1453859933326168064
Vagheesh Narasimhan geht es nicht anders.