Montag, 18. Oktober 2021

Die Jupiter-Giganten-Säulen

Ein eindrucksvolles Zeugnis der Religionspsychologie und Religionsgeschichte

Die "Jupiter-Giganten-Säulen" (Wiki), die in vielen galloromanischen Teilen des Römischen Reiches ab dem 1. Jahrhundert n. Ztr. aufgestellt worden sind, dürfen erhebliches religionsgeschichtliches Interesse auf sich ziehen (1-3) (Abb. 1-4).

Abb. 1: Jupiter reitet Taranis nieder - Cäsar siegt über Vercingetorix - Nachbildung einer 1922 freigespülten Jupiter-Giganten-Säule im Römermuseum Schwarzenacker im Saarland, einer vormaligen gallorömischen Etappenstadt (zerstört durch die Alemannen 275 n. Ztr.) (2)

Allein rund um Mainz haben sich bis heute 76 solcher Säulen in unterschiedlichen Varianten erhalten (1-3). Dargestellt ist auf ihnen immer, wie der höchste römische Gott Jupiter einen Giganten niederreitet (1):

"Ein weiterer in Obernburg gefundener Gigantenreiter trägt ein Rad im Arm, das Symbol des keltischen Himmelsgottes Taranis." 

Die Kelten interpretierten den Sieg Caesars über sie also - offenbar - als einen Sieg des Hauptgottes der Römer, Jupiter, über den Hauptgott der Kelten, Taranis. Dieser wurde nun als ein wilder, unzivilisierter "Gigant" empfunden und dargestellt, mit nacktem Oberkörper. Nachfolgende Generationen akzeptierten diesen Sieg, indem sie diese Jupiter-Giganten-Säulen in allen Teilen der unterworfenen Gebiete ab dem 1. Jahrhundert aufstellten und sich - bzw. ihre Vorfahren - darin als jene unzivilisierten "Giganten" sehen konnten, als die sie dort von Jupiter niedergeritten werden. 

Zeugnisse eines Glaubenswechsels

Zeugnisse eines Glaubenswechsels. Zeugnisse einer "Bekehrung", einer "Umerziehung".

Es erinnert das an ähnliche Darstellungen aus der Zeit der Christianisierung, als das christliche Kreuz über die gebeugte heidnische Irminsul triumphierte, etwa so wie es auf dem Relief auf den Externsteinen - Jahrhunderte später - dargestellt worden ist (Wiki). Oder etwa so wie später die "Kirche" als triumphierend dargestellt wurde über das Heidentum ("ecclesia triumphans"). Dabei ist das Heidentum dann gerne auch als "Synagoge" dargestellt worden: "Ecclesia und Synagoge" (Wiki). Die "Synagoge" hat dabei verbundene Augen (da sie "blind" ist) und trägt als Symbol der Niederlage eine zerbrochene Fahne im Arm.

Abb. 2: Die Jupiter-Giganten-Säule in Schwarzenacker im Saarland (Wiki)

Um es auf das Bildprogramm heutiger "Bekehrungen" zu übertragen: Es könnte das parallel gesetzt werden dem Sieg der materialistischen "Coca Cola-Kultur" über das "heidnische", teuflische, mit Verbrechen assoziierte Hakenkreuz (1945) oder parallel gesetzt werden dem Sieg Woodrow Wilson's über Wilhelm II. (der belgischen Kindern die Hände abgehackt hat) (1918). Oder dem Sieg des "glorreichen" Sowjetsterns über das "finstere" Zarenreich (1917) (und später dann - 1945 - ebenso über das verbrecherische Hakenkreuz).

Sonstige Zeugnisse kulturellen Eigenlebens der "Galloromanen"?

Diese Jupiter-Giganten-Säulen ziehen insbesondere auch deshalb die Aufmerksamkeit auf sich, weil Kulturzeugnisse aus "keltoromanischer", bzw. galloromanischer Zeit, die ein kulturelles Eigenleben erkennen lassen im Angesicht der übergestülpten römischen Kultur, und aus denen diesbezügliche Befindlichkeiten der Menschen abzulesen wären, die etwaig abweichend waren von denen der Menschen sonst im Römischen Reich, vergleichsweise spärlich gesät sind (zumindest soweit das Nichtspezialisten erkennbar werden kann)(s. Wiki, ebenso: Wiki).

Das Augenmerk der Forschung mag nach diesem kulturellen Eigenleben der Galloromanen auch noch vergleichsweise selten gefragt haben, denn sonst würde doch die Bedeutung dieser Jupiter-Giganten-Säulen längst viel umfassender erörtert worden sein in der Forschung. 

Abb. 3: Jupiter-Gigantensäule aus Sinsheim (zwischen Heidelberg und Heilbronn) - Badisches Landesmuseum (Ldmus)

In der Erläuterung zu den Abbildung 3 und 4 lesen wir (Ldmus):

Jupitergigantensäule wie sie üblicherweise in der Nähe von Gutshöfen und kleineren ländlichen Siedlungen errichtet wurde. Diese besaß eine Höhe von mehr als 6 m. Der Jupiterreiter ist einer der größten und künstlerisch wertvollsten seiner Art in Deutschland. Der Gott hält sein metallenes Blitzbündel hoch erhoben während er einen gestürzten schlangenfüßigen Giganten niederreitet. Die vier Seitenflächen des Kapitells, das auf einer geschuppten Säule saß, bilden stilisierte Akanthusblätter, geschmückt mit plastisch gearbeiteten Köpfen, welche die vier Jahreszeiten symbolisieren.

Solche Jupiter-Giganten-Säulen sind in Süddeutschland in den Zeiten der Christianisierung offenbar sehr bewußt zerschlagen und unkenntlich gemacht worden. Wie es überhaupt kaum Grabstelen oder Altäre gibt, auf denen die Gesichter der Dargestellten nicht bewußt zerstört worden sind. Hier folgte offenbar eine Bekehrung, eine "Umwertung aller Werte" der nächsten (1):

"Bemerkenswert ist, daß die Gesichter der Gottheiten auf dem Viergötterstein gewaltsam beschädigt waren."

Den heidnischen Germanen, die die gallorömischen Provinzen während der Völkerwanderung eroberten, werden solche Dinge nicht getan haben. Aus solchem Zerstörungseifer spricht ja doch viel eher der christliche Geist.

Der keltische Baumkult - Er lebt in Anklängen weiter

Wir hören weiter (1):

"Das Bildprogramm der Säulen spiegelt das Bevölkerungsgemisch in der Provinz Obergermanien: Es entstammt der römischen und keltischen Götterwelt. Römisch ist das Götterpersonal, keltisch ist der Baumkult, der in der geschuppten Säule sichtbar wird."

Wir lesen weiterhin (3):

"Die 'klassische' Jupitersäule, gekrönt von einem auf dem Thron sitzenden Jupiter, wie man ihn auch von Darstellungen der kapitolinischen Trias aus Rom kennt, entstand in Obergermanien im Raum Mainz und verbreitete sich von dort aus entlang des Mittelrheins bis hinauf an den Niederrhein, im nördlichen Gallien und Britannien. Die Jupiter-Gigantensäule als eigene Unterart, findet sich vor allem im östlichen Gallien, in Gallia Beligica, im Raum von Eifel, Mosel und Ardennen."

Und zu weiteren Details dieser Säulen (3):

"Über diesem Sockelstein folgt oft ein Zwischenblock, in den die Weiheinschrift 'IOM' gemeißelt ist - die Abkürzung für den Namen des höchsten Gottes, Iupiter Optimus Maximus."

Wir lesen weiter (3):

"Es gibt dabei zwei Ausprägungen der Zwischensäule: beim 'klassischen' Typ, wie in Mainz, besteht die Säule aus einzelnen Säulentrommeln oder -blöcken, in die ebenfalls Bilder und szenische Darstellungen von Göttern gemeißelt sind. Bei der gallischen Variante, der Jupitergigantensäule, sieht die Säule wie ein Baumstamm aus, es findet sich mehrheitlich ein markantes Schuppenmuster, seltener Eichenlaub, Weinranken oder andere Blätterdarstellungen." "Schon im 2. Jahrhundert v. Chr. berichtete der Grieche Maximos von Tyros, daß die 'Kelten als Götterbild des Zeus eine hohe Eiche verehren'. Auch der römische Dichter Valerius Flaccus beschreibt um 70 n. Chr. in seiner 'Argonautica' einen einheimischen Stamm an der unteren Donau, der Baumstämme mit der Statue Jupiters darauf verehren würde ('truncae Iovis simulacra coumnae'). In beiden Quellen wird eine baumartige Säule mit dem Gott Jupiter in Verbindung gebracht." 

Es wäre noch einmal sehr interessant, in welchem Verhältnis diese Jupiter-Giganten-Säulen und dsa Lebensgefühl, das sie zum Ausdruck bringen, zu späteren religiösen Entwicklungen stehen. 

Abb. 4: Jupiter-Gigantensäule aus Sinsheim (zwischen Heidelberg und Heilbronn) - Badisches Landesmuseum (Ldmus)

Die Galloromanen könnten ja schließlich angesichts eines solchen religiösen Denkens und solcher Symbolsprache auch vergleichsweise wenig Probleme gehabt haben, als sich der Mithraskult im Römischen Reich ausbreitete. In dessen Mittelpunkt steht ja auch eine vergleichbare Symbolik des Sieges. Es geht um den Sieg des Lichtgottes Mithras über den erdhaften Stier. Und dieser Mithraskult war ja auch eine Art Vorläufer der "Erlösungsreligion Christentum". 

Ob Jesus Christus in diesem Sinne dann nicht eigentlich - - - als eine Art Caesar anzusehen wäre (freilich: masochistisch ans Kreuz genagelt)? Und hätte sich die christliche Symbolik des triumphierenden Christus nur an diese Vorgänger-Kulte angepaßt? Durchaus Fragen, denen im Anschluß an diese Erscheinung der Jupiter-Giganten-Säulen weiter nachgegangen werden könnte. 

Es könnte sich auch die Frage stellen, ob von der Weihinschrift "IOM" das spätere "INRI" über dem Christenkreuz abgeleitet ist. Aber auf Wikipedia wird die christliche Symbolik noch viel zu sehr aus christlicher Eigensicht heraus dargestellt (Wiki), als daß der Umstand erörtert würde, daß das Neue Testament eine der vielen jüdischen Propagandaschriften darstellte, mit denen Nichtjuden zu Juden (Proselyten) bekehrt werden sollten, und daß man dazu natürlich immer auch an die Seh- und Gefühlsgewohnheiten der Menschen jener Zeit anknüpfte und anknüpfen mußte. 

Eine Fülle von Einsichten und Anregungen vermitteln diese Jupiter-Giganten-Säulen jedenfalls nach mancherlei Richtungen hin, vorwärts und rückwärts in die Zeit. Oft fand sich vor der Säule auch ein Altar, auf denen Opfer dargebracht wurden und um gute Ernte gebeten wurde. 

/ Nachtrag, 26.12.2021: Die Schriftzeugnisse für die gallische Sprache (Wiki) der Kelten, die vornehmlich aus Weihinschriften bestehen, enden im dritten Jahrhundert n. Ztr.. /

______________

  1. Festakt zur Einweihung der Obernburger Jupitergigantensäule, Antike Welt 2021, https://antikewelt.de/2021/09/09/festakt-zur-einweihung-der-obernburger-jupitergigantensaeule/
  2. https://www.flickr.com/photos/mickythepixel/49332227931
  3. https://incipesapereaude.wordpress.com/2015/08/24/jupitergigantensaeulen-eine-gallo-roemische-neuschoepfung/
  4. Kurt von Zydowitz: Glaubensumbruch ein Verhängnis.  700 Jahre germanisch-deutsche Geschichte. Band 1 bis 3, Teil I: 6. bis 8. Jahrhundert; Teil II: 10. bis 13. Jahrhundert. Band 3: Geschichte der Deutschen im Osten. Verlag Mein Standpunkt, Westerstede 1974 bis 1984

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen