Freitag, 11. Dezember 2020

Die Sachsen - Ihre Halsstarrigkeit

Neue Hinweise auf die lange Vorgeschichte des Widerstandes der Sachsen gegen das Christentum

In den 1970er Jahren hat man in der Stiftskirche von Enger in Westfalen bei Umbauten drei Gräber aus der Zeit um 800 n. Ztr. gefunden, also aus der Zeit, als diese Kirche ursprünglich erbaut worden ist. Es kann sich bei ihnen also - insbesondere auch aufgrund ihrer zentralen Lage - um sogenannte "Stiftergräber" handeln. In allen Details rund um diese Gräber und den darin gefundenen Skeletten finden sich keine Widersprüche zu der sonstigen, insbesondere auch mündlichen Überlieferung, nach der es sich bei diesen drei männlichen Begrabenen um den Sachsenherzog Widukind, seinen Neffen, sowie seinen Onkel handeln würde (1). Sie waren - vermutlich - die letzten deutschen Antichristen vor Friedrich Nietzsche.


Abb. 1: Gebeugte Irminsul auf dem Kreuzabnahme-Relief an den Externsteinen (Wiki)
 

Alle drei hatten an den Knochen Ansätze von Muskeln, die auf ein lebenslanges Leben im Sattel hinwiesen, auf durchtrainierte, kampftrainierte Körper bis zum Lebensende. Das ist - vermutlich - der stärkste Hinweis darauf, daß Widukind tatsächlich sich hat taufen lassen und daß er dann in der von ihm gestifteten Kirche auch als Stifter begraben worden ist - so wie es in allen historischen Quellen und mündlichen Überlieferungen dargestellt oder vorausgesetzt ist.

Ausgerechnet in der Stadt Enger hat sich nämlich auch eine Fülle von Volkssagen und -bräuchen rund um die Widukind-Gestalt gehalten, die man alle als "propagandistische" Erfindungen christlicher Priester und Mönche deuten müßte, wenn man die Darstellung der mittelalterlichen Quellen verwerfen wollte, nach der sich Widukind am Ende eines 30-jährigen Krieges hat taufen lassen und infolge dessen er dann auch - Jahrzehnte später - an seinen Lebensende in der von ihm gestifteten Kirche - als Christ und verehrter Stifter, sowie als Angehöriger des sächsischen Hochadels - hat begraben werden können.

Genau die "Verschwörungstheorie", nach der die gesamte mittelalterliche Überlieferung zu Widukind auf christlichen Fälschungen beruhen würde, ist in den 1920er Jahren fast selbstverständlich verbreitet worden unter vielen damaligen Neuheiden. Ihnen war ja von diesen drei Gräbern in der Kirche von Enger auch nichts bekannt. Es ging dabei psychologisch darum, vor sich selbst das Bild des lebenslang ungebrochenen Antichristen Widukind aufrecht erhalten zu können, als den man aber vielmehr sich selbst und seine Mitheiden insbesondere ansehen wollte, und von wo aus man dann ins Frühmittelalter hinüber extrapolierte. Wie psychologisch "notwendig" eine solche Extrapolierung auf solche vermeintlichen geschichtlichen "Vorbilder" war, zeigte sich schon wenige Jahre später, nämlich im Jahr 1945, als all die "ungebrochenen", aber scheinbar dann doch "lauen" Kirchenfreien und Antichristen auf leisen Sohlen alle wieder in die Kirche eingetreten sind. Denn sie mußten in der Adenauer-Zeit in vielerlei Hinsicht berufliche Nachteile in Kauf nehmen, wenn sie es nicht getan hätten. So stand es also um den "Bekennermut" all der Neuheiden der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

 


Doch taugte ausgerechnet Widukind als ein Vorbild für sie? Wo doch gerade unter solchen Neuheiden wie denen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ansonsten mündliche Volküberlieferungen und Volksbräuche eine so hohe Wertschätzung erfahren haben, selbst wenn man sie erst noch ihres christlichen Gewandes - oder vermeintlich christlichen Gewandes - entkleiden mußte? Als wahrer Kern all der Volküberlieferungen in Enger müßte dann doch offensichtlich gelten, daß Widukind als Christ gestorben ist. Natürlich ist diese Frage bis heute in letzter Instanz nicht geklärt.

Neue archäologische Funde und Befunde

Aber es gibt einen neuen Kurzvortrag aus dem Landesamt für Archäologie in Westfalen, Außenstelle Münster, in dem über archäologische Hinweise auf christliche Einflüsse innerhalb des sächsischen Adels und Hochadels seit dem 6. Jahrhundert referiert wird (2).

Ähnliche, hier dargestellte, bzw. vorausgesetzte christlich-heidnische Mischkulturen findet man ja auch - was in dem Kurzvortrag gar nicht erwähnt wird - bei den Alemannen vor ihrer Christianisierung und bei vielen anderen germanischen Stämmen in der Übergangszeit. Warum also sollte es bei den Sachsen so ganz anders gewesen sein?

Letztlich geht aus den dargestellten Funden und Befunden die doch vergleichsweise große Toleranz der heidnischen Sachsen gegenüber dem Christentum hervor. Irgendwann könnte es auch einfach "unschicklich" geworden sein, christliche Missionare zu erschlagen (2). Und diese Toleranz hatte dann die bekannten geschichtlichen Folgen.

Die Sachsen bleiben vor der Geschichte - infolge der 30-jährigen Sachsenkriege und der drakonischen Sachsengesetze, die Karl der Frankenkönig erlassen hat und erlassen mußte - zu welchen Ergebnissen man bezüglich all der Einzelfragen immer kommen wird, dennoch jener germanische Stamm, der die größte Halsstarrigkeit gegenüber politisch-religiösen Korrektheiten der damaligen Zeit aufgewiesen hat.

Und die offene Frage kann nun etwas genauer präzisiert werden: War er halsstarrig, obwohl er schon seit 200 Jahren Erfahrungen mit den Christentum hatte oder - - - weil er diese Erfahrungen hatte?

Ring frei zur Diskussion!

In einer Zeit wie der heutigen, in der es schick ist, keiner Kirche mehr anzugehören, sollte gelassener über all diese historischen Fragen gesprochen werden können als das jemals zuvor in der Geschichte gewesen ist.

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  1. Internetseite des Widukind-Museums in Enger mit den wichtigsten Informationen: https://www.widukind-museum-enger.de/
  2. Dr. Christoph Grünewald und Dr. Vera Brieske: Das Kreuz mit dem Kreuz. LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Münster, 03.12.2020, https://youtu.be/mSyXmIQjfP8.

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