Donnerstag, 6. Juni 2019

Meine ersten "Polygenic Scores"

Eine neue Auswertung durch die Firma "Genomelink" (Mai 2019)

Aus der Reihe "Meine Gene", Teil 9

Seine sequenzierten Gendaten kann man bei der Firma "Genomelink" (1) kostenfrei hochladen und auswerten lassen. Das wird - unter anderem - auf Facebook beworben. Aber die hierbei gewonnenen Erkenntnisse (die ich im folgenden referieren werde), darf man nicht zu hoch hängen. Sehr treffend dürfte das folgende Urteil über sie sein (zit. n. 3):
Derzeit können diese Auswertungen eher der Unterhaltung dienen und dazu, ihre Begrenztheit zu verstehen. Ich denke, der wichtigste Nutzen derselben besteht darin, daß sich Menschen mit genetischer Forschung beschäftigen - sagt Yaniv Erlich von DNA.Land
Right now, [these reports are] more just for entertainment and to understand the limitations. I think the main benefit is engaging people with genetic research. - Yaniv Erlich, DNA.Land

Die Firma selbst wird von großen Unternehmen unterstützt und die jungen Firmengründer stellen sich im Internet auch persönlich vor (2). Im folgenden die mir bislang kostenfrei zugänglich gemachten Ergebnisse. soll dabei heißen: "ja, kann ich bestätigen" (anhand meiner selbst und/oder auch meiner genetischen Verwandten). ✗ soll heißen: "hm, kann oder will ich so auf den ersten Blick erst mal nicht bestätigen".  

Es dürfte wohl für die große Mehrheit dieser Auswertungen gelten, daß der "polygenic score" viel umfangreicher ausgewertet werden müßte, um wirklich treffsichere Aussagen machen zu können. Diese Auswertung hier dürfte also bloß experimentellen Charakter haben, da sie meist auf weniger als zehn SNP's beruht, während Robert Plomin in seinem Buch (4) aufzeigt, daß hunderte, tausende, zehntausende SNP's pro Merkmal ausgewertet werden müss(t)en, um treffsichere Aussagen machen zu können.

Im Wesentlichen geht es in diesem Blogbeitrag nur darum, für welche Merkmale es überhaupt schon "irgendwelche" Erkenntnisse gibt, und daß sie in der Forschung erforscht werden. Es handelt sich allerdings um völlig provisorische, fast zufällige Aussagen hinsichtlich einer ersten Auswertung diesbezüglich.

A. Persönlichkeitsmerkmale


a) Ich soll geringe Belohungsabhängigkeit besitzen! Das hieße, ich KANN auf Bonbons verzichten im Marshmallow-Test. Das würde ich erst einmal so bestätigen.

b) Ich soll überdurchschnittliche Offenheit besitzen, das heißt laut Wikipedia: "einfallsreich, originell, erfinderisch, phantasievoll, intellektuell neugierig, offen für neue Ideen, interessiert an Ästhetischem wie Kunst, Musik und Poesie, mit Vorliebe für Abwechslung (statt Routine), Neigung zu neuen Aktivitäten, neuen Reisezielen, neuem Essen usw., aufmerksam für eigene und fremde Emotionen". Hm, gut, bestätige ich jetzt erst mal.

c) Ich bin eher unverträglich, sprich weniger verträglich (lt. Wikip. "Menschen mit niedrigen Werten werden als streitbar, egozentrisch, gegensätzlich und misstrauisch gegenüber den Absichten anderer beschrieben. Sie verhalten sich eher wettbewerbsorientiert als kooperativ." Aha, und das Gegenteil: "Personen, die verträglich sind, zeichnen sich durch Altruismus und Hilfsbereitschaft aus. Hohe Werte bei diesem Persönlichkeitsmerkmal sind charakterisiert durch Adjektive wie mitfühlend, nett, warm, vertrauensvoll, hilfsbereit, kooperativ und nachsichtig.") Na, vielen Dank auch. , ✗

d) Ich habe angeblich eine höhere Wahrscheinlichkeit, leichter wütend zu werden. Die Auwertung beruht auf einer Forschungsstudie aus dem Jahr 2014 (ncbi 2014), die man sich daraufhin erst noch mal genauer ansehen müßte. , ✗

e)  Ich habe angeblich eine weniger ausgeprägte Tendenz auf dem Gebiet des "novelity seeking", Neuerungssucht, dem stärkeren Reagieren auf neue Situationen (sprich wandelfroh statt behaarungsfreudig). Dies wird mir gesagt anhand des polygenic score von 10 SNP's, die in europäischen Populationen untersucht wurden. Immerhin. Wenn ich das aber recht mitbekommen habe, ist auch diese Eigenschaft verschaltet in hunderten oder tausenden von SNP's, weshalb auch diese Angabe vorläufig nicht besonders viel bedeuten muß. Übrigens ist das in früheren Beiträgen dieser Serie schon erwähnte - wie man finden kann sehr aussagekräftige - SNP rs1800955 dabei (noch?) gar nicht berücksichtigt. ✗

f) Von sechs aussagekräftigeren SNP's , die in Zusammenhang mit Spielsucht stehen, sagen drei eine geringe Neigung dazu voraus (50 %), eines eine mittlere Neigung dazu voraus (17 %) und zwei eine höhere Neigung dazu voraus (33 %). Ich kann mich nicht erinnern, daß ich jemals auch nur in die Nähe gekommen wäre, spielsüchtig zu werden. Diese Sucht oder die Neigung dazu liegt aber - ich würde sagen - fast bei der Mehrheit meiner näheren jüngeren Verwandten vor. , ✗


Abb. 1: Deine Gene, kleiner Mann (Aufnahme von mir aus dem Jahr 1966)

B. Intelligenz


a) Durchschnittliche allgemeine Intelligenz wird mir vorausgesagt anhand der Auswertung von 2 bei mir schon sequenzierten SNP's aus einer Gruppe von 16 SNP's, die grundsätzlich ausgewertet werden könnten. Es wird noch nicht einmal gesagt in Bezug auf welche Vergleichsgruppe "durchschnittlich". In Bezug auf die Weltbevölkerung? In Bezug auf die Europäer? Jedenfalls soll das auf einen IQ um die 100 hinweisen und damit läge die Voraussage nicht richtig. Aber eine Auswertung von nur 16 SNP's ist sowieso weitgehend ein Nonsens-Ergebnis angesichts der Erkenntnis der letzten vier Jahre, daß dazu 1000e von SNP's ausgewertet werden müssen.

b) Unterdurchschnittliche Intelligenz als Kind ("childhood intelligence"). Das ist eine komische Begrifflichkeit angesichts der Tatsache, daß der IQ zu 80 % angeboren ist und sich über das ganze Leben nicht ändert. "... The referenced study on children aged 6-18 years old ... The aggregate effect of an array of SNPs predicted 22-46% of variance in intelligence." Meine Gene wurden ausgewertet durch Vergleich mit den Ergebnissen dieser Studie von 2014 (an einer europäischen Untersuchungsgruppe), und zwar offenbar nur aufgrund der Tatsache, daß ich für das SNP rs13387221 GG habe. Das ist also mehr oder weniger ein Nonsense-Ergebnis. - Aber hier scheint doch zum ersten mal zumindest der Versuch gemacht worden, für mich einen "polygenic score" betreffend Intelligenz zu erheben. Es geht also weiter in der Forschung und Anwendung. Das kann einem gefallen.

b) Durchschnittliche mathematische Fähigkeiten. ("The ability to do math well, like intelligence, is a complex and highly polygenic trait. This means that many genes are involved.") Und die Aussage hinsichtlich "durchschnittlich" ist nur anhand einer Untersuchung an einer ostasiatischen Versuchsgruppe gewonnen worden (und zwar anhand dieser Studie von 2017), insbesondere anhand von SNP rs11743006, bei dem ich CA habe.

Schon die Aufteilung in unterschiedliche Arten von Intelligenz scheint mir nicht richtig zu sein, denn Intelligenz ist ganz allgemein hoch oder eben nicht hoch.

C. Körpereigenschaften


a) Morgenmensch
b) geringere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht
c) größere Ohrmuschel (!!!!)
d) größere Wahrscheinlichkeit für Übelkeit beim Autofahren (so so)
e) höhere Wahrscheinlichkeit für ein überdurchschnittlich langes Leben (festgestellt insbesondere anhand: rs4420638 AA, rs2075650 AA)
f) Hohe Wahrscheinlichkeit, eine Glatze zu bekommen. Mit sechs SNP's kann darüber offenbar schon eine gute Aussage getätigt werden. (Ich selbst habe allerdings mit 53 Jahren erst erste schwache Andeutungen einer solchen.)

D. Sport


a) guter Ausdauersportler

E. Ernährung


a) höhere Wahrscheinlichkeit, Raucher zu werden (kenne ich schon, siehe andere Beiträge aus dieser Artikelserie)
b) überdurchschnittlich viel Vitamin A im Blut
c) geringere Sensibilität für Bittergeschmacksstoffe (schließt auch scharfe Gewürze mit ein, was ich nicht so bestätigen kann)
d) Hühnereiweißallergie ("egg allergy"): Da ich rs5961136 TT habe, wird mir eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür voraus gesagt. Vier weitere SNP's, herausgearbeitet anhand einer europäischen Untersuchungsgruppe, sind offenbar von 23andme bei mir nicht sequenziert worden. Jedenfalls:

Mein Fazit: Vieles aus den Bereichen C bis E war mir schon aus früheren Test-Auswertungen bekannt (siehe andere Beiträge in dieser Artikelserie hier auf dem Blog). NEU sind vor allem die Ergebnisse für die Bereiche A und B. Aber da dürfte jeweils der "polygenic score" noch nicht sehr vollständig sein.

Bei den Persönlichkeitsmerkmalen richtet man sich übrigens nach den "Big Five", die einmal in die Psychologie eingeführt worden sind unter maßgeblicher Mitwirkung von Raymond B. Cattell. Seine Philosophie des "Beyondism" hat manche Ähnlichkeit mit derjenigen der deutschen Psychologin Mathilde Ludendorff. Auf ihre Gedanken hat er sich in seinen Frühwerken auch offen und sehr konkret bezogen. (Dieser Umstand ist wissenschaftsgeschichtlich noch so gut wie gar nicht aufgearbeitet ist.)


Ursprünglich erstesllt 12.5.2019;
wird jede Woche um jeweils
eine neue kostenlose Freischaltungen
bei Genomelink ergänzt: 
12./22.5./6.6./12.6./3.7.2019

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  1. https://genomelink.io/
  2. The Idea and People Behind Genomelink - Unleash the Power of DNA Data, 23.4.2018, https://medium.com/genome-link/the-idea-and-people-behind-genome-link-93e0138160e0 
  3. Diana Kwon: What Your DNA Can't Tell You, https://www.the-scientist.com/news-opinion/what-your-dna-cant-tell-you-66523 
  4. Plomin, Robert: Blueprint, 2018

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