Mittwoch, 19. Dezember 2018

"Er sitzt wieder im Sattel, der genetische Determinismus"

Eine wissenschaftliche Revolution ist im Gange - Rund um polygenetisch vererbte Merkmale

Nach so vielen anderen wissenschaftlichen Revolutionen auf dem Gebiet der Humangenetik in den letzten Jahrzehnten ist zur Zeit wiederum eine neue im Gange (1):
"Es konnte inzwischen gezeigt werden, daß polygenetische Auswertungen die Risiko-Voraussagen für Prostata-, Eierstock- und Brustkrebs verbessern können. Sie können auf Merkmale hinweisen, die auf lokale Anpassung zurück zu führen sind ..."
- bei denen also - im Klartext gesprochen - angeborene Volks- und Rasse-Unterschiede vorliegen -
"... und die den Weg des evolutionären Wandels nachverfolgen lassen."*)
Was hier mit wenigen Worten angedeutet ist! Ob es die deutschen (Rechts-)Intellektuellen verstehen, verstehen wollen, was hier an neuem Futter zur geistigen Auseinandersetzung bereit liegt? Ob sie zugreifen (2)? Oder ob sie weiter warten, daß jemals rechtskatholische oder rechtschristliche Intellektuelle besonders eifrig dabei voranschreiten werden? Das haben sie noch nie getan und werden sie niemals tun, mögen sie den Begriff "Neue Rechte" auch noch so sehr für sich gehijackt haben. Sie haben ihn vielmehr gehijackt, um genau eine solche Auseinandersetzung seit Jahrzehnten zu lähmen und abzutöten. In seiner ursprünglichen Bedeutung heißt "Neue Rechte" nämlich: Sich auf die Forschungen des Intelligenz-Forschers Arthur Jenssen beziehen. Und es heißt zugleich: wissenschaftsnah und nichtchristlich zu sein.

Abb.: "Blueprint" von Robert Plomin,
September 2018

"Er sitzt wieder im Sattel, der genetische Determinismus"


Er ist also wieder am Start - huh, huh, huh, der: "genetische Determinismus", der allen Gesellschaftsmanipulatoren und -ideologen ein so großer Dorn im Auge ist. Im englischen Original wird es verkündet: "Genetic determinism rides again" (1). Er sitzt wieder im Sattel und reitet. Denn er ist ja der Leibhaftige selbst. Menschheit, du arme, wer beschützt Dich vor ihm?

In Form solcher "düsteren" Unheils-Botschaften kann eigentlich nur die Besprechung eines neu erschienenen Buches (1) veröffentlicht werden, das dann doch wohl so seine eigenen Qualitäten haben wird. Der Autor, Robert Plomin, bürgt gewiß für eine solche Qualität. Bislang hat man ihn immer als denjenigen Erforscher der Erblichkeit menschlicher Intelligenz-Unterschiede wahrgenommen, der noch die harmloseste Variante dieser Erblichkeits-Annahmen zu vertreten schien. Und nun das!?

In seinem neuen Buch "Blueprint" (2) ist nun auch bei ihm alles ganz anders. Und das scheint in einem Umstand begründet zu liegen, der der Erwähnung mehr als wert sein sollte. Es geht darum, daß die modernen Methoden der Gen-Sequenzierung und ihrer statistischen Auswertung es inzwischen erlauben, polygenetisch vererbte Merkmale zu erforschen in einem Umfang und in einer Präzision, wie man das bislang nur mit monogenetisch vererbten Merkmalen hat tun können. Polygenetisch heißt, daß viele hundert, ja, viele tausend und zehntausend Stellen im Genom die Ausprägung eines bestimmten Merkmales mitbestimmen, aber jeweils nur zu ganz geringen Anteilen.

Die "politisch Korrekten" hatten lange gehofft, daß polygenetische Vererbung so schwer erforschbar bleiben würde, daß man letztlich nie würde "beweisen" können, welche Vererblichkeit bei Merkmalen wie Intelligenz tatsächlich vorliegt. Das war natürlich immer schon Unsinn, weil man das seit der Zwillingsforschung alles schon bestens weiß, und weil deshalb der "genetische Determinismus" nicht "wieder" reiten muß, sondern - seit Jahrzehnten - nie aufgehört hat, hübsch regelmäßig in Trab und Galopp zu reiten. Er ist ein guter Reiter, er wird so leicht nicht abgeworfen, seine Pferde machen so leicht nicht schlapp, sie heißen schlicht: alle Bereiche der Naturwissenschaft.

Es ist also nur Rhetorik, wenn man uns weismachen will, die Erblichkeit aller menschlichen Merkmale wäre zeitweise so etwas wie "widerlegt" gewesen und der böse Reiter hätte eine Weile lang "Ruhe" gegeben. Das hat er nie, nur rechtschristliche Intellektuelle haben alles, was darüber zu sagen ist, beschwiegen, und haben mit dümmlicher Rhetorik versucht, das Thema so klein wie nur möglich zu halten. Das scheint nun noch weniger möglich geworden zu sein als es bislang sowieso schon möglich war.

In der Tat scheint diese "polygenetische Revolution" etwas völlig Neues darzustellen. Und in dem neuen Buch "Blueprint" von Robert Plomin (2) kann man sich über diese Revolution offenbar gut kundig machen. Es wird dann auch gleich geunkt, daß die Abwesenheit jeder Erwähnung des Wortes "Rasse" in diesem Buch sehr verdächtig sei. Vermutlich ist der Gebrauch dieses Wortes unnötig, da das dahinter stehende Konzept offenbar überall mitgelesen werden kann.

In Interviews schlägt Robert Plomin ganz ausdrücklich und bewußt einen Bogen um "Gruppen-Unterschiede", er meint, er müsse nicht alles behandeln. Womit eigentlich alles gesagt ist.

Aber sei es drum: "Er sitzt wieder im Sattel, der genetische Determinismus", besser gesagt: das Wissen um die große Erblichkeit aller menschlichen Merkmale, aller menschlichen Eigenschaften.
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*) Original: "Polygenic scores have been shown to improve risk predictions for prostate, ovarian and breast cancers. They can point to traits that might have been influenced by local adaptation, and gauge the pace of evolutionary change."
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  1. Comfort, Nathaniel: Genetic determinism rides again Nathaniel Comfort questions a psychologist’s troubling claims about genes and behaviour. Nature, 25.9.2018, https://www.nature.com/articles/d41586-018-06784-5
  2. Plomin, Robert: Blueprint - How DNA Makes Us Who We Are. Allen Lane, September 2018, https://www.amazon.de/Blueprint-How-DNA-Makes-Who/dp/0241367697/
  3. Warren, Matthew: The approach to predictive medicine that is taking genomics research by storm. Nature, 10.10.2018, https://www.nature.com/articles/d41586-018-06956-3

Montag, 12. November 2018

Große Kulturunterschiede im Verhalten gegenüber Kindern

In Afrika wachsen Kinder in grundlegend anderer Weise auf als in Europa

Heidi Keller, die von uns schon seit Jahren geschätzte Bindungsforscherin aus Osnabrück schreibt in einem neuen Artikel (1), daß die moderne Bindungsforschung der letzten Jahrzehnte einem westlichen, europäischen Bindungsmodell eine Allgemeinheit zugesprochen hat, die ihm weltweit gar nicht zukommt. So liegen zwischen Kindern und Erwachsenen im bäuerlichen Afrika südlich der Sahara zum Beispiel ganz andere Bindungsmuster vor als bei uns in Europa, ein ganz anderes Verhalten gegenüber Kindern als in Europa.

Diese Zusammenhänge hatten sich in den Arbeiten von Heidi Keller schon vor mehr als zehn Jahren angedeutet (2). Jetzt aber ist man offensichtlich in den Erkenntnissen wesentlich weiter gekommen. Kinder in Afrika, so schreibt Heidi Keller, zeigen so gut wie keine Fremdenangst (1):
"Kulturwissenschaftliche Forschungen (z.B. in Gemeinschaften südlich der Sahara wie den Beng an der Elfenbeinküste oder den Nso in Kamerun) machen nur allzu deutlich, daß Fremdenangst nicht zum Verhaltensrepertoire von heranwachsenden Kindern dieser bäuerlicher Kulturen gehört. Auch wenn Kinder mit einer biologischen Neigung geboren sein sollten, Fremdenangst zu enwickeln, beruht das tatsächliche Auftreten derselben auf den Erfahrungen, die im Kulturzusammenhang gemacht werden. Eng zusammen lebende, traditionelle bäuerliche Gemeinschaften in der nichtwestlichen Welt sind normalerweise nicht das Ziel von Besuchen von Fremden, so daß Familien keine etwaigen Gefahren sehen. Auf der anderen Seite ist es für die Familien wichtig, Kinder mit den vielen Helfern vertraut zu  machen, die in die auf viele Schultern verteilten Arbeiten und Verantwortlichkeiten eingebunden sind."
Original: "Cultural evidence [e.g., from subSaharan communities such as the Ivorian Beng or the Cameroonian Nso] clearly indicates that stranger anxiety is not part of the behavioral repertoire of the developing child in these agrarian cultures. Even if infants were born with a biologically based predisposition to develop stranger anxiety, the actual occurrence of anxiety would depend on contextual experiences. Close-knit traditional farming communities in the non-Western world are usually not a target for visits of strangers, so that families do not see potential dangers. On the other hand it is vital for families to familiarize infants with the multiple caregivers associated with distributed workloads and responsibilities."
Abb.: Heidi Keller
Das heißt, alle Menschen eines bäuerlichen Dorfes in Afrika werden von den Kleinkindern und Kindern nicht als "Fremde" angesehen. Und dementsprechend verhalten sie sich auch. Das dürften schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden in europäischen Bauerndörfern anders gewesen sein. Heidi Keller (1): 
"Die meisten Kinder in den Bauerndörfern der Nso in Kamerun fürchten sich nicht vor einer sich ihnen nähernden, fremden Frau, die sie aufhebt und sich mit ihnen von der Mutter wegbewegt. Vielmehr zeigen sie einen neutralen Gesichtsausdruck. Die Höhe des Streßhormons Kortisol (das sich in der Spucke findet), geht zurück, wenn die Fremde vom Ansehen zum physischen Kontakt übergeht."
Original: "Most Cameroonian Nso children in farming villages are not afraid of an approaching strange woman who picks them up and moves away from the mother with them. They display neutral facial expressions, and the level of the stress hormone cortisol (as indicated in the saliva) declines from the visual to the physical approach of the stranger."
Die biologischen Eltern spielen in der Welt der Kleinkinder und Kinder Afrikas sowieso eine viel geringere Rolle als bei uns in Europa. Es gibt diese enge und starke Bindung an Eltern gar nicht, die wir in Europa für so selbstverständlich und allgemein für "human" halten - und wie sie auch in diversen internationalen "Kinderrechte"-Diskussionen eine so große Rolle spielt. Hier dürfte auch der Grund dafür liegen, daß Kinder in Afrika gar nicht so stark leiden, wenn Eltern sich scheiden lassen. Diesbezüglich haben sich also in Europa, bzw. auf der Nordhalbkugel ganz andere Bindungsmuster ergeben, Bindungsmuster, in denen "primäre Bezugspersonen" (Mutter, Vater, Großmutter etc.) immer schon eine viel größere Rolle gespielt haben als sie das in bäuerlichen Gemeinschaften Afrikas südlich der Sahara getan haben. Heidi Keller schreibt (1):
"Scheidecker hat die sozialen Beziehungen von Kindern während ihrer ersten vier Lebensjahre in Dörfern im südlichen Madagaskar untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß die Gruppe der Kinder bis zum fünften Lebensjahr fast die einzige waren, die mit den Kindern in soziale Interaktion getreten sind."  
"Scheidecker has analyzed the social relationships of children during the first 4 years of life in South Madagascan villages. It turned out that the peer group of children up to 5 years of age almost exclusively interacted socially with infants."
Die Eltern geben sich also auf Madagaskar mit den Kindern so gut wie gar nicht ab, auch nicht Großeltern oder andere Erwachsene, sondern gleichaltrige oder ältere Kinder spielen mit gleichaltrigen oder jüngeren Kindern und passen auf sie auf.

Während in westlichen Eltern-Kind-Dyaden das Zueinander-Hingewendet-Sein die größte, die zentrale Rolle spielt, sowie die dabei statthabende visuelle und stimmliche Kommunikation (2), ist das in Afrika ganz anders (1):
"In bäuerlichen Familien bedeutet gute Fürsorge der Kinder, die Aktivität der Kinder zu organisieren und zu führen. Dies wird hauptsächlich verwirklicht durch eine direkte Fürsorge über den fast ständigen Körperkontakt und die Köperwahrnehmung. Sich synchron mit anderen zu verhalten, wird übermittelt durch die geteilten körperlichen Rhythmen. Diejenigen, die sich um die Kinder kümmern, orientieren deren Gesicht nach draußen, in Richtung der anderen. (...) Der Gedanke, daß das Kind belehrt, geführt und geleitet werden muß, geht Hand in Hand darmit, daß das Kind als ein Lehrling angesehen wird. Somit lernen die Kinder in vielen nichtwestlichen, ländlichen Gemeinden auf unterschiedlichen aber sich ergänzenden Wegen zunächst und hauptsächlich die Sichtweise anderer, sowie ihren Platz im sozialen Zusammenhang."
"In rural subsistence-based farming families good parenting/ infant care implies taking the lead in organizing and directing the children’s activity. This is realized mainly through proximal care, with almost constant body contact and bodily sensitivity. Being in synchrony with others is transmitted through shared bodily rhythms. Caregivers orient the infants facing outward, toward others. (...) The idea that the child needs to be instructed, directed, and guided goes hand-in-hand with the view of the child as an apprentice. Thus, in many non-Western rural communities, in different but complementary ways, infants learn first and primarily the views of others and their place in the social system."
Wir erfahren (1):
"In einem Kommentar zu einem Aufsatz von Mesman und Koautoren fassen Keller und Koautoren schließlich zusammen, daß die Attachment-Theorie und die Kultur- bzw. die kulturübergreifende Psychologie in ihren Grundlagen wenig Gemeinsamkeiten aufweisen."
"Keller et al. conclude in a comment to the Mesman et al. paper that attachment theory and cultural/crosscultural psychology are not built on common ground."
Sprich: Menschliche "Universalien" im Umgang mit Kleinkindern gibt es in dem Umfang wie bislang vorausgesetzt gar nicht. Damit scheint übrigens auch eine Korrektur oder Ergänzung der Aussagen von Irenäus Eibl-Eibesfeldt zur weltweiten Kinderbetreuung und zu weltweiten Erziehungsstilen einher zu gehen. Keller schreibt (1):
"Parenting practices in other than the Western middle class and in accordance with attachment theory’s philosophy are often misconceived as intrusive and unresponsive (not following the infant’s lead), harsh (motor and rhythmichandling), emotionally distant (not expressing emotions openly), neglectful (not interacting primarily verbal), and unable to mentalize (not talking about infant’s inner mental states)."
Jüngst ergab auch die kulturvergleichende Auswertung von Kinderzeichnungen ähnliche Ergebnisse (1):
"Family drawings from children belonging to Berlin middle-class families or Northwest Cameroonian Nso farmer families. The Berlin children were predominantly classified as securely attached, whereas the Nso children were predominantly classified as insecurely attached. However, most children in both groups drew their families in line with the cultural concepts of person and family that had been analyzed in previous studies with children’s drawings of the self and their family (with drawing competence controlled for) (55, 56). The majority of German middle-class children drew themselves next to the mother or father, all figures separated from each other, tall, and standing on the baseline of the sheet with arms upwards, being individualized with smiling faces. These characteristics are all indicative of secure attachment relationships (53). The Nso farmer children often drew their families floating somewhere on the sheet or in the corners with figures close together or overlapping. Figures are drawn incomplete, small, not individualized, arms downward, and with neutral facial expression or no facial details at all. Many children do not draw themselves or the mother or father and never draw themselves next to a parent. All these characteristics are indicative of insecure attachment relationships according to attachment researchers."

Bedenken, daß Forschungsergebnisse abwertend gedeutet werden könnten


Ergänzung 12.7.2019:  Zum Thema ist ein neuer Artikel im "Science Magazine" erschienen (3). Da will man die Psychologie also international auf einen neuen Weg bringen im Max-Planck-Institut in Leipzig und will nicht mehr Menschen europäischer Abstammung allein als Untersuchungsobjekte für "Mensch an sich" gelten lassen. Und diesem Anliegen steht man im Grunde auch positiv gegenüber. Aber in der letzten Frage des Interviews mit Daniel Haun, MPI Leipzig, der Forschen auf dieser Linie vorantreibt, werden dann doch auch Bedenken laut (31):
Frage:
Neonazis und andere Rassisten benutzen kulturelle Unterschiede immer noch, um zu behaupten, daß bestimmte Gruppen anderen überlegen wären. Wie vermeiden Sie diese Gefahr?
Neo-Nazis and other racists still use cross-cultural differences to argue that certain groups are superior. How do you avoid this danger?
Antwort:
Indem wir dem knallhart entgegen treten. Wissenschaftler können sehr sorgsam sein bei der Interpretation ihrer Daten und sich an der Debatte beteiligen. Ich denke nicht, daß Rassismus dadurch beseitigt wird, daß wir es vermeiden, uns mit der Tatsache zu beschäftigen, daß es Vielfalt gibt ebenso wie Ähnlichkeiten über die Menschheit hinweg. Und die antreibenden Faktoren der Vielfalt können uns einige Antworten geben über fundamentale Fragen darüber, wer wir sind und wie wir funktionieren.
By confronting it head on. Scientists can be careful in interpreting their data and engage in the debate. I don't think racism goes away if we avoid the fact that there is variation as well as similarity across humans. And the drivers of variation might give us some answers about fundamental questions of who we are and how we work.
Gut geantwortet. Und besonders Grund, vielem knallhart entgegen zu treten und vieles zu debattieren wird es geben, wenn Forscher dann noch zusätzlich auf den Gedanken kommen, ihre Forschungsergebnisse in Beziehung zu setzen zu Polygenischen Erblichkeitsschätzungen ("Polygenic Score"), die die Speerspitze der derzeitigen genetischen Revolution bilden.

Ergänzung 12.3.2020: Es ist mehr als naheliegend zu vermuten, daß der andere Umgang mit Kindern auch in einem Zusammenhang steht mit einem ganz anderen Zusammenleben der Erwachsenen untereinander. Schon lange ist vermutet worden, daß polygames Verhalten in Afrika eine viel größere Verbreitung aufweist als innerhalb von Europa. Inzwischen ist aber eine erste sichere Studie dazu erschienen, in der aufgezeigt wird, daß bei den Himba in Südwestafrika nur die Hälfte der geborenen Kinder außereheliche Kinder sind (4, 5). Sie scheinen aber in vielen Teilen von den Vätern, die wie die Mütter größtenteils sehr richtig vermuten, daß der soziale Vater nicht der leibliche Vater ist, von diesen sozialen Vätern genauso gut behandelt zu werden wie die leiblichen Kinder (4, 5). 

Weiterführung der allgemeineren Diskussion rund um "WEIRD" im Jahr 2020: (6). [11.4.2020]
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  1. Keller, Heidi: Universality claim of attachment theory: Children’s socioemotional development across cultures. In: PNAS, 6. November 2018, Vol. 115, no. 4, S. 11414–11419, www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1720325115
  2. Bading, Ingo: Kinderbetreuung im Kulturvergleich - Die Forschungen Heidi Kellers. Studium generale, 23. April 2007, https://studgendeutsch.blogspot.com/2007/04/kinderbetreuung-im-kulturvergleich-die.html
  3. Psychologist aims to study diverse minds, not WEIRDos Kai Kupferschmidt, Science 12 Jul 2019: Vol. 365, Issue 6449, pp. 110 DOI: 10.1126/science.365.6449.110
    https://science.sciencemag.org/content/365/6449/110
  4. B. A. Scelza, Sean Prall, N. Swinford, B. M. Henn: High rate of extrapair paternity in a human population demonstrates diversity in human reproductive strategies. February 2020, Science Advances 6(8) DOI: 10.1126/sciadv.aay6195 (Resarchgate)
  5. Why men invest in non-biological offspring:   paternal care and paternity confidence among Himba pastoralists    Sean P. Prall http://orcid.org/0000-0001-5719-6460 and Brooke A.   Scelza   Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, Vol. 287, No.   1922 (1922)   https://royalsocietypublishing.org/doi/abs/10.1098/rspb.2019.2890 
  6. Thalmayer, A. G., Toscanelli, C., & Arnett, J. J. (2020). The neglected 95% revisited: Is American psychology becoming less American? American Psychologist. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/amp0000622

Die sibirischen Mammutjäger der Eiszeit - Sie sind genetisch ausgestorben

Nach der Eiszeit wanderten ostasiatische Völker in Sibirien ein

Eine neue Ancient-DNA-Studie aus Dänemark von der Forschungsgruppe rund um Eske Willerslev (1) wirft Licht auf die Geschichte der Völker in Nordsibirien, einem der entlegensten Orte der Weltgeschichte, und zwar seit der erstmaligen Besiedlung durch anatomisch moderne Menschen.

Mammutjäger der Eiszeit in Sibirien

38.000 v. Ztr. wanderten anatomisch moderne Menschen nach Europa ein und der Neandertaler starb aus. In diesen Zeitraum wird von der Forschung auch die genetische Trennung der Vorfahren der heutigen Ostasiaten von den heutigen Europäern eingeordnet.

Spätestens knapp zehntausend Jahre später, 30.000 v. Ztr. lebten auch in Nordsibirien Menschen. Ihr entdeckter Siedlungsort wird von der Wissenschaft "Yana RHS" genannt (Wiki). Die Knochen von zwei männlichen Individuen dieses Siedlungsortes wurden vor Kurzem entdeckt und ihre Gene sequenziert (1). Ihren Menschentyp nennt die Wissenschaft nun "Frühe Nordsibirier" (ANS = "Ancient North Siberians"). Diese "Frühen Nordsibirier" können genetisch interessanterweise schon grob zu einem Viertel als früh-ostasiatisch und zu drei Vierteln als früh-(west-)europäisch angesprochen werden. Dabei weist ihre mitochondriale (also weibliche) DNA westeuropäische Jäger-Sammler-Haplotypen auf, ihre Y-chromosomale DNA Haplotypen wie sie für das heutige Asien und die Ureinwohner Amerikas typisch sind.

Die Forscher vermuten, daß dieses Volk, bzw. diese Stammesgruppe schon recht früh nach der Aufspaltung der Europäer und Asiaten sich seinerseits abgespalten hat, um sich nach Mittelasien und Sibirien (auch rund um den Baikalsee) auszubreiten.


Abb. 1: Einritzung eines Mammuts auf eine Stück Elfenbein - von dem Fundort Mal'ta am Baikalsee in Sibirien, deposits at Lake Baikal, Siberia

In Nordsibirien konnten Menschen auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit (LGM = Last Glacial Maximum) nicht überleben. Dieser Höhepunkt wird in den Zeitraum zwischen 21.000 bis 15.000 v. Ztr. datiert. Allerdings sind genetisch recht ähnliche Menschen wie die "Frühen Nordsibirier" schon 2014 (2) für die Zeit von 22.000 v. Ztr. am Baikalsee nachgewiesen und untersucht worden (am heute benannten Siedlungsort Mal'ta von derselben dänischen Forschungsgruppe) (siehe auch Abb. 1) (Wiki). Diese waren bislang sehr allgemein als Menschentyp "Ancestral North Eurasian" (ANE) angesprochen worden ("Nordeurasischer Vorfahrentyp"). Aber es scheint sich jetzt mit den neuen Funden von Yana in Nordsibirien anzudeuten, daß diese gar nicht Vorfahren der Europäer und Asiaten sind, sondern eine eigene Stammes-, bzw. Völkergruppe zwischen beiden bildeten. Als dieser Menschentyp selbst scheint diese Völkergruppe nicht bis heute fortgelebt zu haben, sondern ist ersetzt worden von anderen Völkern, die im folgenden zu behandeln sind.

Völker in Sibirien nach der Eiszeit bis heute

8.000 v. Ztr. lebten auf der nordsibirischen Halbinsel Kolyma wieder Menschen, deren Knochen ebenfalls vor kurzem gefunden und sequenziert wurden (1), und die von der Wissenschaft "Frühe Paläosibirier" (AP = Ancient Paleosibirians) benannt werden (s.a. Wiki). Diese Menschen wiesen genetische Verwandtschaft zu den Ostasiaten auf und sie bildeten die recht direkten Vorfahren einiger Völker, die noch heute in Sibirien leben und als "Paläosibirier" zusammen gefaßt werden. Es handelt sich um Rentierzüchter und Walfänger wie die Korjaken (Wiki) und die  Itelmenen (Wiki), also damit um Völker, die genetische Kontinuität seit 10.000 Jahren aufweisen, die uralte Völker sind. Sie weisen damit eine ähnliche genetische Kontinuität auf wie noch die heutigen Völker des Levanteraumes, deren einstige direkte Vorfahren erstmals zur seßhaften Lebensweise und zum Ackerbau übergingen.

Die Wissenschaftler vermuten, daß die "Frühen Paläosibirier" auf Kolyma und die amerikanischen Ureinwohner beide von einer Refugium-Bevölkerung der süd-östlichen Beringstraße abstammen, wo die Menschen den Höhepunkt der letzten Eiszeit überstehen konnten. Darauf führen sie die genetische Verwandtschaft beider Völkergruppen zurück. Insbesondere die Inuit (Eskimo) und die NaDene Nordamerikas weisen enge genetische Verwandtschaft mit den Paläosibiriern auf.

Zwischen 9.000 v. Ztr. und 2.000 v. Ztr. wanderten in Nordsibirien dann zusätzlich noch Völker ein, die die Wissenschaftler "Neusibirier" nennen ("Neosibirians"). Von diesen stammen heute die meisten Ureinwohner Sibiriens ab. Offenbar weisen sie eine gegenüber den Altsibirern modernere ostasiatische Genetik auf.

Damit deutet sich selbst für eine so abgelegene Gegend wie Nordsibirien eine wechselvolle Völkergeschichte an.

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  1. Martin Sikora et. al. (Eske Willerslev): The population history of northeastern Siberia since the Pleistocene. bioRxiv preprint first posted online Oct. 22, 2018 doi: http://dx.doi.org/10.1101/448829
  2. Maanasa Raghavan et. al. (Eske Willerslev): Upper Palaeolithic Siberian genome reveals dual ancestry of Native Americans. Nature, 2.1.2014, Vol. 505, doi:10.1038/nature12736

Sonntag, 28. Oktober 2018

Rasseunterschiede im weiblichen Geburtskanal

Sie sind größer als bei anderen Körperteilen

Zu einer neuen Studie über Rasseunterschiede im weiblichen Geburtskanal wird berichtet (1):
Etwa 300.000 Frauen sterben jährlich weltweit durch Geburtskomplikationen. Ein großes Problem sei der menschliche Kopf, wie Betti erklärte: "Aufgrund der Enge muß das Kind eine Reihe von Rotationen vollführen, um den Geburtskanal zu passieren".
In Lehrbüchern ist aber nur die europäische Form der Rotationen beschrieben, nicht die Form der Rotationen, die bei den Frauen in Afrika, Asien oder Amerika vollführt werden. Diese Nichtbeachtung der Rasseunterschiede durch die Geburtshilfe könnte viele zusätzliche Geburtskomplikationen weltweit mit sich gebracht haben, wie vermutet wird. Weiterhin ist zu erfahren (2):
Frauen aus der Subsahara in Afrika und einige asiatische Bevölkerungsgruppen haben sehr schmale, aber relativ tiefe (von vorne nach hinten gemessen) Geburtskanäle, so Betti und Manica. Die Ureinwohner Amerikas dagegen verfügen über sehr breite Kanäle. Außerdem sind die oberen Kanäle von Europäerinnen oval geformt, was man bei den anderen Populationen nicht findet. Ein weiteres Ergebnis der Studie (...) lautet: Je weiter man sich von Afrika entfernt, desto geringer ist die Variabilität der Geburtskanalform. Soll heißen, daß man in Afrika sehr viele sehr unterschiedliche Formen findet, während sich die Becken der Frauen in Europa, Asien und bei den amerikanischen Ureinwohnerinnen sehr ähnlich sind.
Gemeint ist: Vergleichsweise sehr ähnlich jeweils untereinander auf dem jeweiligen Kontinent. Dieser Befund scheint einesteils auf die Wirkung von Gründer- und Flaschenhalspopulationen bei der Entstehung der jeweils neuen Menschentypen in Nordafrika, Europa, Asien und Amerika zurückgeführt werden zu können. Andererseits könnte die größere innerkontinentale Vielfalt in Afrika auch darauf hinweisen, daß der Selektionsdruck auf irgendeine Art von Geburtskanal gar nicht so groß gewesen zu sein braucht. Das hatte man weithin in der Forschung bislang ganz anders angesehen. Die Forscherinnen finden - zum Beispiel - auch keinen Zusammenhang der Form des Geburtskanals beispielsweise mit der vorherrschenden Temperatur.


Abb. 1 Artunterschiede im weiblichen Geburtskanal - Schimpansen, Australopithecus, Mensch (Grafik von ArchaeoMouse [Wiki])


Ob hier tatsächlich Anpassungen an irgendetwas vorliegt oder es sich um eine eher "natürliche", selektionsneutrale Vielfalt der Formen handelt, scheint noch nicht klar zu sein. Sicher ist aber (3):
Die Unterschiede in der Beckenform sind deutlich größer als jene der Kopfgröße oder der Extremitäten.
Ich könnte mir ja denken, daß die Form des Geburtskanals einfach auch von der übrigen Körperstatur des jeweiligen Menschentyps abhängt. Sicherlich ist das in der traditionellen Physischen Anthropologie so auch schon vermutet worden. Das heißt, die Form des Geburtskanals ist davon abhängig, daß Buschleute insgesamt grazil gebaut sind, ebenso Ostasiaten, während Europäer und Bantu-Afrikaner insgesamt größer und robuster gebaut sind. Es sei noch einmal die wesentlichste Erkenntnis im Wortlaut der Originalstudie zitiert (4):
Sub-saharische afrikanische Populationen sind insgesamt charakterisiert durch einen tieferen Geburtskanal in Blickachse des Körpers, während Populationen amerikanischer Ureinwohner das andere Extrem aufweisen mit einem eher seitlich-ovalen Geburtskanal (quer zur Blickachse des Gesichts). Asiatische und europäisch-nordafrikanische Populationen zeigen demgegenüber eher eine Morphologie, die zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt ist.
Original: Sub-Saharan African populations are overall characterized by a deeper birth canal in the anterior-posterior direction, throughout the three planes (inlet, midplane, and outlet), while Native American populations fall at the other extreme of variation with a more transversally wide canal. Asian and European/North African populations show an intermediate morphology.
Allerhand neue Befunde, die zu weiterer Ursachenforschung aufrufen. Wir alle - außer den Kaiserschnitt-Babies - sind einmal diesen Weg gegangen.
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  1. Weltweit verschiedene Geburtskanäle bergen Gefahren für das Kind, 26.10.2018, https://www.bluewin.ch/de/news/wissen-technik/geburtskanaele-von-frauen-je-nach-herkunft-sehr-unterschiedlich-164436.html
  2. Neue Studie rüttelt an der alten Theorie vom Geburtsdilemma. Oktober 2018, http://antropus.de/Becken-und-Geburtskanal-sind-keine-Anpassung-an-den-aufrechten-Gang.artikel
  3. Stallmach, Lena: Die Evolution lässt einem gebärenden Becken womöglich doch mehr Spielraum. Oktober 2018, https://www.nzz.ch/wissenschaft/wirkt-die-evolution-einem-gebaerfreudigen-becken-doch-nicht-entgegen-ld.1430676
  4. Lia Betti, Andrea Manica: Human variation in the shape of the birth canal is significant and geographically structured. Published 24 October 2018.DOI: 10.1098/rspb.2018.1807, http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/285/1889/20181807

Samstag, 27. Oktober 2018

Meine Londoner Verwandtschaft

Aus der Reihe "Meine Gene", Teil 5

23andme hat mir vor allerhand Monaten meine Gen-Daten mit neuen, verbesserten Analyse-Werkzeugen neu untersucht und präsentierte mir das folgende Ergebnis der Zusammensetzung meiner ethnischen Herkunft:

Abb. 1: Meine ethnische Herkunft

Die Voraussage meiner ethnischen Herkunftsanteile: a) mein englischer Herkunftsanteil


12 Prozent britische Herkunft steht da. Ich habe in der Tat eine Ururgroßmutter, die rein britischer Herkunft ist (Mary Morley, verheiratete von Samson-Himmelstjerna, geboren 1866). Allerdings komme ich auf einen Beitrag ihrer Gene zu meinem Genom von 6,25 Prozent. Denn sie ist die Großmutter meiner Großmutter. Von meiner Großmutter habe ich 25 %, von deren Mutter 12,5 % und von deren Mutter hinwiederum 6,25 %. Mag sein, daß in anderen Stammbaum-Teilen weiter zurück liegend auch noch britische Vorfahren zu finden sind - ich glaube es aber eher nicht. Also dürfte sich "23andme" um eine Generation verrechnet haben. Aber noch interessanter ist die weitere Grafik  (Abb. 2):

Abb. 2: Meine Vorfahren nach ethnischer Herkunft

Hier wird zu meiner britischen Vorfahrin gesagt:
You most likely had a grandparent (falsch!), great-grandparent (falsch!), or second-great-grandparent (richtig!) who was 100% British & Irish. This person was likely born between 1850 and 1910 (richtig!).

Die Voraussage meiner ethnischen Herkunftsanteile: b) mein osteuropäischer Herkunftsanteil


Zu dem osteuropäischen Vorfahren, der sich vor 1850 in meinem Stammbaum befinden soll, heißt es:
You most likely had a second-great-grandparent, third-great-grandparent, fourth-great-grandparent, or fifth-great-grandparent who was 100% Eastern European. This person was likely born between 1760 and 1850.
Wie dieser Vorfahre wohl zuzuordnen ist? Zu meinen Vorfahren gehört die baltisch-deutsche Adelsfamilie von Samson-Himmelstjerna. Da halte ich es eher für unwahrscheinlich, daß sich unter diesen Adligen ein Mensch "rein osteuropäischer" Herkunft befindet. Denn selbst wenn es in diesem Stammbaumzweig "einheimische" Familiennamen gibt (wie z.B. von Patkul), dürften diese Adelsfamilien doch viel zu oft schon mit deutschen Familien geheiratet haben, um genetisch noch "rein osteuropäisch" sein zu können.

Weiterhin habe ich schlesische Weber aus Wüstewaltersdorf unter meinen Vorfahren. Ob es unter diesen jemanden gibt, der rein osteuropäische Vorfahren hat, wage ich auch zu bezweifeln, zumal auch diese schlesischen Weber alle nur auf wenigen Dörfern Jahrhunderte lang untereinander geheiratet haben.

Da meine Vorfahren väterlicherseits alle seit vielen Jahrhunderten so gut wie nur aus dem Elb-Havel-Winkel stammen, glaube ich nicht, daß dieser "osteuropäische Vorfahre" unter ihnen zu finden ist.

Aber die Urgroßmutter meines Großvaters mütterlicherseits stammt aus der Slowakei. Es handelt sich um die Lehrer-Tochter Antonia Steer, verheiratete Nobile Cicogna, die in der slowakischen Stadt Trnava, deutsch Tyrnau, geboren wurde, 110 Kilometer östlich von Wien, wo ihr Vater "Professor" am Gymnasium war. Sie heiratete 1831 einen venetianischen Adligen in Padua, hatte sechs Kinder und starb 1889 in Salzburg. Ihr Vater dürfte - dem Namen nach - auch Deutscher gewesen sein. Ihre Mutter Juliane stammte aus der Tyrnauer Ratsverwandten-Familie Palsovits und könnte - dem Klang des Namens nach - jene gesuchte Vorfahrin sein, die rein osteuropäischer Herkunft war. Diese Tyrnauer Ratsverwandten-Familie Palsovits dürfte aber nur noch einen Anteil von 1,25 % zu meinem Genom beigesteuert haben. In der Wiener Friedenszeitung vom 1. März 1854 findet sich die Meldung (GB):
Seine k.k. Apostolische Majestät haben dem Rektor an dem Preßburger Kollegiatkapitel, Anton Palsovits, wegen seiner vieljährigen und ersprießlichen Dienstesleistung in der Seelsorge und in der Erziehung der Diözesan-Theologen das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens verliehen.
Er ist auch sonst noch häufiger, auch mit dem Namen von Paslovits in Veröffentlichungen jener Zeit erwähnt. Theoretisch könnte es sich um einen Bruder oder sonstigen Verwandten der genannten Juliane Palsovits gehandelt haben.

Was geschieht bei der Genom-Daten-Analyse?


MyHeritage hat inzwischen auch einen deutschsprachigen Blog. Und auf diesem sind viele interessante Blogartikel zu finden. Zum Beispiel kann man in einem Blogartikel endlich einmal in klarem Deutsch lesen, was die alles machen bei der Datenanalyse. Ganz ehrlich, das wußte ich bisher so genau, wie es hier steht, auch noch nicht (MyHeritageBlog, 12.1.2018):
Wir lesen nicht jeden Teil eurer DNA, die etwa 3 Milliarden Punkte beträgt. Dies ist eine teure Methode, die als Sequenzierung des gesamten Genoms bezeichnet wird und derzeit spezifischen klinischen und Forschungsanwendungen vorbehalten ist. Stattdessen konzentrieren wir uns auf das Lesen von ungefähr 700.000 Stellen in eurer DNA, von denen bekannt ist, dass sie zwischen Individuen variieren, so genannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs, ausgesprochen „Snips“). Diese Methode wird als Genotypisierung bezeichnet und erzeugt eine Datendatei, in der jede SNP, die wir lesen, ihre Position in eurer DNA und die zwei Genotypen, die wir dort gefunden haben (z.B. A, T, G oder C, die ihr von jedem Elternteil geerbt habt) aufgeführt sind.
Und:
Als nächstes verwenden wir Imputation, um die SNPs, die wir nicht gelesen haben, abzuleiten. Vergleicht die Imputation der DNA mit dem Lesen eines Satzes, wo einige der Buchstaben fehlen – es besteht eine gute Chance, dass ihr die fehlenden Buchstaben aus dem Zusammenhang ableiten könnt. Nicht alle DNA-Dienstanbieter lesen die gleichen SNPs. Um DNA-Übereinstimmungen für Personen zu finden, die verschiedene DNA-Dienstanbieter verwendet haben, ist es wichtig, die SNPs, die nicht gelesen wurden, abzuleiten, bevor die Ergebnisse verglichen werden. Einige Leute stellen die Genauigkeit der Imputation in Frage. Wir haben jedoch festgestellt, dass diese Methode bei richtiger Anwendung sehr genau ist und in einigen Situationen unvermeidlich ist.
Davon hatte ich bisher Null und Nichts gewußt.

Was erbringt die Genom-Sequenzierung meiner Mutter noch alles an Erkenntnissen?


Man gewinnt beim Durchsehen der Sequenzierungs-Ergebnisse natürlich immer wieder neue Erkenntnisse. Ich habe ein sechsfach erhöhtes Risiko für altersbedingte Makuladegeneration (AMD) (Wiki). Und damit zusammenhängend habe ich in der Altersgruppe jener Menschen zwischen 90 und 100 Jahren, die dieses SNP haben, eine überdurchschnittliche Sterblichkeit. Merkwürdigerweise sagt aufgrund desselben Datensatzes OpenSNP, daß ich CT bin und Promethease, daß ich CC wäre. Auch ich selbst finde in meinem Datensatz CT. Da macht Promethease offenbar einen Fehler. CT bringt nur 2,5fach erhöhtes Risiko mit sich.

Meine Mutter hat doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für rheumatische Arthritis wie die Durchschnittsbevölkerung. Und damit schlägt sie sich tatsächlich gerade herum. Ein weiteres Gen bringt aber wiederum auch verminderte Wahrscheinlichkeit für diese Krankheit mit sich. 

Meine Mutter hat ein Gen für rote Haare (rs1805008(C;T)), das ich noch gar nicht kannte, das ich aber ebenfalls habe (https://opensnp.org/snps/rs231775). 

Mehrfach kommt bei meiner Mutter erhöhte Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs vor. Das kommt also tatsächlich von ihrer Seite her - wie man schon hatte vermuten können. (Sie findet sich auch unter einem meiner Kinder.)

Auch ist meine Mutter reinerbig für ein Gen für Hashimoto-Thyreoiditis (rs231775(G;G)), das einen entsprechenden, festgestellten Schilddrüsen-Hormon-Mangel bei einer meiner direkten Verwandten erklären könnte. Ich sehe grade, daß ich selbst genauso reinerbig dafür bin, also das auch von meinem Vater vererbt bekommen habe (https://opensnp.org/snps/rs231775). 

Meine Mutter hat um das 10fache erhöhte Wahrscheinlichkeit für grünen Star. Sie hat ein Gen, das für Ausdauer-Sport gut ist. (Eines meiner Kinder hat dieses Gen ebenfalls.) Mischerbig hat sie ein Gen, das vermindertes (!) Risiko für spätes Einsetzen von Asthma mit sich bringt. Das Gen habe ich auch. Ebenso hat es eines meiner Kinder. Reinerbig hat sie ein Gen, das erhöhte Wahrscheinlichkeit für Wirbelsäulenkrebs mit sich bringt. Reinerbig hat sie ebenfalls eine angeborene erhöhte Wahrscheinlichkeit für ischämischen Schlaganfall.

Meine Mutter hat mischerbig das MAOA-Kriegergen (rs909525(A;G)), das erstmals bei den kriegerischen Maori auf Neuseeland festgestellt worden ist. Es liegt auf dem X-Chromosom, deshalb kann es für Männer scheinbar schwerer festgestellt werden. Bei mir finde ich dazu jedenfalls erst einmal keine Angabe (https://opensnp.org/snps/rs909525). Doch, auf dem X-Chromosom habe ich auch das Krieger-Gen, aber als Mann kann man das ja dann eben nur haploid haben. Eine meiner Töchter ist hierfür reinerbig G;G.

1,2fach erhöhte Wahrscheinlichkeit liegt bei meiner Mutter vor für "außergewöhnlich langes Leben" (rs1935949(C;T)). Diese liegt ebenso bei einer meiner Töchter vor. Ich selbst habe hier A;G (https://opensnp.org/snps/rs1935949) und es wird mir erklärt, daß man, um mit anderen vergleichen zu können, die Buchstaben austauschen muß, so daß ich selbst so wie meine Mutter C;T habe. Aber dieses FOXO-Gen bewirkt nur bei Frauen ein langes Leben! Na super! Meine Feinde können aufatmen! :-)

Entfernte Verwandte in London stammen von derselben  deutschbaltischen Adelsfamilie von Samson-Himmelstjerna ab wie ich


Soweit hatte ich schon vor vielen Monaten neue Erkenntnisse zusammen getragen. Nun erhalte ich im Oktober 2018 von 23andme die neuesten "DNA-Verwandten" mitgeteilt. Unter ihnen findet sich ein Engländer. Er teilt 0,36 % seiner Gene mit mir, wir teilen zwei Gensegmente auf den Chromosomen 1 und 6 miteinander und er soll laut 23andme mein Cousin dritten bis fünften Grades sein. Seine Schwester teilt nur Gensegmente auf dem Chromosom 1 mit mir und 0,24 % ihrer Gene. Ihr Bruder stellt sich auf seiner Profilseite folgendermaßen vor:
Father born Yorkshire, UK. Mother born in Sweden, and moved to Oxford, UK where she met and married my father. They moved to London where I and my two sisters were born. Paternal grandmother was born in Ireland and was member of the WIlls family of Bristol, UK. Paternal grandfather was born in Wales. Maternal grandfather was von Engelhardt born in Germany and died there during the second world war, maternal grandmother was von Samson-Himmelstjerna, not sure if she was born in Sweden or Germany, but moved to Sweden at the end of the second world war where she lived for the rest of her life.
Und von Samson-Himmelstjerna habe ich auch in meinem Stammbaum. Auch meine Urgroßmutter in mütterlicher Linie war eine geborene von Samson-Himmelstjerna. Es handelt sich um Nora Irmgard Willner (geb. von Samson-Himmelstjerna)(1892-1967). Ich wurde ihr noch als einjähriger Bub in Wien vorstellt. Ihr Vater war Dr. med. Jakob Paul von Samson-Himmelstjerna (1859-1918), Leibarzt des Fürsten Pleß in Oberschlesien, wo noch meine Großmutter geboren wurde, entbunden durch ihren Großvater. Der Vater des genannten Leibarztes war der Deutschbalte Carl Gotthard Otto Woldemar von Samson Himmelstjerna (1812-1893), der in Tilsit geboren wurde, der als Dr. med. die meiste Zeit in Moskau lebte, wo auch seine Kinder geboren wurden, und der in Reval starb.

Wenn Genealogen Stammbäume abgleichen ....


Ich schrieb nun dieserhalben meinen entfernten Verwandten in London*) und erhielt die Antwort, daß dieser Carl Gotthard einen ein Jahr jüngeren Bruder Reinhold Wilhelm von Samson-Himmelstjerna (1819-1901) gehabt hätte, von dem sie abstammen würden. - Ungereimtheiten ergeben sich zunächst noch, weil sie als Vater dieser beiden Brüder einen anderen Samson-Himmelstjerna angeben als in unserem Stammbaum (bislang) verzeichnet ist. Sie geben nämlich an einen Wilhelm Gustav von Samson-Himmelstjerna (1781-1858), während in unserem sein zwei Jahre jüngerer Bruder Georg Friedrich von Samson Himmelstjerna (1783-1862) als Vater verzeichnet ist. Bei dem Großvater dieser beiden Brüder scheinen wir uns aber wieder einig zu sein. Es handelte sich um Carl Gustav von Samson Himmelstjerna (1750-1825), livländischer Landmarschall und Landrat, der auf dem Rittergut Urbs im damaligen Livland, heute Estland lebte und vierzehn Kinder (!) hatte.

Der von ihnen genannte Reinhold Wilhelm v. S.-H. taucht in unserem Stammbaum zunächst nirgendwo auf. Sie sagen, daß dieser (1819-1901) eine Tochter namens Marie Elisabeth gehabt hätte, die mit einem Rudolf von Engelhardt verheiratet gewesen sei. Deren Sohn war dann Kurt (Moritz Wilhelm) Baron von Engelhardt (1886-1943), geboren in Reval, gestorben in Ebenhausen bei München (1). Dieser war verheiratet mit Karin von Samson-Himmelstjerna (1902-1997) (1) (und dies sind die beiden Großeltern der angeschriebenen Londoner Verwandten über die mütterliche Linie). Kurt von Engelhardt hatte mit seiner Frau Karin eine Tochter, geboren 1935 (?) aber - scheinbar aus erster Ehe - auch noch zwei weitere Töchter, geboren 1917 und 1923 (1). Die Schicksale einer solchen baltischen Adelsfamilie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dürften bewegende gewesen sein. Der größte Einschnitt war ja die Umsiedlung fast aller Baltendeutschen aus dem Baltikum nach Deutschland in den Jahren 1939/40 (Wiki, engl).

Aber rechnen wir doch nun einmal zurück. Wie viel Prozent meiner Gene habe ich von unserem vermutlich letzten gemeinsamen Vorfahren, also entweder von Wilhelm Gustav (1781-1858) oder von dessen Bruder Georg Friedrich von Samson-Himmelstjerna (1783-1862), bzw. auch erst deren gemeinsamem Vater? Gemeinsame Gene habe ich: mit meiner Mutter 50 %, meiner Großmutter 25 %, meiner Urgroßmutter (gestorben 1967) 12,5 %, deren Vater (dem Leibarzt in Pleß) 6,25 %, dessen Vater, dem Moskauer Arzt Carl Gotthard, 3,125 %, dessen Vater Georg Friedrich 1,5625 % und dessen Vater, dem Landmarschall von Livland, 0,78125 %. Grob komme ich damit ja schon in die Gegend von 0,36 % gemeinsame Gene, obwohl man sich fragen kann, warum MyHeritage den Anteil so viel geringer berechnet als er rein rechnerisch sein sollte. Vielleicht übersehen die statistischen Auswertungen doch noch einige Anteile. Vermutlich werden die entfernten Verwandten in London einen ähnlichen Anteil mit ihm gemeinsam haben.

Für diese ergibt sich: Gemeinsame Gene haben sie: mit ihrer Mutter 50 %, mit ihrem Großvater, bzw. ihrer Großmutter (Kurt und Karin von Engelhardt) 25 %, mit ihrer Urgroßmutter (Marie Elisabeth) 12,5 %, mit ihrem Ururgroßvater Reinhold Wilhelm v. S.-H. 6,25 %, mit dessen Vater 3,125 %, mit dessen Vater, dem livländischen Landmarschall, 1,5625 %. Sie sind also offenbar eine Generation weniger weit von ihm entfernt als ich, sprich, sie wären meine Großgroßgroß-..-Onkel und -Tanten.

Insgesamt bekommt man hier als Hobby-Genealoge und Hobby-Genetiker ein Gefühl dafür, wie genetische Verwandtschaft über die Generationen weiter gegeben wird, sich einerseits "verdünnt", allerdings doch in nicht unbeträchtlichem Maße erhalten bleibt. (Auf die Bedeutung von nur 0,39 % gemeinsamer Gene wurde ja schon in einem frühern Blogbeitrag mit Titel "Mitmach-Genetik" hingewiesen. Es sind das ideale Heiratspartner.) Es wäre vielleicht noch weiter zu fragen, wie es sich auswirkt, daß die beiden hier erörterten deutschbaltischen Adelsfamilien von Engelhardt und von Samson-Himmelstjerna über die Jahrhhunderte und die Generationen hin immer wieder eheliche Verbindungen miteinander eingegangen sind, oft auch entferntere Verwandte mit eigenem Familiennamen geheiratet haben. Die Familie von Engelhardt taucht nämlich ebenfalls in meinem eigenen Stammbaum mehrfach auf in weiter zurückliegenden Generationen als hier behandelt werden mußten.

Aus humangenetischer Sicht ist eine solche "milde" "Inzucht" sehr vorteilhaft, weil sie erlaubt, daß sich Gene, die Begabungen mit sich bringen, häufen können.

/aktualisiert: 29.10.18/
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*) Wortlaut meines Schreibens:
"It seems we have common ancestors via the "von Samson-Himmelsjerna"-line. My greatgrandmother was a woman born as "von Samson-Himmelstjerna". Her name is Nora Irmgard Willner (born von Samson-Himmelstjerna)(1892-1967). (I met her as a child some month before her death in Vienna as I was told.) Her father was Dr. med. Jakob Paul von Samson-Himmelstjerna (1859-1918). He was physician ("Leibarzt") of the german noble family Pleß (des "Fürsten Pleß") in the town Pleß in Upper Silesia.
Via Google and on MyHeritage I can find, that there were a lot of marriages between the german-baltic noble family "von Engelhardt" and the german-baltic noble family "von Samson-Himmelstjerna" over a lot of centuries and generations. So it would be interesting to know the forenames of your maternal grandparents from Germany (and Sweden?). So maybe the link between our ancestors can be found.
We do not share the maternal haplogroup even the wife of Jakob Paul von Samson-Himmelstjerna stems from England (Mary Ann von Samson Himmelstjerna (born Morley) (1864-1932). So our kinship seems to come via the Samson-Himmelstjerna's.
Best wishes, Ingo from Germany"
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  1. Kurt von Engelhardt, https://www.geni.com/people/Kurt-von-Engelhardt/6000000018580799860
  2. Karin von Engelhardt, https://www.geni.com/people/Karin-von-Engelhardt/6000000025834077301

Freitag, 26. Oktober 2018

Inuit - Die Hälfte ihrer Y-Chromosomen stammen von europäischen Männern

In der männlichen Linie stammen die Inuit auf Grönland zur Hälfte von europäischen Männern ab, in der weiblichen Linie nur von einheimischen Frauen, so daß der Gesamtanteil ihrer europäischen Gene bei 25 Prozent liegt.


Abb. 1: Die durchschnittliche europäische Herkunft in einzelnen Inuit-Regionen, aus (1)

Schon vor fast vier Jahren ist über die genetische Geschichte der Inuit, bzw. der Grönländer ein sehr aufschlußreicher humangenetischer Artikel erschienen (1). Nach ihm beträgt der Anteil der europäischen Gene bei den Inuit durchschnittlich 25 Prozent. Es gibt aber auch Inuit-Gegenden, wo der Anteil der europäischen Gene gegen Null geht (siehe Abb. 1).*)

Wie die Herkunft der (weiblichen) mitochondrialen und (männlichen) Y-Chromosomen zeigen, stammt die Einmischung europäischer Gene so gut wie NUR von europäischen Männern. Nur ein Prozent der mitochondrialen Gene der Inuit stammt von europäischen Frauen.

Die Hälfte der Y-Chromosomen der Inuit stammen aus Europa. Die Inuit haben - nach dieser Studie - keine Gene von der Vorgänger-Bevölkerung, der Dorset-Kultur, die bis 1000 n. Ztr. in Grönland lebte und danach ausstarb. 

Lange war ungeklärt: Stammen die europäischen Gene bei den heutigen Inuit von den Wikingern oder von den dänischen Walfängern, die ab 1721 die Küsten Grönlands befuhren? Da jene Inuit mit der geringsten europäischen Abstammung in den Süden Grönlands erst wanderten, nachdem die Wikinger in Grönland wieder ausgestorben waren, halten es die Forscher der Studie für unwahrscheinlich, daß sich die Wikinger mit den Inuit vermischt haben.  Auch sind die europäischen Chromosomen-Stücke innerhalb der Inuit-Genome zu groß, um schon aus dem Frühmittelalter zu stammen. Denn dann sollten sie - infolge der vielen geschehenen Meiose-Teilungen und anschließenden Rekombinationen - schon viel kleiner, sprich kürzer aufgebrochen sein.

Zu der Tatsache, daß die Inuit zu 25 % von Europäern abstammen, paßt, daß die Inuit auch einen gegenüber den übrigen amerikanischen Ureinwohnern durchschnittlich höheren angeborenen Intelligenz-Quotienten haben wie schon vor mehr als zehn Jahren durch Richard Lynn bekannt wurde (3).

Ergänzung 28.5.2021: Die oben referierten Forschungsergebnisse von 2014 werden durch eine neue Studie vollauf bestätigt, nach der der europäische Herkunftsanteil der Inuit nur aus der Neuzeit stammt und nur aus Dänemark kommt (4):

Ergebnis ist, daß die europäische Herkunftskomponente fast vollständig dänischer Herkunft ist und daß ein beträchtlicher Anteil davon erst durch eine Vermischung vor wenigen Generationen in das Genom der Inuit gelangte.
We found that the European ancestry is almost entirely Danish and that a substantial fraction is from admixture that took place within the last few generations.
Weder deutsch-mährische Missionare, die von 1730 bis 1900 in Grönland lebten, noch britische oder holländische Walfänger haben dazu besonders viel beigetragen.
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*) "Participants from Tasiilaq in East Greenland, the small villages in South Greenland (South villages), and Qaanaaq in North Greenland (Thule) have less European ancestry. In fact, most individuals in Tasiilaq and the South villages have only Inuit ancestry. (...) The physical distance between Tasiilaq and Qaanaaq and the rest of the locations might also explain why these locations have less gene flow from Europe."

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  1. Uncovering the Genetic History of the Present-Day Greenlandic Population. By Ida Moltke, Matteo Fumagalli, Thorfinn S. Korneliussen, ... Rasmus Nielsen, und Anders Albrechtsen. In: Am J Hum Genet. 2015 Jan 8; 96(1): 54–69. Published online 2014 Dec 31. doi:  [10.1016/j.ajhg.2014.11.012], https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4289681/
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Inuit
  3. Lynn, Ricard: Race differences in intelligence. Gute Zusammenfassung 2006 auf:  http://www.gnxp.com/blog/2006/02/world-of-difference-richard-lynn-maps.php
  4. Ryan K. Waples, Aviaja L. Hauptmann, Inge Seiding, Emil Jørsboe, Marit E. Jørgensen, Niels Grarup, Mette K. Andersen, Christina V.L. Larsen, Peter Bjerregaard, Garrett Hellenthal, Torben Hansen, Anders Albrechtsen, Ida Moltke - The genetic history of Greenlandic-European contact,
    Current Biology, Volume 31, Issue 10, 2021, Pages 2214-2219.e4, https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.02.041. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982221002852)

Sonntag, 21. Oktober 2018

Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist gestorben

Auf der Internetseite des Max Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen kann man entdecken, daß der österreichische und deutsche Verhaltensforscher Professor Irenäus Eibl-Eibesfeldt (1928-2018) (Wiki) im Juni dieses Jahres in seinem 89. Lebensjahr nach kurzer Krankheit verstorben ist.

..


Irenäus Eibl-Eibesfeldt hat auch den geistigen Weg des Autors dieser Zeilen sehr stark mitbestimmt. Er hat wohl fast alle seine Bücher in seiner Jugend gelesen. Eibl-Eibesfeldts dickes Lehrbuch "Die Biologie des menschlichen Verhaltens" hat er gründlich studiert und das Werk hat immer einen ehrenden Platz in seinem Bücherschrank inne gehabt und es bestimmt sein Welt- und Menschenbild bis heute. Ebenso etwa sein "Der Mensch, das riskierte Wesen".

Der Autor dieser Zeilen schrieb ihn sogar einmal 1995 an, als er sich nach einem Doktorvater umsah. Damals antwortete zunächst sein Schüler Wulf Schiefenhövel, da sich Eibl-Eibesfeldt gerade einmal wieder auf Forschungsreise befand. Aber auch Eibl-Eibesfeldt selbst antwortete schließlich wohlwollend und ging auf die vorgetragenen Überlegungen mit Interesse ein. In der Zwischenzeit hatte ich mich aber schon an einen damals jüngeren, aufstrebenden Wissenschaftler, an Eckart Voland, damals Göttingen, gewandt.

2003 konnte ich Eibl-Eibesfeld auch noch einmal persönlich erleben auf einer Tagung der MVE-Liste, also der deutschen Soziobiologen, und zwar in Seewiesen. Es handelte sich um eine Tagung, die Wulf Schiefenhövel organisiert hatte, und zu der viele namhafte Schüler von Konrad Lorenz gekommen waren. Der namhafteste unter diesen war Eibl-Eibesfeldt. Er saß in der vordersten Reihe und wenn einer von diesen inzwischen alt gewordenen Schülern von Konrad Lorenz während der Tagung das Wort ergriff, war sofort ein ganz anderes Leben im Raum, herrschte sofort eine viel lebendigere Stimmung vor. Auch der letzte Schüler von Eibl-Eibesfeldt, Frank Salter, referierte auf dieser Tagung. Aber während die meisten referierenden Soziobiologen abstrakte Statistiken, Tabellen und mathematische Überlegungen vorstellte, konnten alle diese Schüler von Konrad Lorenz - auch Norbert Bischof war dabei, ebenso das Ehepaar Großmann aus Regensburg - alle so bunt und farbig und anschaulich erzählen, hatten sie alle dabei so viele Detail-Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen des Tierlebens vor Augen und sprachen nun jeweils aus diesem Fundus eines langen Forscherlebens heraus.

Gegen die multikulturelle Gesellschaft


Die anwesenden Soziobiologen der ihnen nachfolgenden Forschergeneration, die ich damals erlebte, dachten und argumentierten nie aus einer so breiten lebendigen Anschauung heraus, aus einem so reichen, erlebten empirischen, beobachteten Erfahrungsschatz wie das noch die erste Forschergeneration nach Konrad Lorenz getan hat.

Konrad Lorenz hat als Verhaltensforscher bis an sein Lebensende auch klar politisch Stellung bezogen. Er ging dabei an die Grenzen des Ertäglichen, eine Grenze, die es gerade noch als zulässig erscheinen ließ, daß ihm der Nobelpreis verliehen wurde. Diese Tradition setzte sein Schüler Eibel-Eibesfeldt fort und überschritt in den letzten Jahrzehnten seines Lebens auch - wieder und wieder - die Grenzen des "Erträglichen" (!!!) und warnte - unbekümmert - vor der multikulturellen Gesellschaft. Er tat das wie kein zweiter angesehener deutscher Wissenschaftler. Und das ist sicher der Grund, weshalb viele jüngere Menschen von seinem Leben und Tod heute kaum etwas mitbekommen und weshalb sogar ich selbst erst vier Monate nach seinem Tod erfahre, daß er gestorben ist. Wer sich so klar und deutlich gegen die multikulturelle Gesellschaft aussprach wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt, dessen öffentliches und sogar wissenschaftliches Ansehen wird nicht mehr mit dem gleichen Wohlwollen und in der gleichen öffentlichen Breite behandelt wie zuvor.

Außerdem hat man die junge Generation längst dazu gebracht, sich nicht mehr vorwiegend mit ihrer Umwelt und den darin lebenden Lebewesen zu beschäftigen, auch nicht mit den darin herumstehenden und käuflich zu erwerbenden Büchern, sondern mit - - - Computerspielen. Wen interessiert da noch ein Forscher wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt?

Wissenschaftliche Dokumentation "Wir Menschen" von 1976


Aber in Nachrufen auf ihn ist insbesondere auch davon die Rede, daß seine umfangreiche humanethologische Filmsammlung inzwischen vom Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main aufgekauft worden ist und daß es Überlegungen gibt, sie zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erklären, da es sich um Aufnahmen von Menschen und Kulturen handelt, die es oft schon heute in dieser Form gar nicht mehr gibt.

In allen großen Zeitungen erschienen - meist kürzere - Nachrufe auf ihn. Aber vor allem die Nachrufe auf der Internetseite des Bayerischen Rundfunks erscheinen mir lesenswert (1-3). Schön ist es auch, wenn Wulf Schiefenhövel über seinen Lehrer erzählt (6). Wulf Schiefenhövel ist am ehesten einer der Angehörigen der Enkelgeneration von Konrad Lorenz, der ebenso lebendig und farbenprächtig von seinem wissenschaftlichen Leben erzählen kann wie sein wissenschaftlicher Mentor Eibl-Eibesfeldt und dessen Mentor Lorenz.

Sogar die TAZ findet wohlwollende Worte für Eibl-Eibesfeld (4) - jetzt, wo er tot ist. Übrigens kann man sich - meines Erachtens - an das Lebenswerk von Eibl-Eibesfeldt viel besser annähern über seine Bücher als über zahlreiche Interviews, die man im Internet von ihm auch findet. Aber bei der Recherche hierzu entdecke ich auch gerade, daß die Sendereihe "Wir Menschen" von Hans Hass aus dem Jahr 1976 vollständig zugänglich ist im Internet (5). Ich mag alle Filme von Hans Hass. Sie sind voller Begeisterung. Und ich entdecke gerade, daß inzwischen auf Youtube wohl fast alle großen Filme von Hans Hass frei zugänglich sind.

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  1. https://www.br.de/themen/wissen/humanethologe-irenaeus-eibl-eibesfeldt-100.html
  2. https://www.br.de/nachricht/oberbayern/inhalt/verhaltensforscher-irenaeus-eibl-eibesfeld-ist-tot-100.html
  3. https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/eins-zu-eins-der-talk/irenaeus-eibl-eibesfeldt-verhaltsforscher-evolutionsbiologe-100.html
  4. Riechelmann, Cord: Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist tot Nachruf auf den Popbiologen. TAZ, 5.6.2018, http://www.taz.de/!5510384/
  5. https://youtu.be/cKGzQWaKqBk
  6. Schiefenhövel, Wulf: Nachruf: Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Begründer der Humanethologie und des humanethologischen Filmarchivs ist gestorben*. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 2018, auch auf: https://mve-liste.de/221-nachruf-eibl-eibesfeldt.html

Samstag, 20. Oktober 2018

Die Geburtsstunde eines Volkes

Die Entstehung des Volkes der Bandkeramiker, des ersten Bauernvolkes Europas

Derzeit erforschen die Archäologen in Ungarn und Österreich - zwischen Plattensee und Wien (Abb. 1) - die Entstehung eines neuen Volkes. Es geht um die Entstehung jenes Volkes, das den Ackerbau und die seßhafte Lebensweise nach Mitteleuropa gebracht hat, nämlich des Volkes der Bandkeramiker (Wiki). Über die Bandkeramiker habe ich schon verschiedene Artikel veröffentlicht (z.B. 1). Wir wissen inzwischen, daß dieses Volk weitgehend ausgestorben ist und daß es genetisch aus der anatolisch-neolithischen Völkergruppe, also grob aus dem heutigen "mediterranen" Menschentypus hervorgegangen ist, und daß es heute am ehesten noch im Mittelmeer-Raum - insbesondere in Sardinien - entfernt verwandte Nachkommen hat.


Inzwischen kann man aber auch erfahren, daß die bandkeramische Kultur sich von ihrer Vorgängerkultur nicht nur durch ihre imposanten 30 Meter langen Langhäuser unterscheidet, sondern auch in der Art ihrer Menschendarstellung (2, 3). Der in der Vorgängerkultur "Starcevo-Körös" oft dargestellte Fettsteiß bei übergewichtigen Frauen kommt in Menschendarstellungen der Bandkeramik gar nicht vor (3)! Bei der Bandkeramik herrscht vielmehr in den Menschendarstellungen ein schlanker, hagerer Menschentypus vor. So betonen inzwischen mehrere damit befaßte Archäologen. Auch findet sich die Darstellung von gelockten (hellen?) Haaren offenbar nur in der bandkeramischen Kultur.

Der deutsche Doyen der Bandkeramik-Forschung, Professor Jens Lüning aus Frankfurt am Main, hat sich schon 2016 Gedanken darüber gemacht, wie es zur Entstehung des Volkes der Bandkeramiker gekommen ist: "Geburt aus dem Widerspruch - Die Entstehung der Bandkeramik aus ihrer Mutterkultur Starcevo", lautet sein diesbezüglicher Aufsatz. Er meint, die Bandkeramiker wären religiöse und kulturelle "Abweichler" gewesen, die sich religiös und kulturell bewußt unterschieden hätten von ihrer Mutterkultur und bewußt in Gegensatz zu ihr getreten wären. - Macht es Sinn, sich Volkwerdung so vorzustellen?

Abb. 1: Zwischen Plattensee, Neusiedler See und Wien: Die Kultur des späten Starcevo (grün) und die früheste Bandkeramik (rot)
Fundorte: 1. Babarc; 2. Becsehely I-Bükkaljai-dűlő; 3. Brunn am Gebirge; 4. Gellénháza-Városrét; 5. Harc-Nyanyapuszta; 6. Medina; 7. Révfülöp; 8. Sármellék; 9. Szentgyörgyvölgy-Pityerdomb; 10. Tapolca-Plébániakert; 11. Tihany-Apáti; 12. Vörs-Máriaasszonysziget; 13. Zalaegerszeg-Andráshida-Gébárti-tó (aus: Oross/Banfy 2009)

Um die Entstehung eines neuen Volkes rankt sich fast immer ein großes Geheimnis. Oft gibt es Gründungsmythen. Wir können zum Beispiel die sprachliche Trennung des Volkes der Deutschen von dem der Franzosen grob zeitlich eingrenzen ("Straßburger Eide") und wir können manches darüber sagen, was bei der Entstehung des deutschen und des französischen Volkes und ihrer Sprachen alles vor sich gegangen sein mag. Tatsächlich sind "die Deutschen" auch von der Herkunft ihrer Volksbezeichnung her diejenigen, die ihrer ursprünglichen Sprache und Eigenart treu geblieben sind, während ja viele andere germanische Stämme sich sprachlich und kulturell viel stärker haben romanisieren lassen, bzw. das landesübliche Vulgärlatein übernommen haben. Und irgendwann wurde dieser Gegensatz den Menschen spürbar, ganz klar. Man mag jedoch noch so viel darüber forschen und man mag sich noch so viel darüber Gedanken machen. Das Wort von Hermann Hesse wird bezüglich solcher Themen immer seine Gültigkeit behalten, das da lautet:
"Allem Anfang wohnt ein Zauber inne."
Und das mag auch für die Entstehung des ersten Volkes von Ackerbauern in Mitteleuropa um 5.700 v. Ztr. nördlich des Plattensees gelten.

Aus der Ancient-DNA-Forschung wissen wir inzwischen, daß das Volk der Bandkeramiker von seiner Genetik sich kaum unterscheidet von der Gruppe der anatolisch-neolithischen Bauernvölker, die sich um jene Zeit auch sonst um das ganze Mittelmeer und über ganz Europa hinweg auf demographischem Wege ausgebreitet haben. Allerdings haben sich bei den Bandkeramikern - im Unterschied zu den anderen Bauernvölkern dieser Völkergruppe - bis zu etwa 7 Prozent Gene einheimischer westeuropäischer Jäger und Sammler "eingeschmuggelt". Man dürfte sagen, daß sich die Kultur der mitteleuropäischen Bandkeramiker aber deutlich stärker von ihrer Vorgängerkultur Starcevo unterscheidet, als das mit 7 Prozent anderer Genetik erklärt werden kann.

Wir wissen inzwischen, daß sich Sprachen halten können, obwohl die Gene der diese Sprache Sprechenden schon lange ausgestorben sind (so in Polynesien festgestellt) (10). Und so kann man sich vorstellen, daß die Bandkeramiker zu nicht geringen Teilen die Sprache der einheimischen Jäger und Sammler angenommen haben und mit ihnen auch manche Mentalität, auch wenn nur 7 Prozent der Gene des neu entstehenden Volkes von diesen einheimischen Jägern und Sammlern stammte. So scheint es mir am leichtesten zu erklären zu sein, daß sich die Kultur der Bandkeramiker so deutlich von ihrer Vorgängerkultur unterscheidet.

Jens Lüning schreibt nach vorgehenden detaillierteren Betrachtungen (3, S. 279):
Die Siedlungen Brunn am Gebirge 2a und Pityerdomb (sind) trotz ihrer eigenartigen und noch stark von der Starčevokultur geprägten frühen Keramik nach den obigen Darlegungen zweifellos bereits als vollwertige Mitglieder der bandkeramischen Kultur zu betrachten: Die dort errichteten Gebäude gehören schon vollständig zum bandkeramischen Bautypus. Es gibt keine Hinweise auf Zwischen- oder Übergangsformen, und es gibt außerdem für diesen Haustypus in der Starčevokultur kein Vorbild, er ist eine Neuschöpfung (Lenneis 2000; Bánffy 2004: 70f.). Damit hatten die in diesen Häusern und Siedlungen lebenden Menschen den entscheidenden Schritt bereits vollzogen: die bandkeramische Familienstruktur war vollständig eingeführt und der soziale Umbau ihrer Gesellschaft abgeschlossen - „Linear Pottery Longhouse… there can be no doubt that its emergence marked the birth of a community‘s identity“ (Bánffy 2004: 71). Wer und was hatte das veranlasst? Welche anderen Lebensbereiche hatten sich parallel dazu verändert?
So fragt Lüning. Mit diesem Artikel und dem begleitenden Video soll nur auf die neueren Forschungen und Forschungsfragen aufmerksam gemacht werden, es soll zu der Thematik damit nichts Erschöpfendes gesagt sein.

Ergänzung 24.8.2019


Soeben wurde eine neue Studie veröffentlicht, in der vier Skelette aus der Formierungsphase der Bandkeramik aus Brunn am Gebirge bei Wien sequenziert wurden (11). Brunn am Gebirge liegt heute 13 Kilometer südlich des Stadtzentrums von Wien und 200 Kilometer nördlich des Plattensees. Und es wird immer besser und sicherer erkennbar, daß sich innerhalb dieser 200 Kilometer zwischen Plattensee und dem heutigen Wiener Becken die Ethnogenese der Bandkeramiker, der ersten Bauern Mitteleuropas vollzogen hat. Die Archäologen sprechen deshalb neuerdings von der "Formierungsphase" - engl. "Formative Phase" - der Bandkeramik. Das kann natürlich auch mit "Gründugnsphase" übersetzt werden. In der Studie heißt es (11):
Wir berichten von der bioarchäologischen Analyse von drei Individuen, die am Siedlungsort Brunn 2 in Brunn am Gebirge-Wolfholz beigesetzt wurden, eines der ältesten bandkeramischen Siedlungsorte in Mitteleuropa. Zwei der Individuen waren eine Mischung aus westeuropäischen Jägern und Sammlern und anatolisch-neolithischen Bauern, wobei einer von ihnen jeweils zur Hälfte von der jeweiligen Abstammungsgruppe abstammte. Das dritte Individuum war fast rein anatolisch-neolithischer Abstammung.
Original: In this report, we provide a bioarchaeological analysis of three individuals interred at the Brunn 2 site of the Brunn am Gebirge-Wolfholz archeological complex, one of the oldest LBK sites in central Europe. Two of the individuals had a mixture of Western Hunter Gatherer(WHG)-related and Anatolian Neolithic Farmer (ANF)-related ancestry, one of them with approximately 50% of each, while the third individual had approximately all ANF-related ancestry.
Und weiter (11):
Grab 1 wurde im südlichen Teil des Siedlungsortes Brunn am Gebirge 2 angelegt in einer Grube, aus der zuvor Lehm (für den Hausbau) entnommen worden war. Die Gräber 2 und 4 waren angelegt worden in Gräben von Häusern, die nicht mehr genutzt worden sind als die Gräber angelegt wurden. Das Grab 3 steht in keiner Verbindung mit einer Struktur oberhalb der Erde.
Original: Burial 1 was found in a clay extraction pit in the southern part of the Brunn am Gebirge site 2. Burials 2 and 4 were found in the long ditches of houses no longer in use at the time of burial. Burial 3 was not associated with an above-ground structure.
Wer sich mit der Archäologie der Bandkeramik schon beschäftigt hat, weiß, daß die bandkeramischen Häuser nicht gar zu lange benutzt wurden, und daß am selben Ort in der Nähe der alten neue erbaut wurden, wenn man das alte verfallen ließ. Die Mitteilung, daß sich die Gräber 2 und 4 an einem Haus befanden, das schon nicht mehr genutzt wurde, kann also nur heißen, daß sie ein oder mehrere Jahrzehnte nach Begründung der Siedlung angelegt worden sind. Vielleicht haben die Begrabenen an diesem Ort ihr ganzes Leben verbracht. Aber einer derselben ist nicht an diesem Ort, wo er bestattet wurde, geboren worden wie die Analysen zeigen (11).

Es handelt sich um drei Männer, die sich alle - so sagen die Analysen - wie typische jungsteinzeitliche Bauern ernährt haben, nicht mehr wie Jäger und Sammler (1):
The results of stable isotope analysis from dentin revealed that all three individuals grew up on a diet consistent with that of a Neolithic farming community.
Ihre Y-Chromosomen sind typisch für anatolisch-neolithische Männer, ihr mitochondriales Genom auch, allerdings gibt es solche mitochondrialen Haplotypen auch unter westeuropäischen Jägern und Sammlern. Somit ist zwar ein Mann von drei Männern fast rein einheimischer mitteleuropäischer genetischer Herkunft, ansonsten weisen Y-chromosomale und mitochondriale Haplotypen aber eher darauf hin, daß männliche Bauern der Starcevo-Kultur Frauen der einheimischen Fischer-Kultur am Plattensee und nordwärts geheiratet haben. Aber angesichts der noch sehr kleinen Untersuchungsgruppe kann auch Umgekehrtes noch gut möglich gewesen sein. Das wird sicher die künftige Forschung klären. Weiterführende Literaur auch: (12-15).

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  1. Bading, Ingo: Die weltgeschichtliche Bedeutung der bandkeramischen Kultur. Studium generale, Januar 2009, https://studgendeutsch.blogspot.com/2009/01/die-weltgeschichtliche-bedeutung-der.html
  2. Michelle Claire Langley, Mirani Litster: Is It Ritual? Or Is It Children? Distinguishing Consequences of Play from Ritual Actions in the Prehistoric Archaeological Record. Current Anthropology 59(5), September 2018, DOI: 10.1086/699837, https://www.researchgate.net/publication/327644392_Is_It_Ritual_Or_Is_It_Children_Distinguishing_Consequences_of_Play_from_Ritual_Actions_in_the_Prehistoric_Archaeological_Record 
  3. Lüning, Jens: Geburt aus dem Widerspruch: Die Entstehung der Bandkeramik aus ihrer Mutterkultur Starcevo. In: Y. Ünsal (Hrsg.) Anatolien und seine Nachbarn vor 10.000 Jahren. Anatolian Metal VII. Veröff. Deutsches Bergbaumus. Bochum 214. Der Anschnitt, Beih. 31 (Bochum 2016) 273-289, https://www.academia.edu/30497453/J._Lüning_Geburt_aus_dem_Widerspruch_Die_Entstehung_der_Bandkeramik_aus_ihrer_Mutterkultur_Starcevo._In_Y._Ünsal_Hrsg._Anatolien_und_seine_Nachbarn_vor_10.000_Jahren._Anatolian_Metal_VII._Veröff._Deutsches_Bergbaumus._Bochum_214._Der_Anschnitt_Beih._31_Bochum_2016_273-289
  4. János Jakucs, Eszter Bánffy, Krisztián Oross, Vanda Voicsek, Christopher Bronk Ramsey, Elaine Dunbar, Bernd Kromer, Alex Bayliss, Daniela Hofmann, Peter Marshall, Alasdair Whittle: Between the Vinča and Linearbandkeramik Worlds: The Diversity of Practices and Identities in the 54th–53rd Centuries cal BC in Southwest Hungary and Beyond. Journal of World Prehistory September 2016, Volume 29, Issue 3, pp 267–336, Open AccessArticle First Online: 08 September 2016, https://link.springer.com/article/10.1007/s10963-016-9096-x?wt_mc=alerts.TOCjournals
  5. Stadler, Peter; Kotova, Nadežda Sergeevna: The Early LBK site at Brunn am Gebirge, Wolfholz (5670-5100 BC) - Locally established or founded by immigrants from the Starčevo territory? Budapest, L'Harmattan, 2013, p. 259-275
  6. Krisztián Oross, Eszter Bánffy: Three successive waves of Neolithisation: LBK development in Transdanubia. In: Documenta Praehistorica, December 2009, 36:175-189 DOI: 10.4312/dp.36.11, https://www.researchgate.net/publication/250390845_Three_successive_waves_of_Neolithisation_LBK_development_in_Transdanubia; auch hier: https://www.dlib.si/stream/URN:NBN:SI:DOC-GZS8XGO7/eb3447e3-6538-4676-b65e-9f308d8bd7ea/PDF
  7. Eszter Bánffy: Tracing the beginnings of sedentary life in the Carpathian Basin. On the formation of the LBK house. January 2013. In: Tracking the Neolithic house in Europe - sedentism, architecture and practice. Hrsg. von D. Hofmann, J. Smyth, https://www.researchgate.net/publication/239605957_Tracing_the_beginnings_of_sedentary_life_in_the_Carpathian_Basin_On_the_formation_of_the_LBK_house 
  8. Hans-Christoph Strien: Eine neue Seriation der ältesten Linienbandkeramik:Zeitliche und räumliche Differenzierung. (abgeschlossen 2011) In: Beitr. z. Ur- u. Frühgesch. Mitteleuropas 75, Varia neolithica VIII, 141 – 161, https://www.academia.edu/8202681/Eine_neue_Seriation_der_%C3%A4ltesten_Linearbandkeramik_zeitliche_und_r%C3%A4umliche_Differenzierung
  9. Eszter Bánffy, Krisztián Oross: The Earliest and Earlier Phase of the LBK in Transdanubia. Tagung 2005, Tagungsband, S. 255, http://www.academia.edu/1216335/The_Earliest_and_Earlier_Phase_of_the_LBK_in_Transdanubia, https://www.researchgate.net/publication/281362106_The_earliest_and_earlier_phase_of_the_LBK_in_Transdanubia
  10. Cosimo Posth, Kathrin Nägele, Heidi Colleran, Frédérique Valentin, Stuart Bedford, Kaitip W. Kami, Richard Shing, Hallie Buckley, Rebecca Kinaston, Mary Walworth, Geoffrey R. Clark, Christian Reepmeyer, James Flexner, Tamara Maric, Johannes Moser, Julia Gresky, Lawrence Kiko, Kathryn J. Robson, Kathryn Auckland, Stephen J. Oppenheimer, Adrian V.S. Hill, Alexander J. Mentzer, Jana Zech, Fiona Petchey, Patrick Roberts, Choongwon Jeong, Russell D. Gray, Johannes Krause & Adam Powell: Language continuity despite population replacement in Remote Oceania. In: Nature Ecology and Evolution; https://www.nature.com/articles/s41559-018-0498-2; referiert in MPG-Research News, Februar 2018, Deutsch: http://www.shh.mpg.de/851830/genetic-replacement-despite-language-continuity-in-the-South-Pacific, Englisch: https://www.mpg.de/11959646/ancient-dna-reveals-genetic-replacement-despite-language-continuity-in-the-south-pacific
  11. Interactions between earliest Linearbandkeramik farmers and central European hunter gatherers at the dawn of European Neolithization. ByAlexey G Nikitin, Peter Stadler, Nadezhda Kotova, Maria Teschler-Nicola, T Douglas Price, Jessica Hoover, Douglas J Kennett, Iosif Lazaridis, Nadin Rohland, Mark Lipson, David E. Reich,