Sonntag, 28. Oktober 2018

Rasseunterschiede im weiblichen Geburtskanal

Sie sind größer als bei anderen Körperteilen

Zu einer neuen Studie über Rasseunterschiede im weiblichen Geburtskanal wird berichtet (1):
Etwa 300.000 Frauen sterben jährlich weltweit durch Geburtskomplikationen. Ein großes Problem sei der menschliche Kopf, wie Betti erklärte: "Aufgrund der Enge muß das Kind eine Reihe von Rotationen vollführen, um den Geburtskanal zu passieren".
In Lehrbüchern ist aber nur die europäische Form der Rotationen beschrieben, nicht die Form der Rotationen, die bei den Frauen in Afrika, Asien oder Amerika vollführt werden. Diese Nichtbeachtung der Rasseunterschiede durch die Geburtshilfe könnte viele zusätzliche Geburtskomplikationen weltweit mit sich gebracht haben, wie vermutet wird. Weiterhin ist zu erfahren (2):
Frauen aus der Subsahara in Afrika und einige asiatische Bevölkerungsgruppen haben sehr schmale, aber relativ tiefe (von vorne nach hinten gemessen) Geburtskanäle, so Betti und Manica. Die Ureinwohner Amerikas dagegen verfügen über sehr breite Kanäle. Außerdem sind die oberen Kanäle von Europäerinnen oval geformt, was man bei den anderen Populationen nicht findet. Ein weiteres Ergebnis der Studie (...) lautet: Je weiter man sich von Afrika entfernt, desto geringer ist die Variabilität der Geburtskanalform. Soll heißen, daß man in Afrika sehr viele sehr unterschiedliche Formen findet, während sich die Becken der Frauen in Europa, Asien und bei den amerikanischen Ureinwohnerinnen sehr ähnlich sind.
Gemeint ist: Vergleichsweise sehr ähnlich jeweils untereinander auf dem jeweiligen Kontinent. Dieser Befund scheint einesteils auf die Wirkung von Gründer- und Flaschenhalspopulationen bei der Entstehung der jeweils neuen Menschentypen in Nordafrika, Europa, Asien und Amerika zurückgeführt werden zu können. Andererseits könnte die größere innerkontinentale Vielfalt in Afrika auch darauf hinweisen, daß der Selektionsdruck auf irgendeine Art von Geburtskanal gar nicht so groß gewesen zu sein braucht. Das hatte man weithin in der Forschung bislang ganz anders angesehen. Die Forscherinnen finden - zum Beispiel - auch keinen Zusammenhang der Form des Geburtskanals beispielsweise mit der vorherrschenden Temperatur.


Abb. 1 Artunterschiede im weiblichen Geburtskanal - Schimpansen, Australopithecus, Mensch (Grafik von ArchaeoMouse [Wiki])


Ob hier tatsächlich Anpassungen an irgendetwas vorliegt oder es sich um eine eher "natürliche", selektionsneutrale Vielfalt der Formen handelt, scheint noch nicht klar zu sein. Sicher ist aber (3):
Die Unterschiede in der Beckenform sind deutlich größer als jene der Kopfgröße oder der Extremitäten.
Ich könnte mir ja denken, daß die Form des Geburtskanals einfach auch von der übrigen Körperstatur des jeweiligen Menschentyps abhängt. Sicherlich ist das in der traditionellen Physischen Anthropologie so auch schon vermutet worden. Das heißt, die Form des Geburtskanals ist davon abhängig, daß Buschleute insgesamt grazil gebaut sind, ebenso Ostasiaten, während Europäer und Bantu-Afrikaner insgesamt größer und robuster gebaut sind. Es sei noch einmal die wesentlichste Erkenntnis im Wortlaut der Originalstudie zitiert (4):
Sub-saharische afrikanische Populationen sind insgesamt charakterisiert durch einen tieferen Geburtskanal in Blickachse des Körpers, während Populationen amerikanischer Ureinwohner das andere Extrem aufweisen mit einem eher seitlich-ovalen Geburtskanal (quer zur Blickachse des Gesichts). Asiatische und europäisch-nordafrikanische Populationen zeigen demgegenüber eher eine Morphologie, die zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt ist.
Original: Sub-Saharan African populations are overall characterized by a deeper birth canal in the anterior-posterior direction, throughout the three planes (inlet, midplane, and outlet), while Native American populations fall at the other extreme of variation with a more transversally wide canal. Asian and European/North African populations show an intermediate morphology.
Allerhand neue Befunde, die zu weiterer Ursachenforschung aufrufen. Wir alle - außer den Kaiserschnitt-Babies - sind einmal diesen Weg gegangen.
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  1. Weltweit verschiedene Geburtskanäle bergen Gefahren für das Kind, 26.10.2018, https://www.bluewin.ch/de/news/wissen-technik/geburtskanaele-von-frauen-je-nach-herkunft-sehr-unterschiedlich-164436.html
  2. Neue Studie rüttelt an der alten Theorie vom Geburtsdilemma. Oktober 2018, http://antropus.de/Becken-und-Geburtskanal-sind-keine-Anpassung-an-den-aufrechten-Gang.artikel
  3. Stallmach, Lena: Die Evolution lässt einem gebärenden Becken womöglich doch mehr Spielraum. Oktober 2018, https://www.nzz.ch/wissenschaft/wirkt-die-evolution-einem-gebaerfreudigen-becken-doch-nicht-entgegen-ld.1430676
  4. Lia Betti, Andrea Manica: Human variation in the shape of the birth canal is significant and geographically structured. Published 24 October 2018.DOI: 10.1098/rspb.2018.1807, http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/285/1889/20181807

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