Donnerstag, 13. Juli 2017

Die Hausmaus gab es schon im Natufium

Sie ist ein hervorragender archäologischer Indikator für das Vorhandensein von komplexen, stadtähnlichen Gesellschaften
- schon vor der Entstehung des Ackerbaus

Seit vielen Jahren bin ich mit der Hausmaus als Erkenntnisquelle für den Historiker befaßt, weil die Hausmaus offensichtlich ein hervorragender archäologischer Anzeiger, Indikator ist für quasi städtische Besiedlungsdichte und Fernhandel. (Zum Beispiel hat sie sich in der Frühbronzezeit in England ausgebreitet, aber nur in Südengland. Dann hat sie sich in Skandinavien mit den Wikingern ausgebreitet, sprich ERST mit den Wikingern. Und so weiter.)

Abb. 1 Connections between cultural, ecological, and phylogeographic factors in commensal niche dynamics in the terminal Pleistocene southern Levant ( dom , domesticus ; mac , macedonicus ; double-headed arrows indicate transitions in commensal niches) (aus: 1)

Nun ist eine neue GLÄNZENDE Studie zu diesem Thema erschienen ("Origins of house mice in ecological niches created by settled hunter-gatherers in the Levant 15,000 y ago", PNAS, 18.4.2017). Sie handelt davon, daß die Hausmaus schon im FRÜHEN NATUFIUM im Levanteraum domestiziert wurde. Das ist ja der Raum, wo überhaupt der Übergang der Menschheit zur Seßhaftigkeit erfolgte und wo der größte Teil der europäischen Getreidearten und Haustiere domestiziert wurde.

Und die hier von mir eingestellte Grafik der Studie faßt das Ergebnis eindrucksvoll zusammen. Darin bedeutet in der dritten Spalte die Abkürzung "dom" Hausmaus und die Abkürzung "mac" Feldmaus. Im Natufium wurde nun noch gar kein Getreide angebaut, sondern nur geerntet (Wildgetreide wurde gesammelt). Außerdem lebten die Menschen von der Massenjagd auf Gazellenherden. Das ermöglichte aber schon überraschend hohe Siedlungsdichten der halbseßhaften Gesellschaften. Die Menschen lebten damals noch in Rundhäusern, die auch nicht besonders sauber waren (nach Feststellung der Archäologen).

Und siehe da: Schon HIER wird die Hausmaus domestiziert, noch VOR dem Übergang zum Getreideanbau. Wenn das nicht verrückt ist. Ich hätte das, ehrlich gesagt, so nicht erwartet. Ich hätte gedacht, daß sie sich erst mit dem Vollneolithikum domestiziert hat. Aber dieser Umstand unterstreicht eindrucksvoll, daß die Siedlungsdichte schon auf dieser gesellschaftlichen Komplexitätsstufe recht hoch gewesen sein muß.

Und das Spannende ist nun weiterhin, daß sich in den Siedlungen des SPÄTEN Natufium wieder die Feldmaus ausbreitet (!), sprich daß hier also die Siedlungsdichte wieder zurück ging, BEVOR der Übergang zum Vollneolithikum vollzogen wurde. Und schwubs!: Sowie dieser Übergang vollzogen ist, bzw. ganz am Ende der Krisenzeit ("Final Natufium") ist plötzlich auch die Hausmaus wieder da. Erst nur zu 80, dann zu 100 Prozent.

Es ist das ein glänzender Beleg für meine seit langen Jahren vertretene These, daß das Vorkommen von Hausmäusen womöglich der beste bis heute vorhandene Indikator für eine bestimmte menschliche Siedlungsdichte ist, nämlich eine quasi-städtische oder auch proto-städtische.
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  1. Origins of house mice in ecological niches created by settled hunter-gatherers in the Levant 15,000 y ago. By Lior Weissbrod, Fiona B. Marshall, François R. Valla, Hamoudi Khalaily, Guy Bar-Oz, Jean-Christophe Auffray, Jean-Denis Vigne, and Thomas Cucchi. In: PNAS April 18, 2017 114 (16) 4099-4104; first published March 27, 2017 https://doi.org/10.1073/pnas.1619137114, http://www.pnas.org/content/114/16/4099.abstract

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