Freitag, 13. Mai 2016

Meine Gene, Teil 1

Mein Genom: Begabungen, Neigungen, Körperreaktionen, Erbkrankheiten

Die Gene, die Begabungen, Neigungen, Körperreaktionen und Erbkrankheiten bestimmen, kann inzwischen jeder für sich ablesen lassen
- Hier als Beispiel ein Ausschnitt meiner eigenen

Vor zwei Wochen war er endlich da, der Vorfahren-Bericht der Firma 23andMe, bei der ich mein Genom hatte sequenzieren lassen (GA-j!, 27.4.2016). Aber es hatte zunächst eine Enttäuschung gegeben: Der "Health Report", der Gesundheits-Bericht der Firma 23andMe, wird in Deutschland nicht zur Verfügung gestellt. Nach einem international fast einzigartigen Gendiagnostikgesetz darf in Deutschland medizinische Beratung auf der Grundlage von Gensequenzierung nur durch Ärzte vorgenommen werden.

Aber nicht so schlimm! Auf dem Nutzer-Forum von 23andMe habe ich nun zwischenzeitlich den wertvollen Hinweis erhalten, dass man diesen "Health Report" auch bei "Promethase" bekommen kann (SNPedia, bzw. Promethease.com). Das kostet nur 5 Dollar (zu bezahlen per Kreditkarte oder über Bitcoin). Und nur fünf Minuten nach der Bezahlung bekommt man von dort den Bericht. Nämlich nachdem man die Rohdaten, die man von 23andMe erhalten hat, Promethase zur Verfügung gestellt hat.

Und nun lese ich die ersten Auszüge aus diesem Gesundheitsbericht von Promethase und schreibe hier gleich mit. Es soll im folgenden nur ein erster Ein- und Überblick gegeben werden. Es wird bald deutlich, dass es da zu fast jedem gefundenen Genotyp noch viel zu erforschen und weiter zu fragen gibt. Auch wird deutlich, dass es sich beim folgenden nur um einen ersten Ausschnitt handelt, und dass man Tag für Tag neue Entdeckungen macht

Ein Wikipedia für humangenetische Beratung: "SNPedia"

SNPedia, so kann kurz gefasst gesagt werden, ist das Wikipedia für humangenetische Beratung. Da man mit ihm arbeiten muss, sollte man sich zuvor klar machen, wie SNPedia seine Auskünfte aufschlüsselt (nach SNPedia-Hilfe). Jedes SNP, also jeder "Einzelnukleotid-Polymorphismus" (Wiki), wird von SNPedia folgendermaßen charakterisiert, bzw. eingeordnet:

- Unter "Repute" (Ansehen) wird eine Aussage gemacht darüber, ob es generell als ein positives genetisches Merkmal eingeschätzt wird oder als ein negatives (good oder bad, gut oder schlecht). Entsprechend erfolgt auch eine farbliche Charakterisierung.

- Unter "Magnitude" (Bedeutsamkeit) wird eine Einschätzung gegeben, wie spannend das jeweilige SNP sein könnte, zum Beispiel aufgrund seiner Seltenheit oder seiner bedeutsamen Auswirkung willen. (Diese Einschätzung kann sich im Laufe der Zeit ändern, etwa durch neue Nutzer-Bewertungen oder durch neue Forschungsergebnisse.)

- Unter "References" (Referenzen) wird die Zahl der wissenschaftlichen Studien genannt, die bislang zu diesem SNP Erkenntnisse liefern (es können aber inzwischen auch schon mehr sein als angegeben).

- Unter "Frequency" (Häufigkeit) wird eine Angabe gemacht über die Häufigkeit des SNPs in jener Population, der man von SNPedia (bzw. 23andMe) - vorläufig - zugeordnet worden ist. Es handelt sich bei diesen Populationen letztlich um Ethnien. Weil eben, wie sich durch die auch hier auf dem Blog oft behandelte ancient-DNA-Forschung immer besser bestätigt, der Mensch in Völkern, in Ethnien evoluiert. Populationen jedenfalls werden auf SNPedia zunächst nur von jenen gebildet, die auch am häufigsten bei SNPedia mitarbeiten. Ich bin bislang dort eingeordnet in die Population der Europäer nord- und westeuropäischer Abstammung ("Caucasians from Northern and Western Europe"). Aber es gibt dort inzwischen auch schon die Populationen der Mexikaner, der Hanchinesen, der Toscana-Italiener, der Japaner, der (Yoruba-)Afrikaner, der Massai und der Inder. Und es ist mitunter außerordentlich spannend, die Häufigkeit der eigenen Gene (genauer: SNP's) in der eigenen Bevölkerung mit der Häufigkeit der eigenen Gene (genauer: SNP's) in den anderen Populationen zu vergleichen. Was mit einem Mausklick möglich ist. Das ist fantastisch. Bei der Koffeinverstoffwechslung beispielsweise oder bei der Hautfarbe habe ich da gleich sehr spannende Dinge gefunden (siehe unten!).

- Unter den "Topics" kann man dann auch noch zusätzlich nach typischen ethnischen Genmerkmalen suchen, etwa für "aschkenasische Juden" (bislang 23 SNP's), Afrikaner (bislang 4 SNP's), amerikanische Ureinwohner (bislang 2 SNP's), Neandertaler (bislang 36 SNP's). Man kann hier aber auch suchen nach SNP's, die verantwortlich gemacht werden für die Lebensdauer (aging), für Sommersprossen, Haarfarbe, Augenfarbe, Intelligenz, Persönlichkeitstyp, psychische Anfälligkeiten ("mental health"), musikalische Begabung, Schmerzverarbeitung und so weiter und so fort.

Nach all diesen Sortierungs-Möglichkeiten kann ich meine eigenen SNP's sortieren und einordnen, vergleichen, bzw. werden mir die "spannendsten" zunächst vorgeschlagen. Ich muss zugeben, dass ich trotz all dieser Sortierungsmöglichkeiten vieles nicht gleich finde, was ich gerne schneller finden würde. Aber hier lernt man ja Tag für Tag dazu durch Ausprobieren. Und dieser Blogbeitrag kann und will eigentlich nur jeden Leser dazu anregen, dieses Ausprobieren selbst durchzuführen. Es handelt sich dabei um humangenetische Volksbildung vom Allerfeinsten. Sozusagen um ein "Selbstlernprogramm". Obwohl natürlich - zum Beispiel - die Volkshochschulen ruhig auch einmal Kurse anbieten könnten, wie man solche Dinge für sich recherchiert.

Erhöhtes Risiko für Schilddürsenkrebs

Also. Ich habe (gegenüber der Durchschnittsbevölkerung)

- ein 1,6 fach größeres Risiko, Prostatakrebs zu bekommen ("rs6983267(G;G) 1.6x increased risk for prostate cancer; also other cancers 1.4 times as likely to develop colorectal cancer") (s.a. OpenSNP, SNPdia). Hiergegen kann man vorbeugen, wenn man nach dem 45. Lebensjahr nicht mehr so viel Fleisch- und Milchprodukte konsumiert (siehe auf Youtube "Geno Academy", Dr. Wallersdörfer, zu "prostate sensor" - übrigens eine tolle Lehrfilmserie für genetische Beratung auch in deutscher Sprache).

- ein siebenfach größeres Risiko, eine Glatze zu bekommen ("gs122").

Ich habe ein erhöhtes Risiko gastrointestinale Blutungen zu bekommen, wenn ich Ibuprofen nehme ("problem metabolizing NSAIDs impaired NSAID drug metabolism, which is a risk factor for gastrointestinal bleeding when taking any of these medications: aceclofenac, celecoxib, diclofenac, ibuprofen, indomethazine, lornoxicam, meloxicam, naproxen, piroxicam, tenoxicam and valdecoxib").

Ich habe eine genetische Anlage für hellgrüne, braune oder haselnussbraune Augenfarbe ("gs241"). Mein Phänotyp ist aber graublau! :)

Ich habe ein 9,2-fach erhöhtes Risiko, Schilddrüsen-Krebs zu bekommen, weil mein damit in Verbindung stehendes SNP homozygot ist ("rs2145418(G;G)"). Und sofort stellt sich mir die Frage, ob dieses SNP auch etwas mit jener Schilddrüsenhormonmangel-Erkrankung zu tun haben kann, die nicht bei mir, aber bei Verwandten erstes Grades vorkommt. Da ist also gleich ein erster konkreter Ansatzpunkt da, in der nächsten Zeit weiter zu recherchieren.

Ich habe - aufgrund einer Genvariante ("rs16969968(A;A)") - ein höheres Risiko, von Nikotin abhängig zu werden, die zugleich ein geringeres Risiko mit sich bringt, von Kokain abhängig zu werden. Nun scheint diese Genvariante aber durch andere (bekannte oder unbekannte) Genvarianten wieder modifiziert zu werden. Sowie durch günstige Kindheits- und Sozialisierungs-Bedingungen. Beide Eigenschaften sind jedenfalls seit fünfzig Jahren phänotypisch Null Komma nichts zu beobachten gewesen bei mir.

Ich habe ein erhöhtes Risiko, an Zöliakie zu erkranken ("rs3184504(T;T)"). Und in der Tat: Zöliakie-Erkrankung gibt es zwar nicht unter den Verwandten ersten, wohl aber unter genetischen Verwandten zweiten Grades.

Ich habe ein 3,6-fach erhöhtes Risiko, sexuelle Dysfunktion zu bekommen, wenn ich SSRI-Antidepressiva nehme ("rs6311(C;C)"). Zum Glück habe ich noch keine genommen. Aber Citalopram ist mir vor knapp zwei Jahren schon einmal - angesichts von Dauerstress - von Bekannten empfohlen worden. Ich hab es ungebraucht in der Schublade liegen lassen, inzwischen ist das Verfallsdatum überschritten. Eine innere Stimme muss mich gewarnt haben. - Weiter heißt es:

"rs6311 together with rs6314 have a modest effect on depression severity. (...) Three (rs643627-rs594242-rs6311: A-C-T), two (rs594242-rs6311: C-T) and a single functional (rs6311: T) marker were protective against suicidal behavior. The complementary markers (rs594242-rs6311: G-C and rs6311: C) were associated with increased risk for non-violent and impulsive suicidal behavior. Furthermore, CC-homozygotes for the functional SNP rs6311 reported more anger- and aggression-related behavior."

Also dieses SNP scheint schon für sich ein Schutz gegen Selbstmord-Verhalten zu sein, scheint aber überdurchschnittlich mit Zorn- und Aggressions-Verhalten verbunden zu sein. Vielleicht ist ja letzteres der Schutz gegen Selbstmord-Verhalten, weil man Frust nicht in sich hinein frisst. Ja, so würde ich mich schon mitunter charakterisieren. (Schon in der Schule plädierte ich im Unterricht für den Grundsatz: "Macht kaputt was euch kaputt macht!")

Erhöhtes Risiko für Zöliakie

Ich bin heterozygot, was eine genetische Anlage für Hemochromatose betrifft, die eine häufige nord- und mitteleuropäische Erbkrankheit ist, und die (wohl) auftritt, wenn man homozygot ist. ("You are unlikely to be affected unless also a carrier of rs1800562(A) C282Y, but others in your family may be. This is a treatable condition.") ("rs1799945(C;G)") Ich habe noch nicht gehört, dass das in meiner Familie irgendwo aufgetreten ist.

Tja, was nicht alles in Deinen Genen steht, kleiner Mann
(Aufnahme von 1966)

Ich habe noch eine weitere Anlage, die ein zweifaches Risiko mit sich bringt, eine Glatze zu bekommen ("rs2180439(T;T)"). Die Gene haben sich gegen mich verschworen.

Ich habe ein 1,3-fach erhöhtes Risiko, Brustkrebs zu bekommen (das sollen auch Männer kriegen können, wir mir gerade gesagt) ("rs2981582(C;T)".

Ich habe ein 1,5-fach größeres Risiko, eine koronare Herzerkankung zu bekommen ("rs1333049(C;G)").

Wow, und das folgende ist ja auch spannend: Ich kann leichter Irrtümer vermeiden dank einer Dopamin-Rezeptor-Variante ("rs1800497(C;C)"), die zugleich mein Risiko, ADHS, Alkohol-, Nikotin- und Essen-abhängig zu werden (sprich übergewichtig zu werden), sowie zu postoperativer Übelkeit, herabsenkt. Es gibt da etwa den schönen Satz: "Lower obesity due to increased pleasure response to food." Also: Ich habe eine geringeres Risiko, übergewichtig zu werden, weil ich eine intensivere Lust-Reaktion, Befriedigung habe über Essen, das ich zu mir genommen habe. Aha, aha. .... 

Wem soll ich noch etwas von dieser tollen Variante abgeben? :) Dopamin gilt ja als Glückshormon. Und es dürfte sehr spannend sein, nun allerhand Forschungsstudien zu dieser Genvariante zu lesen ... (Die findet man, das kann ich ja gleich mal sagen, schön versammelt auf der OMIM-Datenbank, die "Online Mendelian Inheritance of Man"-Datenbank.) Hier kommen wir dick hinein in den Bereich der Verhaltensgenetik, der ja noch viel spannender ist als die Genetik bloß körperlicher Merkmale. Das ist übrigens fast schon ein philosophischer Satz: Indem mir mein Körper eine intensivere Lust-Empfindung beim Essen gibt, esse ich nicht mehr (!), sondern weniger. Hätte man nicht ohne diese Erkenntnis geglaubt, dass größere Lustreaktion dazu führt, dass man noch mehr essen möchte?

"Increased pleasure response to food"

Ich habe auch eine Variante, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ich das Empfinden habe, dass Koriander wie Soße schmeckt. So so.

Ich habe ein 1,3-fach erhöhtes Risiko, an Typ 2-Diabetes zu erkranken. Das damit in Zusammenhang stehende SNP (Einzelnukleotid-Polymorphismus) liegt auf Chromosom 6 und kommt, häufiger bei aschkenasischen Juden vor und haben - soweit ich sehe - im nördlichen und westlichen Europa ("Caucasians from Northern and Western Europe") 10 % der Bevölkerung ("rs7754840(C;C)".

Soweit ein erster kleiner Einblick. Übrigens gibt es in den USA eine neue Berufsrichtung, den "genetic counselor" (Wiki). Also den "genetischen Ratgeber". Jemanden, der einem hilft, die Rohdaten der Sequenzierung seines persönlichen Genoms besser zu verstehen und daraus konkrete Handlungsrichtlinien abzuleiten. Ein toller Beruf, in Deutschland läuft das unter "humangenetische Beratung" (Wiki).

Ein Blick in die Verwandtschaft bestätigt vieles

Ergänzung: Noch am gleichen Tag der Veröffentlichung dieses Beitrages (da war er nur halb so lang wie jetzt) habe ich die Zuschrift einer weiblichen Verwandten mütterlicherseits bekommen:

Hier einige Familien-Krankheiten: Eine Deiner Tanten hat Typ II Diabetes. Deine Großmutter hatte Dickdarmkrebs (und auch schwarzen Hautkrebs), Brustkrebs können auch Männer kriegen (Brustkrebs hatten eine Deiner Großtanten und eine ihrer Töchter), zwei oder drei Deiner Onkel haben/hatten Prostatakrebs, Glatze hatte Dein Großvater, seine Söhne haben noch keine. Nikotinsüchtig waren Dein Großvater und zwei seiner Söhne, einer davon ist es noch immer.

Das bestätigt ja sehr schnell sehr deutlich vieles von dem oben Gesagten. Durch weitere Gespräche erfahre ich: Mein Großvater mütterlicherseits kam schon mit schütterem Haar aus dem Ersten Weltkrieg nach Hause. Weil er so viel den Helm tragen musste, heißt es. Mein Opa väterlicherseits war ebenfalls ein starker Raucher ("Overstolz ohne"). Und eine Tante väterlicherseits hatte Brustkrebs.

Da wären also in unserer Familie baldmöglichst Vorsorge-Untersuchungen anzuraten. Das war mir so noch nicht klar. Und das dürfte schon ein erster sehr konkreter Nutzen sein, wenn man seine Gene sequenzieren lässt. Nämlich zu wissen, dass und welche Vorsorgeuntersuchungen für einen von Bedeutung sein könnten, sowie, welcher Lebensstil und welche Ernähung am besten vorbeugt nach heutigen Erkenntnissen.

Leber verstoffwechselt Koffein sehr schnell

Fortsetzung am Folgetag, den 15.5.: Aha, indem ich aus der Rubrik "Topics" einige spannende auswähle, erhalte ich schnell weitere spannende Ergebnisse. Nämlich:

Meine Leber verstoffwechselt Koffein schnell ("rs762551(A;A)"). Dieses SNP haben 53 % aller Nordmitteleuropäer, 58 % aller Mexikaner, 44 % aller Hanchinesen, 40 % der Toscana-Italiener, 35 % der Japaner, 32 % der (Yoruba-)Afrikaner, 28 % der Massai, 25 % der Inder:

"caffeine is broken down faster in your liver, so it has less effect on you. (...) In terms of genotypes, only rs762551(A;A) individuals are considered fast metabolizers. Individuals who are rs762551(A;C) heterozygotes or rs762551(C;C) homozygotes are both considered slow metabolizers."

- - - Ich bin allerdings der Meinung, dass Koffein eine sehr große Wirkung auf mich hat. Deshalb ist für mich genaue Dosierung sehr wichtig. Zum Frühstück zwei Tassen Kaffee (nicht zu stark und nicht zu schwach) und um 15 Uhr noch einmal eine Tasse Kaffee ist für mich gleichbedeutend mit der Möglichkeit geistiger Höchstleistungen. Trinke ich den Nachmittagskaffee (oder grünen oder schwarzen Tee) nach 17 Uhr, schlafe ich in der Regel schlecht ein oder schlafe überhaupt schlechter, bzw. unruhiger. Tja, da gibt es also allerhand Diskussions- und Vergleichsbedarf.

Wann gibt es für so etwas endlich ein deutschsprachiges Forum? Das - wie mir scheint - sehr stark moderierte Nutzer-Forum auf 23andMe (auch nur für angemeldete Nutzer) ist vornehmlich mit Herkunfts-Haplotypen befasst, die man - im Vergleich mit den hier behandelten kodierenden SNP's - inzwischen doch längst als ziemlich langweilig empfinden kann. Außerdem ist es auch noch thematisch wenig übersichtlich gegliedert. Ich kann den Eindruck nicht loswerden, als hätte das Methode. Mag sich aber jeder denken dazu, was er will. Jedenfalls ist mir noch nicht ganz klar geworden, warum der Konstanzer Biologe Axel Meyer die Internetseite von 23andMe als so empfehlenswert ansieht, wie er das Anfang des Jahres auf Facebook getan hat. Es wäre gut, wenn dieser Bereich der "consumer genetics" bald wieder weniger monopolisiert würde als dies derzeit der Fall ist mit 23andMe und als Folge der Einstellung des Dienstes der Isländischen Firma DeCodeMe, die lange Zeit so gute wissenschaftliche Arbeit geleistet hat, und die auch weiterhin viel Schwung in diese Entwicklung hätte bringen können (Wiki).

Wie spannend die ganze Thematik ist, wird auch gleich sehr deutlich an dem folgenden, sehr tollen Ergebnis: "rs1426654(A;A)" auf Chromosom 18 ist (mit-)verantwortlich für die Hautfarbe und bedeutet laut SNPedia, dass ich "wahrscheinlich hellhäutig und europäischer Abstammung" bin:

estimates that the rs1426654(A) allele (light skin pigmentation) spread through the European population around 6,000 - 12,000 years ago. Prior to that, 'European ancestors' were most likely relatively brown-skinned.

Dieses SNP hat sich also erst seit und mit der Einführung des Ackerbaus in Europa ausgebreitet. Die ausgestorbenen Jäger und Sammler, die zuvor in Mitteleuropa lebten, waren (nach der Untersuchung der erhaltenen DNA in ihren Skeletten dunkelhäutiger. Aufgrund dieser evolutionären Geschichte hat dieses SNP heute bei Nordwesteuropäern eine Häufigkeit von 100 %, bei Toscana-Italienern eine solche von 99 %, bei Indern von 89 %, bei Mexikanern von - - - 33 %, bei Massai von - - - 10 % (- immerhin! auffällig! spannend! - woher kommen überhaupt die 10 %?!) und bei Hanchinesen, Japanern, Afrikanern eine Häufigkeit von sage und schreibe - - - 0 %! Es liegt hier also konvergente Evolution von heller Hautfarbe vor, sprich parallele Evolution in Nordeuropa und in Nordasien. Das ist ja schon seit einigen Jahren bekannt und ich schrieb darüber auch schon auf meinem Wissenschaftsblog. Schön, das jetzt in den eigenen Genen wieder zu sehen.

Ich bin voller Vertrauen und Einfühlsamkeit gegenüber meinen Mitmenschen - und gegenüber Kindern ;)

Weiter: SNP "rs53576(G;G)" auf Chromosom 3 ergibt eine Variante im Oxytocin-Rezeptor-Gen und lässt mich - womöglich - Stress besser verarbeiten und mich leichter die Emotionen anderer erkennen und mich weniger schreckhaft sein. Es scheint so zu wirken, als ob ich eines zusätzlichen Sprühstosses Oxytocin in die Nase nicht bedürfte, um all diese positiven Eigenschaften Wirklichkeit werden zu lassen. Es lässt mich also allgemein mehr Vertrauen in meine Umwelt haben und mich ein verträglicher, umgänglicher Mensch sein! Wer möchte diese Variante auch haben? ;)

Sie scheint aber nur zu 0,4 % in der Bevölkerung verbreitet zu sein (- ?). Wirklich? Vielleicht lese ich das auch grade falsch. Studien haben jedenfalls ergeben, dass Menschen mit dem G-Allel einfühlsamer sind, sich weniger allein fühlen, auch als Eltern einfühlsamer sind und niedrigere Häufigkeit von Autismus aufweisen. SNPedia führt zahlreiche neuere Studien an für das eben Gesagte. Das ist ja praktisch ein Supergen! (Oh, weia, wenn ich das meinen nächsten Angehörigen erzähle, die verstehen die Welt nicht mehr ... Die werden sagen: Ingo, was bloß hast Du mit dieser Begabung gemacht. Wie ist sie auf den Hund gekommen!)

Der einsichtsvolle Humangenetiker sagt an dieser Stelle vielleicht: Da wird es noch Antagonisten geben, also Genvarianten, die gegenteiliges Verhalten wahrscheinlich machen. Wir können eben nichts Positives ohne das Gegenteil denken.

Aber noch ein anderer Gedanke: Hat jemand, der so verträglich und vertrauensvoll ist, mehr Mut, sich von Menschen zu isolieren, als jemand, der das nicht ist? Sprich, mehr Mut, abweichende Meinungen zu vertreten? Könnte ja sein ... Dann wäre der Blog "Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!" der "rs53576(G;G)"-Blog! :)


/Dieser Blogbeitrag hat seither Fortsetzungen gefunden --> Teil 2 und Teil 3./

Sonntag, 8. Mai 2016

Ist Lehrbuch-Wissen "Quatsch"? - Über naturwissenschaftsnahes Argumentieren in der Politik

Im Lehrbuch "Soziobiologie" von Eckart Voland aus dem Jahr 2013 (2) wird ein Aufsatz aus der Zeitschrift "Human Nature" aus dem Jahr 2009 (1) referiert, der kurzzeitig in der Öffentlichkeit erörterte Argumentationslinien zu angeborenen Verhaltensunterschieden von menschlichen Großgruppen bezüglich r- und K-Strategien (12-17) - im Gegensatz zum allgemein in der Öffentlichkeit vertretenen Urteil - im Prinzip gerechtfertigt erscheinen läßt.

Abb. 1: Eckart Voland - Soziobiologie, 2013, 4. Aufl.
An nur wenigen Tagen in den letzten Monaten und Jahren ist kurzzeitig einmal im Zusammenhang mit politischen Erörterungen Bezug genommen auf naturwissenschaftsnahes Argumentieren (17).

In Reaktion darauf war in den "großen" Medien davon die Rede, dabei sei gedanklich völliger Blödsinn vertreten worden. Selbst nahe politische Freunde desjenigen, der sich hier geäußert hatte, zeigten sich als von Abscheu erfüllt. Sie meinten, daß man sich nicht kontraproduktiver hätte äußern können. In einer rechtfertigenden Stellungnahme wurde inhaltlich dann kein Argument vorgebracht, daß das zuvor vorgebrachte naturwissenschaftsnahe Argumentieren weiter erläutern und stützen würde und das dadurch dazu anregen würde, eine Sachauseinandersetzung weiter zu führen. Und dies ist der Zustand bis heute.

Selbst so überlegte Leute wie der Südtiroler Philosoph Marc Jongen (Universität Karlsruhe) äußern lieber ihre Sympathien für Rudolf Steiner, als daß sie in eine Sachdebatte einsteigen würden und Verständnis zeigen würden für ein naturwissenschaftsnahes, evolutionäres Denken (17).

Weit und breit niemand führte auf diesem Gebiet in der allgemeinen Öffentlichkeit die Sachauseinandersetzung auf inhaltlicher Ebene weiter.

"Der Häscher der Selbstgerchten"


Außer uns. Und außer ganz wenigen Denkenden in Deutschland. Und außer des Wissenschaftsjournalisten Marcus Anhäuser (14) und jener wenigen, auf die er sich bezieht - - - und schließlich außer jemandem, der sich nennt - - - "DerHäscherderSelbstgerechten", der dann von Kritikern begrüßt wurde als "DerMitMartialischenNamenTanzt". Es handelt sich bei diesem "Häscher der Selbstgerechten" um einen Blogger, der sich "Genhorst" nennt. (Der aber jüngeren Jahrgangs ist, als man bei einer solchen Namenswahl vermuten sollte.) Dieser gab schon am 14. Dezember - allerdings bis heute wenig beachtet - den entscheidenden Kommentar zu allen öffentlichen Erörterungen rund um das zur Debatte stehende evolutionäre Denken (Genhorst 14.12.2015) (13).

Abb. 2: Die Überlebenskurve für fünf unterschiedliche Lebewesen mit unterschiedlicher Fortpflanzungsstrategie
(Danke für diese Grafik von: Armin Kübelbeck)

Der Verfasser dieser Zeilen ist bislang der einzige gewesen, dem dieser Blogbeitrag "gefiel", und der ihn auf Facebook weiter geteilt hat. Und der ihn in Kommentaren bei Marcus Anhäuser dann weiter auswertete. Das soll nun auch hier noch einmal dokumentiert werden. Denn - wie gesagt - niemand innerhalb der gesamten "Qualitätspresse" weltweit scheint bislang diesen Hinweis aufgegriffen zu haben. Womit der Vorwurf Lügenpresse voll und ganz gerechtfertigt erscheint.

Was hatte "Der Häscher der Selbstgerechten" getan? Er hatte einfach ein Zitat aus dem Lehrbuch meines Doktorvaters gebracht, auf das ich selbst gar nicht gekommen war:
Soziobiologe Eckart Voland schreibt dazu in seinem Standartwerk „Soziobiologie“ (Springer-Verlag Berlin, Auflage von 2013) im Abschnitt „Menschen sind flexible K-Strategen“ (S. 166).
Und dieses Zitat brachte er dann auch am 5. Februar 2016 in den Kommentaren bei Marcus Anhäuser. Eckart Voland schrieb da also schon 2013:
Allein schon angesichts ihrer vergleichsweise geringen Fruchtbarkeit, langen Jugendentwicklung und beachtlichen Lebenserwartung rangieren Menschen weit auf der K-Seite des r/K-Gradienten. Allerdings läßt sich eine durchaus nennenswerte Variabilität, sowohl im Populationsvergleich als auch im interindividuellen Vergleich, innerhalb einer Population in Bezug auf lebensstrategische Parameter beobachten. Man denke nur an den Unterschied in der realisierten Fruchtbarkeit, wie sie in den westlichen Industriestaaten vorherrscht und nicht einmal zur bloßen Regeneration der Bevölkerung ausreicht […]. Angesichts dieser Unterschiede hat sich schon früh die Frage gestellt, ob das Konzept von “r-” versus “K-Strategie”, das zwar zur Erklärung von genetisch weitgehend fixierten Artunterschieden entwickelt wurde, nicht sinngemäß auch menschliche Unterschiede zu erklären vermag. Schließlich beobachtet man Unterschiede in individuellen Lebensvollzügen, die analog zum “r/K-Konzept” unterschiedlich stark ausgeprägte Fluktuationen in den sozio-ökologischen Lebensbedingungen einschließlich unterschiedlicher extrinsischer Mortalitätsrisiken abbilden. Wenngleich Menschen also K-Strategen sind, sind sie das auch auf verschiedene Weise. Idealtypisch vereinfacht lassen sich eher “langsame” von “schnellen” Lebensverläufen unterscheiden, wobei die “Geschwindigkeit” des reproduktiven Verhaltens als konditionale und funktional-adaptive Antwort auf das Ausmaß individuell erfahrener Lebenssicherheit verstanden wird. […] Die Forschung zur Plastizität der K-Strategie des Menschen hat längst ihre ursprüngliche Domäne, nämlich die Darwinische Entwicklungspsychologie verlassen und strahlt weit in benachbarte Disziplinen aus, die - sei es mit demografischen, kulturvergleichenden oder anderen Methoden und Datensätzen - die Vielfalt der menschlichen Lebensverläufe mit einer einheitlichen evolutionären Theorie einzufangen versucht.
Abb. 3: Rushton - Rasse, Evolution, 2005
Darauf schrieben wir noch am gleichen Tag in den Kommentaren:
Was “Genhorst” da gefunden hat, ist schlichtweg die definitive Entscheidung in dieser Debatte. Und dieses Zitat müßte, wenn wir es denn nicht mit einer Pinocchio-Presse zu tun hätten, durch die gesamte große Presse gehen. Die moderne Humansoziobiologie mit ihrem im deutschen Sprachraum prominentesten Vertreter sagt, daß Menschen r-Strategen sein können als “Antwort auf individuell erfahrene Lebenssicherheit” und auf der Ebene von Populationen (von der in dem Zitat die Rede ist). In Afrika gibt es r-Strategie als Antwort auf individuell erfahrene Lebenssicherheit auf Populationsebene. (...) Der Wissenstand ist schlichtweg zu allergrößten Teilen korrekt wiedergegeben worden. Ob die richtigen politischen Schlußfolgerungen daraus gezogen worden sind, ist damit ja gar nicht gesagt. Aber Pinocchio-Presse bleibt Pinocchio-Presse. Peter Sloterdijk spricht absolut korrekt von Lügenäther.
Ich übergehe hier einen längeren Abschnitt in der Diskussion bei Marcus Anhäuser, in der auf Einwände gegen unsere Auslegung dieses Zitats geantwortet wurde. Es wird eine Diskussion sein, die sehr lehrreich sein dürfte für manche, die noch weniger in naturwissenschaftsnahem Denken geschult sind. Bis zum 9. Februar hatte ich dann endlich herausgesucht, was hier tatsächlich inhaltlich zur Erörterung stand. Ich schrieb:
Habe jetzt das obige Voland-Zitat im Original rausgesucht und sehe, daß sich Voland bezieht bei den zitierten Aussagen auf diese Studie aus dem Jahr 2009: http://www.u.arizona.edu/~ajf/pdf/Ellis,%20Figueredo,%20Brumbach,%20&%20Schlomer%202009.pdf (Schade, daß man das hier alles selber machen muß und die “Qualitätspresse” weit und breit sich in Deutschland darum nicht kümmert.) Im Abstract dazu heißt es abschließend: “This review demonstrates the value of applying a multilevel evolutionary-developmental approach to the analysis of a central feature of human phenotypic variation.” Ohne das Ding jetzt weiter gelesen zu haben, entnehme ich jetzt mal dem Wort “multilevel approach”, daß ich mit meiner obigen “Interpretaton” des Voland-Zitates 100% richtig liege. Denn multilevel heißt: die genetische Ebene ist eben nicht ausgeschlossen.
Der Aufsatz stammt von einer Forschergruppe rund um den Evolutionären Psychologen Bruce J. Ellis von der Universität von Arizona in Tuscon, USA. Er ist in deutscher Übersetzung betitelt mit: "Grundlegende Auswirkungen von Umweltrisiken - Der Einfluß von harschen gegenüber unvorhersehbaren Umwelten in der Evolution und Entwicklung von Lebensphase-Strategien" (1).

Bruce J. Ellis aus Tuscon/Arizona


Abb. 4: Die Zeitschrift "Human Nature"
Und diese Originalarbeit, auf die sich Voland bezog, ist glücklicherweise frei zugänglich und so konnten aus dieser gleich die entscheidenden Passagen herausgesucht werden (worauf es dann auch - bis heute - keine Einwände mehr gab ;) ). Bezugnehmend auf hier nicht dokumentierte Diskussionsabschnitte schrieb ich also:
Der eben genannte Artikel von 2009 raisonniert auf genau der gedanklichen Linie, die ich oben schon erläutert habe. Aber er geht noch erheblich weiter! Er erörtert sehr WOHL auch sehr konkret verhaltensgenetisch vorgegebene Häufigkeitsunterschiede zwischen MENSCHLICHEN Populationen weltweit. Insbesondere auf S. 228f wird dies anhand einer genetischen Anlage für ADHS erörtert, eine Anlage, deren 7-fache Sequenz bei Chinesen und Buschleuten gar nicht vorkommt, die aber in einigen Volksstämmen Südamerikas sehr häufig vorkommt und z. B. unter Europäern ebenfalls mitverantwortlich ist für dortiges “novelity seeking”, für Abenteuerlust, Risikofreude und ADHS. Und diese Steuerungssequenz korreliert nach älteren Studien (u.a. Harpending) mit Nomadenhaftigkeit und Wanderungsfreude. Und nun der von Voland zitierte Aufsatz zu solchen angeborenen Lebenslauf-Häufigkeits-Unterschieden zwischen menschlichen Populationen in Bezug auf diese Veranlagung (LH = Life history):
“Variation between and within human populations in LH strategies has also been linked to measured genetic variation. For example, the modal slow human LH strategy may be supported by the common 4R variant of the human dopamine receptor D4 (DRD4) gene. DRD4 regulates dopamine receptors in the brain, and variants of this gene have been linked to individual differences in such personality traits as extraversion and novelty-seeking (Ebstein 2006). The 4R allele was apparently the most common form of the DRD4 gene throughout human prehistory (Wang et al. 2004). Under conditions of environmental harshness and resource limitation, which are common in pre-agricultural foraging societies, biparental investment in offspring, durable pairbonds, and strong family ties and cooperation (i.e., slower LH strategies) are generally needed to survive and reproduce successfully (see Draper and Harpending 1988; Geary 2000; Rodseth and Novak 2000). Harpending and Cochran (2002) suggest that these ancestral conditions helped to maintain the 4R allele, which is associated with more riskaverse mating and social behavior.
Whereas the DRD4 4R allele appears to have emerged around a half-million years ago and is common in most geographical locations, the DRD4 7R allele, which is associated with more impulsive and risk-prone behavior, appears to have been selected for during the past 40,000–50,000 years and has a widely variable and nonrandom global distribution (Chen et al. 1999; Wang et al. 2004). Based on an analysis of this distribution, Chen et al. (1999) have argued that the 7R allele promotes migratory behavior, with bearers of 7R more likely to lead populations far from their ancient lands of origin (e.g., South American Indians, Pacific Islanders). An alternative explanation, however, proposed by Harpending and Cochran (2002), is that the 7R allele is favored by selection under conditions of surplus resources. In such luxuriant contexts, where offspring can be successful without intensive biparental investment (as is common in many agricultural and modern societies), higher levels of energetic, impulsive, and noncompliant behavior characteristic of male bearers of the 7R allele may facilitate fast sexual behavior and success in intrasexual competition (Harpending and Cochran 2002; Penke et al. 2007). Recent increases in the frequency of the 7R allele (Ding et al. 2002) are consistent with this hypothesis. In total, 7R bearers may not only be more likely to become propagules colonizing new environments (generating between-group variation in LH strategies) but may also employ faster LH strategies than 4R bearers in well-resourced, multiniche environments (supporting within-group variation in LH strategy).
In sum, there is much variation in LH strategies between different human populations (e.g., Rushton 2004; Walker et al. 2006b; Walker and Hamilton 2008). On the one hand, genetic polymorphisms, such as those at the DRD4 locus, are potentially relevant because they may account for meaningful cultural and individual variation in LH strategies. On the other hand, comparative data from small-scale human societies suggest that differences between populations in LH strategies are responsive to mortality rates. Much more work is needed, however, to delineate the potential evolutionary and developmental bases of such differences and their coordination with environmental conditions.”
In diesem Falle würden also, wenn ich es recht verstehe, Buschleute und Chinesen auf der “K-nahen” Seite stehen, während südamerikanische Indianerstämme und abenteuerlustige, risikofreudige Europäerinnen und Europäer auf der “r-nahen” Seite stehen, weil sie wechselnde Sexualpartner haben und/oder auch einen sonstigen risikofreudigeren Lebensstil haben. Man sieht, das Thema ist in jedem Fall komplex. Aber daher zu kommen und zu sagen, es sei grundsätzlich “Blödsinn”, in Bezug auf angeborene Verhaltensunterschiede beim Menschen auf Populationsebene von r- und K-Strategie zu sprechen – DAS ist: Blödsinn. Denn die Forschung geht auch jenseits von Philippe Rushton auf diesem Gebiet weiter, jenseits eines Autors übrigens, der auch in der Studie von 2009 als ernstzunehmender zitiert wird.
Seit diese Zitate der Öffentlichkeit bekannt gegeben und ihr erläutert worden sind, ist die öffentliche Erörterung rund um das hier zur Erörterung stehende evolutionäre Denken schlichtweg entschieden. All die Kritiker auf dem Blog von Marcus Anhäuser, die sich zuvor immer wieder mit neuen Einwänden gemeldet hatten, blieben, nachdem diese Zitate gebracht worden waren, stumm. Wahrscheinlich reden sie sich damit heraus, dass ihnen die Diskussion zu lang geworden war und sie ihr gar nicht mehr gefolgt wären.

Aber man möchte doch gerne wissen, wann endlich Qualitätspresse Qualitätsberichterstattung betreibt. Statt Hetzpresse und Verblödungspresse zu sein. (Einige weiterführende Ausführungen im Anhang.) (Ergänzung 11.6.16:) Übrigens ist damit auch die öffentliche Stellungnahme des "Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung" (19) vollständig widerlegt, etwa die dortige These, dass es sich bei der r/K-Theorie um eine "mittlerweile veraltete Theorie zu Unterschieden im Fortpflanzungsverhalten zwischen verschiedenen Tierarten" handeln würde. Wie können habilitierte Wissenschaftler einen solchen Unsinn äußern?
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ResearchBlogging.org
  1. Ellis BJ, Figueredo AJ, Brumbach BH, & Schlomer GL (2009). Fundamental Dimensions of Environmental Risk : The Impact of Harsh versus Unpredictable Environments on the Evolution and Development of Life History Strategies. Human nature (Hawthorne, N.Y.), 20 (2), 204-68 PMID: 25526958
  2. Voland, Eckart: Soziobiologie. Die Evolution von Kooperation und Konkurrenz. Springer-Verlag, Heidelberg u.a. 2013 (4. Auflage)
  3. Bading, Ingo: Ein Skandal der allerersten Güte. Das "Institut für Staatspolitik" in Schnellroda und sein geistig überaus schmalspuriges Auftreten. Auf: GA-j!, 12. Juli 2015
  4. Bading, Ingo: Rettet naturwissenschaftsnaher Katholizismus die europäischen Völker? Entwicklungen auf dem Internetblog "Projekt Ernstfall". GA-j!, 23. Juli 2015
  5. Bading, Ingo: "Eine Milliarde Katholiken gegen 200 Ludendorffer - viel Spaß in der Bataille". GA-j!, 28. Juli 2015
  6. Bading, Ingo: Verblödung auf der Internetseite Sezession. Katholische Rechtskonservative seit über 40 Jahren: "Gehe zurück auf Los und fange bei Null an". GA-j!, 15. August 2015
  7. Bading, Ingo: Alain de Benoist - Er hat "biologische Fragestellungen" "allzu sehr in den Vordergrund gestellt. GA-j!, 7.10.2015 
  8. Bading, Ingo: Alain de Benoist - Ein rechtskonservativer Hijacker. GA-j!, 11.10.2015
  9. Bading, Ingo: Laßt sie nicht abreißen! - Die kulturelle und genetische Tradition. Begreift Euch als Erben! Eine Lesehilfe zu Peter Sloterdijk's neuestem Buch "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" (2014). GA-j!, 15. Oktober 2015
  10. Albrecht, Jörg: Das Fremde und das Vertraute. In: FAS, 17.11.2015
  11. von Rauchhaupt, Ulf: Lewontins Fehlschluß. In: FAS, 17.11.2015
  12. Zastrow, Volker: Neue Rechte - Höckes Rassetheorie. In: FAZ, 20.12.2015
  13. Genhorst: Höckes r- und K-Strategen. Auf: Das Wesen - EvoDevoAnthro, 14. Dezember 2015, https://genhorst.wordpress.com/2015/12/14/hoeckes-r-und-k-strategen/
  14. Anhäuser, Marcus: Liebe Biologen, #Höcke wäre Eure Chance gewesen (Nachtrag 28.1.16). Auf Placeboalarm, 15. Dezember 2015, mit 105 Kommentaren, http://scienceblogs.de/plazeboalarm/index.php/liebe-biologen-hoecke-waere-eure-chance-gewesen/
  15. „Sonst endet die AfD als ‘Lega Ost’“ - Interview mit Karlheinz Weißmann. In: Junge Freiheit, 21.12.2015
  16. Hermsdorf, Daniel: Volksverhetzung durch angebliche #Rassismus-Kritik? Filmdenken, 21.12.2015
  17. Bading, Ingo: Evolutionäres Denken - Von seinem Gebrauch und Mißbrauch in der Politik. 10. Januar 2016, https://studgenpol.blogspot.com/2016/01/bjorn-hockes-evolutionares-denken.html
  18. Brynja Adam-Radmanic: Hat Höcke recht, aber wir dürfen es nicht sagen? - Ein Fakten-Check mit Anleitung zur Verhinderung totalitären Denkens. Auf: Wissensküche, 15. Dezember 2015 (mit 126 Kommentaren), http://wissenskueche.de/2015/12/hat-hoecke-recht-aber-wir-duerfen-es-nicht-sagen-ein-fakten-check-mit-anleitung-zur-verhinderung-totalitaeren-denkens/
  19. Damian Ghamlouche: BIM-Pressemitteilung: Rassistische Argumentationen dringen unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit in den politischen Raum. Pressemitteilung des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung vom 15.12.2015, http://www.bim.hu-berlin.de/media/PM_BIM_14122015.pdf