Donnerstag, 26. Februar 2009

"Muß ewiges Leben sinnlos sein?"

So fragt ein Aufsatz im "European Journal of Philosophy"

"Schließlich waren es die Sonntagnachmittage, mit denen er nicht zu Rande kam," so heißt es unter anderem in der wilden Science Fiction-Satire "Das Leben, das Universum und der ganze Rest" (Wiki) von Douglas Adams (1952-2001) (Wiki) aus dem Jahr 1982, in jener Holterdipolter-Sciece-Fiction-Satire, in der der Protagonist Arthur Dent - zur Abwechslung - einmal durch einen dummen Zufall Unsterblichkeit erlangt hat. Adams spinnt diesen Gedanken - wie langweilig es wäre, Unsterblichkeit zu besitzen - noch länger aus (1).

An diesen Roman knüpft ein Aufsatz von Seiten eines britischen Philosophen an (2). Schon im Titel desselben wird die Frage gestellt "Muß ewiges Leben sinnlos sein?" Für sich genommen vermutlich ein spannendes Thema. Es fragt sich nur, ob ein satirischer, zumeist nur oberflächlich-witziger Roman der Pop-Kultur aus dem Jahr 1982 wirklich der beste Ausgangspunkt ist, um eine solche, doch eher tiefer angelegte philosophische Frage anzugehen.

Auch ist die Frage, ob eine materialistisch-atheistische Weltanschauung hier nicht in ihr innewohnende Widersprüche gerät und geraten muß, wenn sie diese Frage beantworten will. Womöglich wird genau dieser Umstand mit der philosophischen Diskussion, in die der hier genannten Aufsatz eingreift, aufgezeigt.

Insgesamt handelt es sich hier um ein Thema, mit dem wir uns bei Gelegenheit noch einmal gründlicher beschäftigen sollten. In diesem Beitrag soll auf diesen Aufsatz aber zunächst nur hingewiesen werden und auf die beiden weiteren philosophischen Texte, auf die er sich bezieht (3, 4).

Über die Bedeutung des Alterstodes aus naturwissenschaftlicher Sicht hat sich schon einer der Begründer der Evolutionsbiologie, August Weismann (1834-1914), Gedanken gemacht, als er über die Trennung von Keimbahn und Soma nachdachte, also über die Zelldifferenzierung zwischen Keimzellen (Fortpflanungszellen) einerseits und den übrigen Körperzellen (Soma) andererseits. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, daß die Keimzellen jene potentielle Unsterblichkeit behalten, die auch alle Einzeller besitzen, während die die ausdifferenzierten Zellen eines vielzelligen Körpers dem Altertod, der gesetzmäßigen Sterblichkeit unterliegen.

In seinen berühmten "Vorträgen über Deszendenztheorie" spricht Weismann von der ersten Leiche in der Evolution, nachdem er von dem evolutiven Übergang von der einzelligen Zellalge Eudorina zu dem frühen Vielzeller Volvox gesprochen hatte. Volvox umkleidet seine Fortpflanzungszellen mit einer ersten äußeren Schicht von Körperzellen, die "gestorben" zu Boden sinken, wenn die Fortpflanzungszellen erneut ausschwärmen.

An diese Erkenntnis von August Weismann ist schon 1921 von Seiten der Philosophie angeknüpft worden und ein ganz neuer philosophischer Entwurf formuliert worden (5). Dieser philosophische Entwurf steht allerdings vom Gehalt seiner Aussage her in einem deutlicheren Gegensatz zur Pop-Kultur von heute.

August Weismann - Richard Dawkins - Douglas Adams


Zuletzt sind auf dem Wissenschaftsblog "WeiterGen" solche Fragen angesprochen worden im Zusammenhang mit der seltenen Krankheit des beschleunigten Alterns (6).

Douglas Adamas hat sich als Atheist verstanden und als Anhänger des Evolutionsbiologen Richard Dawkins. Dawkins hinwiederum hat sein jüngst erschienenes Buch "Gotteswahn" Douglas Adams gewidmet.*)

Die genannte fiktive Geschichte von Adams (1) handelt also von einem unsterblichen Menschen und dreht sich um die Frage, mit welchen Vorhaben dieser Mensch versucht, seinem ewigen Leben Sinn zu geben. Und im Anschluß daran wird die Themenstellung des Philosophie-Aufsatzes folgendermaßen umrissen (2):
Viele heutige Philosophen, insbesondere Bernard Williams (1973) und Adrian Moore (2006) sehen an dieser Stelle ein grundlegendes Problem. Sie sehen es als unmöglich an, daß irgendjemand mit Unsterblichkeit umgehen könne, und sei es auch nur in einem geringen Umfang.
Many contemporary philosophers, notably Bernard Williams (1973) and Adrian Moore (2006), see a conceptual problem here. They cannot conceive how anyone could cope with immortality, even in the rather minimal sense.
Der Autor glaubt dann, seine Leser von folgendem überzeugen zu können (2):
Ein ewiges Leben, so argumentiere ich, kann sinnvoll sein und (...) wird sinnvoller sein als es jedes endliche Leben sein könnte, weil es frei ist von der Bedrohung durch die Sinnlosigkeit, von der keine Form von endlichem Leben entlastet werden kann. Wir haben deshalb Gründe dafür, nach einem ewigen Leben zu streben, das unter diesen Umständen gelebt werden kann.
An eternal life, I argue, can be meaningful and (...) will be more meaningful than any finite life could be, because free from a threat to meaningfulness that cannot be removed from any finite life. We therefore have reason to want eternal life lived under these circumstances.
Ein "ewiges Leben" also wäre - so der Autor - viel eher frei von der Bedrohung durch die Bedeutungslosigkeit, von der ein sterbliches Leben bedroht wäre. Er beginnt das Argument seines Aufsatzes mit dem Gedanken, daß man die Aussicht auf den sicheren Tod als sehr "sinnlos" empfinden kann. Dafür kann er natürlich viele berühmte Zeugen aufführen, angefangen bei "Hamlet" von William Shakespeare. Weil ein endliches Leben nicht nur einem "Hamlet" sinnlos erscheint, erscheinen dann Argumente dafür, daß ein ewiges Leben im Gegensatz dazu sinnvoller wäre, plausibel - nach Meinung des Autors.

[Ergänzung 17.3.2020] Beim nochmaligen leichten Überarbeiten dieses Blogbeitrages kommt uns der Gedanke, ob ein Wurzeln im Geist der Pop-Kultur der 1980er Jahre, die sich mit Richard Dawkins irreführendem Buchtitel "Das egoistische Gen" sogar recht weit bis in die empirischen Wissenschaften hinein erstreckte, vielleicht doch nicht so hilfreich sind, um für die hier gestellten Fragen eine letztlich hilfreiche Antwort zu finden. Insbesondere, so wird uns hier deutlich, erläutert der Roman von Douglas Adams ja so einigermaßen jenen Geist der Pop-Kultur, aus dem heraus Sachbücher wie "Das egoistische Gen" den Stand der naturwissenschaftlichen Altruismus-Forschung "geframed" haben (nämlich versimplifizierend Altruismus als angeblich versteckten Egoismus umgedeutet haben). - Es dürfte wirklich bald einmal an der Zeit sein, jene damalige angebliche Entzauberung der Verzauberung zu entzaubern. Ähm.

/leicht
überarbeitet:
17.3.2020/

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ResearchBlogging.org*) Douglas Adams war dem Verfasser dieses Beitrages bis zum Verfassen dieses Beitrages im Jahr 2009 ganz unbekannt. Dieser Beitrag hatte Anlaß gegeben, sich einmal Adams' erstes Buch "Per Anhalter durch die Galaxis" (1979) anzuschaffen. Weiter ist der Verfasser dieses Beitrages allerdings auch bis 2020 nicht gekommen mit der Lektüre. Obwohl der Roman einen Anfang hat angefüllt mit herrlichem britischen Humor, fesselt doch der ganze übrige "Science Fiction"-Stoff  - trotz des weiter eingestreuten Humors und manches eingestreuten Tiefsinns - insgesamt nicht so, daß es leicht wäre, an der Lektüre dran zu bleiben. Insgesamt hinterlassen die Bücher von Adams womöglich doch einen schalen Beigeschmack. (Aber vielleicht wird dieser Eindruck dem Werk von Adams auch noch nicht ausreichend gerecht.)
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  1. Adams, Douglas: Das Leben, das Universum und der ganze Rest. 1982 (GB)
  2. Timothy Chappell (2009). Infinity Goes Up On Trial: Must Immortality Be Meaningless? European Journal of Philosophy, 17 (1), 30-44 DOI: 10.1111/j.1468-0378.2007.00281.x
  3. Williams, B. (1973), ‘The Makropoulos Case: Reflections on the Tedium of Immortality’, in his, Problems of the Self: Philosophical Papers 1956–1972. Cambridge: Cambridge University Press: 82–100
  4. Moore, A. (2006), ‘Williams, Nietzsche, and the Meaninglessness of Immortality’, Mind, 115: 311-330
  5. Ludendorff, Mathilde: Triumph des Unsterblichkeitwillens. 1921
  6. Maier, Tobias: Die Seltsame Krankheit des Benjamin Button, 20. Februar 2009, http://scienceblogs.de/weitergen/2009/02/die-seltsame-krankheit-des-benjamin-button/

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