Samstag, 19. Juli 2008

Zehn Gebote zum Umgang mit dem Thema Rasse und Genetik

ResearchBlogging.org
Eine Forschungsgruppe aus Stanford hat "Zehn Gebote" formuliert zum Umgang mit dem Thema Rasse und Genetik (Genome Biology, New Scientist, Dienekes). Ein Thema, das sich immer mehr in den Vordergrund der Wissenschaft drängt, seit das menschliche Genom vollständig entziffert ist und man in diesem die vielen Bereiche "lokaler", "jüngster" Humanevolution in ihm findet, die bis heute weiter gegangen ist, die also nicht - wie noch Konrad Lorenz im wesentlichen vor Jahrzehnten angenommen hat, seit der Eiszeit stehen geblieben ist.

Genetisch sind die meisten Menschen heute auf der Erde heute zumindest seßhafte "Bauern", keine "Jäger und Sammler" mehr. (Das heißt, sie sind genetisch an seßhafte, bäuerliche Lebensweise angepaßt, zudem lokal unterschiedlich auf der Erde, nicht vornehmlich auf eine Lebensweise von Jäger und Sammlern.)

Eine neue Etappe erreicht im Umgang mit diesem Thema?

Für Menschen, die sich schon länger mit dieser Thematik beschäftigen (wie das hier auch auf "Studium generale" geschieht), enthalten die zehn Gebote nichts wirklich Neues. Aber für die, die sich an diese "brenzlige" Thematik bisher nicht so recht werden herangewagt haben, werden diese "Zehn Gebote" sicherlich künftig einen neuen, aktualisierten Referenzrahmen für die Diskussion darstellen können.

Man muß sie genau lesen, um zu merken, welche inneren Spannungen da zwischen den einzelnen wissenschaftlichen Positionen offenbar zu überwinden waren. Es waren Geistes- wie Naturwissenschaftler beteiligt. Das bringen auch die abschließenden Sätze des "New Scientist" zum Ausdruck:

The Stanford group didn't always agree when coming up with these ideas. Predictably enough, the biomedical scientists tended to think of race in neutral, clinical terms; the social scientists and scholars of the humanities argued that concepts of race cannot be washed clean of their cultural and historical legacies.

But both groups, according to the letter, recognise the power of the gene in the public imagination and the historical dangers of its misrepresentation as deterministic and immutable.

Umstritten wird sicherlich weiterhin vieles sein. Zum Beispiel der folgende Satz zu Punkt 5:
Trying to use genetic differences between groups to show differences in intelligence, violent behaviors or the ability to throw a ball is an oversimplification of much more complicated interactions between genetics and environment.
Aha, der ist auch im "New Scientist", der hier grade zitiert wurde, anders, einfacher formuliert als im Originalartikel. Jedenfalls drückt man sich auch bei diesem Thema schon längst viel zurückhaltender aus als das lange Jahrzehnte vollbrüstig und selbstsicher geschehen war. Während man früher schlicht sagte: "Es gibt hier keine Zusammenhänge mit der Genetik," sagt man jetzt: "Die Zusammenhänge mit der Genetik sind kompliziert." Das sind sie ja immer! Aber daß sie so schlankweg geleugnet würden, daß diese Zusammenhänge bestehen, daß tut heute offenbar niemand mehr. Das sollte als ein bedeutender Umstand festgehalten werden.

Wie umgehen mit genetischen Gruppenunterschieden?

Wesentlich bleibt immer das erste formulierte Gebot, daß einzelne Erbmerkmale nicht über den Wert eines Menschen als Mensch oder einer Gruppe als menschliche Gruppe bestimmen. Dieser Satz ist ungeheuer wesentlich. Da ist sogar der Originalartikel noch besser als der Satz im "New Scientist":

We believe that there is no scientific basis for any claim that the pattern of human genetic variation supports hierarchically organized categories of race and ethnicity.

"Wir glauben ..." finde ich da recht schwach formuliert und zeigt einmal aufs Neue, wie sehr da jetzt und künftig offenbar Menschen ins Schlingern kommen können. Da muß die Gesellschaft, wie Steven Pinker schon vor zwei Jahren sagte, höllisch aufpassen, denn es geht hier nach Pinker um die "gefährlichsten wissenschaftliche Erkenntnis der nächsten zehn Jahre".

Wir müssen viel grundlegender anfangen und darüber nachdenken, ob nicht ein humaner Umgang mit der Andersartigkeit anderer Menschen überhaupt das Humanum an sich ist. Denn daß wir alle "anders" sind und daß wir alle zu lernen haben, mit Andersartigkeit umzugehen, auch mit unserer eigenen im Vergleich zu der anderer, das ist es ja gerade, was uns Menschen vielleicht erst wirklich zu Menschen macht, wenn uns dies wirklich in humanem Sinne gelingt.

Merkwürdig übrigens, daß Devin Powell beim "New Scientist" so geradeheraus die oft recht verschlüsselten Zehn Gebote in kürzeres und leichter verständliches Englisch umformuliert. Vielleicht haben ihm dabei auch Wissenschaftler geholfen, die an der Standfordgruppe selbst beteiligt waren und über die Sprache dieser vielen, gar zu verschlüsselt formulierten "Zehn Gebote" unzufrieden waren.

Man darf gespannt sein, ob und wie das Thema von der Wissenschafts-Berichterstattung am Montag in den Medien aufgegriffen wird.

(Ergänzung Anfang September: Es wurde nirgends darüber berichtet. Zumindest fiel einem nichts auf. Das könnte man als ein sehr "billiges", wenn nicht verantwortungsloses Umgehen mit der "gefährlichsten wissenschaftlichen Entdeckung der nächsten zehn Jahre" ansehen.)

Sandra Lee, Joanna Mountain, Barbara Koenig, Russ Altman, Melissa Brown, Albert Camarillo, Luca Cavalli-Sforza, Mildred Cho, Jennifer Eberhardt, Marcus Feldman, Richard Ford, Henry Greely, Roy King, Hazel Markus, Debra Satz, Matthew Snipp, Claude Steele, Peter Underhill (2008). The ethics of characterizing difference: guiding principles on using racial categories in human genetics Genome Biology, 9 (7) DOI: 10.1186/gb-2008-9-7-404

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