Donnerstag, 31. Januar 2008

Menschenopfer bei den Maya - warum?

Gibt es angeborene Verhaltensneigungen zu Gewaltbereitschaft bei Menschen?

In einer halbprivaten Email-Diskussionsrunde, die sich durch die Diskussionen auf "Abgefischt" herausgebildet hat, wies Herr Ingo-Wolf Kittel auf einen neuen Artikel im "Spiegel" über Menschenopfer bei den Maya hin. (Spiegel) Und er fragte dazu:
Welche"individuelle angeborene Verhaltensneigungen", gemeinsame "Veranlagung" oder womöglich sogar "Gene" muss man für die Entwicklung und Aufrechterhaltung nachstehend geschilderte religiöser Riten annehmen und worin waren sie adaptiv?
Michael Blume hat auf seinem Blog schon seine Antwort gegeben, der ich weitgehend zustimmen kann. Meine Antwort will ich (auch noch einmal) hier hineinstellen.

(Hm, ob man für solche Diskussionen nicht einen gemeinsamen Blog eröffnen sollte, Michael, Herr Kittel, Lars ..., Herr Dahl, wo man dann alles "gebündelt" hätte?)

Insbesondere bin ich zur Antwort aufgefordert worden, als Herr Kittel seine Frage nach Michael's Antwort präzisierte und Bezug nahm auf unsere jüngste Diskussion hier auf dem Blog rund um den Selbstmörder-Stamm der Suruahe (siehe Kommentare zu ---> diesem Beitrag). Herr Kittel schrieb:
Superantwort, Michael, Klasse, bin beeindruckt - meine Fragerichtung ging jedoch weiter in Richtung der von Ingo II (Bading...) für alles und jedes Tun und Reagieren von uns Menschen (wie von den Triebpsychologen des 19 Jh.'s schon...) in Anspruch genommene Konstrukt einer (von ihm sogar "individuell" für möglich gehaltenen!) "angeborenen Verhaltensneigung"...
Dazu schrieb ich nun:
Hallo an die Runde

- und an meinen Namensvetter insbesondere!

offenbar versuchen Sie, Herr Kittel, mit ziemlich heftigen völkerkundlichen, bzw. religionsgeschichtlichen Schilderungen ein naturalistisches Welt- und Menschenbild aus den Angeln zu heben. (- ?) Wir hatten das Thema ja bei mir auf dem Blog kurz andiskutiert.

Aber worauf wollen Sie hinaus?

Glauben Sie, es ist diskreditierend für ein solches Menschen- und Weltbild, wenn festgestellt werden muß, daß es auch für alle Unmoral, für alles Verbrecherische, was Menschen tun, angeborene Verhaltensneigungen gibt? Natürlich gibt es die? Was haben Sie denn gedacht?

Von der Soziobiologie wird das Thema schon lange diskutiert und erforscht. Eine der frühesten deutschsprachigen Veröffentlichungen zum Thema war die des Göttinger Anthropologen Christian Vogel "Vom Töten zum Mord". Ich habe in meinem Blog eigens eine Rubrik/Kategorie "Boshaftigkeit", unter der ich Forschungen zu dieser Thematik, wenn ich irgendwo auf sie stoße, behandele. (siehe auch: St. gen.) Es war der Freund von William D. Hamilton, George Price, der erstmals darauf kam, daß in den mathematischen Gleichungen zur Erklärung der Evolution von Altruismus auch die Erklärung zur Evolution von Boshaftigkeit ("spite") versteckt sind. (George Price ist eine interessante Erscheinung - siehe "Narrow Roads of Gene Land" von Hamilton.)

Es wird erforscht, warum die Empfängniswahrscheinlichkeit bei Frauen, die vergewaltigt werden, statistisch größer ist, als bei solchen, die im Einverständnis mit dem männlichen Partner zeugen. Es wird erforscht, warum Stiefeltern statistisch gesehen eher dazu neigen, Stiefkinder zu ermorden als andere. Ich hatte erst jüngst auch wieder eine neue deutschsprachige Veröffentlichung zu diesem Thema in der Hand, sie war mir aber zu ekelhaft, habe das nicht vertiefend gelesen. Es war eine Übersetzung des neuen Buches von David M. Buss über die Frage, warum offenbar "der Mörder in uns" steckt. ... (Amazon) ("Warum wir zum Töten programmiert sind", lautet der etwas marktschreierische Untertitel. Ich kann und will dieses Buch nicht empfehlen, will nur sagen, daß dort wahrscheinlich auch manches Wertvollere zum jüngsten Forschungsstand bezüglich dieser Thematik zusammen getragen sein dürfte.)

Aber ich wies ja z.B. insbesondere schon darauf hin, daß bei einigen amerikanischen Ureinwohner-Stämmen (heutigen) der weltweit höchste Anteil von Trägern der erblichen Neigung zu ADHS gefunden wurde. Ähnliches gilt für ein sogenanntes "Krieger"-Gen (MAOA), das offenbar Gewaltbereitschaft fördert (z.B. bei den [früher] kriegerischen Maori auf Neuseeland zu hohen Prozentsätzen verbreitet mit klar sichtbaren gesellschaftlichen Folgen auch heute noch - aber zuerst von Kölner Humangenetikern in einer niederländischen Familie entdeckt).

Die südamerikanischen Yanömamö sind ja auch sehr kriegerische Stämme, bei denen ein hoher Prozentsatz der Menschen (viel höher als in der New Yorker Bronx oder während des Zweiten Weltkrieges in Europa oder Asien) eines nicht-friedlichen Todes, sprich durch Gewalteinwirkung in Gruppenauseinandersetzungen oder Ehestreitigkeit oder ähnlichem ums Leben kommt. Die Frage, warum evolutionär gesehen die Menschen offenbar heute nicht mehr so stark dazu neigen, durch Gewalteinwirkung ums Leben zu kommen wie bei den Naturvölkern, hat der bekannte Evolutionspsychologe Steven Pinker im letzten Jahr auf "The Edge" (und anderswo) sehr grundlegend aufgeworfen. Sie ist sehr interessant.

Jedenfalls paßt in all solche Verhaltensdispositionen die geschilderte Religiosität der Maya sehr gut hinein. (Und natürlich nicht nur diese.)

Ich will meine Thesen (formuliert u.a. auf "Abgefischt") sogar sehr deutlich erweitern und präzsieren: Ich nehme sogar sehr heftig an, daß das Christentum (genauso wie der Buddhismus und der Konfuzianismus) genau Selektion gegen solche genetischen Dispositionen in Richtung Gewaltbereitschaft und -neigung betrieben hat. Diese "Ideologien" haben "Zivilisierung" bewirkt, ohne die arbeitsteilige Gesellschaften mit dichter Besiedlungsdichte wohl nicht besonders gut funktionieren.

Die Bergpredigt von Jesus wird sehr wohl genetische Auswirkungen gehabt haben, wie ich sehr stark vermute. Denn - wie gesagt - selbst in der Bronx wird heute nicht mehr das erreicht, was in Naturvölkern in vielen Teilen der Erde eher die Regel als die Ausnahme war. Sicherlich handelte es sich nicht nur um genetische Selektion, sicherlich reichte vielfach auch die Ausbreitung neuerer "Meme" (neuer kultureller, religiöser) Vorstellungen und Ethiken aus.

Wie der Gen-/Umwelt-Anteil bei einer solchen menschlichen Eigenschaft wie Gewaltbereitschaft einzuschätzen ist, dazu habe ich noch nicht so viel gezielt nachgelesen, darüber gibt es aber sicherlich auch schon viele Studien.

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