Donnerstag, 20. Dezember 2007

Ein "Olympia des Nordens"? - Der Glauberg in Mittelhessen (460 v. Ztr.)

Vor 2.500 Jahren verehrten die Menschen in Hessen einen großen König und Heerführer, bzw. sicherlich einen "Friedensfürsten", der zu den Göttern emporgehoben wurde, den "Fürsten vom Glauberg". 

Abb.: Der Keltenfürste vom Glauberg

Ihm errichteten sie die früheste menschliche, steinerne Statue in diesem Raum. Aus dem Süden, dem Mittelmeer-Raum, war nach Hessen hin - zusammen mit Handelswaren und Geschirr - das Gerücht gedrungen, daß es dort Hellenen gäbe, die ihren Göttern steinerne Figuren in Menschengestalt errichteten (1, S. 219ff). Da wollte man gegebenenfalls irgendwann nicht mehr nachstehen. 

Wenn es den Menschen in Mitteleuropa anfangs auch "komisch", merkwürdig und sonderbar vorgekommen sein ma, Götter oder Heroen in Menschengestalt darzustellen.

Grimmig freilich mußte er dreinschauen, dieser Heros, sonst hätte man ihn womöglich nicht ernst genommen. Das süßliche Lächeln der Hellenen, das lag den Menschen nicht hier oben in den kalten Wäldern mit den langen Wintern damals nicht so sehr. Da kann man nur grimmig, nicht heiter in die Welt hinausschauen. Außerdem gab es damals unter den mitteleuropäichen Fürsten diese merkwürdige Mode, lederne "Blattkronen" zu tragen ... (2, S. 24).

Abb.: Eine lederne Blattkrone

Irgend etwas Merkwürdiges müssen die "Großkopferten" ja immer auf dem Kopf tragen, das sie von "gewöhnlichen" Leuten unterscheidet. Damals waren es diese merkwürdigen "großohrigen" Lederkappen. 

Natürlich, imponiert hat das die Menschen damals sicherlich, zumal die Fürsten im Westen am Rhein und im Süden im Odenwald (Heidelberg) ähnlich gekleidet waren.

Abb.: Fragment aus Heidelberg (1, S. 208)

Der Hutmacherdraht, der noch im 20. Jahrhundert verwendet wird, wurde auch im Grab dieses Fürsten gefunden. Überhaupt ist seine Statue eine sehr getreue Wiedergabe des Fürsten in voller Bewaffnung so, wie er auch begraben worden ist und wie er gelebt haben muß. Es ist schon etwas Besonderes, dieser prächtige symbolische, lederne Efeukranz.

Abb.: Rekonstruktion der Steinstele von Pfalzfeld, Hunsrück (1, S. 41)

Sehen diese Ohren denn nicht aus wie ein in Mützenform symbolisierter Efeu- oder Lorbeerkranz? Von den Hellenen mag man gehört haben, daß sie den Siegern in Olympia Lorbeerkränze um's Haupt wanden. In Mitteleuropa waren es Efeukränze.

Abb.: Fürstinnengrab Waldalgesheim, Kreis Mainz-Bingen (1, S. 304)
Bronzebleche eines Streitwagens (330. v. Ztr., entdeckt 1869)
Halbfiguren mit Blattkronen

Der Reichtum dieser "frühkeltischen" Fürsten und ihrer städtischen, bzw. vorstädtischen Gesellschaften in damaliger Zeit in ganz Süddeutschland und im Alpenraum beruhte zu einem nicht geringen Teil auf der Salzgewinnung und dem Salzhandel. Das meiste Salz wurde in damaliger Zeit nicht dazu verwendet, um dem Essen die richtige Prise zu geben, sondern um das Essen zu konservieren

Sicherlich ist auch der Fürst vom Glauberg in Mittelhessen, dessen Volksburg auf dem Glauberg in geographischer Nähe der Salz-Saline von Bad Nauheim liegt, ein "Salzfürst" gewesen. So darf man sich seine Burg vorstellen:

Abb.: Heuneburg, Donautal, rekonstruiert (1, S. 25)

Eine weiträumige, prächtige Prozessions-Straße wurde bei seinem Tod errichtet, ausgerichtet auf die astronomische Mond-Sonnenwende (Glauberg.de , Hess. Ferns. Febr. 2007):

Abordnungen aus viele Gauen, vom Rhein, aus dem Odenwald, von allen Stämmen ringsum, aus Thüringen, aus dem Hunsrück, befreudet oder unterworfen, mögen damals am Glauberg eingetroffen sein, mit oder ohne ihre jährlichen Geschenke, Tribut- und/oder Steuer-Zahlungen. Sie kamen, um den Tod dieses großen Fürsten zu betrauern. 

Am Fuße des Burgberges wurde ihm sei Hügelgrab aufgeschüttet. Und zu diesem hin wurde eine prächtige, astromonisch ausgerichtete, zehn Meter breite Prozessionsstraße angelegt, die zu beiden Seiten mit Wällen und Gräben begrenzt war. Nichts war zu teuer, um den Ruhm und Nachruhm dieses Fürsten und Heroen vor aller Welt und vor den Sternen, der Sonne und dem Mond zu manifestieren. Denn der Heros stand natürlich den Sternen nahe.

Natürlich trug er auch das typische goldene keltische Halsband der damaligen Zeit:

Ihr fernen Nachfahren rätselt herum - "Ahnen-, Heroen- oder Götterbildnisse? (...) vergöttlichte Ahnen oder Heroen" ...? (1). Dabei ist es doch längst klar, daß wir in unseren Fürsten das alles so mehr oder weniger zugleich sahen. Unser großer, erhabener Fürst war sicherlich auch selbst ein Kundiger der Sterne ...

So stand er oft da, vor seiner Burg und dachte sich ...: "... Samhain, Wintersonnenwende, Große Südliche Mondwende ..., oh, Ihr heiligen Götter!" Und schaute erhabenen Sinnes in die Landschaft hinaus, die er so liebte ...

Der Fürst wurde in einem großen "geweihten Bezirk" begraben, der mit Graben- und Wallanlagen abgegrenzt worden war von den profanen Ackerbau- und Weide-Gebieten ringsum. Hier war heiliger Bezirk, nur heilige Tiere, den Göttern gewidmet, durften hier grasen (1, S. 26):

"Mächtige Anlagen waren es auf jeden Fall, die im Wald erhaltenen Reste mit 20 m breiten und 5 m hohen Wällen und 15 - 20 m breiten Gräben bieten auch heute noch ein eindrucksvolles Bild." 

Es wird ein "Olympia des Nordens" an diesem Ort vermutet, eine solche Vermutung hätte ...

... durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Denn angesichts des Stromes von Gütern aus dem Mittelmeerraum in das nordalpine keltische Gebiet, der verschiedentlich nachgewiesenen engen Verbindungen und der Übernahme von Sitten und Kunstformen weigern wir uns zu glauben, daß dieser Verkehr nur auf das Materielle beschränkt war und nicht ebenso geistige und religiöse Vorstellungen in den Norden ausstrahlten und übernommen wurden.
Insofern ist ein Vergleich mit antiken Heiligtümern und dem dortigen Geschehen naheliegend. Hier am Glauberg, am Ort eines Ahnengrabes, neben dem ein Bezirk eingerichtet war, den wir Heroon bezeichnen können, rechnen wir mit Leichenspielen und Wettkämpfen, aus denen zu Ehren der vergöttlichten Ahnen und schließlich eines Gottes oder der Götter Festspiele hervorgegangen sind.
An einem solchen Platz ist auch ein Orakel zu erwarten, und daß hier Versammlungen und Rechtsprechung stattfanden, ist sowieso wahrscheinlich. ...

Dieser unserer Landesarchäologe, Fritz-Rudolf Herrmann, führte an anderer Stelle ähnlich aus:

Nach unseren Vorstellungen könnte die Anlage am Glauberg das zentrale Heiligtum für dieses Herrschaftsgebiet gewesen sein. Und ich zögere nicht und immer weniger, das auch zu vergleichen mit den großen antiken Heiligtümern, die wir kennen. Am bekanntesten ist da Olympia. Das mag verwegen und sehr kühn klingen, aber auch dort ist die Entwicklung: das Ahnengrab, dann Festspiele zu Ehren dieses vergöttlichten Ahnen, die ich mir am Glauberg genauso vorstelle. Wir können nicht ausschließen, es ist sogar wahrscheinlich, daß sogar Orakel an diesem Ort gegeben wurden. (Deutschlandradio 2002)

Den Bezirk rund um den Glauberg hält er für ein großes Heiligtum und vermutet, daß auf der Prozessionsstraße und auf den anderen abgegrenzten Flächen um den Fürstengrabhügel "Leichenspiele" und Wettkämpfe wie in Olympia stattfanden. (Stuttg. Ztg. 2003)

Einer seiner späten Nachfahren, dem man diese schöne Religion genommen hatte, rief schon vor 200 Jahren dem Chattenlande zu:

Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Daß wir uns alle finden am höchsten Fest? -
Doch wie errät der Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?

(Friedrich Hölderlin, Gesang des Deutschen)
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  1. Das Rätsel der Kelten vom Glauberg. Glaube, Mythos, Wirklichkeit. Katalog zur Ausstellung in Frankfurt am Main. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2002
  2. Herrmann, Fritz Rudolf: Glauberg - Olympia des Nordens oder unvollendete Stadtgründung? In: Biel, J.; Krausse, D. (Hg.): Frühkeltische Fürstensitze. Älteste Städte und Herrschaftszentren nördlich der Alpen? Internationaler Workshop zur keltischen Archäologie in Eberdingen-Hochdorf, 12. und 13.9.2003. Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg, Heft 51, Esslingen 2005, S. 18-27

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