Mittwoch, 1. August 2007

Tabuthemen: a) Unfruchtbarkeit in der Ehe, b) keine echte Liebe, c) Geld ...

Eine wichtige Studie des "Berlin-Instituts"


Die Hauptgründe dafür, daß heute in Deutschland nicht mehr Kinder geboren werden, sind erst ansatzweise in das Bewußtsein derer, die derzeit Familienpolitik betreiben oder in das Bewußtsein der öffentlichen Meinung überhaupt eingegangen. Die Medien thematisieren sie so gut wie gar nicht.

Laut neuester Studie des "Berlin-Instituts" und der von ihm in Auftrag gegebenen Allensbach-Studie (Berlin Institut, St. gen.), deren Bedeutung man von Tag zu Tag klarer erkennt, wünschen sich derzeit 4,6 Millionen Kinderlose und 3,3 Millionen Eltern (weitere) Kinder, also insgesamt grob 8 Millionen Menschen. Gründe dafür, daß sich diese Kinderwünsche derzeit nicht erfüllen, sind in einer Umfrage nun abgefragt worden. Es handelt sich im Grunde um lauter Themen, die letztlich noch heute selbst im Gespräch unter Freunden Tabuthemen sind. Das sind noch am wenigsten Geldfragen. Und deshalb haben "Studium generale" und andere diese Geldfragen zunächst in den Vordergrund der Diskussion gestellt (Thema Erziehungsgehalt). Aber es gibt noch stärker mit Tabus behaftete Themen, die hier wichtig sind. Themen, zu denen leicht gesagt wird: "Darüber spricht man nicht."

Gründe für nicht erfüllten Kinderwunsch werden von den 4,6 Millionen Kinderlosen in der folgenden Reihenfolge der Häufigkeit genannt (Mehrfachnennungen waren möglich) *):

1. der subjektiv als geeignet empfundene Lebenspartner fehlt (46 % !!!)
2. berufliche Gründe (26 %)
3. finanzielle Gründe (25 %)
4. man fühlt sich zu jung (18 %) (nur Menschen ab dem 25. Lebensjahr waren überhaupt befragt worden!)
5. der objektiv richtige Lebenspartner zum Kinderkriegen fehlt ("es hat mit dem Schwangerwerden nicht geklappt") (13 %) (Bei den "früheren", heute nicht mehr vorhandenen unerfüllten Kinderwünschen [man hat also schon resigniert] rangiert dieser Grund bei den Kinderlosen sogar auf Platz 2 mit 34 %.)

Gründe dafür, daß sich Kinderwünsche derzeit nicht erfüllen, werden von den genannten 3,3 Millionen Eltern in der folgenden Reihenfolge der Häufigkeit genannt:

1. finanzielle Gründe (35 % !!!) (- ob Ministerin von der Leyen den hier sprechenden Eltern wirklich ausreichend zuhört?)
2. der Partner möchte kein weiteres Kind (19 %) (- erstaunlich!)
3. berufliche Gründe (18 %)
4. der fehlende objektiv richtige Lebenspartner zum Kinderkriegen ("es hat mit dem Schwangerwerden nicht geklappt") (15 %)

Hier die entsprechende Grafik (durch Draufklicken wird's größer) *).

Gehen wir die einzelnen Gründe noch einmal durch:

a) Kinderwunsch zurückgestellt: Die "große Liebe" fehlt


Der Hauptgrund ist also ganz eindeutig der fehlende subjektiv als richtig/geeignet angesehene Lebenspartner. Diese Thematik wurde hier auf dem Blog schon mehrmals erörtert. Aber deshalb sicherlich noch keineswegs genug. Warum verstehen sich die Menschen heute so schlecht miteinander, dass sie nicht zusammen kommen können? Reichen Partner-Vermittlungs-Institute wie "Parship" oder "Elitepartner" aus, um diese Frage zu lösen? Ganz klar heute immer noch mehr oder weniger ein Tabuthema, das noch immer sehr selten offen und gerade heraus in größerer Runde besprochen wird. Oder wer möchte über seine Parship-Erfahrungen gleich ganz unbefangen und gerade heraus reden? - Ganz offensichtlich ist aber in diese Rubrik auch einzuordnen der zweite Hinderungsgrund bei den sich weitere Kinder wünschenden Eltern: der Partner möchte nicht! Was für eine verrückte Welt! Nur einer von beiden Partner möchte noch ein weiteres Kind. In zentralen Fragen einer Partnerschaft herrscht keine Einigkeit.

b) Kinderwunsch zurück gestellt: zu wenig Geld


Dann aber - etwas, was einem erst nach und nach auffällt an der Studie und hochgradig bedeutsam ist: Der Hauptgrund von Eltern, einen weiteren Kinderwunsch zurückzustellen, ist der finanzielle. Wer hat eigentlich diesen Sachverhalt schon wirklich ausreichend auf sich wirken lassen? Das ist ein entscheidendes Argument für mehr Geld für Eltern. Betreuungsgeld, Erziehungsgehalt, bedingungsloses Grundeinkommen, Bürgergeld - ganz egal, wie: mehr, mehr, mehr ist notwendig, wenn man Zukunft sichern will. Dieses Thema wurde ja schon vielfach behandelt hier unter der Rubrik "Familienpolitik". Die Tatsache, dass es die Eltern sind, nicht die Kinderlosen, die diesen Grund als Hauptgrund nennen, zeigt klar auf, dass das nur aus klarstem Realismus heraus genannt worden sein kann. Denn Eltern wissen, was Kinder kosten! Sollten derartige Dinge nicht jeder Bundesregierung in den Ohren gellen?

c) Kinderwunsch zurückgestellt: Keine familienfreundliche Arbeitswelt


Dabei hatte sich "Studium generale" eigentlich vorgenommen, über das Tabuthema Nummer eins in diesem Zusammenhang zu schreiben, nämlich Unfruchtbarkeit in der Beziehung. Sie nimmt einen bedeutsamen vierten und fünften Platz ein und wurde vom Berlin-Institut bei der Auswertung zunächst in den Vordergrund gestellt. Wahrscheinlich auch mit einiger Berechtigung. Aber finanzielle Gründe rangieren auch bei den Kinderlosen auf Platz drei gleich hinter den beruflichen Gründen, die wiederum bei den Eltern auf Platz drei liegen. Die Forderung muss also klar lauten: 1. mehr Geld, 2. ganz umfassend familienfreundlichere Arbeitswelt (Wiedereinstiegs-Chancen etc. pp.). Und diese familienfreundlichere Arbeitswelt wird schlicht dadurch geschaffen, dass die Familien selbst mehr Geld bekommen und darum nicht mehr so sehr auf die Arbeitswelt angewiesen sind. Diese wird sich dann überlegen müssen, wie sie die Eltern wieder zurück lockt. So funktionieren gesunde volkswirtschaftliche Zusammenhänge - auch auf diesen Gebieten.

d) Kinderwunsch zurückgestellt: Man fühlt sich zu jung


Dann ist aber auch Grund vier der Kinderlosen hoch bedeutsam: Man fühle sich zu jung, obwohl man schon 25 Jahre alt ist. Das Berlin-Institut hat in anderem Zusammenhang klar darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit rein medizinisch a) schwanger zu werden, b) eine leichte Schwangerschaft zu haben, c) eine leichte Geburt zu haben, mit jedem späteren Jahr, in der Erstgeburt stattfindet, deutlich sinkt. Sich mit 25 Jahren noch "zu jung" zu fühlen, ist eine weitere Absurdität unserer infantilen Gesellschaft. Viele Fachleute haben deshalb schon gefordert - auch "Studium generale": Ausbildungs- und Berufswege müssen so gestaltet werden, dass die Menschen erst Kinder bekommen können und dann ihre Ausbildung, ihren beruflichen Weg fortsetzen können. Auch dies wird am ehesten dadurch geschaffen werden, dass man die Eltern finanziell vom Produktionsbereich in den Reproduktionsbereich "lockt", und dass sich dann der Produktionsbereich endlich mal wieder etwas einfallen lassen muss, wie er sie zurücklockt und nicht umgekehrt. So wird ein Schuh daraus.

Jeder andere Weg wäre doch "Murks". Jeder andere Weg wäre so ähnlich wie die früheren DDR-Kampagnen zur Leistungssteigerung, die, da sie den Gesetzen des freien Marktes nicht gehorchten, eben immer wieder nur fruchtlos verhallten, bis das ganze Gebäude in einem riesigen großen Krach zusammen stürzte.

Natürlich wird dann auch schnell deutlich, dass schulische und mediale Beeinflussung in Richtung auf die höhere oder geringere Befähigung zur Übernahme familiärer Verantwortung schon in früherem Lebensalter von Bedeutung ist. So ist es zum Beispiel absurd, wie in der Wochenzeitung "Zeit" jüngst berichtet, dass sich die Alkohol-Werbe-Industrie neuerdings ausgerechnet die jungen Frauen als neue Zielgruppe ausgesucht hat. (siehe St. gen.) Mit der Zigaretten-Werbung verhält es sich ganz identisch. Man könnte aber auch weiter fragen, ob "Werbung" in Richtung auf ständigen Sexual-Partnerwechsel sich nicht ebenfalls massiv kontraproduktiv auswirkt auf die Fähigkeit zur Übernahme und zum Leben familiärer Verantwortung in frühen Lebensjahren. Das würde auf eine Kritik an Jugendzeitschriften wie "Bravo" und ähnliche "Institutionen" hinauslaufen.

e) Kinderwunsch unerfüllbar: Unfruchtbarkeit


Und nun zu dem eigentlichen Thema, das ursprünglich in diesem Beitrag hatte behandelt werden sollen: Unfruchtbarkeit in Partnerbeziehungen. Auch hier hat das "Berlin-Institut" (siehe frühere Beiträge) schon wichtige Erkenntnisse verbreitet, als es nämlich darauf hinwies, dass die Pille schon allein ein Klima seelischer Unfruchtbarkeit schafft dadurch, dass die hormonell falsche "Einstellung" der Frauen sie den potentiell falschen Lebenspartner für Kinderkriegen wählen lässt.

"Studium generale" hat den diesbezüglich abgefragten Grund - "es hat mit dem Schwangerwerden nicht geklappt" - umformuliert in: "der objektiv richtige Lebenspartner zum Kinderkriegen fehlt". Und das soll nun begründet werden: Unzählige Kinder werden gezeugt und geboren unbeabsichtigt, da werden Frauen oft viel zu "schnell" schwanger. Wir sind also biologisch im Grunde darauf ausgerichtet (ohne Verhütung), dass Kinder nur so in die Wiegen purzeln, zumal in jungen Jahren, und wenn nicht lange gestillt wird, was ja - mitunter zumindest - eine natürliche Empfängnisverhütung darstellt.

Warum erhofft man sich eigentlich heutzutage so viel von "reproduktiver Medizin"? Sie ist zum einen Teil sehr teuer. Und zum anderen hat sie viel geringere Erfolgswahrscheinlichkeiten, als das allgemein bewusst ist. Darauf wies ebenfalls schon das "Berlin-Institut" hin. (Das "Berlin-Institut" leistet auf all diesen Gebieten derzeit ganz hervorragende Arbeit.) Aber ist nicht auch das ein Absurdum hoch Zehn? Sagt denn hier "die Natur", "die Biologie" nicht ganz klar: nein, sie will nicht. So geht es nicht.

Das muss doch etwas zu bedeuten haben. Wollen wir überall auf die Natur hören, wollen uns gesund ernähren, gesund leben, Sport treiben, Birkenstock-Sandalen tragen, "Jutetaschen statt Plastik" - aber bei einem so wesentlichen Lebensbereich wie dem Kinderkriegen plötzlich das Unnatürlichste vom Unnatürlichen unternehmen? Auch das muss einem doch absurd und haarsträubend erscheinen.

Kinderwunsch und Öko-Bewegung


Und merkwürdig genug, dass solche Dinge noch von keiner "Öko-Bewegung" breit aufgegriffen und thematisiert worden sind. Oder ging das an "Studium generale" vorbei? Jeder kennt aus dem eigenen Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis solche genannten Fälle. Kaum jemals wird darüber offen gesprochen. Man ist da "betulich", läuft nur auf Zehenspitzen umher und tanzt Eiertänze kommunikativer Nichtkommunikation.

Sagt denn die Biologie einem hier nicht ganz klar und eindeutig das, was den anderen (siehe ganz oben) schon die subjektive Psychologie gesagt hat: der geeignete Lebenspartner zum Kinderkriegen ist nicht vorhanden? Selbst wenn man sich sonst noch so gut versteht? Und dies ist nun sogar eine objektive Tatsache. Nicht nur eine subjektiv empfundene. Wollen wir denn gar nicht mehr auf die Natur hören? Auf: "unsere"!?

Natürlicher Umgang mit menschlicher Unfruchtbarkeit


Wie sind denn frühere Generationen, in denen eheliche Fruchtbarkeit schlicht oft die Rentenversicherung darstellte, in denen die Weitergabe des Bauernhofes als Lebensgrundlage als wegleitend empfunden wurde, mit solchen Dingen umgegangen? "Studium generale" fallen dazu die folgenden Zusammenhänge ein. Sicherlich gibt es da noch weitere:

Zunächst herrschte vielerorts in Europa und in Deutschland vor allem bei den Bauern die Sitte, dass eine halbjährige Verlobung erst dann nicht wieder aufgekündigt wurde, wenn die Frau schwanger geworden war. Man lebte also nicht Jahre lang zusammen und "entschied" sich "dann" für Kinder (das wäre in vorindustriellen Gesellschaften schlichtweg als absurd empfunden worden). Sondern man ging frühzeitig Verbindungen ein, die auch wieder gelöst werden konnten, wenn sich zeigte, dass sie sich für die "Alterssicherung" als nicht geeignet erwiesen. Das war früher sicherlich eine der ersten Grundsicherungen gegen Unfruchtbarkeit in der Ehe. (Dies war in vielen Gegenden in Deutschland Sitte. Auch das frühere bayerische, alemannische und heutige amische "Fensterln" fanden und finden aus solchen Gründen heraus Tolerierung bei bäuerlichen Menschen. Bei den Amischen in Nordamerika, einer Bevölkerungsgruppe mit einer der höchsten Geburtenraten weltweit, heute immer noch.)

Zweitens wurde oft und durchaus auch recht pragmatisch eine Ehe wieder aufgelöst, wenn aus ihr keine Kinder hervorgingen. Die Alterssicherung ging vor. Die Verabsolutierung der romantischen Liebesheirat gab es nicht in so ausgeprägtem Maß wie heute.

Die "Fromme Helene"


Drittens gab es bei vielen vormittelalterlichen Kulturen die noch unkompliziertere Institution des "Zeugungshelfers". Also die Frau besuchte einen anderen Mann. Etwas einfacheres kann es ja auch nicht geben. Bei Abwägung aller Umstände werden das viele Menschen als besser empfinden als die Adoption eines Kindes, mit dem man biologisch dann gar nicht verwandt ist. Wenn der deutsche Zeichner und Humorist Wilhelm Busch mit seiner "Frommen Helene" recht haben sollte, dann herrschten solche Sitten noch bis ins späte 19. Jahrhundert sehr selbstverständlich vor: Die Frau machte eine Wallfahrt. Zufälligerweise kam auch noch ihr alter Vetter Franz mit. Aber ansonsten war sie - "sozusagen" - "ganz alleine" (Fromme Helene):
... Aber dort im Sonnenscheine
Geht Helene traurig-heiter,
Sozusagen, ganz alleine,

Denn ihr einziger Begleiter,
Still verklärt im Sonnenglanz,
Ist der gute Vetter Franz ...
Welche Frau von heute traut sich solche Dinge schon zu, wenn sie über eine von einer Ehe unabhängige finanzielle Absicherung für sich und ihre Kinder, die über das Existenzminimum auch dann hinaus geht, wenn sie nicht parallel einer Berufsarbeit nachgeht, nichts weiß. Nicht jede Frau mit gutem Bildungsabschluss und guten Karriereaussichten lebt gerne am Existenz-Minimum. Sogar die meisten nicht. Und wenn Gefahr besteht, dass ein "Vetter Franz" die Ehe zerstören kann, lassen es natürlich alle Beteiligten gleich ganz sein.

Unsere Gesellschaft kennt heute in der medialen Welt einen unglaublichen geschlechtlichen Laisser-faire auf fast allen Gebieten. Und auf der anderen Seite - oder gerade deshalb? - herrscht im privaten Bereich oft eine Prüdität vor, die zu all den schon vorhandenen Absurditäten noch so manche weitere mit sich bringt.

- Es ist die Seele, an der unsere heutige Gesellschaft krankt. Mit allen sich daraus ergebenden Folgen. Bis auf die fundamentalsten Gebiete. Und jeder - jeder - ist betroffen.

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*) Achtung, in dem Berlin-Institut-Artikel scheinen die Überschrift der beiden Grafiken zu Kinderwünschen heute und früher vertauscht zu sein. Aber man kann sich ja an den Formulierungen "ich habe"/"ich hatte" orientieren.

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