Mittwoch, 27. Juni 2007

Wenn der Mensch eine Seele hat, dann müssen Tiere auch eine Seele haben

Die "New York Times" fragt, ob auch aus naturwissenschaftlicher Sicht gesagt werden kann, daß Menschen eine Seele haben. (NYT, Darwinian Conservatism) Und ihre Antwort ist mehr oder weniger: Wenn man dem Menschen eine Seele zuspricht, dann geht das nur, wenn man sie auch den Tieren zuspricht. Dem kann ich folgen.

NYT: ... there may be soul in the sense of “the universal spirit of the cosmos,” but the soul as it is usually spoken of, “an immaterial spirit that occupies individual brains and that only evolved in humans — all that is complete nonsense.”

Also wenn man also Naturwissenschaftler sagen möchte, daß Menschen eine Seele haben, dann muß man in jedem Fall sagen, daß auch Tiere eine haben. Das ist die zentrale Aussage dieses Artikels, auf die es ankommt. Natürlich muß man als Naturwissenschaftler derzeit noch nicht sagen, daß Menschen eine Seele haben. Man kann weiterhin davon ausgehen, daß die ganze Welt, alle Tiere und Menschen (und Pflanzen und Einzeller) nichts weiter als Maschinen seien. Tut man es aber nicht, kann man nicht nur dem Menschen Seele zusprechen, sondern muß dies auch den Schimpansen gegenüber tun oder dem Australopithecus. Denn alles, was beim Menschen Seele ausmacht, ist in der einen oder anderen Weise bei anderen Lebewesen auch schon vorhanden. Auch beim Hund in der Wohnung.

In der NYT wird dies folgendermaßen ausgedrückt: “Evolutionary biology shows the transition from animal to human to be too gradual to make sense of the idea that we humans have souls while animals do not,” wrote Dr. Murphy. (...) “All the human capacities once attributed to the mind or soul are now being fruitfully studied as brain processes — or, more accurately, I should say, processes involving the brain, the rest of the nervous system and other bodily systems, all interacting with the socio-cultural world.”

Therefore, she (Nancey Murphy) writes, it is “faulty” reasoning to want to distinguish people from the rest of creation. She and Dr. Haught cite the ideas of Thomas Aquinas, the 13th-century philosopher and theologian who, Dr. Haught said, “spoke of a vegetative and animal soul along with the human soul.” (...) "It’s wiser to recognize that there is something analogous to soul in all living beings.”

Does this mean, say, that Australopithecus afarensis, the proto-human famously exemplified by the fossil skeleton known as Lucy, had a soul? He paused and then said: “I think so, yes. I think all of our hominid ancestors were ensouled in some way, but that does not rule out the possibility that as evolution continues, the shape of the soul can vary just as it does from individual to individual.”

Und wo sind - wieder einmal - die Philosophen?

Kardinal Schönborn machte sich neulich in einem Interview noch ziemlich lächerlich, als er gefragt wurde, ob der Neandertaler eine Seele hätte und sagte, das wisse er nicht!! (Weil ja vom Neandertaler nix in der Bibel steht, grins!) - Das folgende würde ich allerdings zu diesem Thema auch sagen: Dr. Haught said it could be difficult to discuss the soul and evolution because it was one of many issues in which philosophical thinking was not keeping up with fast-moving science.

Auf diesem Gebiet hat der Atheismus (und natürlich auch der Monotheismus) philosophisch Tabula rasa gemacht. Und Philosophen, die sich - etwa - mit dem Deutschen Idealismus beschäftigen, wie etwa Dieter Henrich, von denen hat man noch nie etwas über moderne Naturwissenschaft gehört. (Ich zumindest nicht. Das ist diesen Philosophen wahrscheinlich zugleich 1. zu banal, 2. zu kompliziert.)

Konrad Lorenz würde - wohl - zustimmen

Dann wird auch noch Kenneth R. Miller zitiert, den ich - zusammen mit Richard Dawkins - sehr schätze. Er sagt: Als Wissenschaftler kann ich von Seele nicht reden. - Ich bin mir nicht sicher, ob sich diese "harte" Route wird durchhalten lassen. Musikalität hat etwas mit Seele zu tun - oder etwa nicht? Und wie ist es mit Empathie? Natürlich, im Zweifelsfall sind wir Maschinen, die sich für Musik begeistern. Im Zweifelsfall. Konrad Lorenz zum Beispiel hat sich gegen ein solches "szientistisches" Menschen- und Weltbild heftig gewehrt in seinem Buch "Der Abbau des Menschlichen" (siehe frühere St. gen.-Beiträge.) "Werterlebnisse" sind für Konrad Lorenz, wenn ich ihn recht verstanden habe, seelische, schöpferische Erfahrungen.

Was aber jetzt Larry Arnhart ("Darwinian Conservatism") aus diesem NYT-Artikel macht, das will mir auch nicht so recht gefallen. Er sagt, in der Bibel würde sich das Decarte'sche Denken gar nicht finden. Und er murmelt dann etwas von der Wiederauferstehung des wiederbeseelten (- "enspirited"?) Körpers. Und was soll das nun heißen? Ich glaube, das kann er seiner Großmutter erzählen. Meiner nicht. (Erstens weil sie nicht mehr lebt. Zweitens aber auch sonst nicht: "So ein Quatsch," hätte sie gesagt.)

Arnhart (Darwinian Conservatism): Moreover, I also believe that this Cartesian dualism contradicts the Bible, which teaches that our minds and bodies are inextricably intertwined. Rather than looking to the immortality of the soul separated from the body, the Bible looks to the resurrection of the enspirited body. Neuroscience explores this psychosomatic unity of mind and body.

- Er meint wahrscheinlich die Wiederauferstehung eines zuvor - vielleicht durch Depressionen - "entseelten" Körpers. Sonst wüßte ich nicht, was er meinen könnte. Aber ne, selbst dann: Dat is was für seine Großmutter, nicht für meine. Ich stehe auch manchmal von den Toten auf. Ich werde auch manchmal gekreuzigt. Ja. Religiöse Metaphern sind gut, so lange man sie allein philosophisch betrachtet. Und prinzipiell südamerikanische religiöse Metaphern genauso bewertet wie europäische. Und das ganze sonstige Bimbamborium drum herum beiseite läßt. Ich weißt aber nicht genau, wie Larry Arnhart das sieht. Denn: Warum redet er nur von biblischen und nicht gleichzeitig auch von südamerikanischen Märchen?

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