Sonntag, 6. Mai 2007

Kenia: "Laufen, um zu überleben"

In seinem Buch "Taboo" aus dem Jahr 2000 beschäftigt sich Jon Entine ausführlich mit den angeborenen unterschiedlichen sportlichen Begabungen von Völkern. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Langlauf-Begabung der Kenianer, besonders der Hirtenstämme im kenianischen Hochland. Diese Langstreckenlauf-Begabung hat schon viel Legendäres in der Sportgeschichte hervorgebracht. In Kenia ist Langlauf der National-Sport schlechthin geworden. Jon Entine referiert auch evolutionsbiologische Theorien, aufgrund welcher kultureller Selektion diese angeborene Langstreckenlauf-Begabung in diesen Völkern gefördert worden sein könnte. Hier spielt der Rinderdiebstahl bei Nachbarstämmen eine große Rolle. Nur wer schnell und weit laufen konnte, konnte viele Rinder rauben und dabei überleben und die geraubten Rinder in Fortpflanzungs-Erfolg umsetzen - um so mehr Rinder, um so mehr Frauen. Möglicherweise ein sehr einfacher Mechanismus: "Laufen, um zu überleben" - exakt dies sagt auch Dieter Baumann (siehe unten).

Auch von Sportwissenschaftlern in Bayreuth wird diese Langlauf-Begabung erforscht - mit neuen Ergebnissen (Berliner Morgenpost):

Die Dominanz der kenianischen Langstreckler in der internationalen Leichtathletik beruht offenbar nicht wie bisher vermutet auf der Höhenluft des ostafrikanischen Hochlands. Eine Studie Bayreuther Sportwissenschaftler unter der Leitung von Professor Walter Schmidt kommt stattdessen zu dem Ergebnis, dass die Ursache der größeren Leistungsfähigkeit im deutlich geringeren Körpergewicht der Afrikaner gegenüber gleich großen weißen Athleten zu sehen ist. Dazu kommen eine besseren Laufökonomie und günstigere biomechanische Voraussetzungen. "Wir haben festgestellt, dass die Kenianer bezüglich Blutvolumen und Hämoglobin keine wesentlich höheren Werte aufweisen als deutsche Ausdauer-Spitzensportler", erklärte Schmidt. Die Studie unterstützt auch die Auffassung des 5000-Meter-Olympiasiegers von 1992, Dieter Baumann. Der Tübinger setzt hinzu: "Die Kenianer haben eine Schmerztoleranz im Training, die man von unseren Athleten nicht kennt und kaum abverlangen kann. Laufen um zu überleben, ist dabei eine gängige Strategie." Bei der Bayreuther Studie wurde eine zehnköpfige kenianische Trainingsgruppe des ehemaligen 5000-Meter-Weltmeisters Yobes Ondieki sportwissenschaftlich begleitet.