Montag, 30. April 2007

Ein sogdischer Gesandter in Zentralchina (550 n. Ztr.)

Ein in Zentralchina lebender Adeliger, Yu Hong (533 - 592), war Sogder, ein den Tocharern verwandtes, benachbartes Volk. So die Schlußfolgerung, die aus der Erforschung seines seit 1999 ausgegrabenen Grabes und seiner DNS gezogen werden müssen. (PNAS, pdf., Dienekes, Razib Khan)

Er stammte somit nicht aus jenem (kentumsprachigen, westindogermanischen) Volk, das um 2000 v. Ztr., wie vor allem seine hochwertigen, bronzezeitlichen Textilien ausweisen, direkt aus Mitteleuropa bis an die Westgrenze Chinas gewandert ist. Die Tocharer haben in Innerasien als Volk von Bauern und Hirten die fruchtbaren Ränder und Seeufer der bis dahin weitgehend unbewohnten Wüste Talimakan (zwischen Himalaja und Altai-Gebirge) besiedelt und Städte entlang der sogenannten "Seidenstraße" errichtet. In den letzten Jahrzehnten wurden hunderte von "Wüstenmumien" der Angehörigen dieses Volkes ausgegraben, von denen einige heute im Museum der Provinzhauptstadt von Xiangjang (= Provinz der Uiguren, früher Tocharistan) in Ürümchi besichtigt werden können. Sie haben international Aufsehen erregt, da sie - an der Westgrenze Chinas und in einer Region, die bis zur chinesischen Zuwanderung des 20. Jahrhunderts vorwiegend von mongolischen Uiguren bewohnt worden war - rein europäische Körpermerkmale aufweisen: blonde Haare, lange Nasen, tiefliegende Augen, hohe Körpergröße und zahlreiche andere Merkmale mehr. Die Tocharer lebten dort nach den Datierungen der Wüstenmumien zwischen 2000 v. Ztr. bis etwa 800 n. Ztr. und gingen dann nach Unterwerfung durch die von Norden kommenden Hunnen und Mongolen in dem heutigen dort lebenden Volk der Uiguren auf.

Nach allem, was wir heute wissen, übten die Tocharer großen Einfluß auf die Entwicklung der chinesischen Kultur aus. Höchstwahrscheinlich brachten sie um 1600 v. Ztr. die Bronzezeit nach China, auch ärztliche Heilkunde und viele religiöse Vorstellungen. Das Gebirge, das über Jahrtausende hin die Tocharer von den Chinesen trennte, das "Himmelsgebirge", spielt noch heute eine besondere Rolle in den altchinesischen religiösen Vorstellungen und in der Kaiser-Ideologie. Wahrscheinlich waren es zum Schluß auch die tocharischen Reiterkrieger, ihre Nachkommen und verwandte Völker, die den Buddhismus in Ostasien von Indien bis nach Korea und Japan ausgebreitet haben und dabei die fortschrittliche Yayoi-Kultur (Reis-Anbau, auch Grabhügel-Sitte) nach Korea und Japan brachten. Nur aufgrund buddhistischer religiöser Texte, die man in einigen Klöstern Innerasiens fand, ist uns heute noch ihre indogermanische Sprache bekannt geblieben.

Ihre Gene mögen heute aufgrund von "Selektion gegen rebellische Charaktere", wie das der chinesische Humangenetiker Bruce Lahn sagte, nur noch selten in Ostasien zu finden sein. Aber in den Gräbern und Skeletten tauchen sie nun wieder auf - oder die ihrer Verwandten. Das Grab des eingangs genannten Adeligen Yu Hong befindet sich in Taiyuan, in der chinesischen Provinz Shangxi, also von Sogdien (Tadschikistan) und Tocharistan (heutiges Uigurien oder Xingjang) aus gesehen überraschend weit entfernt im Osten, im Zentrum des chinesischen Reiches. Es wird seit 1999 ausgegraben. Der Stil des Grabes und die farbigen Reliefs werden als "zentralasiatisch" charakterisiert. "Die abgebildeten Menschen haben offensichtlich europäische Körpermerkmale wie lange Nasen und tiefliegende Augen". Dem Grabstein lassen sich reichhaltige Informationen entnehmen: "Die Vorfahren von Yu Hong, (...) sein Großvater und sein Vater leben im Land Yu und sind Adelige dieses Landes." Damit ist - so die Forscher - Tocharistan (Xingjang) gemeint. "Yu Hong war Führer der zentralasiatischen Völkerschaften, die während der Sui-Dynastie in China siedelten." Sein Vater und Großvater sind dabei nicht mitgezogen, sondern in der Heimat geblieben. Er selbst verließ seine Heimat als Gesandter mit 13 Jahren.

Die sechs Jahre später gestorbene Ehefrau von Yu Hong wurde ebenfalls in seinem Grab begraben. Beider mitochondriale (also weiblich vererbte) DNA wurde untersucht. Seine eigene DNA gehört zur europäischen Haplogruppe U5, die seiner Ehefrau zur ostasiatischen Haplogruppe G. Heute gibt es die Haplogruppe U5 noch besonders in Tadschikistan (etwa 4,5 % der Bewohner). In anderen zentralasiatischen Ländern hat man erst 3 Personen gefunden, die diese Haplogruppe tragen. Man fand sie bei 2 von 53 untersuchten Kasachen. Nur 3 bis 5 % der heutigen zentralasiatischen DNA gehört zur Haplogruppe G. Daraus schließen die Forscher, daß zumindest die mütterlichen Vorfahren der Ehefrau Yu Hong's Einheimische waren und nicht aus Westen zugewandert sind.

Es gab schon in früheren Jahren ancient DNA-Studien, die in noch einmal tausend Jahre älteren Gräbern in Linzi in der Provinz Shangxi (500 v. Ztr.) europäische Gene fanden. Die Ergebnisse dieser Studien sind aber infrage gestellt worden. Bei dieser neuen Studie handelt es sich somit - so die Forscher "um die östlichste Region, in der europäische Gene im Alten China gefunden worden sind - abgesehen von den zweifelhaften Ergebnissen des 2.500 Jahre alten Linzi."
(Weitere Auskünfte im nächsten Beitrag.)