Donnerstag, 11. August 2016

Plazentatiere - Sie entstanden erst unmittelbar vor Aussterben der Dinosaurier

In der Zeit vor 65 bis 69 Millionen Jahren

Die Evolution hat bei großen Schritten immer viel experimentiert. Und es gibt dementsprechend dann immer viele Übergangsformen. So auch beim Übergang von den Reptilien zu den Säugetieren. Ob die Evolution der echten Säugetiere mit einer Plazenta, also einer Gebärmutter, die lange Schwangerschaften erlaubt, vor dem Aussterben der Dinosaurer (vor 65 Millionen Jahren) einen langen Vorlauf hatte, wie das bisher zumeist angenommen worden war, wird immer fragwürdiger. Sicher ist, daß es aus dieser Zeit bis heute noch zum Beispiel eierlegende Kloakentiere oder Beuteltiere gibt, eben Übergangsformen (sie werden zusammen mit den echten Säugetieren zu den Eutheria gezählt) (Wiki).

Abb. 1: Beutelsäuger und Kloakentiere gibt es seit 125 Millionen Jahre, seit der Unteren Kreidezeit - Die hier abgebildete Art wurde 2005 entdeckt (Wiki)

Nach der molekularen Uhr sollten Plazentatiere eigentlich schon in der frühen Kreidezeit evoluiert sein. Aber: Seit Jahrzehnten sucht man aus dieser Zeit Fossilien von ihnen, findet sie aber nicht zweifelsfrei.

Nach einer neuen Studie (1) entstanden die Planzentatiere nun erst unmittelbar vor dem Aussterben der Dinosaurier in der Zeit vor 65 und 69 Millionen Jahren. Hier gibt es noch viel Diskussion. Aber dieses Datum ist jetzt mal der letzte Stand der Forschung. Auch für die Boreoeutheria (z. B. Maulwürfe, Katta) und Laurasiatheria (Huftiere, z.B. Giraffen) ist strittig, ob sie unmittelbar VOR dem Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren entstanden sind oder unmittelbar danach. 

Um so tiefer man sich in die Studie einarbeitet, die frei zugänglich ist, um so komplizierter - und spannender - wird es. An dieser Stelle soll zunächst nur das Hauptergebnis festgehalten werden:

Wir zeigen, daß die Geschwindigkeit der morphologischen Evolution in den fünf Millionen Jahren unmittelbar vor dem Kreide-Tertiär-Massenaussterben drei mal größer ist als die Artbildung-Hintergrundsgeschwindigkeit während der Kreidezeit. (...) Eine Artenexplosion ergab sich als Plazentatier-Linien während des Frühen Paläozäns neue ökologische Nischen besetzten.
"We show that rates of morphological evolution in the 5 Myr interval immediately after the K–Pg mass extinction are three times higher than background rates during the Cretaceous. (...) An evolutionary radiation occurred as placental lineages invaded new ecological niches during the Early Palaeocene."

Also gegenüber den durchschnittlichen Artenbildung pro Zeitintervall in der Evolution allgemein während der Kreidezeit verdreifachte sich die Zahl der neuen Arten pro Zeitintervall für die Säugetiere in den fünf Millionen Jahren unmittelbar nach der Zeit vor 65 Millionen Jahren.

Fünf Millionen Jahre - das ist ungefähr die Zeit, die die Evolution brauchte von der Organisationsstufe der Schimpansen zur Organisationsstufe des modernen Menschen. Das ist also aus evolutionärer Sicht eine sehr kurze Zeitspanne.

Für den Neodarwinismus werden die Zeitspannen immer kürzer, in denen er - nach seinem Paradigma - mit Hilfe von Punktmutionen die Fülle der Artbildungen und die Intensität des Artwandels erklären muß. Denn bei der Entstehung der echten Säugetiere geht es nicht nur um Gehirnevolution und die Evolution - etwa - des zweibeinigen Gehens. Da geht es um viel grundlegendere Dinge wie eben eine Gebärmutter, um die Evolution intensiverer sozialer Bindungen zwischen Elterntieren und Jungtieren und vielen anderen sehr grundlegenden Dingen.

Spannendste Entwicklungen, die alle sehr grundlegende Fragen aufwerfen.

Als frühere Evolutionsforschung von einem "plastischen Zeitalter" sprach, scheint sie mit diesem Begriff der Wirklichkeit doch schon ziemlich nahe gekommen zu sein. 

Das "plastische Zeitalter" dauerte nur 300.000 Jahre

Denn nach einer weiteren Studie (2) kann Evolution, Artenbildung innerhalb von 300.000 Jahren auch die Fülle die Artenwelt hervorbringen, die nach dem Aussterben der Dinosaurier erreicht wurde. Bei den Buntbarschen in Ostafrika geht es zwar offenbar noch etwas schneller. Aber trotzdem sind 300.000 Jahre ja - aus Sicht der Evolution insgesamt - eine sehr schnelle Zeit. Der Zeitraum ist nur etwas länger als es anatomisch moderne Menschen gibt.

Ob solche Erkenntnisse noch mit den Annahmen des Neodarwinismus in Einklang gebracht werden können, daß Evolution vor allem durch Punktmutationen zustande kommt?

Vielmehr wird man ja jetzt - womöglich - bald als Regel aufstellen können, daß die Artbildung in der Evolution - recht häufig - jeweils in einem so kurzen Zeitraum abgelaufen ist (nach Massenaussterbeereignissen).

300.000 Jahre! Vom gemeinsamen Vorfahren von Schimpansen und Menschen bis zum Menschen brauchte die Evolution mindestens 4 Millionen Jahre, vom Homo habilis bis heute 2,5 Millionen Jahre.

 

/ Zuerst am 11.8. und 21.7.2016 auf Google+, 
dann gesichert auf St. gen. Kurzbeiträge,
hier leicht überarbeitet eingepflegt: 3.7.2021 /

______

  1. "Eutherians experienced elevated evolutionary rates in the immediate aftermath of the Cretaceous -Palaeogene mass extinction", http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/283/1833/20153026
  2. "Severe extinction and rapid recovery of mammals across the Cretaceous-Paleogene boundary, and the effects of rarity onpatterns of extinction and recovery", http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jeb.12882/abstract